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Die Philosophie des Glucks Glucksphilosophie ist die Richtung der Philosophie die sich mit der Natur und den Wegen zum Erlangen des Glucks bzw der Gluckseligkeit altgriechisch eydaimonia eudaimonia auseinandersetzt Sowohl die klassische westliche Philosophie Philosophie der Antike als auch die ostliche Philosophie beschaftigen sich seit ihren Anfangen mit dem Thema Gluck Weil das Glucksstreben eine uralte Sehnsucht des Menschen ist zahlt der Themenkreis zu allen Zeiten zu den Kernelementen der Philosophie und wird dementsprechend auch von modernen Philosophen bearbeitet Angelo Bronzino Allegorie des Glucks 1564 Inhaltsverzeichnis 1 Gluck in der Philosophie der Antike 1 1 Aristippos von Kyrene 1 2 Platon 1 3 Aristoteles 1 4 Epikur 1 5 Die Stoa 2 Gluck in der Philosophie des Mittelalters 2 1 Augustinus von Hippo 2 2 Pseudo Dionysius Areopagita 3 Gluck in der Philosophie der Moderne 3 1 John Stuart Mill 3 2 Immanuel Kant 3 3 Arthur Schopenhauer 3 4 Friedrich Nietzsche 3 5 Bertrand Russell 3 6 Ludwig Marcuse 3 7 Kritik am Gluck in der Moderne 4 Siehe auch 5 Literatur 5 1 Quellen 5 2 Sekundarliteratur 6 EinzelnachweiseGluck in der Philosophie der Antike Bearbeiten Nie waltet im Leben das Gluck lauter und frei vom Leide Sophokles Antigone Aristippos von Kyrene Bearbeiten Der wahrscheinlich erste Philosoph der eine komplette Glucksphilosophie entworfen hat war Aristippos von Kyrene der von 435 v Chr bis ca 355 v Chr lebte Aristipp war ein Schuler des Sokrates und begrundete die kyrenaische Schule er gilt als Begrunder des Hedonismus In seiner Philosophie unterscheidet Aristippos zwei Zustande der menschlichen Seele die Lust als sanfte und den Schmerz als raue ungestume Bewegung der Seele vgl 1 S 116 Dabei gibt es jedoch keinen Unterschied zwischen verschiedenen Lusten das heisst dass jede Lust unabhangig von ihrer Natur die gleiche Qualitat hat Der Weg zum Gluck ist es nun nach Aristipp die Lust zu maximieren dem Schmerz aber auszuweichen Er behauptet gar das bewusste Geniessen sei der eigentliche Sinn des Lebens Als hochstes Ziel stellte er die sanfte glatte zur Empfindung sich steigende Bewegung hin 1 S 115 Platon Bearbeiten Platon lebte von etwa 428 v Chr bis um 348 v Chr in Athen war Schuler des Sokrates behandelte in seinen beruhmten Dialogen seine Lehre und die seines Lehrers Sokrates Die sophistischen und vorsokratischen Meinungen zum Thema Gluck werden in den Dialogen kritisch betrachtet und im sokratischen Gesprach grosstenteils grundsatzlich widerlegt Laut Platon hat die menschliche Seele drei Teile Die Vernunft den Willen und das Begehren Ein Mensch ist nur dann glucklich wenn alle drei Seelenteile im Gleichgewicht sind und miteinander im Einklang sind das heisst sich nicht widersprechen Aristoteles Bearbeiten Noch anders verwirklicht sich fur Aristoteles das menschliche Wesen In der Polis das heisst in der Gemeinschaft im Staat Wer die in ihm liegenden Tugenden und Tuchtigkeiten innerhalb der Polisgemeinschaft von Natur aus entfaltet ist gluckselig Vollendet glucklich kann ein Mensch jedoch erst genannt werden wenn er mit ausseren Gutern hinreichend ausgestattet ist und sein ganzes Leben tugendgemass verbringt 3 vgl S 50 In der Nikomachischen Ethik l 6 geht Aristoteles zur Veranschaulichung seines Glucksbegriffs von Menschen und Organen aus die eine bestimmte Funktion haben der