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Die Justizvollzugsanstalt St Georgen Bayreuth befindet sich im Bayreuther Stadtteil St Georgen und ist nach der JVA Munchen Stadelheim und der JVA Nurnberg die drittgrosste Justizvollzugsanstalt in Bayern Justizvollzugsanstalt St Georgen BayreuthInformationen zur AnstaltName Justizvollzugsanstalt St Georgen BayreuthBezugsjahr 1735Haftplatze 890Mitarbeiter 364Anstaltsleitung Matthias Konopka Inhaltsverzeichnis 1 Zahlen 2 Aussenstelle 3 Vorgeschichte 4 Geschichte 4 1 Konigreich Bayern 4 2 Drittes Reich 4 3 1945 bis heute 5 Bekannte Gefangene 6 Anmerkungen 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseZahlen BearbeitenDie aus drei raumlich voneinander getrennten Arealen bestehende Anstalt hat eine Gesamtkapazitat von 911 Haftplatzen davon zwei fur behinderte Haftlinge Aussenstelle BearbeitenVerwaltungsmassig war die seit dem 1 Januar 2019 selbstandige Justizvollzugsanstalt Hof mit 202 Haftplatzen an die Bayreuther Anstalt angegliedert Vorgeschichte BearbeitenVermutlich verlegten die Andechs Meranier um 1231 die Hochgerichtsbarkeit nach Bayreuth wo sie ab dem 15 Jahrhundert nachweisbar ist Im 17 Jahrhundert ubte der Amtsvogt als Vertreter des Landesherrn gemeinsam mit dem Burgermeister dem Magistrat und dem Gerichtsschreiber die richterliche Gewalt aus Schwere Vergehen und Verbrechen blieben dem erweiterten Stadtgericht Bann und Halsgericht vorbehalten zu dem auch die Inneren Ratsmitglieder als Schoffen verpflichtet wurden Die Klerus der Hofstaat sowie Forst und Jagerbedienstete waren der Zustandigkeit der stadtischen Gerichte entzogen Die Gerichtsbarkeit zeigte nach der Peinlichen Halsgerichtsordnung von 1582 noch vielfach mittelalterliche Harte Bei den Strafen wurden unterschieden Todesstrafen vor allem durch Enthaupten Strangulieren Ertranken Verbrennen Radern Vierteilen und lebendig Begraben Verstummelnde Strafen wie Abhauen der Hand oder einzelner Finger Abschneiden der Ohren Ausstechen der Augen Ausreissen der Zunge Aufbrennen eines Schandmals Leibstrafen mit Riemen Stock oder Rutenbuschel Beschimpfende Ehrenstrafen Stehen am Pranger oder im Halseisen Einsperren in die Narrenkammer Aufstulpen des Entenschnabels etc Freiheitsstrafen im Gefangnis Kerker oder Hausarrest Stadt und Landesverweis Geld und sonstige Strafen wie z B ZwangsarbeitWar eine Person eines Verbrechens beschuldigt erliess der Vogt oder Richter einen Haftbefehl Der Gerichtsdiener Buttel brachte ab 1632 den Inhaftierten in den Kerker beim Unteren Tor heutige Maximilianstrasse in Hohe des Pauschenbergleins wo dieser von Angehorigen der Burgerwehr Musketieren bewacht wurde Noch 1712 wurde im Unteren Tor ein neues Torturgewolbe fur die Erzwingung von Gestandnissen durch Folter geschaffen Im Zuge des Abbruchs des Unteren Tors wurde im Jahr 1768 am Markt beim Muhlturlein eine neue Fronfeste errichtet 1 Geschichte BearbeitenBis zum spaten Mittelalter bestand im Furstentum Bayreuth ein System von Leib und Lebensstrafen Mannliche Verbrecher wurden als Galeerenstraflinge nach Venedig geschafft weibliche Busserinnen mit Rutenstreichen Brandmarkung Landesverweisung oder dem Tod bestraft Um der wachsenden Kriminalitat entgegenzutreten wandte sich Markgraf Georg Wilhelm an die Universitat Wittenberg die ihn zum Bau eines Zuchthauses ermutigte dessen Errichtung sei ebenso heilsam und Gott wohlgefallig