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Leopold Szondi ˈlɛopold ˈsondi ungarisch Lipot Szondi eigentlich Leopold Sonnenschein 11 Marz 1893 in Nyitra Osterreich Ungarn 24 Januar 1986 in Kusnacht Schweiz war ein ungarisch schweizerischer Arzt Endokrinologe Psychiater Heilpadagoge und Tiefenpsychologe Szondi ist der Begrunder der Schicksalsanalyse Erforscher des Genotropismus und des familiar Unbewussten Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werk 3 Wissenschaftsgeschichtliches Vermachtnis 4 Veroffentlichungen Auswahl 5 Biographie 6 Sekundarliteratur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseLeben BearbeitenLeopold Szondi wurde als Leopold Sonnenschein am 11 Marz 1893 in der ehemals ungarischen Stadt Nyitra geboren Er war der Zweitjungste von neun Kindern aus der zweiten Ehe des Vaters Abraham Sonnenschein mit Rezi Kohn Durch Existenznot gezwungen zog Familie Sonnenschein 1898 von Nyitra nach Budapest weil dort Sohne und Tochter Arbeit gefunden hatten und die Familie ernahren konnten Vater Abraham Sonnenschein war Schuhhandwerker Er war im Grunde seines Wesens ein judischer Gelehrter und widmete sich ganz dem Studium der Thora talmudischer und chassidischer Schriften Szondi druckte die Uberzeugung aus dass er durch seinen Vater zu einem religiosen Menschen gepragt worden sei Von der Mutter Rezi Kohn ist nichts uberliefert abgesehen von der Tatsache dass sie aus der Nahe von Nyitra stammte 1911 machte der 18 jahrige Lipot Sonnenschein die Matura Im gleichen Jahr verstarb sein Vater Der Achtzehnjahrige liess seinen bisherigen Familiennamen Sonnenschein in Szondi umbenennen Lipot Szondi begann in Budapest das Studium der Medizin Wahrend des Ersten Weltkrieges wurde sein Studium zwischen 1914 und 1918 immer wieder durch den Sanitatsdienst an vorderster Kriegsfront unterbrochen Nach Abschluss des Medizinstudiums war Szondi 1919 1926 wissenschaftlicher Mitarbeiter von Professor Pal Ranschburg Experimentalpsychologe Arzt und Heilpadagoge 1927 1941 wirkte Szondi als Professor und Leiter des fur ihn geschaffenen Koniglich Ungarischen Staatlichen Heilpadagogischen Forschungs Laboratoriums fur Psychopathologie und Psychotherapie an der Hochschule fur Heilpadagogik in Budapest Aufgrund ausgedehnter Familienforschungen und erbstatistischer Untersuchungen erarbeitete er eine neue Theorie der Krankheits und Partnerwahl und eine eigene Triebpsychologie 1926 erfolgte die Heirat mit Lili Ilona Radvanyi 1902 1986 1928 wurde die Tochter Vera geboren 1929 der Sohn Peter 1941 verlor Szondi aufgrund antijudischer Berufsverbote seine staatlichen Stellen und alle Titel in Lehre und Forschung Trotz des zunehmenden gegen Juden gerichteten Terrors arbeitete Szondi in Budapest unbeirrt an der Entwicklung seiner Triebpsychologie weiter Im Geheimen hektographierten Schuler und nichtjudische Mitarbeiter seine triebdiagnostischen Arbeiten die er als Jude nicht mehr in offentlichen Vorlesungen vortragen durfte Der Naziterror griff immer einschneidender in den Alltag der Familie Szondi ein Die Familie musste den Judenstern tragen und in ein sog Judenhaus umziehen Ausgerechnet in dieser inhumanen Zeit setzte sich Szondi wissenschaftlich mit der Beziehung zwischen dem Ich und den Trieben auseinander Ebenso interessierten ihn die Beziehung zwischen Ich und Geist zwischen Trieben und Humanismus Schliesslich beschaftigte sich Szondi mit der Erziehung der Triebe Das Manuskript seines Grundlagenwerkes Schicksalsanalyse vermochte er noch vor seiner Deportation in die Schweiz zu retten Im Juni 1944 wurde Szondi angeboten an einer freiwilligen Deportation nach Israel teilzunehmen Diese Offerte