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Die Reimchronik der Stadt Koln ist ein zentrales Werk der Kolner Literaturgeschichte Gottfried Hagen schrieb das Boich van der stede Colne im Jahr 1270 ein Jahr spater erganzte er es durch einen Nachtrag Die mittelalterliche Chronik beschreibt die Geschichte Kolns mit speziellem Fokus auf die Jahre 1250 1270 und vereint dabei historische Fakten mit Legenden z B die heilige Ursula Im Mittelpunkt steht der Kampf um die Freiheit der Stadt zwischen dem vom Autor unterstutzten Patrizier Geschlecht der Overstolzen und den als machtgierig beschriebenen Bischofen Gottfried Hagen wollte mit seinem Werk die Burger der in einer Krise befindlichen Stadt warnen Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Uberlieferung und Rezeption 3 Sprache und Stil 4 Identitat des Autors 5 Funktion des Erzahlers 6 Erzahlstruktur Kommunikation Perspektive 7 Namen Daten und Fakten 8 Helden und Gegner 8 1 Overstolze 8 2 Bischofe 8 3 Weise und Gemeinde 9 Freiheit und Recht 10 Legenden Exempel und Heilige 10 1 Heilige Stadt 10 2 Ursula und ihre Jungfrauen 10 3 Konstantin und Silvester 10 4 Wunder 11 Literatur 12 Weblinks 13 Quellen 14 AnmerkungenInhalt BearbeitenIm Prolog bittet der Autor Gott um Hilfe fur sein Werk mit dem er die jungste Geschichte der Stadt prasentieren und die Einwohner zum entschlossenen gemeinsamen Handeln zum Wohle der Stadt aufrufen will Im Anschluss daran beginnt ein universalgeschichtlicher Teil mit der Christianisierung der von da an als heilig angesehenen Stadt Koln Die tragende Rolle hatte dabei der vorbildliche Bischof Maternus der sogar von den Toten auferstanden ist um sich fur Koln einzusetzen Schon in dieser fruhen Zeit wurde die Freiheit der Stadt garantiert die im spateren Verlauf der Geschichte immer wieder gesichert und verteidigt werden muss Komplettiert wird der erste Teil durch zwei grosse Legenden namlich die der heiligen Ursula mit ihren 11 000 Jungfrauen und die Geschichte von Papst Silvester I und Kaiser Konstantin nbsp Denkmal zur Schlacht an der Ulrepforte auf der Kolner Stadtmauer SachsenringDer zeitgeschichtliche Teil beginnt mit einem Streit zwischen Bischof Konrad und den Patriziern um die Munzrechte der den Ausgangspunkt fur jahrelange Konflikte zwischen diesen beiden Parteien bildet die sogar zu kriegerischen Auseinandersetzungen fuhren Seit dem Thronstreit von 1198 gab es bereits Konflikte zwischen den Anhangern des Kaisers Otto IV und den Staufern Einen Hohepunkt bildet die auf den Grossen Schied von 1258 folgende Gefangennahme der sogenannten Besten durch den Bischof in Altenahr die jedoch auf wundersame Weise beendet wird Nach der Ruckkehr der Patrizier werden die Konflikte noch weiter verscharft Zunachst wird ein Angriff des neuen Bischofs Engelbert durch eine Vision der zuvor schon prasentierten heiligen Ursula also wiederum mit ubernaturlicher Hilfe vereitelt Dann kommt es allerdings zum Bruch zwischen den Patriziern Die Weisen verbunden sich mit dem feindlichen Bischof wahrend die Overstolzen Unterstutzung von aussen in Person des Grafen von Julich bekommen Somit gibt es einen neuen Gegner und die Situation wird noch komplexer und unubersichtlicher als zuvor Das Bundnis zwischen Weisen und Bischof erweist sich als sehr hartnackig Die Gegner geben sich auch nach vermeintlichen Niederlagen nicht geschlagen Nach langwierigen Kampfen die ihren Hohepunkt in der Schlacht an der Ulrepforte im Oktober 1268 finden siegen schliesslich dennoch die Overstolzen auf deren Seite auch der Chronik Autor steht Die Geschichte endet mit einer Suhne zwischen Stadt und Bischof die von Meister Gottfried Hagen verlesen wird Uberlieferung und Rezeption BearbeitenVon Gottfried Hagens Werk ist nur eine vollstandige Handschrift erhalten Die Handschrift F aus dem ersten Drittel des 15 Jahrhunderts ist als Ms germ oct 26 1 in der Frankfurter Stadt und Universitatsbibliothek registriert Eberhard von Groote 2 hat die Geschichte des Dokuments rekonstruiert Ursprunglich befand sich diese Handschrift in der Bibliothek des Herrnleichnamsklosters in Koln Einen Beleg dafur findet man in dem Verzeichnis biblioth Coloniensis von Harzheim aus dem Jahr 1747 S 103 Spater tauchte das Dokument in Frankfurt wieder auf wo ein Dr med Kloss es bei einer Auktion im Hause Hermann kaufte und 1826 an den Bibliothekar Johann Friedrich Bohmer weitergab Die in Holz eingebundene und gut erhaltene Handschrift umfasst 277 Seiten mit je 25 oder 26 Zeilen Jede Zeile und jeder Abschnitt beginnt mit einer Initiale in roter Farbe Das Papier enthalt ein Wasserzeichen mit einem spitzblattrigen Kleeblatt Der Text der Reimchronik umfasst die ersten 257 Seiten Die restlichen zwanzig Seiten enthalten die Geschichte der Weberschlacht Dahinter befinden sich noch zehn unbeschriebene Blatter In den folgenden Jahrhunderten entstanden mehrere Abschriften dieses Dokuments drei davon Mitte des 18 Jahrhunderts Eine dieser drei Kopien erwarb der Staatsrat Niebuhr 1826 bei einer Auktion eine weitere befand sich in der Bibliothek von Professor Wallraf Die dritte Abschrift die von Groote selbst benutzt hat wurde so schildert es