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ars vivendi ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel Weitere Bedeutungen sind unter ars vivendi Begriffsklarung aufgefuhrt Der Begriff Lebenskunst lateinisch ars vivendi ist ein Begriff aus der Philosophie der in unterschiedlichen Zusammenhangen verwendet wird in denen es um die Daseinsbewaltigung des Individuums geht Epikur der grosse LebenskunstlerDas Spektrum an Vorstellungen zur Lebenskunst reicht von unbeschwertem Lebensgenuss dem franzosischen Savoir vivre uber den gelassenen Umgang mit allen Anforderungen und Verwicklungen die das Leben mit sich bringt bis hin zu dem Anspruch das eigene Leben als Kunstwerk zu gestalten wie es etwa Goethe Friedrich Nietzsche und Thomas Mann propagiert und versucht haben Immer gehoren zur Lebenskunst aber die Bereitschaft die Fahigkeit und der Wille die eigenen Lebensumstande wahrzunehmen zu verarbeiten und die Lebensfuhrung im Rahmen der Moglichkeiten personlich und gezielt zu gestalten Der Volksmund spricht davon dass jemand sein eigenes Leben schmiedet bzw jeder seines eigenen Gluckes Schmied ist Diese Art geistiges Handwerk dient der Verwirklichung Wahrung und Erfahrbarkeit des Selbst im Sein eine standige Herausforderung an die Personlichkeit mit Wirkung auf den Lebensstil Lebenskunst bringt es als vorwiegend innerer Ausdruck individueller mentaler Einstellungen und Prozesse aber oft mit sich dass sie nicht ausserlich sichtbar und nachweisbar in Erscheinung tritt Als Extremfall mundet der Begriff Lebenskunst in den der Uberlebenskunst mit der Kunst zur vollstandigen Improvisation Anpassung und Selbstbeherrschung in besonders schwierigen kritischen und existenziellen Lebenssituationen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Antike 1 2 Neuzeit 2 Moderne Ansatze aus dem deutschsprachigen Raum 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenAntike Bearbeiten Der Begriff der Ars vivendi die Kunst zu leben bzw frei ubersetzt die Kunst des Lebens war bereits in der Antike im Gebrauch Da die Philosophie in der Antike ein wichtiger Bestandteil der taglichen Lebensgestaltung war enthielten viele ethische Texte praktische Ratschlage zur Anwendung Daher kam den Aspekten praktischer Lebenskunst hoher Stellenwert zu Zentrale Begriffe hierbei waren Gluck eudaimonia Selbstsorge Tugend und Askese Oft wurden Philosophie und Lebenskunst auf eine Stufe gestellt indem die antike Philosophie im Ganzen als ars vitae oder ars bene vivendi also als Fachwissen von der richtigen Lebensfuhrung bezeichnet wurde Im Gegensatz zu dieser philosophischen theoretischen Lebensfuhrung die in erster Linie von den Philosophen gepragt wurde stand schon damals die populare praktische welche die Reflexion der Faktoren der Anleitung und der Einubung eines bewusst gefuhrten Lebens betonte Als Erster beschaftigte sich Pythagoras ca 570 510 v Chr mit der Frage der richtigen Lebensfuhrung auch wenn diese wohl kein Lebenskunstmodell im engeren Sinne darstellte Die Pythagoreer entwickelten vielmehr zahlreiche Lebensregeln und Lehrspruche die konkrete Verhaltensvorschriften enthielten Sowohl Sokrates als auch die Sophisten brachten die Idee auf dass Philosophie mit Lebenskunst gleichzusetzen sei Auch wenn sich die sokratische und die sophistische