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Der Begriff der Konstantinischen Schenkung lateinisch Constitutum Constantini bzw Donatio Constantini ad Silvestrem I papam bezieht sich auf eine von der Wissenschaft auf etwa das Jahr 800 datierte gefalschte Urkunde die angeblich in den Jahren 315 317 vom romischen Kaiser Konstantin I ausgestellt wurde Darin wird Papst Silvester I Pontifex von 314 335 und seinen samtlichen Nachfolgern usque in finem saeculi d h bis ans Ende der Zeit eine auf geistliche Belange gerichtete jedoch zugleich politisch wirksame Oberherrschaft uber Rom Italien die gesamte Westhalfte des Romischen Reiches aber auch das gesamte Erdenrund mittels Schenkung ubertragen 1 Als Falschung nachgewiesen hatte die Schenkung Kaiser Konstantins 1440 der Humanist Lorenzo Valla Darstellung der Konstantinischen Schenkung auf einem Fresko von 1246 Silvesterkapelle bei der Basilika Santi Quattro Coronati in RomDie Papste nutzten die Urkunde um ihre Vormacht in der Christenheit und territoriale Anspruche zu begrunden Nach dem Nachweis der Falschung im 15 Jahrhundert wurde dieser Umstand seit der Veroffentlichung in Kardinal Caesar Baronius Annales Ecclesiastici erschienen 1588 1607 allgemein akzeptiert 2 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Wirkung im Mittelalter 3 Nachweis der Falschung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDie in den Quellen gebrauchte Bezeichnung des Falsifikats lautet Constitutum Constantini Bestimmung Konstantins Das Dokument besteht aus zwei gleich grossen Teilen einer Confessio Glaubensbekenntnis und einer Donatio Schenkung Von dem Donationsteil leitet sich der gangige Name Konstantinische Schenkung ab Von dem Glaubensbekenntnis Confessio gibt es weit uber 300 Handschriften in lateinischer griechischer syrischer und armenischer Fassung sowie in weiteren volkssprachlichen Versionen In dem Confessio Teil steht dass Kaiser Konstantin als Christenverfolger gegen Ende seines Lebens vom Aussatz befallen wurde Die romisch heidnischen kapitolinischen Priester raten ihm im Blute unschuldiger Kinder zu baden doch wird er von der Klage der Mutter von Mitleid ergriffen und er schickt Mutter und Kinder nach Hause Wie zum Lohn wird er in einem nachtlichen Traum von den ihm erscheinenden Aposteln Petrus und Paulus an Papst Silvester I verwiesen der ihm helfen konne Silvester halt sich am Berg Soracte vor der Christenverfolgung verborgen Konstantin lasst Silvester herbeiholen der ihn durch ein Taufbad heilt In Wirklichkeit wurde Konstantin erst auf dem Sterbebett von Bischof Eusebius von Nikomedia getauft Fur die Uberlieferung ist er der erste als Christ handelnde Kaiser Nach der Heilung bekennt Konstantin den christlichen trinitarischen Glauben und scharft ein dass mit Petrus auch Silvester die Binde und Losegewalt erhalten habe Aus Dankbarkeit so wird im zweiten Teil erklart habe Konstantin dem romischen Bischof den Vorrang uber alle anderen Kirchen d h uber die Patriarchate von Konstantinopel Antiochia Alexandrien und Jerusalem verliehen Ausserdem bekam der Papst die kaiserlichen Insignien und Vorrechte verliehen das Diadem den Purpurmantel das Zepter und das Prozessionsrecht Schliesslich wurde ihm auch die Herrschaft uber ganz Italien und den gesamten Westen uberlassen Konstantin uberlasst ihm auch den Lateranpalast und leistet als Zeichen der Unterwurfigkeit den Stratordienst d h den rituellen Dienst eines Stallknechts indem er das papstliche Pferd fuhrt