ein dem Dokument beigelegter Brief von dem politischen Journalisten Roderique in Auftrag gegeben Roderique schenkte die Abschrift die nach seinen Angaben auf einer Handschrift aus der Canonie Corporis Christi basiert dem Syndicus von Eschenbrender fur die Bibliothek des Syndikats Eine weitere Abschrift die fruhestens im 17 Jahrhundert entstand befand sich in der Bibliothek von E von Mering Der Autor bemuhte sich um eine sehr genaue Wiedergabe des Originals nicht nur inhaltlich sondern auch bei der Anzahl der Verse pro Seite und beim Schriftbild Eine Abschrift aus dem Nachlass des Vikars Alster wurde um 1800 bei einem Brand in Olpe teilweise zerstort Von Groote verweist weiterhin auf Exemplare in Darmstadt Heidelberg Munchen und Wallenstein Ausserdem gibt es noch ein 125 Verse umfassendes Fragment D aus dem ersten Drittel des 14 Jahrhunderts das sich seit 1965 als Leihgabe des Hauptstaatsarchivs Dusseldorf im Historischen Archiv der Stadt Koln befindet nbsp Agrippina oder Koln Stadtansicht aus der Koelhoffschen Chronik gedruckt 1499Die Reimchronik ist die alteste von drei grossen Kolner Chroniken des Mittelalters In den beiden spateren Weltchroniken der Agrippina von Heinrich von Beeck 1469 1472 und der Koelhoff schen Chronik Cronica van der hilliger stat van Collen 1499 wurde sie nicht nur rezipiert sondern war die wesentliche Grundlage fur die beiden spateren Werke Koelhoff zitiert 277 Verse wortlich Eberhard von Groote hat in seiner Ausgabe der Reimchronik von 1834 auf Parallelen zu Macchiavellis Schilderung von Florenz aus dem 14 Jahrhundert hingewiesen In Deutschland ist eine solch umfassende Darstellung einer Stadt in dieser Zeit einzigartig Die Ausgabe aus dem Jahr 1834 war fur die Forschung lange Zeit massgeblich Die Version die Hermann Cardauns und Karl Schroder 1875 in Die Chroniken der niederrheinischen Stadte herausgaben gilt nach den heutigen Prinzipien der Germanistik als unbrauchbar Dieser Mangel bewog Kurt Gartner und seine Kollegen an der Universitat Trier im Rahmen des Ende der 1990er Jahre begonnenen SFB 235 eine Neuedition der Reimchronik zu erarbeiten Neben der Beschrankung auf eine einzige Stadt ist bei Gottfried Hagen eine deutliche Konzentration auf das zeitgenossische Geschehen der damaligen Zeit vorherrschend Am Anfang der Chronik steht zwar ein universalgeschichtlicher Teil der aber mit einem Umfang von rund 650 Versen deutlich geringer ausfallt als der Hauptteil in dem 20 Jahre aus der Zeit des Interregnums in ca 5600 Versen beschrieben werden Die beiden Teile stehen in engem Zusammenhang miteinander im zweiten finden sich zahlreiche Ruckbezuge und Anspielungen auf den ersten Die Reimchronik gilt als das fruheste Zeugnis einer gereimten deutschsprachigen Geschichtsschreibung 3 Historiker betrachten sie als eine weitgehend zuverlassige historische Quelle Allerdings gibt es abgesehen von einigen Urkunden die zum Teil auch in der Reimchronik selbst verwertet wurden kaum andere Quellen die uber die beschriebenen Ereignisse der Stadtgeschichte informieren Fur Literaturwissenschaftler interessant ist die Rolle des Erzahlers und die nicht immer klar erkennbare Verknupfung von historischen Ereignissen mit fiktionalen Elementen Sprache und Stil BearbeitenDie Reimchronik ist im ripuarischen Dialekt verfasst In die rheinische Volkssprache mischen sich zahlreiche niederrheinische Spuren die durch die Herkunft des Autors zu erklaren sind Der aus 6289 vierhebigen Reimpaarversen bestehende Text zeichnet sich durch einen relativ einfachen Stil aus er besteht hauptsachlich aus Parataxen und temporalen oder modalen Nebensatzen Typisch fur sermo humilis einfacher schlichter Stil sind auch die vielen vorgepragten Sentenzen und Allerweltsspruche sowie sprichwortlich gepragte Formulierungen Beispiele hierfur finden sich in V 1136 ducke komet regen na sunne schine Haufig gibt es Regen nach Sonnenschein V 2536 der guede wille maicht vromen man Der gute Wille macht einen frommen Mann V 3464 wale an gerant halffveichten is Gut anrennen ist der halbe Kampf V 3746 sus wilt maisse aller dingen walten So soll Mass uber allen Dingen walten V 3758 der beste clemmer kompt meiste zo valle Der beste Kletterer kommt meistens zu Fall vgl das Sprichwort Hochmut kommt vor dem Fall Eine Sonderstellung nimmt der Prolog ein der sich stilistisch deutlich vom Rest des Textes abhebt Er enthalt diverse Topoi die man aus literarischen Werken des Mittelalters kennt wie z B Bekundungen der Bescheidenheit des Autors Der aus nur drei komplexen Satzen bestehende Prolog belegt die dichterischen Fahigkeiten seines Verfassers und unterstreicht die Bedeutung des Werkes 4 Identitat des Autors BearbeitenDie Identitat des Autors ist ein Thema um das es lange Zeit intensive und kontroverse Diskussionen in der Forschung gegeben hat Dabei ging es um die Frage ob der Chronik Autor Gottfried Hagen mit dem Kolner Stadtschreiber Meister Gottfried identisch ist Ausgangspunkt der Debatte war dabei der Epilog der Reimchronik in dem der letztgenannte Name explizit erwahnt wird V 6287 Meister Godefrit Hagene maichde mich allein Diese Stelle bezeichnet Hartmut Beckers in seinem