Schule in vielem unterschieden stimmten sie doch darin uberein dass die Personlichkeit jedes Menschen auf einer vernunftigen Grundlage geschult werden musse In diesem Zusammenhang legten sie grossen Wert auf Bildungs angebote und auf Rhetorik Auch Aristoteles und der Sokrates Schuler Platon schlossen sich Sokrates Ansicht weitgehend an Platon bezeichnete die Philosophie auch als Fursorge fur die Seele und stellte somit wieder den Bezug zur Lebenskunst her Aristoteles beschaftigte sich mit dem Vorrang der theoretischen Lebensfuhrung der Lebensform des Denkens 1 Bei den hellenistischen Philosophenschulen der Kyniker Kyrenaiker Epikureer und Skeptiker und bei den Stoikern Seneca Epiktet Marc Aurel und Plutarch wurden Philosophie und Lebenskunst zwar nicht als deckungsgleich angesehen und verstanden doch wurde das Modell der Lebenskunst selbst ausgiebig thematisiert Das Ideal der Stoiker entsprach einem Leben in dem man die universellen Gesetzmassigkeiten erforschen und Weisheit erlangen sollte Dies sollte durch ein tugendhaftes Leben gelingen d h durch die Kontrolle der Gefuhle und massvolles Verhalten was zu einer Starkung des Selbst fuhren sollte Bei den Epikureern hingegen ging es wenn Lebenskunst thematisiert wurde darum sich von menschlichen Angsten und Leiden abzuwenden Das Ziel dieser Philosophie war es Unlust zu vermeiden Doch das Streben nach Lust durfte nicht unkontrolliert vonstattengehen sondern musste von der Vernunft geleitet werden Die Anwendung der jeweiligen Philosophie konnte auf vielerlei Arten geschehen Es gab korperliche Ubungen die u a der Abhartung dienten und Meditationen die die situationsbezogene Aktivierung und Einbeziehung philosophischer Leitvorstellungen in die Lebenspraxis gewahrleisten sollten Ausser einigen neuplatonischen Ansatzen 3 6 Jahrhundert n Chr von Philosophen wie Plotin oder Boethius waren die Stoiker lange Zeit die letzten die sich ausfuhrlich mit ars vivendi beschaftigten Neuzeit Bearbeiten Im Mittelalter gab es nur vereinzelte Uberlegungen zur Lebenskunst Im 16 Jahrhundert begann dann Michel de Montaigne sich dem Thema zu widmen Auch Schriftsteller und Philosophen wie Friedrich Schlegel oder Friedrich Schleiermacher griffen die Lebenskunst Jahrhunderte spater wieder auf Jedoch wurde Lebenskunst abhangig vom Zeitalter und den jeweiligen Lebensumstanden jeweils unter anderen Aspekten behandelt In der Philosophie versuchten im 19 Jahrhundert Lebensphilosophen wie bspw Friedrich Nietzsche eine Erweiterung der Philosophie Aus ihrer Sicht sollte es der Philosophie nicht nur um abstrakte Wahrheiten gehen sondern um das Leben selbst Moderne Ansatze aus dem deutschsprachigen Raum BearbeitenIn neuerer Zeit stehen Vorstellungen von Lebenskunst oft in engem Zusammenhang mit Humanismus und Aufklarung Der Berliner Philosoph Wilhelm Schmid gab den Anstoss zu einer Neubegrundung der Lebenskunst mit seinen beiden Buchern Auf der Suche nach einer neuen Lebenskunst 1991 und Philosophie der Lebenskunst Eine Grundlegung 1998 Er verbindet die Begriffe Lebenskunst und Lebensarbeit in einem Vortrag uber Work Life Balance wie folgt Arbeit ist all das was ich in Bezug auf mich und mein Leben leiste um ein schones und bejahenswertes Leben fuhren zu konnen lt gt Erstrebenswert erscheint jedoch in jeder Arbeit