als die Erbauung einer Kirche 2 Im Jahr 1713 beantragte er beim Landtag die Errichtung eines Zucht und Arbeitshauses an dessen Finanzierung sich die Kirchen und die Hospitaler zu beteiligen hatten 3 Der Landtag signalisierte seine Zustimmung ein Betrag von 4000 Frankischen Gulden wurde bereitgestellt In den folgenden Jahren wurden diese Plane aber nicht weiter verfolgt 4 Erst 1724 wurde eine Anstalt fur 200 Zuchtlinge in Auftrag gegeben Georg Wilhelm richtete Bettelbriefe an die Hochfurstliche Landschaft das Hochfurstliche Consistorium und wenig spater an die Landes und Amtshauptmannschaften nebst Burgermeister und Rat der sechs Hauptstadte des Furstentums Letztere wurden zur Bereitstellung von Hospitalgeldern aufgefordert Die Fursten und die Kirchen sollten jeweils 4000 Gulden die Hospitaler Bayreuth 1000 Hof 1000 Wunsiedel 800 Kulmbach 400 und Neustadt 300 Gulden beitragen Zudem wurden zur Errichtung und Erhaltung des Gefangnisses 49 verschiedene Steuern fur die Untertanen geschaffen Zur Geldeintreibung und Bauaufsicht ernannte der Markgraf eine dreikopfige Zuchthausdeputation Bezuglich der Verwendung von Kirchengeldern zum Zuchthausbau holte er ein Gutachten der Universitat Wittenberg ein Darin wurde ihm die Richtigkeit seines Handelns nach Anleitung der heiligen Schrift und Kirchenhistorie bescheinigt 4 nbsp Zuchthaus Sankt Georgen im 18 Jahrhundert im Innenhof wird ein Gefangener auf dem Zuchtesel geschlagenUnter der Bauleitung des Hofbaumeisters Johann David Rantz wurde 1724 mit dem Bau des Gefangnisses begonnen Auf Weisung des Markgrafen musste das Oberforstamt das Bauholz das in Fronarbeit nach Sankt Georgen transportiert wurde zinsfrei bereitstellen Die Bauarbeiten selbst wurden zum grossen Teil von Haftlingen ausgefuhrt Im Jahr darauf vergrosserte Georg Wilhelm die Zuchthausdeputation die finanziellen Mittel wurden aufgestockt Ende 1725 wurden die ersten Gefangenen in neu errichteten Zellen untergebracht Jedoch streckte Georg Wilhelms Nachfolger Georg Friedrich Karl ab 1726 vermutlich aus finanziellen Grunden die Bauzeit Daher wurde die fur 18 000 Gulden erbaute Anstalt erst 1735 fertiggestellt 4 Die dreigeschossige vierflugelige Anlage umschloss einen grossen Innenhof der vielfaltig genutzt wurde Das gesamte Gebaude hatte zwei Meter starke Aussenmauern aus glatt gehauenen Quadersteinen erhalten samtliche Fenster waren vergittert Nur an den Ecken mit den beiden Zellentrakten war das auch Fronte genannte Vorderhaus verbunden Dort waren die Wohnung des Verwalters und die Kammern der Beamten untergebracht dazu die Gefangniskuche eine Marmorwerkstatt und Lagerraume Der nordliche Zellentrakt war fur die mannlichen der sudliche fur die weiblichen Gefangenen bestimmt In beiden Trakten gab es neben den Zellen auch Arbeitsraume fur die Haftlinge Das Hinterhaus beherbergte die Gefangniskapelle deren Einrichtung zum Teil aus der Schlosskapelle in Thierbach stammte In diesem Querbau waren auch die Backstube und die Wohnung der Zuchtknechte untergebracht In einiger Entfernung nordwestlich des Hauptgebaudes stand das runde Brunnenhaus dessen Ziehbrunnen das Zuchthaus mit Wasser versorgte 4 Zwei zweigeschossige Gebaudeteile in Verlangerung der beiden Zellentrakte gehorten zur sogenannten Porzellanfabrik Deren Produktionsstatte hatte man 1724 kurz vor dem Bau des Zuchthauses dorthin verlagert Porzellan wurde in