Eintrag im Verfasserlexikon als einziges direktes Zeugnis fur die Person des Autors Bei der ersten Edition des Textes im Jahre 1834 bestand offenbar noch kein Zweifel an der Gleichsetzung der beiden Personen Fur Eberhard von Groote war sie selbstverstandlich denn er versah seine Ausgabe mit dem Titel Des Meisters Godefrit Hagen der Zeit Stadtschreibers Reimchronik der Stadt Coln aus dem dreizehnten Jahrhundert Heinrich von Beeck der Herausgeber der Agrippina hatte die beiden Personen im 15 Jahrhundert schon gleichgesetzt Die einflussreichste und deutlichste Gegenposition nahm 1912 Ernst Dornfeld ein Er wies u a darauf hin dass der Beiname Hagene nirgendwo anders belegt sei Aber dieses und seine anderen Argumente die Gottfried Hagen zu geringe Kenntnisse und viele Irrtumer nachsagen sind inzwischen widerlegt worden so dass es heute als sicher gilt dass der Verfasser der Chronik gleich dem Stadtschreiber ist Deshalb kann man auch wie Manfred Groten es 1995 ausfuhrlich getan hat die Biografie des Stadtschreibers auf den Autor ubertragen Funktion des Erzahlers BearbeitenBei der Reimchronik kann der Erzahler mit dem Autor gleichgesetzt werden Der deutlichste Hinweis dafur ist die Szene in der Gottfried Hagen seinen eigenen Botengang nach Neuss von 1268 schildert Dass sich bei sente Peters bode V 5556 wirklich um den Autor handelt wird von dessen Biographie bestatigt die ihn als Boten des Domkapitels ausweist Wie bereits angedeutet beinhaltet das Werk einige im Mittelalter ubliche Topoi So beruft sich der Erzahler auf seine schriftlichen Quellen um einen Wahrheitsanspruch fur seine Erzahlung zu postulieren V 397 men spricht seder las ich ind vant geschreven Ausserdem stellt er sich als ausserst bescheiden dar Im Prolog bittet er Gott um Hilfe da er sich nicht in der Lage sieht dieses grosse Werk alleine ohne fremde Hilfe zu vollenden Im spateren Verlauf des Textes bezeichnet er sich selbst auch als arm und dumm V 5814 gelouft myr armen dummen doren Der Hohepunkt dieser Zuruckhaltung kommt dann im Epilog Hier tritt das Werk so sehr in den Vordergrund dass es selbst in der ersten Person uber seinen Verfasser spricht V 6287 Weil die Geschichte u a durch die umfangreiche direkte Rede von Figuren sehr lebendig prasentiert wird beschrankt sich der Erzahler oft auf stereotype Formeln wie men saich Trotz dieser Bescheidenheit werden aber auch die Kompetenzen des Erzahlers deutlich der seinem Text Form und Sinn verleiht Er ist sich seines Einflusses auf die Geschichte bewusst und kann sie entsprechend behandeln V 2600 hie myt ich dese rede kurte Von besonderer Bedeutung fur die Reimchronik ist die Funktion des Erzahlers als moralische Instanz Er tritt in langen Passagen v a am Ende von Episoden in Belehrungsszenen hervor und redet eindringlich auf sein Publikum ein Dabei will er die Rezipienten loben und kritisieren und ihnen deutlich vor Augen fuhren welche Bedeutung die zuvor geschilderten Ereignisse fur ihre Leben und das Wohl der Stadt Koln haben Denn es ist ihm sehr wichtig die Burger zu warnen und zur Eintracht zu ermahnen Er verfolgt also eine eindeutige didaktische Absicht Der Text soll durch die Erklarungen nutzlich sein 5 Auch ausserhalb dieser Szenen kommentiert und bewertet der Erzahler immer wieder das aktuelle Geschehen und benutzt dabei meistens deutliche Worte V 1253 enweir t neit sunde ich solde it hassen Manchmal konnen sogar Figuren der Geschichte diese Funktionen ubernehmen Erzahlstruktur Kommunikation Perspektive BearbeitenDie Reimchronik weist die typische Struktur mit einem deutlich vom restlichen Text abgegrenzten Prolog und ebenso einem Epilog auf In den beiden Abschnitten erkennt man die bereits erwahnten Topoi Die Erzahlmuster rucken den Text in die Nahe von volkssprachlicher Epik und konzeptioneller Mundlichkeit 6 Allerdings zeigt der Verfasser auch deutlich dass es sich um ein schriftliches Werk handelt Schliesslich nennt er es explizit dat boich van der stede Coelne Er hat seinen Text nicht unreflektiert niedergeschrieben sondern bewusst ausgearbeitet Das Geschehen wird in Form von entsprechend arrangierten Szenen prasentiert Eine Innensicht auf die beteiligten Figuren fehlt fast vollstandig was allerdings in mittelalterlichen Texten auch nicht ublich war sondern vielmehr ein Phanomen moderner Literatur darstellt 7 Die einzige Ausnahme ist der Bericht von Gottfried Hagens Botengang nach Neuss bei dem korperliche Empfindungen wie Hunger und Kalte explizit beschrieben werden Erklaren lasst sich das dadurch dass diese Figur mit dem Autor bzw Erzahler identisch ist der sich in den Belehrungsszenen und sonstigen Kommentaren deutlich aussert und dabei auch eigene Gefuhle wie z B Hass zeigt Bei seinem Botengang steht die Warnung im Mittelpunkt Damit wird das Ziel das der Autor mit seinem Werk verfolgt auf ebenso geschickte wie aussergewohnliche Weise in die erzahlte Handlung eingebaut Botenberichte spielen in der gesamten Reimchronik eine zentrale Rolle Sie werden immer dann als Mittel zu indirekten Kommunikation angewandt wenn keine direkte Kommunikation zwischen den beteiligten Figuren moglich ist Manchmal ist der direkte Kontakt