Flotenspieler oder Schuster das Auge die Hand der Fuss Ein solches Seiendes vollbringt ein Werk Es besteht beim Schuster in einem bestimmten Produkt beim Flotenspieler und beim Auge in einer bestimmten Tatigkeit Es ist das Gut des betreffenden Seienden Diese Uberlegung wendet Aristoteles dann auf den Menschen als solchen an Er fragt worin dessen Werk bestehe Wie Pflanze und Tier vollbringt der Mensch das Werk des Lebens Sein Werk als Mensch liegt in dem Lebensvollzug der ihn von Pflanze und Tier unterscheidet der Vernunft tatigkeit Gluck ist demgemass also primar nicht ein Wohlergehen die vollstandige Befriedigung aller Bedurfnisse und Neigungen sondern tatiges Sein theoretische und praktische Vernunfttatigkeit als spezifisch menschlicher Lebensvollzug Gluck und Tugend bilden nach Aristoteles eine Einheit Ein Flotenspieler kann gut oder schlecht spielen spielt er gut so aufgrund seiner Tuchtigkeit Arete Ebenso kann der Mensch die Vernunfttatigkeit gut oder schlecht ausuben je nachdem ob er sich in der Verfassung der Tugend Arete befindet oder nicht Sein Gluck besteht in dieser gut vollzogenen Vernunfttatigkeit Zum Gluck gehoren nach Aristoteles aber auch aussere Guter es ist auch von der Gunst der ausseren Umstande abhangig Freilich wird der sittlich Gute wie ein guter Handwerker aus dem ihm vorgegebenen Material aus den jeweiligen Umstanden das Beste machen und so ein hochstmogliches Mass an Unabhangigkeit erringen Das schliesst aber nicht aus dass auch er von den ausseren Zufalligkeiten des Lebens abhangig ist Unter beiden Rucksichten als sittlich gute Tatigkeit und in seiner Abhangigkeit von den ausseren Gutern ist das Gluck an die menschliche Gemeinschaft Polis gebunden Epikur Bearbeiten Ein wichtiger Glucksphilosoph der Antike ist Epikur der von 341 v Chr bis 270 v Chr lebte und die epikureische Schule grundete Er beschreibt die Lust als Prinzip gelingenden Lebens Dabei darf seine Position nicht mit der des Aristippos verwechselt oder gleichgesetzt werden Gluck ist fur Epikur viel eher ein Freisein von Unlust als eine bedingungslose Hingabe an die Lust So ist es das Hauptziel der epikureischen Glucksphilosophie durch Schmerzvermeidung einen Zustand physischer Schmerzfreiheit zu erlangen Dies funktioniert dabei nicht durch ubermassigen Genuss der weltlichen Guter oder Schwelgerei sondern durch strategische Reduktion auf die notwendigsten Bedurfnisse Epikur ist der Ansicht dass jemand der sich sehr hoch hinauswagt auch sehr tief fallt dass also extreme Lust auch immer extreme Unlust nach sich zieht Deshalb empfiehlt er einen Weg des kleinen Glucks Beruhmt geworden ist der Schluss eines Briefes an seinen Freund Menoikeus Schicke mir doch einmal ein Stuck kythischen Kase damit ich wenn ich Lust dazu habe einmal recht schwelgen kann 1 S 228 Epikur selbst blieb tatsachlich in seinem letzten Lebensabschnitt auch immer beim kleinen Gluck wie ebendiesem Stuck Kase was aber auch nicht so sehr verwundert wenn man seine Geschichte etwas naher kennt Er wurde insgesamt siebenmal aus Athen vertrieben Dabei wurde auch seine Schule niedergebrannt Schliesslich zog er sich in einen Garten zuruck Epikurs Philosophie ist dabei aber auch nicht mit der des Diogenes von Sinope zu vergleichen der eine asketische Haltung vertrat um den Zustand der Gluckseligkeit im Verzicht zu erlangen Durch diese asketische Lebensfuhrung konne man dann den Zustand innerer