der furstlichen Manufaktur allerdings nicht hergestellt sondern Fayencen aus dem Ton naher herrschaftlicher Gruben Im Jahr 1729 oder kurz danach wurde der Betrieb privatisiert und um 1745 an die Brandenburger Strasse verlegt 5 Die Anlage des 18 Jahrhunderts ist mit dem heutigen Gefangnis kaum zu vergleichen Drei verschiedene Anstalten waren unter einem Dach vereint Die Hauptgruppe der Insassen stellten nach Mannern und Frauen getrennt die Haftlinge dar 4 Zudem beherbergte sie auch geistig Erkrankte ehe Markgraf Karl Alexander diese 1784 in das gegenuberliegende Prinzessinnenhaus verlegen liess 6 Dritte Funktion war die einer Erziehungsanstalt Eltern konnten ihre ungerateten Kinder dem Zuchthaus anvertrauen diese mussten sich mit der Peitsche eines zur Zucht mit Fleiss bestellten Mannes liebkosen lassen 4 Einer Auflistung aus dem Jahr 1750 entsprechend waren unter anderem inhaftiert Gotteslasterer Flucher und Schworer Sabbatschander Ehebrecher und Hurer Diebe und deren Hehler ungetreue Beamte geflissene und vorsatzliche Failliten Mussigganger und Schlemmer untreue Dienstboten Aufwiegler bei Handwerkern verdachtige mussige Weibspersonen falsche Passe fuhrende und verdachtige Bettler unruhige Friedensstorer ungehorsame und halsstarrige Untertanen Trunkenbolde Bei dieser Aufzahlung fehlten die Schwerverbrecher Verurteilte Morder wurden entweder mit dem Tode bestraft oder zu Galeerenstraflingen 4 Die Strafmethoden des 18 Jahrhunderts waren grausam 1724 hatte man im nahen Berneck 17 Zigeunerfrauen an einer Eiche gehangt weil sie sich weigerten den Unterschlupf ihrer Manner zu verraten Unter ihnen waren ein zwolfjahriges Madchen und eine 98 Jahre alte Greisin An der Strasse nach Bindlach befand sich ein Schnellgalgen wo Personen hingerichtet wurden die zu Pestzeiten Bayreuther Gebiet ohne beglaubigten Gesundheitspass betreten hatten Das Ziel das im Gefangnis mit aller Harte verfolgt wurde hiess Abschreckung Dazu waren alle Mittel recht die Tater sollten nicht nur bestraft werden sondern dem einfachen Volk wurde auf drastische Weise vorgefuhrt welche Konsequenzen Straftaten nach sich zogen Zu diesem Zweck waren die Strafexekutionen an Haftlingen offentlich und die Einwohnerschaft von Bayreuth und Umgebung nahm in unglaublicher Menge in Gesellschaft ihrer Kinder teil 4 Beim Eintritt ins Zuchthaus wurden die Ehrliche genannten reuigen Straftater mit in die Hohe gezogenen Handen an die Willkommenssaule gehangt Die Infamen fesselte man mit Armen und Fussen an ein auf zwei Beinen ruhendes eselformiges Holz Zuchtesel Dann wurden die neuen Insassen praventiv mit zwanzig bis dreissig Streichen nach Proportion eines jeden Verbrechens bedacht Wiederholungstater und auf der Flucht ergriffene Haftlinge wurden mit doppelten Streichen von dem Zuchtknecht belegt Zudem versah man sie mit einer Fusskette Beinspringer genannt oder einer Kette mit einer als Bombe bezeichneten schweren eisernen Kugel Die Frauen bekamen eine Kette mit einem angeschlossenen holzernen Stock von unterschiedlicher Schwere angeschmiedet Weitere furchterliche und schmerzende Instrumente waren die besonders gefurchtete Zuchtbank die eiserne Sturmhaube und der Commod Wagen ein auf Walzen ruhender holzerner Esel 4 Nach dem Wecken bei Anbruch des Tages war ein Kirchgang obligatorisch ein weiterer abends nach der Arbeit Tagsuber wurde mit zwei einstundigen Pausen