beruhte auf einem Geldhandel zwischen Reprasentanten der judischen Hilfsorganisation Waadah besonders Rudolf Kasztner Joel Brand und Andreas Biss und Vertretern von Heinrich Himmler Am 29 Juni 1944 wurde die Familie Szondi mit 1683 weiteren Austauschjuden von Budapest uber Wien nach Bergen Belsen in das am 8 Juni 1944 eroffnete Ungarnlager verschleppt Zehn Verwandte von Leopold Szondi die in Ungarn zuruckbleiben mussten wurden in den folgenden Monaten Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie und Verfolgung Im Lager Bergen grundete Szondi einen Humanisten Kreis In der verdunkelten Lagerbaracke legte er sein triebpsychologisches Verstandnis fur das Humane und Inhumane im Menschen dar Verhandlungen und Interventionen aus dem Ausland fuhrten dazu dass am 6 Dezember 1944 die Familie Szondi zusammen mit 1365 Personen in die Schweiz ausreisen durfte Am 7 Dezember 1944 betraten sie Schweizer Boden Im Fluchtlingslager in Caux beschrieb Lili Szondi den Tagesablauf im Lager Bergen Belsen 1 Leopold Szondi stellte sich als Fluchtling in Caux die Frage wie man den Humanismus als Korrektiv des Inhumanen in die Gesellschaft einbauen konnte Unter dem Titel Erziehung und Behandlung der Triebe 1946 schwebte ihm ein padagogischer und therapeutischer Weg vor Augen den er als Weg der Menschwerdung bezeichnete Auf dem Weg zum hochsten Trieb Schicksal genannt Humanitat durchschreiten Menschen gepaart mit Ruckschritten verschiedene Stationen der Menschwerdung 1946 bis 1984 war Zurich der Wohnsitz Szondis 1959 erhielt er das Schweizer Burgerrecht Dank eines grosszugigen Legates konnte 1970 in Zurich unweit der Wohnung der Familie Szondi das Lehr und Forschungsinstitut fur Allgemeine Tiefenpsychologie und speziell fur Schicksalspsychologie eroffnet werden Das Legat wurde in eine gemeinnutzige Stiftung umgewandelt Fur seine wissenschaftlichen Verdienste empfing Szondi die Wurde von Ehrendoktoraten 1970 von der Universitat Lowen in Belgien 1979 von der Universitat Paris VII Am 9 November 1971 schied in Berlin der Sohn Peter Szondi aus dem Leben Seit 1965 war er Ordinarius fur Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Freien Universitat Berlin und stand kurz vor der Ubernahme des Lehrstuhls fur Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universitat Zurich Peter Szondi hatte den Freitod im Berliner Halensee gewahlt wie ein Jahr zuvor sein Freund der Schriftsteller und Lyriker Paul Celan im Wasser der Seine 1978 verstarb in Zurich die Tochter und Arztin Vera Szondi an einer endokrinen Storung Szondi arbeitete an seinem Lehr und Forschungsinstitut von 1971 bis 1983 Am 24 Januar 1986 verschied Leopold Szondi in seinem 93 Lebensjahr Kurz danach starb am 18 August des gleichen Jahres seine Gattin Lili Szondi Radvanyi 84 jahrig Sie fanden ihre letzte Ruhestatte auf dem Zurcher Friedhof Fluntern Am 6 April 2005 beschloss der Stadtrat von Zurich den Fussweg von der Zurichbergstrasse bis zur Orellistrasse als Szondiweg zu benennen Die Aufschrift der Wegtafel gedenkt Leopold Szondi 1893 1986 Psychiater Begrunder der Schicksalsanalyse und des Instituts fur Schicksalspsychologie sowie Peter Szondi 1929 1971 Literaturwissenschafter 2 Werk BearbeitenGenotropismusDurch die Veroffentlichung der Analysis of Marriages An attempt at a theory of choice in love fuhrte Leopold Szondi 1937 3 eine neue Theorie der menschlichen Wahlhandlungen ein die Wahl von Partnern Freunden des Berufes der Krankheit und der Todesart In seinen weiteren Bearbeitungen der Wahltheorie ruckte Szondi den Begriff Genotropismus ins Zentrum Unter Genotropismus versteht er eine von Genen ausgehende Kraft die Menschen mit gleichen