Fulle und Erfullung erfahren zu konnen aufgrund der vielfaltigen Vernetzung mit Anderen nicht allein fur sich sein zu mussen sondern unter Menschen sein zu konnen aufgrund der Vielzahl von Erfahrungen die den Spielraum des Selbst erheblich erweitern aufgrund von Herausforderungen die gesucht und angenommen werden in denen das Selbst wachsen und sich um Exzellenz bemuhen kann 2 Ausgehend von einer differenzierten Betrachtung antiker Lebenskunst Vorstellungen gelangt etwa Christoph Horn zu dem Ergebnis dass diese Konzepte trotz der Epochendifferenz die den antiken Ansatz der individuellen ethischen Beratung und Handlungsanleitung vom modernen systematisch wissenschaftlich ausgerichteten Philosophiemodell abheben neuerdings wieder mehr Beachtung finden sollten da sie ihm prinzipiell als anschlussfahig gelten Gerd B Achenbach setzt dem Begriff der Lebenskunst den Begriff der Lebenskonnerschaft entgegen und versteht darunter eine lebenskluge Form der Lebensfuhrung die nicht nur die leichte Oberflachlichkeit des schonen Scheins sucht sondern sich auch in den schweren Stunden der Existenz bewahrt und dem Leben zudem Tiefe und Gewicht verleiht Eine Philosophie der Lebenskunst wird von Ferdinand Fellmann im Rahmen seiner Lebensphilosophie als eigenstandige Disziplin neben der normativen Ethik vorgestellt Ihr Thema ist die Reflexion auf Einstellungen die es dem modernen Individuum ermoglichen die ausseren und inneren Konflikte seiner Existenz zu bewaltigen In diesem Sinne sind die Regeln der philosophischen Lebenskunst nicht rein strategisch sondern zeigen emotionale Wege der Selbsterfahrung auf Neuerdings kombiniert Fellmann Lebenskunst mit Liebeskunst unter dem Titel Liebeslebenskunst 3 Von Georg Rompp wird die Kunst des Lebens als sinnvollere und nutzlichere Konzeption der Suche nach Gluck entgegengestellt Dieser Autor kritisiert die Idee Gluck wegen ihrer allzu grossen Allgemeinheit weshalb sie zu einem zwanghaften Streben nach etwas fuhrt das Menschen sich von anderen Menschen vorschreiben lassen Es wird damit allgemein bestimmt wie Menschen leben sollen so dass sie ihr Leben von aussen und von weit oben aus der Vogelperspektive auffassen Die Kunst des Lebens dagegen kann die Individualitat des menschlichen Lebens und Strebens bewahren In der Lebenskunst wird also die Perspektive vom einzelnen Menschen her beibehalten Rompp weist hier darauf hin dass es in der Kunst stets um das Einzelne geht und nicht um das Allgemeine das heisst das Kreative wird an die Stelle der Ubernahme eines Schemas gesetzt Deshalb scheint ihm die Lebenskunst als eine nutzlichere Konzeption geeignet an die Stelle des Strebens nach Gluck zu treten Hilarion Petzold und Ilse Orth haben in der Integrativen Therapie die Idee der Lebenskunst mit Bezug unter anderem auf Sokrates Demokrit Epiktet Seneca 4 Nietzsche Pierre Hadot und Michel Foucault fur die Psychotherapie und die Kunsttherapie theoretisch und behandlungsmethodisch ausgearbeitet als Aufgabe und Chance der Asthetisierung der eigenen Existenz in der das Selbst Kunstler und Kunstwerk zugleich 5 wird Selbsterfahrung soll in aktive Selbstgestaltung fuhren Siehe auch BearbeitenSinn des Lebens EudamonologieLiteratur BearbeitenLexika Einfuhrungen GrundlegungenAndreas Brenner Jorg Zirfas Lexikon der Lebenskunst