gearbeitet wodurch die Gefangenen ihren Aufenthalt zum grossen Teil selbst finanzierten Bei den Mannern stand die Marmorbearbeitung im Vordergrund die Frauen spannen webten nahten und strickten Wer nicht oder schlecht arbeitete wurde streng bestraft Die Verpflegung war karg und eintonig nur an den drei hohen Feiertagen am Kirchweihfest und beim Abendmahl gab es Fleisch 4 Die markgrafliche Marmorwerkstatt sorgte ab 1734 auch fur einen bekannten Exportartikel die Bayreuther Marmore die im Frankenwald in der Umgebung von Hof im Fichtelgebirge siehe Deutsches Natursteinarchiv und in der Frankischen Schweiz gewonnen und hier verarbeitet wurden 7 Sie wurden etwa fur die Bauten der Bayreuther Eremitage und des Neuen Schlosses verwendet und auch im Schloss Sanssouci und im Neuen Palais in Potsdam sind die fein gedrehten und polierten Kalksteinblocke bis heute zu sehen Der Geologe und spatere hochste Bergbeamte Bayerns Mathias von Flurl notierte nach einem Besuch 1787 in seinem Reisetagebuch 8 Noch ist in dieser St Georgenstadt das gravenreutische Stift und Zuchthaus merkwurdig Statt dass wie an anderen Orten die verirrte Menschheit oft Jahre lang an schweren Ketten schmachtet sich und dem Staate zur Last ist ist nun hier ieder Zuchtling zu einer Arbeit angehalten die ihm Unterhalt und dem Staate einen Nutzen gewahrt der er allzeit entbehren musste wenn er nicht diese herrliche Einrichtung getroffen hatte Die Zuchtlinge verarweiten namlich hier alle feinen Kalk und Marmorarten welche in der ganzen Gegend angetroffen werden Was immer man sich von Marmor denken kann kommt hier durch deren Hande hervor Die einen schneiden ihrer zwey und zwey mit Handsagen die Steine voneinander andere schleifen sie ins Rohe andere poliren sie und wieder andere sind sogar zur Dreherarbeit abgerichtet Nach der Verlegung der geistig Erkrankten in das Prinzessinnenhaus wurden im Gefangnis Raume frei In der Folge wurde dort eine Spielkartenfabrik und spater eine Brillenglasschleiferei eingerichtet 1791 trat der letzte Markgraf in einem Geheimvertrag seine Furstentumer an Preussen ab Unter preussischer Verwaltung wurde der Strafvollzug humaner 4 Konigreich Bayern Bearbeiten nbsp Konigliches Zuchthaus St Georgen nbsp Siegelmarke Koniglich Bayerische Verwaltung der Gefangenanstalt St Georgen1806 kam das vormalige Furstentum Bayreuth unter franzosische Verwaltung Napoleon Bonaparte verkaufte es 1810 an das Konigreich Bayern Damit ubernahm der bayerische Staat das Gefangnis das und dessen Finanzierung bis 1918 unter der Koniglich Bayerischen Verwaltung blieben Um 1855 wurde eine Besserungsanstalt eingerichtet in der jugendliche Straftater bis zum 20 Lebensjahr getrennt vom eigentlichen Strafvollzug resozialisiert werden sollten In jener Zeit wurde das Gefangnis umgebaut und erweitert Die hinteren Flugelbauten wurden aufgestockt und 1860 durch einen Querbau verbunden wodurch ein zweiter Innenhof entstand Die neuen Gebaudeteile nahmen die Kuche und Waschraume auf 1901 wurde der Gefangniskomplex erneut erheblich erweitert ein neuer Zellentrakt entstand 4 1897 wurde das 1722 errichtete Ordensschloss St Georgen in die Anstalt integriert das heute die Krankenabteilung mit einer Tuberkulose Station beherbergt 9 Als weitere ortliche Strafanstalt entstand 1870 in geringer Entfernung das Landgerichtsgefangnis In dem reinen Zellengefangnis wurden um die