oder verwandten Erbanlagen zueinander zieht und ihre wechselseitige Bindung in Liebe und Freundschaft aufrechterhalt Menschen in deren Genbestanden identische oder verwandte Gene enthalten sind und die sich deshalb zueinander hingezogen fuhlen heissen Genverwandte Mit der Veroffentlichung seiner Wahltheorie stellte Szondi ein neues wissenschaftliches Paradigma vor das die Bildung einer eigenen Disziplin innerhalb der Tiefenpsychologie namlich die Schicksalsanalyse fate analysis einlauten sollte Szondi sandte 1937 seine Analysis of Marriages an Sigmund Freud nach Wien dem aufmerksamen Huter der psychoanalytischen Theorie menschlicher Liebeswahlen Szondi betrachtete die psychoanalytischen Einsichten in die Dynamik menschlicher Liebeswahlen grundsatzlich als zutreffend jedoch als Epiphanomene des von ihm postulierten Genotropismus In seiner schriftlichen Antwort gestand Sigmund Freud wenn auch mit einiger Skepsis und Distanzierung zum Thema den von Szondi ins Feld gefuhrten Argumenten einen moglichen wenn auch marginalen Einfluss zu Familiares UnbewusstesAb 1942 setzte Szondi den unbewussten menschlichen Schicksalsplan mit dem Begriff des familiaren Unbewussten ungarisch csaladi tudattalan gleich Mit der Zuordnung des unbewussten genetisch verankerten Schicksalsplanes des Menschen zum familiaren Unbewussten gelang es ihm die Schicksalsanalyse an die Psychoanalyse von Sigmund Freud mit ihrem personlichen Unbewussten und an die Analytische Psychologie des Zurcherforschers Carl Gustav Jung mit ihrem kollektiven Unbewussten anzuschliessen Mit der Konzeption des familiaren Unbewussten verbindet sich das therapeutische Anliegen des lenkbaren Fatalismus Diese Lenkbarkeit wird ermoglicht durch das Bewusstmachen der unbewussten Schicksalsplane und das Suchen nach Spielraumen innerhalb derer das individuelle Schicksal frei gestaltet werden kann Szondi TestDie Theorie der menschlichen Wahlhandlungen fuhrte Szondi zwischen 1937 und 1939 zur Entwicklung des Geno Tests spater bekannter unter dem Namen Experimentelle Triebdiagnostik 1947 4 oder Szondi Test Bei der Testuntersuchung werden Personen eingeladen aus insgesamt 48 Bildern von triebkranken Menschen jeweils die zwei sympathischsten und die zwei unsympathischsten zu wahlen Szondi war nach vielen Jahren des Experimentierens uberzeugt dass Gesichtsportrats von Menschen die in bestimmten Triebbereichen eine extreme Triebdynamik aufweisen auf genverwandte gesunde oder kranke Testpersonen einen starken Aufforderungscharakter ausuben und die Wahl der Bilder massgebend beeinflussen Zwangs und FreiheitsschicksalAb 1946 5 entwickelte Szondi sein Triebsystem und die Experimentelle Triebdiagnostik weiter 1954 6 differenzierte er seinen bisherigen in Budapest grundgelegten Schicksalsbegriff Die neue Fassung des Begriffes Schicksal spiegelt angemessener die bio psycho soziale und geistige Ganzheit des Menschen wider Szondi unterscheidet jetzt neu zwischen Zwangs und Freiheitsschicksal Ausagieren von erbgelenkten Trieb und Affektschicksalen oder von verinnerlichten erstarrten sozialen Normen und Uberzeugungen fuhrt zum Zwangsschicksal Uberdies verfallen Menschen einem Zwangsschicksal wenn sie ihre Seinsanspruche Seinsmacht vollig auf ihre eigene Person auf ihr Selbst versammeln und konzentrieren Auch mit der einseitigen Ubertragung des eigenen Seinsanspruches auf andere Menschen erleidet der Einzelne ein Zwangsschicksal In der angeborenen Fahigkeit des Menschen mit einer geistigen transpersonalen Seinsdimension Geist zu partizipieren erblickte Szondi den Schlussel fur das Freiheitsschicksal Aufgrund seiner psychotherapeutischen und zeitgeschichtlichen