vielleicht auch gar nicht erwunscht weshalb z B der verleumderische Brief des Bischofs von einem Boten uberbracht wird Nach der Formulierung des Autors ist die Vermittlung in diesem Fall sogar doppelt indirekt weil der vom Boten uberbrachte Brief fur seinen Herren spricht V 3294 sprach der breiff vur synen here Durch die Botenberichte erfahren die Rezipienten des Textes die Neuigkeiten genauso lebhaft und anschaulich wie die Zuhorer der Boten Die Figurenrede dominiert die Reimchronik wahrend die eigentlichen narrativen Passagen demgegenuber deutlich reduziert sind Es kommt dabei zu einem standigen Perspektivwechsel zwischen den Figuren zu denen auch der Erzahler gehort und einem anonymen Publikum Neben den Botenberichten gibt es zahlreiche Dialogszenen die oft direkt aufeinanderfolgen Dadurch wird es zwar einerseits erschwert dem Text zu folgen und die Ausserungen richtig zuzuordnen andererseits sorgt der Verzicht auf verba dicendi Verben des Sprechens fur eine Dynamisierung Der Ubergang zwischen einzelnen Szenen wird durch einen Wechsel des Ortes oder der Perspektive realisiert Die Figurenrede fuhrt zu einer lebhaften Vergegenwartigung der Szenen und damit zu einem dramatischen Modus Weil die Geschichte derart unmittelbar prasentiert wird wird sie im doppelten Sinne des Wortes wahr nehmbar Man kann sich in das Geschehen einfuhlen und das Erzahlte wirkt umso glaubwurdiger 8 Namen Daten und Fakten BearbeitenHistoriographische Texte zeichnen sich dadurch aus dass sie konkrete Namen von Personen und Orten die real existierten bzw noch existieren sowie die dazugehorigen Daten und Fakten explizit nennen In der Reimchronik ist dieser Anspruch nicht derart eindeutig umgesetzt Gottfried Hagen verfugt durch seine vielfaltige Bildung uber umfangreiche Detailkenntnisse die er aus schriftlichen Quellen und als Augenzeuge des Geschehens gewonnen hat 9 aber er selektiert und funktionalisiert die Fakten die er fur seinen Text benotigt Inhalte die ihm besonders wichtig erscheinen kundigt er ausdrucklich an indem er sein Publikum z B durch die mehrfach verwendete Formel nu hoirt zu erhohter Aufmerksamkeit ermahnt oder eine Interpretation des folgenden Geschehens vorgibt 10 Beispiele fur eine solche Beeinflussung des Publikums gibt es in V 1229 hoirt ein iemerlich sage V 1302 nu hoirt wilch wonder dat geschaich V 1463 hoirt wat die unnutze scheffen daden V 2247 nu moicht ir horen wonder groisJahreszahlen oder sonstige zeitliche Daten werden fast gar nicht genannt Einzige Ausnahme ist die Angabe des Jahres 1270 als Zeitpunkt fur die Entstehung des Werkes also ein Datum das ausserhalb der eigentlichen Handlung steht Fur den Rezipienten sind nur indirekte Ruckschlusse mit Hilfe der Lebensdaten oder Regierungszeiten der beteiligten Figuren moglich Diese mussen aber aus anderen Quellen erschlossen werden was ein gewisses Vorwissen beim Rezipienten voraussetzt Durch die weitestgehend fehlenden Zeitangaben distanziert sich die Reimchronik von den gewohnlichen Annalen in denen oft die Jahre alle einzeln aufgefuhrt werden Mit den Annalen gemeinsam hat sie aber die lineare Anordnung des erzahlten Geschehens Alle Ereignisse werden in streng chronologischer Reihenfolge so berichtet wie sie nacheinander geschehen sind 11 Es gibt keine Umstellungen und auch keine kausale Motivierung der Handlungen wie sie in der sonstigen Literatur durchaus ublich sind Eine analeptische Erzahlung findet man in V 4054 4102 wo der Bischof erstmals von den verfeindeten Patrizier Geschlechtern erfahrt und einen Plan zur endgultigen Entzweiung der beiden prasentiert bekommt Allerdings ist auch dieser vorausschauende Bericht chronologisch eingeordnet weil im Anschluss die Verhandlungen des Bischofs mit den Weisen geschildert werden Die Reimchronik erinnert eher an die grossen Weltchroniken des Mittelalters Gregor von Tours Frutolf etc die sich von der Schopfungsgeschichte bis in die jeweilige Gegenwart erstrecken auch wenn Gottfried Hagens Bericht erst im 4 Jahrhundert mit der Christianisierung beginnt Bezuglich der Namen der beteiligten Figuren wird der Text deutlicher Sowohl die Helden als auch die Gegner werden konkret benannt Damit wird die Geschichte zwar einerseits authentischer weil die Rezipienten wissen dass es um reale Personen geht die sie moglicherweise sogar personlich kennen anderseits lassen sich aber deutlich typisierte Figurenrollen und Verhaltensmuster 12 erkennen Die allgemeine Einordnung einer Figur als Held oder Gegner ist fur die Geschichte wichtiger als ihr Name Besonders ausfuhrlich geschieht die Namensnennung bei den Overstolzen Hier werden zahlreiche einzelne Figuren mit ihren Vornamen identifiziert Gottschalk Mathias Daniel etc Dadurch werden die Helden gesondert hervorgehoben und geehrt Sie sind so wichtig dass man jeden von ihnen einzeln kennen muss Gleiches gilt fur die Figuren um die sich die Legenden ranken Ursula Konstantin Silvester Sie verdienen eine besondere Beachtung mindestens ebenso sehr wie die Helden des aktuellen Zeitgeschehens Ausserdem ist die Namensnennung hier mit einem Wahrheitsanspruch verbunden Obwohl oft nur die allgemeine Bezeichnung