Seelenruhe erlangen indem man uber die Todesfurcht siegt Vielmehr glaubt Epikur schon daran dass es ein gluckliches Leben sei nach dem der Mensch streben soll Die Gluckseligkeit habe einen doppelten Sinn in hochster Bedeutung sei sie der Gottheit gleichartig die keine Steigerung zulasst 1 S 279 oder noch viel deutlicher Ich wusste nicht was ich mir uberhaupt noch als ein Gut vorstellen kann wenn ich mir die Lust am Essen und Trinken wegdenke wenn ich die Liebesgenusse verabschiede und wenn ich nicht mehr meine Freude haben soll an dem Anhoren von Musik und dem Anschauen schoner Kunstgestaltungen 1 S 225 Die Stoa Bearbeiten Vollkommen andere Vorstellungen von Gluck finden sich in der antiken Stoa zum Beispiel bei Zenon von Kition oder auch in der romischen Stoa bei Marcus Tullius Cicero und Seneca Sie lehnen den Epikureismus ab und erheben die Tugend anstatt des Glucks zum Lebensprinzip Lust wird abgelehnt So schreibt zum Beispiel Zenon Begierde ist ein unvernunftiges Verlangen 1 S 59 oder Lust ist das unvernunftige Frohgefuhl uber eine scheinbar begehrenswerte Sache 1 S 60 Anders als bei Aristoteles wird das Erreichen der Gluckseligkeit aber auch vom politischen Leben abgekoppelt gluckselig ist nunmehr der der nach der Natur lebt Da nur die Natur durch gottliche Vernunft bestimmt wird heisst auch nur vernunftig wer im Einklang mit der kosmischen Ordnung lebt und Leidenschaften und Begierden zuruckdrangt Chrysippos von Soli schreibt zum Beispiel in seinem Buch uber das Schone Das Recht besteht von Natur und nicht durch menschliche Satzung 1 S 67 Vernunftig ist dann wer aufgrund des sicheren Urteils die Tugend zum Massstab des Handelns werden lasst Man muss frei von Affekten und gleichgultig gegenuber seinem Schicksal apatheia sein Wirkliche Freiheit besteht nur in Unabhangigkeit vom ausseren Geschick wie auch von den eigenen Leidenschaften und Wunschen So lasst sich der Zustand der ataraxia erreichen der fur die Stoiker Gluckseligkeit bedeutet Gluck in der Philosophie des Mittelalters BearbeitenDie in der Antike aufgestellten Glucksphilosophien beherrschten auch die nachfolgenden Epochen bis hin zur Moderne sie haben sogar Eingang in heutige Vorstellungen von Gluck gefunden Auch im die Philosophie des Mittelalters bestimmenden Christentum sind viele Ideen der antiken Glucksvorstellungen entlehnt so zum Beispiel die Idee der Askese die sich bei Diogenes von Sinope findet oder eine Erlosungs vorstellung dass der dauerhafte Gluckszustand nicht irdisch ist sondern erst nach dem Tod im Jenseits erreicht werden kann wie sie auch Platon beschrieb Im Neuen Testament wird die Idee des Glucks vor allem in der Offenbarung des Johannes deutlich Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde und er Gott wird bei ihnen sein Er wird alle Tranen von ihren Augen abwischen Der Tod wird nicht mehr sein keine Trauer keine Klage keine Muhsal Offb 21 1 5 EU Hier ist auch wieder der Gedanke von Epikur zu finden dass Gluck mit Schmerzfreiheit gleichgesetzt werden kann Im Alten Testament gibt es andere Vorstellungen von Gluck Der Gerechte das heisst der der Gottes Gebote befolgt wird in diesem Leben mit einem erfullten Leben belohnt Zweifel an der Richtigkeit dieser Idee sind bereits im Alten Testament selbst formuliert zum Beispiel im Buch Hiob in dem das ungerechte Leiden eines Gerechten zum Thema wird Hier liegt eine wichtige Basis fur Vorstellungen die sich