Reclam Leipzig 2002 ISBN 3 379 20015 8 Peter Bubmann Bernhard Sill Art Lebenskunst in WiReLex Wissenschaftlich Religionspadagogische Lexikon 2021 Ferdinand Fellmann Philosophie der Lebenskunst zur Einfuhrung Hamburg 2009 ISBN 978 3 88506 664 4 Wilhelm Schmid Philosophie der Lebenskunst Eine Grundlegung Suhrkamp Frankfurt 1998 ISBN 3 518 28985 3 Georg Rompp Das Anti Glucksbuch A Francke Tubingen 2012 ISBN 978 3 7720 8454 6 Antike PhilosophieGeza Alfoldy u a Hrsg Romische Lebenskunst Interdisziplinares Kolloquium zum 85 Geburtstag von Viktor Poschl Winter Heidelberg 1995 ISBN 3 8253 0334 9 Carl Gustav Carus Die Lebenskunst nach den Inschriften des Tempels zu Delphi Dresden 1863 Pierre Hadot Wege zur Weisheit oder was lehrt uns die antike Philosophie Eichborn Frankfurt am Main 1999 ISBN 3 8218 0655 9 Pierre Hadot Philosophie als Lebensform geistige Ubungen in der Antike Gatza Berlin 1991 ISBN 3 928262 02 5 Christoph Horn Antike Lebenskunst Gluck und Moral von Sokrates bis zu den Neuplatonikern Beck Munchen 1998 ISBN 3 406 42071 0 Weitere Essays Abhandlungen Einzelaspekte SonstigesPeter Bubmann Bernhard Sill Hrsg Christliche Lebenskunst Pustet Regensburg 2008 ISBN 978 3 7917 2140 8 Michel Foucault Asthetik der Existenz Schriften zu Lebenskunst Suhrkamp Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 518 29414 7 Michel Foucault Hermeneutik des Subjekts Suhrkamp Frankfurt 2004 ISBN 3 518 58388 3 Michel Foucault Freiheit und Selbstsorge Interview 1984 und Vorlesung 1982 Hrsg Helmut Becker Materialis Frankfurt 1993 ISBN 3 88535 102 1 Wolfgang Kersting Claus Langbehn Hrsg Kritik der Lebenskunst Suhrkamp Frankfurt 2007 ISBN 978 3 518 29415 4 Olaf Georg Klein Zeit als Lebenskunst Verlag Klaus Wagenbach Berlin 2010 ISBN 978 3 8031 2632 0 Michel de Montaigne Essais Alexander Nehamas Die Kunst zu leben Sokratische Reflexionen von Platon bis Foucault Rotbuch Verlag Hamburg 2000 ISBN 3 434 53057 6 A Nehamas The Art of Living Socratic reflections from Plato to Foucault Univ of California Press Berkeley u a 1998 ISBN 0 520 21173 1 Christoph Paret Der kalt erwiderte Blick Oscar Wilde die Nebensachlichkeit der Kunst und das Unasthetische der Existenz In Zeitschrift fur Asthetik und allgemeine Kunstwissenschaft Band 67 Heft 2 2022 S 43 63 online Wilhelm Schmid Auf der Suche nach einer neuen Lebenskunst Die Frage nach dem Grund und die Neubegrundung der Ethik bei Foucault 3 Auflage Suhrkamp st1487 Frankfurt am Main 2008 ISBN 978 3 518 29087 3 Wilhelm Schmid Mit sich selbst befreundet sein Von der Lebenskunst im Umgang mit sich selbst Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 518 45882 2 Arthur Schopenhauer Aphorismen zur Lebensweisheit Wolfgang Seidel Emotionale Kompetenz Gehirnforschung und Lebenskunst 1 Auflage Spektrum Akademischer Verlag 2004 ISBN 3 8274 1541 1 Peter Sloterdijk Du musst dein Leben andern Uber Anthropotechnik 3 Auflage 2016 Suhrkamp Taschenbuch 4349 ISBN 978 3 518 46349 9 Josef M Werle Klassiker der philosophischen Lebenskunst Robert Zimmer Hrsg Gluck und Lebenskunst Sonderband 14 der Zeitschrift Aufklarung und Kritik PDF Datei 1 2 MB Nurnberg 2008 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikiversity Schopenhauer Aphorismen zur Lebensweisheit 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