der busschoff auftaucht werden viele der hohen Geistlichen beim Namen genannt Das ermoglicht es dem Autor und den Overstolzen konkrete Vorwurfe an die Bischofe zu richten anstatt sich nur allgemein uber die Kirche zu beschweren Besonders geschildert wird auch wie die Stadt Koln durch den Bischof Maternus zu ihrem neuen Namen kam Vollig unbeachtet bleibt allerdings ein anderes Faktum Der Bau des Kolner Doms nach Planen des Albertus Magnus wird mit keinem einzigen Wort in der Reimchronik erwahnt obwohl der Beginn genau in der berichteten Zeit liegt Helden und Gegner BearbeitenOverstolze Bearbeiten Auffallig ist die Parteinahme des Autors zugunsten der Overstolzen Dieses Patrizier Geschlecht bildete sich aus einer Gruppe um Hermann von der Kornpforte Gottfried Hagen spricht eindeutig aus ihrer Perspektive was vielleicht auch damit zu tun hat dass sie seine Gonner gewesen sein konnten ohne dabei eine beschrankte Sicht einzunehmen oder den Uberblick uber das Gesamtgeschehen zu verlieren Die Overstolzen und ihre Verbundeten werden stets als vorbildliche Helden und glorreiche Kampfer dargestellt und mit entsprechenden Attributen der Kuhnheit und des Stolzes versehen Beispiele dafur finden sich in den Versen 2519 die koene heilt 2556 eyn coin junck man ind stultz und 3486 ein koin hoisch man ind stolz Besonders deutlich wird die Heroisierung in den zahlreichen Schlachtszenen Dort tauchen immer wieder die konventionellen Formeln auf Die Helden nach denen heute eine Strasse in der Kolner Innenstadt benannt ist kampfen stets gegen einen zahlenmassig weit uberlegenen Gegner den sie aber trotzdem besiegen Dabei werden sie mit Bezeichnungen versehen die an die bekannte Dietrichepik erinnern kampfen wie Lowen etc Somit kann die Heldendichtung als Vorbild fur die Reimchronik gelten Dazu passt gewissermassen auch der Beiname des Autors der an die Figur Hagen aus dem Nibelungenlied erinnert Die Dominanz der Overstolzen und ihrer Partner zeigt sich auch daran dass sie wenn sie doch einmal in Schwierigkeiten geraten Gott um Hilfe bitten Denn nur ubernaturlicher Einfluss und ein positives Schicksal konnen ihnen dann noch helfen Das beste Beispiel hierfur ist die wundersame Befreiung aus der Gefangenschaft in Altenahr Diese Perspektive zieht sich durch den gesamten Text Schon bevor sich die Overstolzen von den Weisen trennen ist Gottfried Hagen auf ihrer Seite Die Bezeichnungen andern sich jedoch im Laufe der Zeit Zunachst bezeichnet der Autor die Patrizier einfach als die Besten bevor dann der Begriff des Geschlechts auftaucht Die Elite deren Mitglieder durch Geburt bestimmt sind weist ein aristokratisches Selbstverstandnis auf und hebt sich durch ritterliche Lebensfuhrung vom Rest ab 13 Bischofe Bearbeiten Als Gegner stehen den Overstolzen die Bischofe gegenuber Die Geistlichen werden sehr negativ dargestellt Dabei sollten sie eigentlich so positiv sein wie der vorbildliche Bischof Maternus der im universalgeschichtlichen Teil vorgestellt wurde Er gilt als Exempel aber die aktuellen Bischofe haben ihn sich uberhaupt nicht zum Vorbild genommen Letztere sind vielmehr durch den Hunnenkonig Etzel prafiguriert der die Stadt einnehmen will aber dabei am Einfluss der heiligen Ursula scheitert 14 Die Bischofe treten als Aggressoren auf Schliesslich sind sie es die zumindest nach Darstellung Gottfried Hagens die Auseinandersetzungen provozieren und fur Unruhe sorgen wahrend die Overstolzen nur auf die Attacken reagieren und ihre Stadt zu beschutzen suchen Die Gier der Geistlichen nach Macht und Geld zeigt sich u a daran dass ein Streit um das Munzrecht der Ausgangspunkt fur die Konflikte in dieser Zeit ist Als hinterlistiger Verrater erweist sich besonders Bischof Engelbert Nachdem er scheinbar einer Suhne zugestimmt hat bricht er die Vereinbarung und lasst sich vom Papst Dispens erteilen um anschliessend die Stadt wieder anzugreifen Nach einer neuen Suhne lasst er von einem Helfer einen verleumderischen Brief gegen die Overstolzen an die Gemeinde uberreichen Als auch dieser Plan zunachst fehlschlagt wiederholt er den Verrat mit drei Salzmessern Weise und Gemeinde Bearbeiten Ein weiterer Gegner der Overstolzen ist das verfeindete Patrizier Geschlecht der Weisen Dass Letztere ebenfalls negativ prasentiert werden zeigt sich schon allein daran dass sie sich mit dem Bischof verbunden nachdem dieser von den Geschlechtern erfahren hatte die sich underhassent reichte als katzen ind hunde V 4058f Dadurch wurde die Feindschaft noch weiter verscharft Die Weisen die aus der Gruppe derer von der Muhlengasse hervorgingen sind extreme Storenfriede die der Autor explizit als meineidige Lugner bezeichnet V 4504f meyneidige ind logenere erkrygent selden vrome ind ere Beide verbunden sich zeitweise mit der sogenannten Gemeinde Damit ist in diesem Fall aber nicht die Gesamtheit aller Einwohner der Stadt gemeint Vielmehr bildet sie den Gegensatz zur Stadt die von den burgerlichen Geschlechtern reprasentiert wird Mit dem pejorativen Ausdruck bezeichnet man pauschal die Zunfte und Bruderschaften Ausserdem zahlen die Beamten der Kirchspiele zu dieser sozial niedrig gestellten Gruppe Die