im spaten Judentum und in der christlichen Kirche durchgesetzt haben Erlosung und Paradies nach dem Jungsten Gericht So wird im irdischen Leben eher Askese vgl z B den Zolibat gepredigt und auf ein Gluck im Jenseits verwiesen Glucksphilosophie im Mittelalter verweist immer auf das Christentum Augustinus von Hippo Bearbeiten Augustinus von Hippo der von 354 bis 430 lebte schrieb ein ganzes Buch De beata vita Vom glucklichen Leben 5 uber das menschliche Gluck Laut Augustinus ist Liebe der Grundbegriff der Ethik dabei fallt diese mit dem menschlichen Willen zusammen Das Endziel alles menschlichen Strebens liegt in der Gluckseligkeit Gluckseligkeit kann der Mensch aber nicht etwa durch Befriedigung an Gutern von dieser Welt erhalten sondern allein durch Gott Nur in Gott als unverganglicher um seiner selbst willen geliebten Schopfer findet der Mensch Erfullung seines Strebens Pseudo Dionysius Areopagita Bearbeiten In der sogenannten mystischen Theologie ist es vor allem Pseudo Dionysius Areopagita der um 500 lebte der sich mit der Idee des Glucks beschaftigt Nach ihm sehnt sich die menschliche Seele nach Gott Dieses Sehnen kann nur durch eine mystische Vereinigung mit Gott befriedigt werden Eine solche mystische Vereinigung kann nur in der Ekstase stattfinden in der der Mensch dann auch sein Gluck findet Dionysius schreibt Denn durch das von allem Gehaltenwerden freie und rein von allem geloste Heraustreten Ekstase aus Dir selbst wirst Du alles von Dir abtuend und von allem gelost zum uberwesentlichen Strahl des gottlichen Dunkels emporgehoben werden 4 S 89Gluck in der Philosophie der Moderne BearbeitenIn der Moderne setzen sich die verschiedenen Glucksbegriffe der Antike fort wobei der Utilitarismus in der angelsachsischen Welt zur beherrschenden Philosophie wird und es auch heute noch ist In den Vereinigten Staaten von Amerika ist der Utilitarismus heute quasi Staatsphilosophie Auf dem europaischen Festland konnte sich diese Richtung nicht in vergleichbarem Masse durchsetzen John Stuart Mill Bearbeiten Ein grosser Philosoph uber Gluck war John Stuart Mill der von 1806 bis 1873 in England lebte Er gilt zusammen mit seinem Vater James Mill und Jeremy Bentham als Vater des Utilitarismus Mill baut eine komplette Moral auf die auf dem Glucksgedanken basiert Er schreibt Die Auffassung fur die die Nutzlichkeit oder das Prinzip des grossten Glucks die Grundlage der Moral ist besagt dass Handlungen insoweit und in dem Masse moralisch richtig sind als sie die Tendenz haben Gluck zu befordern und insoweit moralisch falsch als sie die Tendenz haben das Gegenteil von Gluck zu bewirken 8 S 12 Es gibt nach Mill also zwei grundsatzliche Strategien die zu verfolgen sind die eine ist maximize happiness und die andere minimize suffering minimiere Leiden dabei wird Gluck happiness durch pleasure Lust erreicht wahrend pain Schmerz sowie das Fehlen von Lust zu vermeiden ist Mill zitiert Epikur und erwahnt ihn lobend die Strategie des minimize suffering stammt ja auch von Epikur selbst maximize happiness wird erganzt Aufgabe der Gesellschaft des Staates ist es nach Mill das maximale Gluck fur die maximale Zahl an Personen zu erreichen Mill geht aber weiter als Bentham und unterscheidet nicht nur zwischen sogenannten hoheren und niedrigen Genussen sondern spricht Menschen unterschiedlicher Sensibilitat und Intelligenz eine andere Wertung im Hinblick auf das Prinzip