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Die Pfarrkirche St Martin ist die romisch katholische Pfarrkirche von Altdorf im Kanton Uri Der dem heiligen Martin von Tours geweihte Bau entstand in den Jahren 1602 bis 1606 nach den Planen des Baumeisters Rocco Ruggia In der Entwicklungsgeschichte der Schweizer Sakralarchitektur hat die Altdorfer Martinskirche eine besondere Stellung da sie der erste fruhbarocke Kirchenbau in der deutschsprachigen Schweiz ist Beim Dorfbrand von 1799 wurde die ursprungliche Innenausstattung zu einem grossen Teil zerstort und danach durch eine klassizistische ersetzt Die Kirche ist als Kulturgut von nationaler Bedeutung eingestuft Sie gehort zum Seelsorgeraum Altdorf der Landeskirche Uri im Bistum Chur Pfarrkirche St MartinDer Kirchenbezirk umfasst neben der Pfarrkirche auch die sudlich davon gelegene Beinhauskapelle St Anna die nordlich gelegene Olbergkapelle sowie den Friedhof Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Bauwerk 3 Ausstattung 4 Glocken 5 Literatur 6 Siehe auch 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDas Patrozinium der Kirche ist durch eine bildliche Darstellung des heiligen Martin auf einem Pfarrherrensiegel seit 1260 bekannt seit 1359 auch urkundlich Zugunsten des Fraumunsters in Zurich verzichtete der Bischof von Konstanz im Jahr 1244 auf die Einkunfte der Pfarrei Diese umfasste damals neben Altdorf auch Attinghausen Erstfeld Fluelen Isenthal Seedorf Seelisberg und Sisikon Mit der Abspaltung von Sisikon begann 1387 die Pfarrei zu schrumpfen bis 1665 nur noch das Gemeindegebiet von Altdorf dazu gehorte Burgermeister und Rat der reformiert gewordenen Stadt Zurich Rechtsnachfolgerin der Fraumunsterabtei verzichteten 1525 auf die Lehnspflicht der Pfarrei Altdorf woraufhin die Kirchenverwaltung vollstandig an das Dorf uberging Die Kirchgemeinde in ihrer heutigen Form besteht seit 1846 1 Anhand von Grabungen konnten am Standort der Kirche vier Vorgangerbauten nachgewiesen werden Die erste reicht in das dritte Viertel des 7 Jahrhunderts zuruck und besass ein Langhaus von etwa zehn Metern Breite sowie drei alemannische Steingraber mit Beigaben diese werden im Historischen Museum des Kantons Uri ausgestellt Die zweite Kirche aus dem 9 10 Jahrhundert war kaum grosser im Gegensatz zur ersten haben sich aber Spuren des Chors erhalten Im 12 Jahrhundert entstand eine romanische Saalkirche die als erste uber einen Kirchturm verfugte Die vierte Kirche in der ersten Halfte des 14 Jahrhunderts im gotischen Stil errichtet ubertraf die Ausdehnung der Vorgangerbauten um ein Mehrfaches Das Langhaus war nur wenig kurzer als jenes der heutigen Kirche vor dem Chor befand sich ein Lettner Erhalten geblieben sind der Turmschaft bis in eine Hohe von 29 5 Metern und einige Teile der Ausstattung Diese Kirche ist in der 1548 erschienenen Chronik von Johannes Stumpf abgebildet 2 Nachdem ein Erdbeben 1601 die Kirche beschadigt hatte beschlossen die Kirchgenossen ein Jahr spater den Neubau des ostlichen Teils mit Chor und Sakristei Der Urner Landammann Sebastian von Beroldingen ubernahm die Planung und betraute den Baumeister Rocco Ruggia aus Lugano mit der Ausfuhrung Ruggia baute im Barockstil der in Oberitalien in Mode gekommen war und nun erstmals auch in der deutschsprachigen Schweiz zur Anwendung gelangte Da das gotische Langhaus nicht mehr mit der neu errichteten Ostpartie zusammenpasste erhielt Ruggia 1603 den Auftrag auch diesen Teil umzubauen Fur den Dachstuhl und das Zimmerwerk verpflichtete man Lienhard Schlapfer aus Appenzell 1605 waren die Aussenarbeiten abgeschlossen 1606 erhohte Schlapfer den Kirchturm Der Konstanzer Bischof Jakob Fugger weihte die Kirche am 1 Oktober 1606 ein Die Baukosten betrugen insgesamt 28 300 Gulden 3 Ein verheerender Grossbrand zerstorte am 5 April 1799 rund 400 Gebaude Betroffen war auch die Kirche Das Feuer zerstorte die obere Partie des Turms das Dach des Chors und des Kirchenschiffs sowie einen grossen Teil der Innenausstattung Joseph Ritter der Holzwerkmeister der Stadt Luzern empfahl den Abbruch des obersten Teils der Mauern und deren Erhohung um 3 3 Meter ebenso eine Verlangerung des Chors um drei Meter Diese Arbeiten wurde 1801 02 durchgefuhrt ab 1803 war die Kirche wieder nutzbar Die Bauleitung hatte Franz Josef Rey inne 1895 fand eine Aussenrenovation statt 1903 eine Innenrenovation 1965 71 