Gemeinde gilt in allen Belangen als unfahig sowohl was die Herrschaft betrifft als auch in Bezug auf ihr kampferisches Leistungsvermogen 15 Deshalb stellt sie fur die Overstolzen keine ernsthafte Gefahr dar In einem Appell V 3558ff macht Gerart Overstolz klar dass es eine Schande ware gegen die Weber zu verlieren Freiheit und Recht BearbeitenDas zentrale Thema der Reimchronik wird in Vers 76f genannt da enboven wart gesprochen der stede vryheit unzebrochen Es geht also um die Freiheit der Stadt Koln die bewahrt und gegen schadliche Einflusse von aussen verteidigt werden muss Die Reimchronik etabliert die Stadt als gultige Instanz sowohl auf politischer als auch auf sozialer Ebene Gottfried Hagen fordert die besten Burger nachdrucklich auf sich fur den Schutz der Stadt einzusetzen Das zeigt sich auch daran dass Coelne direkt angesprochen wird Durch den gleichzeitigen Bezug auf die Stadt und ihre Einwohner sind das Objekt und die Rezipienten der Anrede hier identisch 16 Schon vor der Christianisierung die eher allegorisch als historisch beschrieben wird gab es laut Gottfried Hagen ein stadtisches Gemeinwesen In den darauf folgenden Passagen wird ein anachronistische s Bild von der Ratsherrschaft 17 gezeichnet das zur Legitimierung des aktuellen Rates dient Die Schilderung politischer Entscheidungen ist meistens unscharf und knapp gehalten weil Forderungen und Anspruche wichtiger sind als das eigentliche Ergebnis Die Reimchronik bestarkte die Kolner Verfassungstheorie 18 deutlich und verlieh ihr eine historische Begrundung Der Text prasentiert einen neuen Begriff von Freiheit Dabei geht es nicht mehr um Privilegien fur ausgewahlte Menschen sondern um die Freiheit im Singular 19 Diese ist vergleichbar mit dem antiken romischen Konzept der libertas die ein Merkmal der civilitas darstellte Allerdings stimmen die beiden Vorstellungen nicht ganz uberein Gottfried Hagen konnte seine Ideen auch nach italienischem Vorbild entwickelt haben Die Freiheit des Burgers ist fur alle Menschen garantiert sie ist unabhangig vom sozialen Status Das ist letztlich eine notwendige Bedingung weil die Ordnung der Stadt nur durch gemeinschaftliches Engagement gesichert werden kann Gottfried Hagen verfugte uber umfangreiche Kenntnisse im burgerlichen und Kirchenrecht Schon vor seiner Zeit als Stadtschreiber galt er als besonderer Spezialist fur die Verfassung von deutschen Urkunden und hatte entscheidenden Anteil an der fuhrenden Rolle Kolns in dieser Disziplin 20 Sein gesammeltes Wissen liess der Autor auch in seine Reimchronik einfliessen Dabei werden die Urkunden und juristischen Dokumente aber nicht einfach zitiert und als kompletter Text integriert sondern durch die Figurenrede in die Handlung eingefugt Die jeweilige rechtliche Situation ergibt sich also aus den Dialogszenen Dabei kann naturlich die Objektivitat nicht immer garantiert werden weil die beteiligten Figuren die stets unklare und umstrittene rechtliche Lage aus ihrer subjektiven Sicht prasentieren Letztlich bleibt wenn uberhaupt nur der Erzahler als verlassliche Informationsquelle Ein Vergleich der in der Reimchronik integrierten Urkunden mit dem Text wie ihn Desiree Welter 21 durchgefuhrt hat offenbart viele Detailkenntnisse was angesichts der Bildung des Autors nicht uberraschend ist Allerdings sind bei der literarischen Umsetzung auch Differenzen zu den Quellen festzustellen die auf entsprechende Eingriffe des Autors zuruckzufuhren sind Von den einzelnen juristischen Fakten benutzt der Autor nur diejenigen die er fur die Darstellung seiner Geschichte benotigt ohne auf Vollstandigkeit zu achten Wenn man die nachfolgenden Chroniken naher betrachtet zeigt sich dass die Agrippina zwar einige Anderungen vornahm sich dabei aber ausschliesslich auf die Reimchronik stutzt und die dort verwendeten Urkunden nicht in Betracht zieht Auch die Koelhoff sche Chronik vertraut Gottfried Hagen mehr als der zeitlich naheren Agrippina oder sonstigen Dokumenten Eine Ausnahme gibt es jedoch Die Absetzung der sogenannten huysgenossen wird in den spateren Chroniken vergleichsweise ausfuhrlich geschildert wahrend sich die Reimchronik hierbei auf drei Verse 1218 1220 beschrankt nbsp Albertus Magnus Fresko 1352 Treviso ItalienDie wichtigsten rechtlichen Zeugnisse in der Reimchronik sind die Suhnen zwischen den Patriziern und dem Bischof Dazu gehoren der Kleine und der Grosse Schied von 1252 bzw 1258 die Suhne mit Bischof Engelbert 1262 und die abschliessende von Albertus Magnus ausgehandelte Suhne Diese Suhnen markieren zentrale Punkte in der Geschichte Sie werden auch unterschiedlich prasentiert Der Kleine Schied wird zu einer belehrenden Kollektivrede 22 der Patrizier an die Adresse des Bischofs umgeformt V 700 730 Dabei berufen sich die Besten auf die ihnen garantierte Freiheit der Stadt unsere vryheit here wilt ir uns brechen ind unse reicht van alders wie it is komen Die Suhne von 1262 ist die langste Passage der Reimchronik Dies lasst sich darauf zuruckfuhren dass die Vereinbarung von Gottfried Hagen personlich ausgearbeitet wurde und deshalb besondere Beachtung erfahren soll Der Abschnitt stellt den extremste n