des grossten Glucks der grossten Zahl zu Immanuel Kant Bearbeiten Bei Immanuel Kant steht der Glucksbegriff eher in der Tradition der Stoa Gluck wird mit dem moralischen Leitziel Aufklarung gleichgesetzt Gluckseligkeit als moralisches Prinzip zunachst verworfen Er schreibt Das Wesentliche alles sittlichen Wertes der Handlungen kommt darauf an dass das moralische Gesetz unmittelbar den Willen bestimme Geschieht die Willensbestimmung zwar gemass dem moralischen Gesetze aber nur vermittelst eines Gefuhls welcher Art es auch sei das vorausgesetzt werden muss damit jedes ein hinreichender Bestimmungsgrund des Willens werde mithin nicht um des Gesetzes willen so wird die Handlung zwar Legalitat aber nicht Moralitat enthalten 9 S 117 Gerade diese Ablehnung eines Gefuhls oder auch des Wunsches nach Gluck traf sofort auf Widerstand Friedrich Schiller dichtete dazu Gern dien ich den Freunden doch thu ich es leider mit Neigung Und so wurmt es mir oft dass ich nicht tugendhaft bin 1 Der Glucksbegriff den der Mensch hat ist fur Kant nicht greifbar da schon die einfachsten Neigungen schwankend sind und der gesamte Begriff damit selbst fur individuelle Begriffsdefinitionen nur temporar gultig ist Kant ersetzt den Begriff des Glucks durch den der Pflicht Gluckseligkeit kann zu Lebzeiten nicht erreicht werden denn Glucksstreben schrankt Handeln und Pflicht ein Dennoch kann man sich nach Kant durch sittliches Handeln des Glucks wurdig machen deshalb gebe es einen Gott der dem wurdigen Menschen nach dem Tode das ihm zustehende Mass an Gluckseligkeit zuteilwerden lasst hier referenziert Kant wieder auf das christlich eschatologische Prinzip Bedeutend ist hier die Theoriensynthese Kants der die schon von Sokrates geforderte Kopplung der Gluckseligkeit an das sittliche Handeln umsetzt indem er tugendhaftes und glucksstrebendes Handeln verbindet und in der Pflichterfullung den Weg zum Ziel der Gluckseligkeit nach dem Tode sieht Sittlichkeit und Gluckseligkeit sind fur Kant in einer Theoriensynthese und nicht voneinander zu trennen sondern zwei nach besten Kraften zu vereinbarende Bedingungen Gluck wird zur moralischen Aufgabe Das hochste Gut wird zum Zweck Arthur Schopenhauer Bearbeiten Fur Arthur Schopenhauer ist die Tatsache dass wir da sind um glucklich zu sein 10 S 233 der angeborene Irrtum des Menschen Diese pessimistische Grunduberzeugung steht schon ihrer Natur nach jedem Glucksstreben entgegen dennoch gibt Schopenhauer Anleitung fur ein solches Streben dieses soll der Mensch nicht auf aussere Guter wie Besitz und Ansehen richten sondern die Ausbildung der eigenen Personlichkeit in den Mittelpunkt stellen Die grossten Feinde des Glucks sind fur ihn Schmerz und Langeweile wobei letzteres durch geistigen Reichtum uberwunden werden kann Friedrich Nietzsche Bearbeiten Friedrich Nietzsche hat eine ganz andere Idee vom Gluck bei ihm ist das Gluck keine Ausserlichkeit welche dem Menschen aufgepfropft wird sondern eine Innerlichkeit die jedem Menschen immanent ist Die stoische Fixierung auf Tugend oder gar das allgemeine Sittengesetz von Kant lehnt Nietzsche rigoros ab Er schreibt Die Bestie in uns will belogen werden Moral ist Notluge damit wir von ihr nicht zerrissen werden 12 S 64 Epikur hingegen findet Nietzsches Zustimmung in ihm sieht er einen optimistischen lebensbejahenden Menschen in einer schweren Zeit er fragt War Epikur Optimist gerade als Leidender 