Konstantin verlegt seinen Regierungssitz von Rom nach Konstantinopel im Ostteil des Reiches wahrend Silvester die Herrschaft uber den Westen das Abendland antritt 3 Das gefalschte Dokument begrundet somit den Anspruch der romischen Kirche auf Landereien und die Weisungsbefugnis uber alle anderen Ortskirchen und verleiht dem Papst einen Rang der dem kaiserlichen vergleichbar ist Wirkung im Mittelalter BearbeitenMoglicherweise spielte die Konstantinische Schenkung bereits in den 750er Jahren eine Rolle als Papst Stephan II sich von den Langobarden bedrangt an den Frankenkonig Pippin III wandte und dieser dem Papst im Rahmen der Pippinschen Schenkung die Herrschaft uber langobardische Gebiete in Mittelitalien zusicherte teilweise ubertrug und damit die territoriale Grundlage des Kirchenstaates erweiterte Manche Forscher meinen aber dass die Falschung erst im spaten 8 Jahrhundert oder zu Beginn des 9 angefertigt wurde Die fruhesten Bezuge auf die Schenkung finden sich in der Chronik des Ado von Vienne und bei Aeneas von Paris jeweils um 870 4 Weitere nachweisliche Bezuge finden sich in der Schrift De Ordine Palatii des Hinkmar von Reims aus dem Jahr 882 5 und in einer Urkunde von Papst Benedikt VII an einen spanischen Empfanger vom April 979 Letztere lehnt sich in der Poenformel ausfuhrlich an den Text der Konstantinischen Schenkung an Das Exzerpt war jedoch rechtlich unerheblich und rein diplomatischer Schmuck Eine heute in Bamberg liegende Handschrift des 10 Jahrhunderts uberliefert eine besondere Textfassung des Constitutum Constantini in welcher eine direkte Unterfertigung Bestatigung durch Otto I formuliert ist Vom kaiserlichen Hof aber war dieses durch einen Diakon namens Johannes eingereichte Pergament als Falschung durchschaut und deshalb von Otto nicht bestatigt worden Just auf diese Falschung bezog sich 1001 ein kaiserliches Diplom seines Enkels Otto III Der Halbgrieche hatte unter Bezugnahme auf Johannes Falschung und ganz in griechischer Tradition die Echtheit des Constitutum rundweg abgelehnt 6 Kurz darauf starb der 21 jahrige Kaiser wegen Fiebers eines naturlichen Todes Das Constitutum wird vorgetragen im grossen Streit zwischen dem Okumenischen Patriarchen Michael Kerullarios und Papst Leo IX bzw dessen Vertreter und Abgesandten dem Kardinal Humbert von Silva Candida 1053 1054 der nach Konstantinopel gereist war Es ging bei diesem Streit zwischen Ost und West zunachst um liturgische Fragen und um die Verwendung gesauerten oder ungesauerten Brotes bei der Eucharistie Doch bald ruckte das Problem des Primats des romischen Bischofs in den Mittelpunkt und Humbert zitierte den Text des Constitutum im romisch petrinischen Sinne Zunachst stellte er die Reihenfolge der Patriarchensitze um wobei er Konstantinopel offenbar in erniedrigender Absicht ans Ende setzte Rom Alexandrien und nach dem Kleinpatriarchat von Jerusalem das grosse Konstantinopel Dass es um die Rangordnung ging wird deutlich als der Patriarch Michael Kerullarios Kaiserinsignien anlegte entsprechend den Emblemen die dem Papst Silvester und seinen Nachfolgern von Konstantin ubertragen waren Der immer hoher eskalierende Streit endete mit einer gegenseitigen Verfluchung der beiden Kirchen 1054 die vom Westen als Schisma angesehen wurde fur welches lediglich westliche Religionshistoriker den Begriff des Morgenlandischen Schismas pragten und das bis heute mehr oder minder andauert Von der Mitte des 11 Jahrhunderts an beriefen sich die Papste