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Ostarbeiter war in der Zeit des Zweiten Weltkrieges die offizielle Bezeichnung fur Arbeitskrafte nichtdeutscher Volkszugehorigkeit die im Reichskommissariat Ukraine im Generalkommissariat Weissruthenien oder in Gebieten die ostlich an diese Gebiete und an die fruheren Freistaaten Lettland und Estland angrenzten erfasst wurden und fur das Deutsche Reich arbeiteten Nach der Besetzung dieser Gebiete durch die Wehrmacht wurden sie zur Arbeit im Deutschen Reich einschliesslich des Protektorates Bohmen und Mahren angeworben oder dorthin zur Zwangsarbeit verschleppt Sie wurden hauptsachlich in Betrieben der Rustungsindustrie und Landwirtschaft und im Rahmen der Bauhilfe der Deutschen Arbeitsfront GmbH fur den Bau von Behelfsunterkunften im Rahmen des Deutschen Wohnungshilfswerks eingesetzt um den kriegsbedingten Mangel an deutschen Arbeitskraften auszugleichen Ihre Rechtsstellung wurde im Juni 1942 vom Ministerrat fur die Reichsverteidigung festgelegt Aufnaher zur Kennzeichnung von OstarbeiternIm Gesamtzeitraum des Krieges waren ca 2 75 Mio Ostarbeiter im Reich beschaftigt 1 Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Ostarbeiter im nationalsozialistischen Recht 3 Ostarbeitererlass 4 Ostarbeitersparen 5 Entschadigungszahlungen 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseHerkunft BearbeitenEthnisch gesehen waren die meisten Betroffenen Ukrainer Polen Belarussen und Russen Seit Juni 1941 dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion war die Wehrmacht auf das Territorium der Sowjetunion vorgedrungen In den besetzten Gebieten begann die Zivilverwaltung der Reichskommissariate Arbeitskrafte fur die deutsche Industrie anzuwerben und zu verschleppen Um sie ohne weiteres von anderen Zwangsarbeitern unterscheiden zu konnen mussten Ostarbeiter einen fest mit der Kleidung verbundenen Aufnaher mit der Aufschrift OST tragen wahrend Arbeiter aus dem Generalgouvernement einen Aufnaher mit dem Buchstaben P Polen tragen mussten Die Hilfswilligen HiWi im Dienst der deutschen Wehrmacht erhielten zur Unterscheidung zusatzlich einen Armelstreifen und gewisse Privilegien vor allem dieselben Ernahrungsrationen wie Deutsche Nach ihrer Befreiung durch die Westalliierten der Anti Hitler Koalition wurden die meisten Ostarbeiter 1945 als so genannte Displaced Persons DPs zunachst in DP Lagern untergebracht Auf sowjetischen Druck hin repatriierten die West Alliierten sie in die Sowjetunion Dort kamen viele von ihnen in das Lagersystem des Gulag weil man sie wegen ihres Aufenthaltes im deutschen Machtbereich der Kollaboration mit dem Feind und der Spionage beschuldigte Aus Scham und Angst vor Ausgrenzung verschwiegen deshalb viele dass sie Ostarbeiter gewesen waren Knapp 20 Prozent der zuruckgekehrten Ostarbeiter wurden zur Roten Armee einberufen 2 Ostarbeiter im nationalsozialistischen Recht BearbeitenOstarbeiter war eine Einstufung fur fremdvolkische Zivilarbeiter Wer im NS Recht nicht als Auslander galt wurde durch die Deutsche Volksliste geregelt die eine vierstufige staatsrechtliche Hierarchie abbildete Die untersten beiden der vier Stufen wurden einerseits durch die Schutzangehorigen des Deutschen Reiches gebildet andererseits durch die Protektoratsangehorigen in Bohmen und Mahren Schutzangehorige waren in erster Linie Bewohner annektierter Gebiete also ethnische Polen Ukrainer Belarussen und Slowenen Sie galten weder als Deutsche noch als Auslander sondern als staatenlos waren also auch keine Ostarbeiter Eine funfte Hierarchiestufe waren die Auslander bzw Fremdvolkischen zu denen auch alle Juden und Sinti und Roma sog Zigeuner deutscher Staatsangehorigkeit zahlten Diese funfte Stufe war ihrerseits wieder in sechs verschiedene Gruppen