folgte eine Gesamtrestaurierung begleitet von archaologischen Untersuchungen 4 Bauwerk BearbeitenDie Kirche befindet sich leicht erhoht uber dem Ortskern auf einem Auslaufer der steil abfallenden Eggberge Sie ist exakt in West Ost Richtung angeordnet wobei sie dem Dorf ihre 56 Meter lange Sudfassade zuwendet Der Baukorper ist dreifach gestaffelt mit dem Portikus vor dem Eingangsportal mit der Auskragung der Seitenkapelle und mit der Sakristei Feinteilig gequaderte Lisenen aus Sandsteinen trennen die einzelnen Bauteile Ein Gurtgesims bildet nach oben die Abgrenzung zu einer aufgemauerten Mezzaninpartie die mehrere kleine runde Fenster Okuli aufweist Ein weiteres Gurtgesims unterteilt Seitenkapelle und Sakristei in ein Haupt und Obergeschoss Die Sakristeifenster im Format 2 1 ahneln in ihrer Ausformung und Profilierung jenen der Tambourfenster der 20 Jahre zuvor entstandenen Kirche Santa Maria Maddalena in Rom Das Kapellenfenster und die drei Fenster des Langhauses sind ahnlich gestaltet jedoch deutlich langer 2 5 1 bzw 2 67 1 5 Der Haupteingang links des vorkragenden Kapellentraktes ist von dorischen Pilastern umgeben die mit lang gestreckten Triglyphen und Guttae verziert sind Dazwischen befindet sich breiter Fries unter einem ausladenden Segmentgiebel Das Tympanon enthalt eine Kartusche mit Inschrift Die Turflugel sind mit geschnitzten Mustern dekoriert Den Portalbereich uberdeckt ein Vorzeichen mit Gewolbe 6 Ein weiteres Eingangsportal mit Vorzeichen befindet sich an der westlichen Schmalseite unter einem Giebel mit Kruppelwalm Es ist als Rundbogenportal mit lorbeergeschmucktem Schlussstein gestaltet Keinen Eingang besitzt die nordliche Langsseite Auf eine Gliederung mit Lisenen wurde verzichtet Da auch der vom gotischen Vorgangerbau ubernommene Turmschaft ungegliedert mit glatten Mauerflachen empor ragt wirkt diese dem Berghang zugewandte Fassade nuchtern Auf den Bogenscheiteln des Kirchturms sitzen Zifferblatter die zur Halfte in die Kuppel hinaufragen Zuoberst ist eine Laterne mit kleinem Spitzhelm zu finden 7 Ausstattung Bearbeiten nbsp InnenansichtDas Langhaus mit Tonnengewolbe ist 36 m lang 16 m breit und 18 m hoch Die originale Ausstuckierung des fruhen 17 Jahrhunderts ist in der oberen Partie der westlichen Eingangsseite vollstandig erhalten geblieben zu einem wesentlichen Teil auch an den Langhauswanden Stuckierung und Gemalde der Decke stammen vollstandig aus den Jahren 1802 03 Das ovale Hauptgemalde erstreckt sich uber drei Joche Es stammt von Giovanni Battista Bagutti aus Rovio und stellt den Heiligen Martin von Tours dar der in den Himmel aufsteigt Weitere ovale Gemalde desselben Kunstlers zeigen das Wunder der Auferweckung eines toten Kindes im zweithintersten Joch sowie Martins Tod im zweitvordersten Joch 8 Uber dem Sudportal ist ein grossformatiges um 1740 entstandenes Gemalde des Johannes Nepomuk zu finden Die angebaute Sakristei ist dreigeschossig wobei das untere Geschoss den ursprunglichen Zustand von 1602 03 vollstandig bewahrt hat 9 Der um sechs Stufen erhohte Chor weist ebenfalls Bestandteile der ursprunglichen Ausstuckierung auf Das Steingewolbe hielt zwar dem Brand von 1799 stand doch schlug man dort die Stuckaturen weg Das Chordeckengemalde von Bagutti zeigt die Anbetung des Lammes aus der Offenbarung des Johannes ein in der Deutschschweiz seltenes Motiv 10 Der 1804 von Carlo Andrea Galetti entworfene Hochaltar vereint zwei italienische Altartypen Ziborium und Retabel 11 Die Sockelzonen beider Elemente bestehen aus Marmor die oberen Partien aus Stuckmarmor Auf der kupfervergoldeten Tur des Tabernakels ist in Form einer Silberschmiedearbeit das letzte Abendmahl abgebildet Von Franz Abart stammen weiss gefasste Holzstatuen der Apostel Paulus und Petrus von Josef Anton Mesmer das Altarbild mit einer Kreuzigungsszene 12 Das Chorgestuhl wurde 1808 von Felix Anton Hediger geschaffen An den Chorwanden hangen zwei Gemalde Jenes an der Sudseite zeigt die Anbetung der Hirten entstand um 1605 10 und stammt von einem nicht identifizierten Maler aus Oberitalien Aus dem zweiten Viertel des 17 Jahrhunderts stammt das Gemalde an der Nordseite das vermutlich von einem Maler aus der Region Venetien stammt Motiv ist das Gastmahl im Hause des Pharisaers Simon 13 Die zwei Nebenaltare im Langhaus beide 1804 von Galetti geschaffen sind als Flachretabel aus Stuckmarmor gebildet 14 An