Jahrhundertwende Hinrichtungen vollzogen fur die jeweils ein Fallbeil von Munchen Stadelheim nach Bayreuth gebracht wurde Spater exekutierte man verurteilte Morder in der Landeshauptstadt 4 Drittes Reich Bearbeiten nbsp Haftentlassung 1933 fur Elias Rausch SPD Mitglied 1933 ging die Verwaltung des Landgerichtsgefangnisses an die Strafanstalt uber Dessen Gebaude wurde fortan als Untersuchungs Polizei und Strafgefangnis genutzt Damit bestand der Gefangniskomplex aus drei verschiedenen Anstalten Das alte Zucht und Arbeitshaus mit seinen zahlreichen Anbauten wurde verwaltungsintern als Anstalt I bezeichnet das ehemalige Ordensschloss wurde zur Anstalt II Anstalt III war das Landgerichtsgefangnis 4 In der Nacht des 9 Marz 1933 forderte das bayerische Innenministerium alle Polizeiamter auf samtliche kommunistischen Funktionare in Schutzhaft zu nehmen Am fruhen Morgen des folgenden Tages wurden daruber hinaus auch 28 Angehorige der SPD und ihrer Hilfsorganisationen verhaftet und mehrere von ihnen darunter Friedrich Puchta und Oswald Merz ins Gefangnis Sankt Georgen gebracht Bereits bis September 1933 wurden 150 politisch verfolgte Menschen dort inhaftiert Da das Gefangnispersonal nicht mehr ausreichte wurden Ende Marz 1933 Angehorige von SA und Stahlhelm als Hilfspolizisten eingestellt Die Gefangenen wurden misshandelt und mussten erniedrigende Arbeiten verrichten Der Sozialdemokrat Kurt de Jonge war als Jude besonderen Schikanen ausgesetzt Am 24 April 1933 wurde er ins KZ Dachau verlegt Er und weitere Bayreuther aus dem Zuchthaus Sankt Georgen gehorten zu den ersten Insassen dieses Konzentrationslagers Da die Haftanstalt unter der Aufsicht der ortlichen Justizbehorde stand konnten SA und SS Manner nur als Polizeihelfer auftreten Obwohl diese Konstellation grossere Ausschreitungen gegenuber den Haftlingen vorerst weitgehend verhinderte kam es dennoch zu Misshandlungen 4 Wahrend des Zweiten Weltkriegs wurden in grosser Zahl Auslander eingeliefert insbesondere Tschechen und zwangsverschleppte Ostarbeiter Fur den Strafvollzug an Polen und franzosischen Widerstandskampfern waren besondere Verscharfungen vorgeschrieben Gegen Kriegsende war das Gefangnis das etwa 1200 Haftlingen Platz bot mit uber 5000 Gefangenen aus mehr als zehn Nationen uberbelegt Da sich der ortsansassige Gauleiter Fritz Wachtler mit der Rekordaufnahme von deutschen Kriegsfluchtlingen hervortun wollte hatte die Haftanstalt auf Kosten der Insassen nahezu alle Vorrate abzugeben Im Oktober 1944 wurde der beinverletzte franzosische Geistliche David Abbe nach Bayreuth verlegt Er schilderte dass die Haftlinge von sechs Uhr fruh bis sechs Uhr abends arbeiten mussten Zum Schutz gegen die winterliche Kalte habe er dabei seine Beine mit Papier umwickelt was ihm aber untersagt wurde In den Werkstatten stellten die Gefangenen Kleider Schuhe und Strickereiwaren her Auch in den Bayreuther Fabriken und einer 15 Kilometer entfernten Munitionsfabrik wurden sie eingesetzt Den Haftlingen habe man das einzige Betttuch weggenommen ihre aufeinandergestellten Holzbetten wurden entfernt zu dritt mussten sie auf zwei Strohmatten auf dem Zellenboden nachtigen Von den gefangenen Tschechen die das kargliche Essen verteilten seien die Franzosen benachteiligt worden Gegen Ende Marz 1945 beobachtete Abbe den Abtransport von 40 franzosischen Mithaftlingen die kurz darauf in der Nahe hingerichtet