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Die Kyrenaiker waren Anhanger und Nachfahren einer antiken philosophischen Schule im Griechenland des 4 und 3 Jahrhunderts v Chr Begrundet wurde die Schule von Aristippos von Kyrene Die von dieser Denkrichtung hervorgebrachten Schriften sind alle verloren Erhalten sind lediglich zahlreiche Testimonien antike Berichte uber Leben und Lehre Die Kyrenaiker verband eine gemeinsame theoretische Grundkonzeption Einige antike Philosophiehistoriker 1 unterschieden die eigentlichen Kyrenaiker Aristippos von Kyrene Arete von Kyrene und Aristippos der Jungere von deren spateren Nachfolgern Hegesias Annikeris und Theodoros von Kyrene denen sie jeweils eigene Gruppierungen zuschrieben die Hegesiaker die Annikereer und die Theodoreer 2 Inhaltsverzeichnis 1 Vertreter 2 Lehre 3 Rezeption 4 Quellensammlungen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVertreter BearbeitenVertreter waren im 5 und 4 Jahrhundert v Chr Aristippos von Kyrene im 4 Jahrhundert v Chr Arete von Kyrene Aristippos der Jungere im 4 und 3 Jahrhundert v Chr Hegesias Annikeris Theodoros von KyreneWeitere Kyrenaiker uber die allerdings so gut wie nichts bekannt ist waren Antipater von Kyrene Paraibates nur an zwei Stellen bei Diogenes Laertios 3 und im Artikel Annikeris in der Suda erwahnt und Aristoteles von Kyrene Lehre BearbeitenDieser Abschnitt behandelt die Lehre der Kyrenaiker insgesamt Die Beitrage der verschiedenen Vertreter zu dieser Lehre sind in einigen Fallen nur schwer und oft uberhaupt nicht auseinanderzuhalten da in den antiken Berichten nicht selten von den Kyrenaikern insgesamt die Rede ist 4 Dies betrifft insbesondere Aristippos Arete und Aristippos den Jungeren Was ihre Nachfolger betrifft so sind immerhin etliche Stellen uberliefert in denen berichtet wird inwiefern sie von der Lehre ihrer Vorganger unterschiedliche Ansichten vertreten haben Solche Stellen werden in den Artikeln zu Hegesias Annikeris und Theodoros von Kyrene separat behandelt Beschaftigung mit Ethik Erkenntnistheorie Physik und LogikEs liegen verschiedene Berichte 5 daruber vor welche Teilbereiche der Philosophie die Kyrenaiker behandelt haben So sollen sie die Beschaftigung mit den Problemen der antiken Physik abgelehnt haben da Erkenntnisse auf diesem Gebiet wenn uberhaupt moglich ohne jeglichen Nutzen fur den Menschen waren Widerspruchlich sind die Berichte daruber ob die Kyrenaiker auch auf die Beschaftigung mit dialektischen heute wurde man sagen logischen Fragen verzichtet haben Zentraler Bereich ihrer Beschaftigung war jedenfalls die Ethik die sie angeblich in funf Teilbereiche teilten Von dem was zu erstreben airetṓn und zu meiden pheuktṓn ist Von den Empfindungen pathṓn Von den Handlungen praxeōn Von den Ursachen aitiōn hier ging es wohl auch um physikalische Fragen Von den Beweisen piseōn hier ging es wohl auch um logische Fragen Man vermutet aufgrund dieser Auflistung dass Physik und Logik auch von den Kyrenaikern behandelt wurden allerdings wohl hauptsachlich insofern es sich um ethisch relevante Fragen handelte So ging es im ethischen Teilbereich Von den Ursachen wohl auch um Physik im Teilbereich Von den Beweisen wahrscheinlich auch um Logik Etliche Testimonien behandeln die Erkenntnistheorie der Kyrenaiker 6 ErkenntnistheorieZur kyrenaischen Erkenntnislehre ist ein ausfuhrlicher Bericht von Sextus Empiricus 7 erhalten Zentral ist folgende These Allein die Empfindungen pathe werden erkannt und sind untruglich von den Dingen die die Empfindungen hervorgerufen haben ist dagegen keines erkennbar und untruglich Dass verschiedene Menschen die gleiche Aussage uber die Beschaffenheit eines Dings tatigen und dass sie die Dinge mit gemeinsamen Wortern koina onomata bezeichnen andert nichts an dieser Tatsache Nach Ansicht der Kyrenaiker seien zuverlassige Aussagen uber die Beschaffenheit der Dinge unmoglich und die Dinge unerkennbar 8 Das Zustandekommen von Empfindungen ist nach kyrenaischer Ansicht ein korperlich seelischer Vorgang Durch die Einwirkung ausserer Gegenstande oder Geschehnisse werden im Korper des Betroffenen