11 S 17 Dabei lehnt Nietzsche nicht jede Sittsamkeit ab und er glaubt auch nicht dass sich das Gluck nur im Dionysischen finde in dieser Hinsicht wird er bei oberflachlicher Betrachtung oft missverstanden Gluck ist vielmehr auch etwas Ruhiges In Menschliches Allzumenschliches formuliert er vor allem drei Saulen des menschlichen Glucks Das Gewohnte Nietzsche schreibt hierzu Eine wichtige Gattung der Lust und damit der Quelle der Moralitat entsteht aus der Gewohnheit 12 S 94 Der langsame Pfeil der Schonheit Nach ihm muss Schonheit mit Ruhe einhergehen Die edelste Art der Schonheit ist die welche nicht auf einmal hinreisst welche nicht sturmische und berauschende Angriffe macht eine solche erweckt leicht Ekel sondern jene langsam einsickernde welche man fast unbemerkt mit sich forttragt und die Einem im Traum einmal wiederbegegnet endlich aber nachdem sie lange mit Bescheidenheit an unserem Herzen gelegen von uns ganz Besitz nimmt unser Auge mit Tranen unser Herz mit Sehnsucht fullt 12 S 43f Der Unsinn Dazu Nietzsche Wie kann der Mensch Freude am Unsinn haben So weit namlich auf der Welt gelacht wird ist dies der Fall ja man kann sagen fast uberall wo es Gluck gibt gibt es Freude am Unsinn 12 S 74 Bertrand Russell Bearbeiten Bertrand Russell stellt sich vor allem die Frage vom Verhaltnis der Gesellschaft in der ein Mensch lebt zum Gluck des einzelnen Zuerst halt er fest Wenn die elementaren Bedurfnisse befriedigt sind hangt das Gluck der meisten Menschen von zwei Dingen ab ihrer Arbeit und ihren sozialen Beziehungen 13 S 152 Dabei glaubt Russell die Gesellschaft sei von zentraler Bedeutung fur das Gluck ihrer Individuen in einer schlechten Gesellschaft seien die Menschen unglucklicher als in einer mit einer guten Gesellschaftsordnung Dabei halt Russell die Gesellschaft zwar fur elementar raumt aber ein dass der Andere durchaus auch Quelle von Unlust sein kann Im taglichen Leben der meisten Menschen spielt Furcht eine grossere Rolle als Hoffnung sie sind mehr von dem Gedanken erfullt dass andere von ihnen Besitz ergreifen konnten als von der Freude die sie in ihrem eigenen Leben schaffen konnen oder in dem Leben anderer mit denen sie in Beruhrung kommen 13 S 141 Am Ende gesteht auch Russell ein dass Gluck mehr im Individuum als im Staat liegt Er schreibt Wenn alle Menschen den Mut aufbrachten trotz Widrigkeiten und Hindernissen so ohne Furcht zu leben wurde es fur die Erneuerung der Gesellschaft nicht erforderlich sein mit politischer und okonomischer Reform zu beginnen alles dies folgte ohne Widerstand aus der moralischen Erneuerung der Individuen 13 S 141 Ludwig Marcuse Bearbeiten Eine ganze Philosophie des Glucks schreibt Ludwig Marcuse nicht verwandt mit Herbert Marcuse in seinem gleichnamigen Buch In diesem Buch versucht er alle Glucksphilosophien zusammenzufassen beginnend bei Hiob im Alten Testament und Hans im Gluck einem deutschen Volksmarchen Dann erlautert er Baruch Spinoza den er mit dem Satz Ich denke nach um glucklich zu werden 14 S 18 zitiert untersucht aber auch Seneca Augustinus Tolstoi und viele andere Philosophen Wie auch diese Arbeit stellt Marcuse dabei fest dass es so viele Ansichten uber das Gluck wie Philosophen gibt er fragt Liegt es an den Philosophen die sich nie einigen konnten Das Wort Gluck hat in allen Sprachen etwas Vieldeutiges Es ist wie eine Sonne die eine Schar von Wort Trabanten um sich herum hat Behagen