wurden Wahrend der Luftangriffe auf Bayreuth im April 1945 blieben die Gefangenen in ihren Zellen eingesperrt 4 Otto Gundner Staatsanwalt und Leiter der Abteilung V des Reichsjustizministeriums 10 regte am 14 Februar 1945 an in Bayreuth eine neue Richtstatte zu schaffen Die bislang fur die Sondergerichte Bamberg Bayreuth und Wurzburg zustandige Richtstatte in Frankfurt am Main sei von dort aus nicht mehr zu erreichen Ein aus Posen stammender Scharfrichter habe sich bereits um die Stelle beworben 11 Am 17 Februar 1945 trafen aus Berlin 193 mannliche politische Gefangene im Zuchthaus Bayreuth ein Anm 1 Die fur Hoch und Landesverrat zustandigen Senate des Volksgerichtshofs sollten sie nach dessen geplanter Verlegung in den Bayreuther Justizpalast aburteilen Unter ihnen waren der Schriftsteller Gerhard Schultze Pfaelzer und der spatere Bundestagsprasident Eugen Gerstenmaier Waldemar Hentze und Cornelius Hubers starben bereits am 18 Februar 1945 Auch weitere politische Gefangene darunter mindestens 82 Tschechoslowaken kamen im Zuchthaus Sankt Georgen ums Leben und wurden auf dem Friedhof Sankt Georgen beerdigt Im April 1945 wurden wenige Tage vor der Befreiung politische Haftlinge erschossen die im Hof Huhnereier gefunden und ausgetrunken hatten 12 Der Erschiessung angesichts der anruckenden US amerikanischen Truppen entgingen die Uberlebenden am 14 April 1945 nur knapp durch das selbstlose Engagement des kurz zuvor aus der Haftanstalt entflohenen Karl Ruth 11 13 1945 bis heute Bearbeiten Bei den alliierten Bombenangriffen auf Bayreuth wurde das Gebaude des Landgerichtsgefangnisses Anstalt III vollkommen zerstort wobei zwolf Gefangene ums Leben kamen Nach der Einnahme der Stadt durch die Amerikaner ubernahmen vorubergehend tschechische Gefangene das Kommando Von Mai 1945 bis 1949 hatte die US Militarregierung die Aufsicht uber das Gefangnis seitdem untersteht es dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz 2 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1951 53 nordlich des Ordensschlosses ein Tuberkulose Gefangniskrankenhaus errichtet das fortan als Anstalt III bezeichnet wurde 4 Ende 1986 wurden die letzten Gemeinschaftssale fur 16 Mann mit nur einer Toilette und drei Waschbecken ausgestattet aufgelost Ein im Juni 1989 ubergebener Zellenbau machte auch die letzten Sechs Quadratmeter Zellen in denen weder Tisch noch Schrank Platz fanden uberflussig 14 Auf der gegenuberliegenden Seite der Markgrafenallee befindet sich die beim Bau des Zucht und Arbeitshauses im 18 Jahrhundert angelegte Gefangnisgartnerei Ein Dutzend Strafgefangene im Erstvollzug bauen dort im Freiland und in Gewachshausern Nutzpflanzen an die in Verkaufsraumen auf dem Gelande auch der Allgemeinheit angeboten werden Der jahrliche Ertrag von rund 60 Tonnen Gemuse sank durch die Umstellung auf biologische Bewirtschaftung auf 45 Tonnen im Jahr 2020 In jenem Jahr erhielt der Betrieb das EU Biosiegel 15 Seit 1957 ist das Schloss Sankt Johannis ein landwirtschaftlicher Betrieb der Justizvollzugsanstalt Anfang der 1970er Jahre grundete der evangelische Gefangnispfarrer einen Gefangenenchor der zunachst fur Gottesdienste innerhalb der Gefangnismauern eingesetzt wurde 1971 gaben die Sanger ihr Debut ausserhalb der Haftanstalt Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen sangen sie von der Gemeinde getrennt auf der Empore der