bis zum Spatmittelalter nunmehr regelmassig auf die Konstantinische Schenkung sowohl zur Begrundung territorialer Forderungen als auch im Konflikt mit den Patriarchen von Konstantinopel Spatestens im 11 Jahrhundert wurde die Konstantinische Schenkung somit ein fester Bestandteil des Kirchenrechts Daran anderte der Nachweis der Falschung um 1440 zunachst nichts Grund dafur ist das mittelalterliche Rechtsverstandnis Bei Urkunden kam es auf den plausiblen Inhalt nicht die Herkunft an Falschungen waren nicht ungewohnlich und in der Regel juristisch vollstandig inkorporiert Im Mittelalter haben ausser Otto III nur Haretiker und einzelne Gegner des Papsttums in Italien die Konstantinische Schenkung verworfen Trotz der schweren jahrhundertelangen Konflikte des Papsttums mit dem Kaisertum und seinen Streitigkeiten mit franzosischen und englischen Konigen hat keiner dieser Herrscher versucht die Echtheit der Urkunde zu bestreiten Jedoch kamen immer wieder aus verschiedenen Grunden Falschungsvorwurfe auf Sie konnten von der teilweise irrefuhrenden Einordnung in den pseudoisidorischen Dekretalen einem der im Fruhmittelalter am weitesten verbreiteten Kirchenrechtsbucher veranlasst sein Das Constitutum Constantini steht dort nach einem Brief des Vorgangerpapstes von Silvester Melchiades 310 314 und nach einem Traktat uber das Konzil von Nikaa 325 der bereits prazise von dem Schenkungsakt des Konstantin an Silvester spricht Das brachte romische Kreise auf die Idee in der Konstantinischen Schenkung eine Falschung zu sehen Sie sei eine Luge und eine ketzerische Fabel woruber in Rom selbst die Kramer und die Marktweiber offen redeten so wurde Friedrich Barbarossa bei seiner Thronbesteigung 1152 berichtet Eine stadtromische Freiheitsbewegung wollte in der Mitte des 12 Jahrhunderts samtliche Schenkungen an Papst Silvester ruckgangig machen Bernhard von Clairvaux ausserte Zweifel an der Konstantischen Schenkung und kritisierte dass mit ihr das Gift in Form von Prunk und Pomp in den Klerus gedrungen sei Nachweis der Falschung BearbeitenErst zwei Gelehrte des 15 Jahrhunderts zuerst 1433 der deutsche Theologe und Philosoph Nikolaus von Kues in De concordantia catholica und dann um 1440 der italienische Humanist Lorenzo Valla wiesen nach dass die Urkunde der Schenkung eine Falschung ist Valla zeigte mit sprachlichen Argumenten dass das Latein der Urkunde Merkmale zeigt welche die Entstehung im fruhen 4 Jahrhundert ausschliessen Ausserdem wird in der Urkunde der Name Konstantinopel Constantinopolis erwahnt obwohl die Stadt zur angeblichen Ausstellungszeit 315 317 noch Byzantion bzw Nova Roma hiess Erst durch die Reformation wurde Vallas Erkenntnis weiteren Kreisen bekannt Der Reichsritter Ulrich von Hutten gab in seinem kompromisslosen Kampf gegen den Papst Vallas Schrift De donatione Constantini ab 1521 neu heraus Seit dem fruhen 17 Jahrhundert vertrat die katholische Kirche die Auffassung die Urkunde sei zwar gefalscht doch habe es wirklich eine Schenkung Konstantins gegeben und die Falschung sei von den Griechen begangen worden also nicht im Dienst des Papsttums Erst im 19 Jahrhundert wies der katholische Gelehrte Ignaz Dollinger nach dass die Behauptung eines griechischen Ursprungs und nachtraglicher Ubersetzung ins Lateinische unhaltbar ist Der Vatikan hatte im selben Jahrhundert die Falschung festgestellt und erkannte an dass der Anspruch auf weltliche Macht nicht durch ein Geschenk des romischen Kaisers gerechtfertigt sein