Bewegungen kinḗseis ausgelost die uber die Sinnesorgane in die Seele ubermittelt und dort als Empfindungen registriert werden So sollen die Kyrenaiker statt Satzen wie Ich sehe etwas Weisses Satze wie Ich werde geweisst bevorzugt haben um deutlich zu machen dass einem bestimmten Gegenstand nicht die Eigenschaft weiss zugesprochen werden kann Oder in allgemeiner Form Ich werde von etwas in einer bestimmten Weise bewegt 9 EthikDie Eigenschaften gut und schlecht sind nach den Kyrenaikern nur an Empfindungen zu finden ihre erkenntnistheoretischen Ansichten schliessen ja schon aus dass Dinge als gut oder schlecht bezeichnet werden konnen Gute Empfindungen seien aber gleichbedeutend mit lustvollen lustvoll hedu und schlechte mit schmerzlichen schmerzvoll lyperon Das Gute ist fur die Kyrenaiker also die lustvolle Empfindung das Schlechte die schmerzvolle Empfindung Eine Bestatigung dessen sei dass die Lust allen Lebewesen erwunscht ist der Schmerz dagegen zuruckgewiesen wird 10 Das hochste Gut und das Ziel all unseres Tuns telos ist demnach die Lust das grosste Ubel ist der Schmerz 11 Physikalisch gesehen seien so uberliefern es Diogenes Laertios 12 und Sextus Empiricus 13 Lust und Schmerz Bewegungen Sanfte Bewegungen wurden als lustvoll raue Bewegungen als schmerzhaft verspurt Sextus Empiricus 14 berichtet von einem dritten Zustand in dem keine der beiden Bewegungen also weder Lust noch Schmerz verspurt wurden Im Gegensatz zu den anderen zeitgenossischen philosophischen Stromungen setzten die Kyrenaiker den Zustand der Gluckseligkeit eudaimonia nicht mit dem Ziel alles Tuns gleich Die Eudaimonie ware ein dauerhafter Zustand ewig sich aneinander reihender Lustempfindungen ein Zustand der nach den Kyrenaikern nur ausserst schwer zu erreichen ist Erreichbares Ziel hingegen seien einzelne zeitlich begrenzte Lustempfindungen 15 Wodurch Lustempfindungen hervorgerufen werden war den Kyrenaikern ubrigens egal etwa ob durch gesellschaftlich anerkannte oder von der Gesellschaft nicht akzeptierte Handlungen Sie unterschieden nicht zwischen unanstandiger und anstandiger Lust 16 Die als hochstes Gut angesehene korperliche Lustempfindung sahen die Kyrenaiker als einen korperlich seelischen Prozess an Ein von aussen kommender Impuls ruft im Korper eine Bewegung hervor die an die Seele weitergeleitet und von dieser als lustvoll empfunden wird 17 Laut Diogenes Laertios haben sie daneben eine minderere rein seelische Form der Lust anerkannt seelische Lustempfindungen nannten sie chara wie zum Beispiel das Vergnugen am Wohlergehen des Vaterlands und Kunstgenusse 18 Da fur die Kyrenaiker die Lust das hochste Gut war schrieben sie anderen Dingen nur einen Wert zu insofern sie zum Lustgewinn beitragen 19 Als Beispiele werden Reichtum Freundschaft und Einsicht genannt So lasst etwa die Einsicht phronesis erkennen wie eine Situation lustvoll gestaltet werden kann In manchen Fallen sei beispielsweise einzusehen dass es besser ist gesellschaftliche Konventionen einzuhalten obwohl diese willkurlich seien Auch empfiehlt es die Einsicht bestimmte Gefuhle wie Neid Verliebtheit und Aberglaube zu meiden da sie mit Schmerz verbunden sind und Lustempfindungen verhindern Die genannten Gefuhle entstunden als Folge leerer Einbildungen Von diesen leeren Einbildungen konne man sich durch Einsicht befreien Etwa wenn man einsieht dass Neid die Einbildung ist man musse etwas haben was ein anderer besitzt oder dass Verliebtheit die Einbildung ist man konne nicht ohne die Gegenwart und Zuneigung einer Person auskommen oder dass Aberglaube die Einbildung ist man sei machtigeren und Strafen verhangenden Wesen untergeordnet Eine andere Art von Gefuhlen bilden hingegen beispielsweise Kummer lype und Angst phobos Solche Gefuhle seien keine leeren Einbildungen sondern kommen auf naturliche Weise physikṓs zustande Laut Cicero 20 waren die Kyrenaiker aber immerhin der Ansicht man konne Kummer oft vorhersehen und vorkehrende Massnahmen treffen So sprachen sie von einem gewissen Vorherbedenken praemeditatio dementsprechend Anaxagoras und Stoiker wie Chrysipp in Bezug auf eine