Vergnugen Lust Zufriedenheit Freude Seligkeit Heil 14 S 20 Marcuses Buch hat mehr den Charakter eines Berichts als einer Wertung Einzig mag er die Theorie von der Negativitat des Glucks nicht so schreibt er Gluck ist Gluck 14 S 170 Dabei meint er vor allem dass Gluck nicht Un Ungluck ist sondern etwas positiv Eigenstandiges Kritik am Gluck in der Moderne Bearbeiten Als Kritiker des Glucks ist vor allem Friedrich Nietzsche zu nennen der uber die oben ausgefuhrte positive Vorstellung auch den Gedanken ausarbeitete dass nach Gluck nur der letzte Mensch strebt der der letzte ist weil er sich nur noch unter allgemeinen und unveranderlichen Begriffen versteht und vergessen hat dass er diese Begriffe in seinem Denken und dessen Geschichte selbst entwickelt hat d h er hat die Fahigkeit verloren seine Selbstauffassung verandern zu konnen Daruber hinaus wendet Nietzsche sich gegen Gluck als letztes Ziel des Menschen weil damit alle Menschen gleichgemacht werden was fur ihn eine Gewalttat ist die der Tradition der abendlandischen Metaphysik entstammt Nietzsches Glucks Kritik stellt positiv also den individuellen Menschen in den Mittelpunkt der sich verfehlt wenn er sich von aus der Tradition uberkommenen allgemeinen Begriffen wie Gluck leiten lasst Auf diese Kritik baut die oben erwahnte positive Vorstellung auf In der Gegenwart schliesst daran Georg Rompp an der in seinem Anti Glucksbuch die Nutzlichkeit der Vorstellung Gluck fur den Menschen untersucht und zu einem insgesamt negativen Ergebnis kommt 2 Rompp geht von einer begriffsgeschichtlichen und begriffsanalytischen Untersuchung aus Auf dieser Grundlage kommt er zu dem Ergebnis dass das Streben nach Gluck fur den Menschen nicht nutzlich ist 1 weil der Mensch damit nach einem Ganzen strebt obwohl das Leben aus Einzelheiten besteht 2 weil der Mensch sich damit an etwas zu Allgemeines halt und deshalb den Kontakt mit dem Wirklichen und Individuellen verliert 3 weil der Mensch damit das eigene Leben und auch das Leben anderer Menschen messen und vergleichen will und alles Leben auf diese Weise in einem geschlossenen Horizont zu bewerten beginnt 4 weil der Mensch damit andere Menschen nicht mehr in ihrer Individualitat akzeptieren kann und auch sich selbst von fremden Perspektiven her auffasst 5 weil der Mensch sich damit ein falsches und starres Selbst zuschreibt das er auf eine unfreie Weise zu verwirklichen sucht und 6 weil der Mensch damit seine Freiheit gefahrdet indem er den Zwang akzeptiert auf solche Weisen glucklich werden zu mussen die in der Tradition entstanden sind oder von anderen Menschen vorgeschrieben werden Rompp widerspricht also der Auffassung Gluck musse das Ziel der Kunst des Lebens darstellen Er setzt die Kunst des Lebens sogar dem Streben nach Gluck auf positive Weise entgegen weil diese Kunst in der Lage sei auf die falsche Allgemeinheit die fixen Begriffe und die Orientierung an einem falschen Ganzen im Streben nach Gluck zu verzichten Wie alle Kunst arbeitet auch die Kunst des Lebens am Individuellen und setzt kreative Fahigkeiten ein um etwas Neues zu schaffen so dass sie in der Lage ist den Menschen von starren Traditionen zu befreien die ihm vorschreiben was er letztlich anzustreben habe Insgesamt bringt Rompp also die Individualitat des menschlichen Lebens gegen die Vorstellung Gluck zur Geltung und kommt deshalb zu einer radikalen Kritik an dieser Vorstellung Siehe