der Sudseite steht der Josephsaltar mit einem Gemalde von Xaver Hecht Tod des Heiligen Joseph Der Marienaltar an der Nordseite enthalt ein Rosenkranzbild von Joseph Anton Mesmer 15 Die 1803 von Galetti entworfene und 1804 von Johann Josef Moosbrugger ausgefuhrte Kanzel ist fein instrumentiert und figurenreich Das Hauptrelief am Kanzelkorb zeigt die Frau des Zebedaus das Medaillon auf der Schmalseite Johannes den Taufer Der Schalldeckel ist mit zahlreichen goldenen Ornamentbandern geschmuckt erganzt wird die Kanzel durch Plastiken der Evangelistensymbole und einen Posaunenengel Orgel nbsp Blick zur OrgelemporeDie Orgel auf der stuckierten nach vorne ausschwingenden Empore ist ein Werk der Luzerner Orgelfirma Cacilia AG von 1971 72 die das Werk mit 50 Registern auf drei Manualen und Pedal in das vorhandene historische Gehause der Vorgangerorgel eingebaut hat Diese hatten die Gebruder Carlen aus Gluringen 1806 1809 gefertigt 16 nachdem ein Dorfbrand im Jahr 1799 auch die Orgel von 1775 des Orgelbauers Carl Josef Maria Bossart mit 32 Registern vernichtet hatte Nach mehreren Reparaturen und Umbauten war diese Orgel 1904 so schadhaft dass Orgelbauer Friedrich Goll 1905 ein neues Instrument mit wieder 32 Registern in das vorhandene Gehause einbaute das 1915 auf 37 Register erweitert wurde Die aktuelle Orgel wurde 1985 einer Revision durch die Cacilia AG unterzogen und erhielt 2004 eine elektronische Setzeranlage durch die Firma Mathis AG Nafels 17 18 Seit 2022 ist in der Kirche auch eine kleine Chororgel mit funf Registern vorhanden die 1969 von der Mathis AG gebaut worden war 19 Glocken BearbeitenDie Pfarrkirche St Martin besitzt ein historisch sehr wertvolles Ensemble Das Gelaut besteht aus sieben Glocken von verschiedenen Gissern die vorwiegend im Raum Aarau tatig waren Sebastian Ruetschi ist ein Vorgangergiesser der heutigen Firma H Ruetschi in Aarau damals noch in Zofingen 20 Das volle Gelaut ist nur den hochsten Feiertagen vorbehalten Man lautet an Feiertagen um 09 50 fur 10 Minuten Zum Vorlauten wird die grosse Glocke verwendet Glocke Name Gussjahr Giesser Gussort Gewicht ca Ton1 Grosse Glocke 1827 Sebastian Ruetschi Suhr 3600 kg A 2 Wetter oder Feuerglocke 1803 S Sutermeister H Kunz J Haller Zofingen 1800 kg cis 3 Wiseglocke Sebastian Ruetschi Suhr 900 kg e 4 End Glocke S Sutermeister H Kunz J Haller Zofingen 540 kg g 5 Kinderlehr Glocke 1871 Gebr Ruetschi Aarau 450 kg a 6 1803 S Sutermeister H Kunz J Haller Zofingen 250 kg ais 7 Kinderend Glocke 180 kg cis Literatur BearbeitenHelmi Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk Hrsg Gesellschaft fur Schweizerische Kunstgeschichte Schweizerische Kunstfuhrer Band 826 Serie 83 Bern 2008 ISBN 978 3 85782 826 3 Siehe auch BearbeitenListe der Kulturguter in Altdorf URWeblinks Bearbeiten nbsp Commons St Martin Altdorf Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Website der Kirchgemeinde AltdorfEinzelnachweise Bearbeiten Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 5 8 Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 8 12 Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 12 15 Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 15 17 Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 18 Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 19 20 Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 20 21 Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 21 24 Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 38 39 Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 25 29 Galetti Hochaltar Foto Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 29 32 Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 32 35 Galetti Nebenaltar Foto Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 36 Gasser Die Pfarrkirche St Martin in Altdorf und ihr Bezirk S 37 38 Orgelverzeichnis Schweiz und Liechtenstein Pfarrkirche St Martin Altdorf UR mit Disposition Orgel Databank Altdorf Uri Katholische Pfarrkirche Sankt Martin Orgelverzeichnis Schweiz und Liechtenstein Pfarrkirche St Martin Chororgel mit Disposition ALTDORF CH UR Kath Kirche St Martin Vollgelaute auf youtube com46 88333 8 64205 Koordinaten 46 53 0 N 8 38 31 4 O CH1903 691723 193171 Normdaten Geografikum GND 7617040 8 lobid OGND AKS VIAF 239236232 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pfarrkirche St Martin Altdorf amp oldid 237276109