Ubermacht der Emotionen und Affekte von einer praemeditatio malorum 21 An anderer Stelle 22 ist uberliefert dass sie nicht nur solchermassen ein mentales Training sondern auch korperliches Training askesis empfahlen Aristippos von Kyrene soll als erster den Begriff der Menschlichkeit anthropismos in die Philosophie eingefuhrt haben 23 und hat laut Xenophon 24 Teles von Megara 25 und Plutarch 26 einen Kosmopolitismus vertreten Rezeption BearbeitenDie Kyrenaiker werden als fruhe Vertreter eines Hedonismus und als Vorganger des spateren Epikureismus angesehen Quellensammlungen BearbeitenGabriele Giannantoni Hrsg Socratis et Socraticorum Reliquiae Band 2 Bibliopolis Neapel 1990 Abschnitt IV online Erich Mannebach Hrsg Aristippi et Cyrenaicorum fragmenta E J Brill Leiden Koln 1961Literatur BearbeitenKlaus Doring Aristipp aus Kyrene und die Kyrenaiker In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Schwabe Basel 1998 ISBN 3 7965 1036 1 S 246 266 Hartmut Westermann Augenblick Dauer und Ewigkeit der Lust Zum Verhaltnis von hedone und eudaimonia in der kyrenaischen und in der epikureischen Philosophie In Dominic Kaegi Hrsg Philosophie der Lust Orell Fussli Zurich 2009 ISBN 978 3 280 06021 6 S 27 49 Weblinks BearbeitenTim O Keefe Cyrenaics In J Fieser B Dowden Hrsg Internet Encyclopedia of Philosophy Zahlreiche Quellen und SekundarliteraturEinzelnachweise Bearbeiten So etwa Diogenes Laertios Uber Leben und Lehren beruhmter Philosophen 1 19 Klaus Doring Aristipp aus Kyrene und die Kyrenaiker In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Schwabe Basel 1998 S 246 266 hier S 246 Diogenes Laertios Uber Leben und Lehren beruhmter Philosophen 2 86 2 134 Klaus Doring Aristipp d A und sein gleichnamiger Enkel In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Schwabe Basel 1998 S 246 257 hier S 246 und 250 252 Eusebius von Caesarea Praeparatio evangelica 15 62 7 Seneca Epistulae morales ad Lucilium 89 12 Sextus Empiricus Adversus mathematicos 7 11 Diogenes Laertios 2 92 Der Abschnitt folgt Klaus Doring Aristipp aus Kyrene und die Kyrenaiker In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Schwabe Basel 1998 S 246 266 hier S 251 252 Sextus Empiricus Adversus mathematicos 7 191 7 199 Der Abschnitt zur Erkenntnistheorie folgt Klaus Doring Aristipp aus Kyrene und die Kyrenaiker In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Schwabe Basel 1998 S 246 266 hier S 252 254 Plutarch Adversus Colotem 1120e Sextus Empiricus Adversus mathematicos 7 191 7 198 Diogenes Laertios Uber Leben und Lehren beruhmter Philosophen 2 87 und 2 88 Der Abschnitt zur Ethik folgt Klaus Doring Aristipp aus Kyrene und die Kyrenaiker In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 2 1 Schwabe Basel 1998 S 246 266 hier S 254 256 Diogenes Laertios Uber Leben und Lehren beruhmter Philosophen 2 85 2 86 Sextus Empiricus Grundzuge der pyrrhonischen Skepsis 1 215 Sextus Empiricus Adversus mathematicos 7 99 Diogenes Laertios Uber Leben und Lehren beruhmter Philosophen 2 87 2 88 und 2 90 Diogenes Laertios Uber Leben und Lehren beruhmter Philosophen 2 88 Diogenes Laertios Uber Leben und Lehren beruhmter Philosophen 2 87 Quintilian Institutio oratoria 12 2 24 Lactantius Divinae institutiones 3 7 7 Sextus Empiricus Grundzuge der pyrrhonischen Skepsis 1 215 Diogenes Laertios Uber Leben und Lehren beruhmter Philosophen 2 89 2 90 Das und das Folgende folgt Diogenes Laertios Uber Leben und Lehren beruhmter Philosophen 2 90 2 93 Cicero Tusculanae disputationes 3 28 31 Ferdinand Peter Moog Galen liest Klassiker Fragmente der schongeistigen Literatur des Altertums im Werk des Pergameners In Medizinhistorische Mitteilungen Zeitschrift fur Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung Band 36 37 2017 2018 2020 S 7 24 hier S 15 Diogenes Laertios Uber Leben und Lehren beruhmter Philosophen 2 91 Christian Gobel 2011 Xenophon Memorabilia 2 1 13 Teles 29 14 30 1 nach der 2 Auflage der Quellensammlung von Hense Plutarch an virt doc poss 439e Normdaten Sachbegriff GND 4196216 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kyrenaiker amp oldid 236506540