nahen Ordenskirche Im Jahr darauf wurde die erste Schallplatte besungen 16 Im Dezember 1996 hatte der Chor bereits mehr als 600 Auftritte absolviert Bevorzugtes Lied des einzigen Gefangnischors der Republik der regelmassig offentliche Konzerte gab war der Gefangenenchor aus Giuseppe Verdis Oper Nabucco 17 Die geplante Beseitigung einer Streuobstwiese an der Ecke der Markgrafenallee mit der Wilhelm von Diez Strasse zugunsten des Baus eines Parkplatzes fur Angestellte und Besucher der JVA fuhrte im Februar 1992 zu Irritationen Bedienstete der Anstalt hinderten protestierende Studenten und Burger am Betreten des Gelandes und drohten nach Angaben von Naturschutzern sogar gegebenenfalls von ihren Schusswaffen Gebrauch zu machen 18 nbsp Ansicht von Nordosten nbsp Das Ordensschloss St Georgen gehort zur JVA nbsp Tor zur Gartnerei in der Markgrafenallee nbsp Teilbereich Schloss Sankt JohannisBekannte Gefangene BearbeitenMargarethe Dorothea Altwein ca 1758 1781 zum Tode verurteilte und vom Weimarer Herzog Carl August zu lebenslangem Zuchthaus begnadigte Weimarer Kindsmorderin die von 1781 bis 1798 inhaftiert war Goethe war zu jener Zeit Weimarer Regierungsbeamter und zeichnete die Verfugung des Herzogs vom 27 April 1781 zur Umwandlung der Todesstrafe in lebenslange Zuchthausstrafe ab 19 Eduard Kullmann 1853 1892 Bismarck Attentater Athanasius Gerster OSB 1877 1945 romisch katholischer Geistlicher in der Haft zu Tode gekommen Friedrich Puchta 1883 1945 Politiker der SPD und der USPD dort inhaftiert vom 10 Marz 1933 20 bis Juli 1933 Gerhard Schultze Pfaelzer 1891 1952 Schriftsteller und politischer Publizist Joseph Ernst Fugger von Glott 1895 1981 Mitglied der Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis Claus Pittroff 1896 1958 SPD Politiker Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung und der ersten Bundesversammlung Landrat Wilhelm Kling 1902 1973 KPD Funktionar Georg Jungclas 1902 1975 Trotzkist und Widerstandskampfer Ewald Naujoks 1903 1985 Sozialist und Widerstandskampfer dort inhaftiert vom 17 Februar 1945 bis 14 April 1945 Hans Merker 1904 1945 KPD Politiker Widerstandskampfer Eugen Gerstenmaier 1906 1986 evangelischer Theologe Karl Ruth 1907 nach 1972 Ingenieur Widerstandskampfer und Retter der Stadt dort inhaftiert von Februar 1945 bis 13 April 1945 21 Vaclav Hosek 1909 1942 tschechoslowakischer Widerstandskampfer bei Fluchtversuch erschossen Traute Lafrenz 1919 2023 Widerstandskampferin der Weissen Rose Friedhelm Busse 1929 2008 neonazistischer Politiker Karl Heinz Hoffmann 1937 Neonazi und Grunder der nach ihm benannten WehrsportgruppeAnmerkungen Bearbeiten Insgesamt ca 220 mannliche und 50 weibliche Gefangene hatten am 6 Februar Berlin verlassen 193 mannliche und 28 weibliche Gefangene kamen nach einer mehrtagigen Fahrt zunachst am Westhafen in Kohlenbunker von Lastkahnen und am 11 Februar dann in Eisenbahn Guterwagen gepfercht lebend in Bayreuth an die Frauen wurden in das Landgerichtsgefangnis in der Markgrafenalle gebracht das im April bei einem Bombenangriff zerstort wurde Literatur BearbeitenGeschichtswerkstatt Bayreuth Herausgeber Bayreuth umgeguckt und hinterfragt Bumerang Verlag Bayreuth 1992 ISBN 3 9802212 9 6 Schultze Pfaelzer Gerhard Kampf um den Kopf Verlag der Nation Berlin 1977 ISBN 978 3 87682 582 3 S 234 ff Gerstenmaier Eugen Streit und Friede hat seine Zeit Ein Lebensbericht