auch BearbeitenGlucksforschungLiteratur BearbeitenQuellen Bearbeiten Diogenes Laertius Leben und Meinungen beruhmter Philosophen Felix Meiner Verlag Hamburg 1967 1998 ISBN 3 7873 1361 3 Malte Hossenfelder Hrsg Antike Gluckslehren Quellen in deutscher Ubersetzung Kroners Taschenausgabe Band 424 Kroner Stuttgart 1996 ISBN 3 520 42401 0 Platon Samtliche Werke 1 Rowohlt Reinbek bei Hamburg 1994 ISBN 3 499 55561 1 Aristoteles Politik Aristoteles dtv Klassik Munchen 1986 ISBN 3 7608 3526 0 Aristoteles Nikomachische Ethik Reclam Stuttgart 2001 ISBN 3 15 008586 1 Pseudo Dionysius Areopagita Von den Namen zum Unnennbaren Johannes Verlag Einsiedeln 2000 Oder bei Quelle Augustinus von Hippo De beata vita Deutscher Text Quelle lateinischer Originaltext Quelle John Stuart Mill Der Utilitarismus Reclam Stuttgart 2002 ISBN 3 15 009821 1 Immanuel Kant Kritik der praktischen Vernunft Reclam Stuttgart 1998 ISBN 3 15 001111 6 Arthur Schopenhauer Aphorismen zur Lebensweisheit Insel Verlag Frankfurt am Main 2003 ISBN 3 458 31923 9 Friedrich Nietzsche Die Geburt der Tragodie Unzeitgemasse Betrachtungen Kritische Studienausgabe Band 1 de Gruyter Munchen 1999 ISBN 3 11 016596 1 Friedrich Nietzsche Menschliches Allzumenschliches Kritische Studienausgabe Band 2 de Gruyter Munchen 1999 ISBN 3 11 016594 5 Bertrand Russell Wege zur Freiheit Sozialismus Anarchismus Syndikalismus Edition Suhrkamp Frankfurt 1971 ISBN 3 518 10447 0 Ludwig Marcuse Philosophie des Glucks Paul List Verlag Munchen 1962 1972 ISBN 3 257 20021 8 Verena Thielen Katharina Thiel Hrsg Klassische Texte zum Gluck Parodos Verlag Berlin 2007 ISBN 978 3 938880 10 4 Sekundarliteratur Bearbeiten Maximilian Forschner Uber das Gluck des Menschen 2 Auflage WBG u a Darmstadt 1994 ISBN 3 534 11053 6 Andre Micklitza Kerstin Micklitza Die Vermessung des Glucks in Deutschland 3 Auflage BoD Norderstedt 2014 ISBN 978 3 7357 6044 9 Bruno Heller Gluck Ein philosophischer Streifzug WBG u a Darmstadt 2004 ISBN 3 534 17651 0 ISBN 3 89678 518 4 Josef Pieper Gluck und Kontemplation 4 Auflage Kosel Munchen 1979 ISBN 3 466 40113 5 Annemarie Pieper Gluckssache Die Kunst gut zu leben Dtv Munchen 2003 ISBN 3 423 30872 9 Ludger Koreng Gluck Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2004 ISBN 3 525 76401 4 Sabine Meck Vom guten Leben Eine Geschichte des Glucks Primus u a Darmstadt 2003 ISBN 3 89678 478 1 ISBN 3 534 15126 7 Emil Angehrn Die Philosophie und die Frage nach dem Gluck Haupt Bern u a 1997 ISBN 3 258 05726 5 Dieter Thoma Vom Gluck in der Moderne Nachdr Suhrkamp Frankfurt a M 2004 ISBN 3 518 29248 X Jurgen Kramke Der schmale Pfad zum Gluck BoD Norderstedt 2016 ISBN 978 3 7392 2597 5 Simon Duckheim Zum Begriff des Glucks bei Theodor W Adorno und Walter Benjamin Philosophische Gesprache Heft 19 Helle Panke Berlin 2010 DNB 1010314963 Weitere Medien Josef Pieper Was heisst Gluck 1 Tonkassette Matthias Grunewald Mainz 1998 ISBN 3 7867 2141 6 Einzelnachweise Bearbeiten Friedrich Schiller Werke begr von Julius Petersen fortgefuhrt von Lieselotte Blumenthal hrsg im Auftrag der Stiftung Weimarer Klassik und des Schiller Nationalmuseums in Marbach von Norbert Oellers Nationalausgabe Bd 1 Weimar 1943 S 357 Georg Rompp Das Anti Glucksbuch Warum uns das Gluck kein Gluck bringt A Francke Verlag Tubingen 2012 ISBN 978 3 7720 8454 6 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Philosophie des Glucks amp oldid 233742299