aufgeteilt die in rechtlicher Hinsicht in unterschiedlichem Ausmass diskriminiert wurden Der untersten Gruppe gehorten Juden sowie Sinti und Roma an die ab 1941 42 einer gezielten Vernichtungspolitik unterlagen Ostarbeiter waren die zweitunterste Gruppe Ostarbeiter waren fur die Nationalsozialisten Untermenschen 2 Ostarbeitererlass Bearbeiten nbsp Ostarbeiterin in Deutschland Fruhjahr 1945 nbsp Merkblatt fur Ostarbeiter aus der Sowjetunion nbsp Ostarbeiterinnen in Osnabruck die kurz vor ihrer geplanten Ermordung gerettet wurden 7 April 1945Nach dem Angriff auf die Sowjetunion kamen in den Allgemeinen Bestimmungen uber Arbeitskrafte aus den besetzten Gebieten im Osten von 1942 auch Ostarbeitererlass genannt vom 20 Februar 1942 nach dem Vorbild der Polen Erlasse scharfer gefasste Bestimmungen fur sowjetische Kriegsgefangene und Zivilarbeiter hinzu 3 Zu den Erlassen wurden schriftliche Anordnungen an die lokalen Verwaltungs und Polizeistellen sowie die Betriebsfuhrer herausgegeben Die Ostarbeitererlasse enthielten folgende Bestimmungen Verbot den Arbeitsplatz zu verlassen Verbot Geld und Wertgegenstande zu besitzen Verbot Fahrrader zu besitzen Verbot Fahrkarten zu erwerben Verbot Feuerzeuge zu besitzen Kennzeichnungspflicht ein Stoffstreifen mit der Aufschrift Ost musste gut sichtbar auf jedem Kleidungsstuck befestigt werden Die Betriebsfuhrer und Vorarbeiter besassen ein Zuchtigungsrecht schlechtere Verpflegung als fur Deutsche weniger Lohn als Deutsche Verbot jeglichen Kontakts mit Deutschen selbst der gemeinsame Kirchenbesuch war verboten 4 Gesonderte Unterbringung der Ostarbeiter nach Geschlechtern getrennt Bei Nichtbefolgen von Arbeitsanweisungen bzw Widersetzlichkeiten drohte die Einweisung in ein Arbeitserziehungslager die Bedingungen in diesen Lagern ahnelten denjenigen eines Konzentrationslagers Strenges Verbot des Geschlechtsverkehrs mit Deutschen darauf stand zwingend die TodesstrafeSeit dem Winter 1941 42 hatte sich das Scheitern des bisherigen Feldzugsplans abgezeichnet Nachdem bis Anfang 1942 bereits eine in die Millionen gehende Zahl sowjetischer Kriegsgefangener im deutschen Gewahrsam zugrunde gegangen bzw ermordet worden war war man nun dringend auf Arbeitskrafte aus der Sowjetunion angewiesen Die bisherige Kennzeichnung Ost wurde geandert In Anerkennung ihrer Mitarbeit im Kampf gegen die judisch bolschewistische Weltgefahr erhielten die Ostarbeiter stattdessen ein Volkstumsabzeichen einen ovalen Sonnenblumenkranz mit Andreaskreuz Georgskreuz Ahre samt Zahnrad und anderen 5 Dies sollte eine Art gesellschaftlichen Aufstieg verdeutlichen Der Untermensch war zum Burger ernannt worden 6 Ostarbeitersparen BearbeitenAuslandische Arbeiter in Deutschland hatten die Moglichkeit sich Postsparbucher ausstellen zu lassen Ostarbeiter wurden davon ausgeschlossen Devisenrechtlich war es ihnen verboten Reichsmark in ihr Heimatland mitzunehmen 1942 wurde eine besondere Form des Ostarbeitersparens eingefuhrt das Arbeitskraften aus der Ukraine Weissruthenien und den neu besetzten Ostgebieten offenstand Sie erhielten Karten auf die sie Wertmarken kleben und die sie an ihre Verwandten schicken konnten die dann die Halfte des Sparbetrags abheben und in die jeweilige Wahrung tauschen konnten Innerhalb des Deutschen Reiches war keine Abhebung moglich Die andere Halfte sollten die Arbeitskrafte selbst nach ihrer Ruckkehr bekommen konnen Am 27 September 1944 wurde die Auszahlung in den Heimatlandern verboten Gleichzeitig sollten die Ostarbeiter auf Verlangen der NSDAP Parteikanzlei Munchen verstarkt sparen Die Zentralwirtschaftsbank der Ukraine erhielt allerdings die Moglichkeit im Bedarfsfall Auszahlungen an Ostarbeiter vorzunehmen 7 Entschadigungszahlungen BearbeitenDurchschnittlich erhielten ukrainische