konne Literatur BearbeitenJohannes Fried Donation of Constantine and Constitutum Constantini The Misinterpretation of a Fiction and its original Meaning De Gruyter Berlin u a 2007 ISBN 978 3 11 018539 3 Millennium Studien 3 Johannes Fried Die Konstantinische Schenkung In Johannes Fried Olaf B Rader Hrsg Die Welt des Mittelalters Erinnerungsorte eines Jahrtausends C H Beck Munchen 2011 S 295 311 Horst Fuhrmann Konstantinische Schenkung und abendlandisches Kaisertum In Deutsches Archiv fur Erforschung des Mittelalters DA 22 1966 S 63 178 Horst Fuhrmann Konstantinische Schenkung In Lexikon des Mittelalters Band 5 Sp 1385 1387 Horst Fuhrmann Constitutum Constantini In Theologische Realenzyklopadie 8 1981 S 196 202 Das Constitutum Constantini Konstantinische Schenkung Textausgabe Herausgegeben von Horst Fuhrmann Hahn Hannover 1968 Monumenta Germaniae historica Leges 8 Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum separatim editi 10 Nicolas Huyghebaert Une legende de fondation le Constitutum Constantini In Le Moyen Age 85 1979 ISSN 0027 2841 S 177 209 Daniel E D Muller Magna Charta of All Claims of the Papacy The Impact of the Constitutum Constantini on the Argument in Favour of the Papal Primacy In Romische Quartalschrift fur Christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 114 2019 S 80 116 Wolf Friedrich Schaufele Defecit Ecclesia Studien zur Verfallsidee in der Kirchengeschichtsanschauung des Mittelalters Veroffentlichungen des Instituts fur Europaische Geschichte Mainz Band 213 Abteilung fur Abendlandische Religionsgeschichte von Zabern Mainz 2006 ISBN 978 3 8053 3647 5 Habilitationsschrift Universitat Mainz 2006 408 Seiten Wolfram Setz Lorenzo Vallas Schrift gegen die konstantinische Schenkung Zur Interpretation und Wirkungsgeschichte De falso credita et ementita Constantini donatione Bibliothek des deutschen historischen Instituts in Rom 44 Niemeyer Tubingen 1975 ISBN 3 484 80063 1 Dissertation Universitat Tubingen 1971 197 50 Seiten Kurt Zeillinger Otto III und die Konstantinische Schenkung Ein Beitrag zur Interpretation des Diploms Kaiser Ottos III fur Papst Silvester II DO III 389 In Falschungen im Mittelalter Internationaler Kongress der Monumenta Germaniae Historica Munchen 16 19 September 1986 Teil 2 Gefalschte Rechtstexte der bestrafte Falscher Hahn Hannover 1988 ISBN 3 7752 5157 X Schriften der Monumenta Germaniae historica 33 2 S 509 536 Weblinks BearbeitenText des Constitutum Constantini Latein Constitutum Constantini Bibliotheca Augustana Erste deutsche Ubersetzung im Netz Lateinischer Text mit deutscher Ubersetzung Sueddeutsche zum Constitutum Constantini Lorenzo Valla De falso credita et ementita Constantini donatione hg W Setz Weimar 1976Einzelnachweise Bearbeiten http 12koerbe de arche const htm Nadine Wendland Gibbon die Kirchengeschichtsschreibung und die Religionsphilosophie der Aufklarung S 194 f Horst Fuhrmann Die Konstantinische Schenkung Uber die Bedeutung und Wirkung einer beruhmten Falschung aus zur debatte Heft 4 2007 Katholische Akademie in Bayern Vgl Johannes Fried Donation of Constantine and Constitutum Constantini Berlin u a 2007 S 47 Vgl Hinkmar De ordine palatii hrsg und ubers v Thomas Gross und Rudolf Schiesser Hannover 1980 MGH Fontes iuris germanicis antiqui III S 57 und Anm 106 Jurgen Miethke Die Konstantinische Schenkung in der mittelalterlichen Diskussion Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Konstantinische Schenkung amp oldid 235178840