Fall szenischer Vergegenwartigung 23 dar Etwa die Halfte der insgesamt 600 darauf verwendeten Verse nehmen dabei die Schlichtungsgesprache zwischen den verfeindeten Parteien ein Insgesamt kommt es zu drei Verhandlungsszenen wahrend der Vollzug der Vereinbarung ganz knapp in zwei Versen mitgeteilt wird Hier zeigt sich dass es mehr auf die Forderungen als auf die Bestimmungen ankommt Die abschliessende Suhne soll den erreichten Zustand des Friedens dauerhaft bewahren was sich in der Realitat allerdings bald als falsche Hoffnung erwies Die Suhnen spielen auch eine zentrale Rolle bei der Segmentierung der Handlung Eigentlich sollen sie jeweils die vorausgegangenen Konflikte beenden und fur eine friedliche Einigung sorgen Damit kame die Handlung zu einem Abschluss Aber die Bischofe halten sich nie an die Vereinbarungen und brechen die Suhne womit sie neue Auseinandersetzungen provozieren Somit wird die Geschichte nach einem ahnlichen Muster immer wieder bis zur nachsten erfolglosen Suhne fortgesetzt Legenden Exempel und Heilige BearbeitenObwohl die Overstolzen gegen die Bischofe kampfen haben sie den Glauben an Gott keineswegs verloren Schliesslich versagen die Bischofe ja in ihrer eigentlichen Funktion als geistliche Reprasentanten Die Helden rufen Gott immer wieder an um ihn um Beistand zu bitten v a bevor sie in einer Schlacht gefordert werden Dass Gott ihnen hilft steht ausser Frage denn nur sie haben seine Hilfe verdient weil sie unermudlich und erfolgreich fur die Freiheit ihrer Stadt kampfen Durch die umfassende und sichere gottliche Ordnung konnen die drohenden Schaden stets abgewandt und die Angriffe vereitelt werden Heilige Stadt Bearbeiten Im Prolog hat der Autor schon Gott um Hilfe beim Verfassen seines Werkes gebeten Anschliessend wird allegorisch die von Rom dem Zentrum des Christentums V 30 houft der christenheit ausgehende Christianisierung der Stadt Koln beschrieben Koln gilt seitdem als heilige Stadt und diese Sonderstellung soll in alle Ewigkeit bewahrt werden Die Heiligkeit zeigt sich auch daran dass der vorbildliche Bischof Maternus der Stadt die bis dahin Agrippina hiess den neuen Namen gab Er sprach von der Pflege der Tugenden V 140f ovinge aller dogentlicher dinge und aus dem lateinischen Verb colere pflegen wurde dann der Name Colonia abgeleitet Allerdings war die Bezeichnung sancta Colonia zunachst auf die Kirche bezogen und wurde erst spater auf die Stadt ubertragen Neben Gott und der heiligen Ursula sind vor allem die 6666 Stadtheiligen fur den Schutz der Stadt verantwortlich Auf den grossen Sieg der Overstolzen folgt darum in der Reimchronik eine ausfuhrliche Passage in denen all diesen 6666 Heiligen ausdrucklich fur ihren Beistand gedankt wird Ihre Zahl kann symbolisch gedeutet werden Die Sechs gilt als heilige Zahl da aber die 666 den Antichristen reprasentiert und damit nicht in Frage kommt mussen es schon Tausende von Heiligen sein Ein weiterer Ausdruck der Zuwendung zu Gott ist das abschliessende funffache Amen das gewissermassen die Quintessenz des Textes bildet Ursula und ihre Jungfrauen Bearbeiten Im ersten Teil der Reimchronik werden zwei grosse Legenden prasentiert die spater auch fur das zeitgeschichtliche Geschehen wichtig werden weil sie grundlegende Tatsachen begrunden und auch als Exempel angesehen werden konnen nbsp Martyrium der Ursula und ihrer Gefahrtinnen in einem Holzschnitt von 1499Die erste Legende handelt von der heiligen Ursula und ihren 11 000 Jungfrauen darunter Odilia von Koln Ursula begegnet dem Hunnenkonig Etzel der Koln einnehmen will und provoziert ihn mit ihrer ablehnenden Haltung Als Etzel sie angreift ruft Ursula ihre Jungfrauen zum Widerstand auf und fordert sie auf ebenso fur Koln zu sterben wie Jesus Christus fur die Menschen am Kreuz starb Dadurch werden die 11 000 zu Martyrerinnen und Ursula ist von nun an die oberste Stadtheilige Dass diese Martyrien ausgerechnet in Koln passieren ist dabei kein Zufall sondern das Ergebnis der gottlichen Bestimmung 24 Ursula schutzt Koln vor allen Bedrohungen die von ausserhalb auf die Stadt zukommen Die Legende ist in vielen Versionen erhalten die vom 9 bis ins 13 Jahrhundert immer weiter ausgeschmuckt wurden Als erster Beleg gilt eine Inschrift aus dem 5 Jahrhundert die in der Kirche St Ursula zu Koln aufbewahrt wird Die Echtheit dieser Inschrift in der weder der Name Ursulas noch die Anzahl der Jungfrauen erwahnt werden ist nicht gesichert Die Zahl 11 000 geht vermutlich auf einen Lesefehler zuruck In fruhen Quellen ist teilweise auch von nur 11 Jungfrauen die Rede Wahrscheinlich wurde die Angabe XI M V statt als 11 martyres virgines falschlich als 11 milia virginum gelesen Im 12 Jahrhundert wurden zahlreiche Namen der Jungfrauen hinzuerfunden Vor den Toren der Stadt Koln hatte man ein ehemaliges romisches Graberfeld entdeckt das man fur den so genannten Ager Ursulanus lat fur Ursula Feld hielt Die ausgegrabenen Knochen wurden den 11 000 Jungfrauen zugeschrieben und als Reliquien verkauft Die Overstolzen folgen in ihren Kampfen dem Vorbild der Martyrerinnen und fordern ebenfalls zum bedingungslosen Einsatz fur ihre Heimatstadt auf Die