Ostarbeiter die in der deutschen Industrie gearbeitet hatten als Entschadigung eine Einmalzahlung von 650 D Mark von der Stiftung Erinnerung Verantwortung und Zukunft Diese Stiftung war jedoch erst Ende der 1990er Jahre durch die Bundesrepublik Deutschland eingerichtet worden nachdem Holocaustuberlebende mit Sammelklagen gegen Banken Versicherungen und Industrieunternehmen gedroht hatten 2 Siehe auch BearbeitenAuslanderkinder Pflegestatte Fremdarbeiter Ostarbeiterabgabe Ostpolitik Polen ErlasseLiteratur BearbeitenThomas Schiller NS Propaganda fur den Arbeitseinsatz Lagerzeitungen fur Fremdarbeiter im Zweiten Weltkrieg Entstehung Funktion Rezeption und Bibliographie LIT Verlag Hamburg 1997 ISBN 3 8258 3411 5 Ulrich Herbert Fremdarbeiter Politik und Praxis des Auslander Einsatzes in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches Verlag Dietz Bonn 1999 ISBN 3 8012 5028 8 Irina A Joffe Elke Scherstjanoi Junge Ostarbeiter im antifaschistischen Widerstand Dokumentation In Jahrbuch fur Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung Heft III 2006 Im Totaleinsatz Zwangsarbeit der tschechischen Bevolkerung fur das Dritte Reich Dokumentation und Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Dokumentationszentrum NS Zwangsarbeit Berlin Schoneweide Prag Berlin 2008 ISBN 978 80 254 1799 7 Erinnerung bewahren Sklaven und Zwangsarbeiter des Dritten Reiches aus Polen 1939 1945 Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Dokumentationszentrum Berlin Schoneweide Warschau Berlin 2007 ISBN 978 83 922446 0 8 Kartsen Linne Florian Dierl Hrsg Arbeitskrafte als Kriegsbeute Der Fall Ost und Sudosteuropa Metropol Verlag Berlin 2011 ISBN 978 3 86331 054 7 Natascha Wodin Sie kam aus Mariupol Rowohlt Verlag Reinbek bei Hamburg 2017 besonders der Dritte und Vierte Teil S 245 358 Fur immer gezeichnet Die Geschichte der Ostarbeiter in Briefen Erinnerungen und Interviews herausgegeben von Memorial International Moskau und der Heinrich Boll Stiftung Berlin 2019 ISBN 978 3 96289 057 5 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Ostarbeiter Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Ausstellung Alltag Zwangsarbeit 1938 1945 des Dokumentationszentrums NS Zwangsarbeit Stadtarchiv Gottingen Projekt NS Zwangsarbeiter Die Ostarbeitererlasse vom 20 Februar 1942 Zeitzeugenarchiv des Dokumentationszentrums NS Zwangsarbeit Zeitzeugenbericht einer in Chemnitz eingesetzten Ostarbeiterin Interview Ausschnitte aus dem Online Archiv Zwangsarbeit 1939 1945 Berichte von in Berlin eingesetzten Ostarbeitern Zeitzeugen App der Berliner GeschichtswerkstattEinzelnachweise Bearbeiten Sowjetische Kriegsgefangene und Ostarbeiter a b c Laura Grosse Laura Klar Sophia Sailer Sophie Tiedemann S Zweiter Weltkrieg Als die Nazis ukrainische Jugendliche nach Deutschland verschleppten In Der Spiegel 15 Mai 2023 ISSN 2195 1349 spiegel de abgerufen am 15 Mai 2023 Die Allgemeinen Bestimmungen uber Arbeitskrafte aus den besetzten Gebieten im Osten von 1942 Bundesarchiv abgerufen am 27 Mai 2015 vgl Verordnung zur Erganzung der Strafvorschriften zum Schutz der Wehrkraft des Deutschen Volkes Polizeiverordnung uber die Kenntlichmachung der im Reich befindlichen Ostarbeiter und arbeiterinnen vom 19 Juni 1944 RGBl I 147 Quelle und Zitat aus Alexander Dallin Deutsche Herrschaft in Russland 1941 1945 Konigstein 1981 unv Nachdruck von 1958 ISBN 3 7610 7242 2 S Oliver Rathkolb Zwangsarbeiter in der Industrie In Bernhard Chiari u a Die deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945 Ausbeutung Deutungen Ausgrenzung Im Auftrag des MGFA hrsg von Jorg Echternkamp Deutsche Verlags Anstalt Stuttgart 2005 Bd 9 2 ISBN 978 3 421 06528 5 S 697 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ostarbeiter amp oldid 234848997