Verlag Ullstein GmbH Frankfurt Main Berlin Wien Propylaen Verlag 1981 ISBN 978 3 549 07621 7 S 223 ff Weblinks Bearbeiten nbsp Commons JVA Bayreuth Sammlung von Bildern Offizielle WebsiteEinzelnachweise Bearbeiten Helmut Paulus Die grausige Geschichte der Henkersau in Heimatkurier 1 1998 des Nordbayerischen Kuriers S 3 ff a b Klaus Becher Gott wohlgefallig wie eine Kirche in Heimatkurier 1 2002 des Nordbayerischen Kuriers S 18 f Geschichtswerkstatt Bayreuth Herausgeber Bayreuth umgeguckt und hinterfragt Gefangnis St Georgen Ehemaliges Zucht und Arbeitshaus S 18 a b c d e f g h i j k l m n o p q Christoph Rabenstein Ronald Werner St Georgen Bilder und Geschichte n Druckhaus Bayreuth Bayreuth 1994 ISBN 3 922808 38 7 S 69 ff Christoph Rabenstein Ronald Werner St Georgen Bilder und Geschichte n S 95 ff Geschichtswerkstatt Bayreuth Herausgeber Bayreuth umgeguckt und hinterfragt Prinzessinnenhaus S 20 Zum Bayreuther Marmor insbesondere beim Neuen Schloss vgl Gerhard Lehrberger Stefan Meier Margareta Sonnenwald Rolf Snethlage Bayreuther Marmore Marmore und Kalksteine in Schlossern und Kirchen der Markgrafen von Bayreuth im Barock in ARX Burgen und Schlosser in Bayern Osterreich und Sudtirol Fachzeitschrift herausgegeben vom Sudtiroler Burgeninstitut Ausgabe 1 2001 S 39 50 Heinrich Laubmann Mathias von Flurl der Begrunder der Geologie Bayerns Bayerische Akademie der Wissenschaften Munchen 1919 S 24 http www ordensschloss de gefaengnis html Gundner Otto bei dfg vk darmstadt de abgerufen am 10 Dezember 2021 a b Helmut Paulus Die schauerlichen Plane der NS Justiz in Heimatkurier das historische Magazin des Nordbayerischen Kuriers Heft 2 2005 S 8 f Peter Engelbrecht Ende und Neubeginn Bayreuth Im April 1945 herrscht Frieden Spathling Weissenstadt 2022 ISBN 978 3 942668 87 3 S 267 f Werner Meyer Gotterdammerung April 1945 in Bayreuth R S Schulz Percha 1975 ISBN 978 3 942668 23 1 S 133 Bernd Mayer Bayreuth Chronik 1989 Gondrom Bindlach 1989 S 89 Das wohl grosste Gemusebeet der Stadt in Nordbayerischer Kurier vom 9 Juli 2021 S 12 Vor 50 Jahren in Nordbayerischer Kurier vom 7 September 2022 S 8 Vor 25 Jahren Einzigartig in der Republik in Nordbayerischer Kurier vom 14 Dezember 2021 S 8 Stephan H Fuchs Bayreuth Chronik 1992 1 Auflage Gondrom Bindlach 1992 ISBN 3 8112 0793 8 S 45 Rudiger Scholz Das kurze Leben der Johanna Catharina Hohn Kindesmorde und Kindesmorderinnen im Weimar Carl Augusts und Goethes Die Akten zu den Fallen Johanna Catharina Hohn Maria Sophia Rost und Margarethe Dorothea Altwein Wurzburg Konigshausen amp Neumann 2004 S 126 f Nordbayerischer Kurier vom 8 August 2012 S 24 Werner Meyer Gotterdammerung April 1945 in Bayreuth S 106 ff Justizvollzugsanstalten in Bayern Aichach Amberg Ansbach Aschaffenburg Augsburg Gablingen Bad Reichenhall Bamberg Bernau Ebrach Erlangen Garmisch Partenkirchen Hof Ingolstadt Kaisheim Kempten Kronach Landau Landsberg Landshut Laufen Lebenau Lichtenau Marktredwitz Memmingen Muhldorf Munchen Neuburg Neuburg Herrenworth Niederschonenfeld Nurnberg Passau Regensburg Rothenfeld Schweinfurt St Georgen Bayreuth Straubing Traunstein Weiden WurzburgEhemalige Justizvollzugsanstalten Augsburg Eichstatt Erding Munchen Neudeck 49 95532 11 58936 Koordinaten 49 57 19 2 N 11 35 21 7 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Justizvollzugsanstalt St Georgen Bayreuth amp oldid 237547669