Helden sollen notfalls mit ihrem Leben bezahlen um die Freiheit zu sichern Genau das widerfahrt am Ende Mathias Overstolz der im Kampf fallt aber frohen Mutes stirbt weil er weiss dass Koln gerettet wird V 5672f Auch der aggressive Bischof muss wider seinen Willen die besondere Macht der Ursula anerkennen Als er die Stadt belagert haben der Graf von Kleve und sein Partner eine ubereinstimmende Vision der Heiligen was den Bischof so sehr einschuchtert dass er den Ruckzug anordnet Anschliessend beklagt er sich lautstark uber das Gluck der Kolner die von der Hilfe der Heiligen profitieren V 4020f Konstantin und Silvester Bearbeiten Die zweite Legende ist die Geschichte von Konstantin und Silvester Der Kaiser konnte durch die Hilfe des Papstes von dem er sich taufen liess von seiner Krankheit geheilt werden Diese Heiligung durch die Religion verdeutlicht den Einfluss der Kirche auf die Menschen der aber von den Bischofen Mitte des 13 Jahrhunderts massiv fur deren egoistische Ziele missbraucht und ausgenutzt wird Andererseits ist bei dieser Legende auch die weltliche Macht besonders zu beachten Diese zeigt sich u a dadurch dass Konstantin den geistlichen Vertreter Silvester empfangt und nicht umgekehrt Der Kaiser ernennt nach seiner Heilung die Papste zu Herren des romischen Reiches Hier wird die Konstantinische Schenkung aus dem 8 Jahrhundert beschrieben die bekanntermassen auf einer gefalschten Urkunde beruhte Damit begrundete er eigentlich eine kuriale Subordinationslehre 25 wonach der Papst die hochste Position einnahm Allerdings legte er auch fest dass dem Papst ein weltliches Gericht zur Seite gestellt wird Das schmalert aber die hohe Meinung vom Papsttum nicht Die Herrschaft der Kaiser endete laut Gottfried Hagen mit Friedrich II V 668ff bys du Koln in hulden ind in love geweist alre conynge sicherliche bys an keiser Vrederich Die Wahl der Kurfursten zeigt hingegen die erhabene Stellung eines Geistlichen namlich des Erzbischofs der aufgrund der Heiligkeit und Romtreue der Stadt als Herrscher geduldet ist sofern er sich angemessen verhalt Zahlenmassig sind jedoch die vier weltlichen Vertreter den drei geistlichen Reprasentanten uberlegen Die Zahlen lassen sich vielleicht auch durch deren Symbolik erklaren wobei die Vier fur die Welt und die Drei fur die Dreifaltigkeit und damit die Geistlichkeit steht Als Summe ergibt sich dabei die Sieben die die Totalitat symbolisiert Wunder Bearbeiten Neben diesen Legenden sind noch einige weitere Wunder festzustellen Besonders zahlreich erscheinen diese im Zusammenhang mit der Gefangenschaft der Besten in Altenahr und der anschliessenden Flucht Das lasst sich einfach damit erklaren dass diese Episoden die grosste Krise der Overstolzen darstellen Die Wunder geschehen schliesslich durch den Willen Gottes der den Helden damit hilft ihre Probleme zu bewaltigen Deshalb findet Gottschalk Overstolz Feile und Meissel genau zu dem Zeitpunkt als er das Werkzeug besonders dringend braucht Andernfalls waren die Patrizier wahrscheinlich noch lange Zeit in ihrem Gefangnis geblieben Bei der Flucht wird Gottschalk zum Anfuhrer der Gruppe Dass er dazu nicht gewahlt oder bestimmt sondern ausgelost wird beweist dass sich die Overstolzen auf das Schicksal verlassen konnen Eigentlich brauchen sie gar keinen Anfuhrer da Gott sie auf ihrem Weg leitet und beschutzt Als die feindlichen Verfolger ihnen bedrohlich nahe kommen steht ein Monch bereit um ihnen zu helfen indem er sie in einer Kiste versteckt und damit die Gegner tauscht In diesem Fall zeigt sich nebenbei auch dass Geistliche im Gegensatz zu den aktuellen Bischofen durchaus positiv in Erscheinung treten konnen Bei der Uberquerung des Rheins geschieht das nachste Wunder Das Eis auf dem zugefrorenen Fluss teilt sich mit Gottes Hilfe plotzlich und gibt den Weg fur die Helden frei Hier ist eine offensichtliche Anspielung auf die Bibel genauer gesagt auf das Buch Exodus nicht zu ubersehen Das Eis teilt sich ebenso wie das Rote Meer beim Auszug aus Agypten und schliesst sich auch wieder rechtzeitig um die Feinde zu stoppen Angesichts der lebhaften und abenteuerlichen Schilderungen merkt Schindler an dass in diesen Passagen im Gegensatz zum restlichen Text und dessen Funktion das Vergnugen delectare gegenuber dem Nutzen prodesse uberwiegt 26 Allerdings zeigen sich auch in diesen Abschnitten die grundlegenden Themen wie die gottliche Ordnung und die Uberlegenheit der guten Helden Die didaktische Aussage Wer so positiv handelt wird belohnt bleibt trotz der zahlreichen Wunder gewahrt Literatur BearbeitenHartmut Beckers Hagen Gottfried In Kurt Ruh et al Hrsg Die deutsche Literatur des Mittelalters Verfasserlexikon Bd 3 de Gruyter Berlin 1981 Sp 384 386 Ernst Dornfeld Untersuchungen zu Gottfried Hagens Reimchronik der Stadt Koln nebst Beitragen zur mittelripuarischen Grammatik Marcus Breslau 1912 Germanistische Abhandlungen 40 ZDB ID 501571 6 Nachdruck Olms Hildesheim u a 1977 ISBN 3 487 06194 5 Gottfried Hagen Reimchronik der Stadt Koln hrsg v Kurt Gartner Andrea Rapp Desiree Welter Manfred Groten Droste Dusseldorf 2008 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