Erfahrungen gelangte er zur Einsicht dass letztlich nur ein geistiges transpersonales Partizipationsobjekt fur Menschen zutraglich sei Nur geistige Instanzen und sinnstiftende humane Ideen von hoher integrativer Polaritaten uberbruckender Kapazitat ertragen auf die Dauer die auf sie projizierten Seinsmacht Anspruche des Menschen Ich Analyse1956 entstand das Hauptwerk die Ich Analyse 7 Neue Zugange finden sich zum Verstandnis psychotherapeutisch relevanter Phanomene z B des Schlaftraumes des Wahns und von Ubertragungsformen die auf dem Bedurfnis nach Partizipation und Einssein beruhen Weiter beschreibt Szondi das sog Pontifex Ich ubersetzt Bruckenbauer Ich einen Menschen mit hohen integrativen partizipatorischen und transzendierenden Fahigkeiten Auf dem Weg zur Personwerdung wandelt sich das Bewusstsein von einer dualisierenden Entweder oder Haltung zu einer Sowohl als auch Orientierung die einseitige und dogmatisierende Identifizierungen mit Schul und Lehrmeinungen oder Haltungen meidet Ein Mensch der wenigstens zeitweise zur integrativen Reife eines Pontifex Ichs gelangt halt das stete Unterwegssein zwischen seelischen Polen aus und transzendiert seelische Polaritaten in eine sie uberbruckende Einheit Die beim Ubersteigen und Uberbrucken der Polaritaten und Dualismen erfahrene Freiheit ist nach Szondi Inbegriff des Freiheitsschicksals und der Humanitat Triebsystem der SchicksalspsychologieIm Werk Ich Analyse entfaltet sich das in Budapest erarbeitete Triebsystem zu einem komplexen Strukturschema des menschlichen Trieblebens Der Sexualtrieb besteht im Zusammenwirken der Bedurfnisse nach sinnlicher und sublimierter Zartlichkeit sowie nach Aktivitat und Hingabe Der Uberraschungstrieb wird von Bedurfnissen und Strebungen des menschlichen Affektlebens gepragt die sich als Impulsivitat Wut Angst und Gerechtigkeitssinn sowie als Scham und Geltungsdrang manifestieren Der Ichtrieb beinhaltet die beiden Bedurfnisse nach Sein und Haben ebenso die Strebungen nach Ichausdehnung Inflation Teilhabe Partizipation nach seelischer Einverleibung Introjektion und Verneinung Negation Der Kontakttrieb umfasst die Bedurfnisse und Strebungen nach Bindung Ablosung nach Verandern und Verharren Fur einen Trieb ergeben sich insgesamt 16 fur alle vier Triebe insgesamt 64 Triebkonstellationen Sie bilden nach Szondi die genetisch verankerten Bausteine der menschlichen Schicksalsplane und Existenzformen die in den Triebprofilen der Experimentellen Triebdiagnostik visualisiert und deutbar werden In und zwischen den vier Trieben findet ein dialektisches Zusammenspiel der Triebfaktoren und Triebtendenzen statt Zu jedem sichtbar Vordergrundigen einer Person dem Vorderganger gehort polar ein unsichtbar Hintergrundiges der Hinterganger Vorderganger und Hinterganger gehoren als Aspekte der seelischen Ganzheit untrennbar zusammen Szondi bringt eine differenzierte Systematik leidbringender Lebensschicksale in Verbindung mit Abspaltungen und Blockierungen von Ichfunktionen Seelische Gesundheit entsteht durch gegenseitige Steuerung und Kooperation der Triebbedurfnisse AggressionstheorieDas nach vier Lebensbereichen ausgerichtete Triebsystem der Schicksalsanalyse bildet den Ausgangspunkt fur eine differenzierte Typologie aggressiven Verhaltens Szondi unterscheidet vier Qualitaten menschlicher Aggression die triebpsychologisch betrachtet auf spezifische Energiequellen zuruckzufuhren sind Die lustsuchende Aggression manifestiert sich als sexueller Sadismus Masochismus und Sadomasochismus Die affektbedingte kainitische Aggression nahrt sich aus Affektenergien und aussert sich in anfallsartigen Affekthandlungen auf die meist eine Phase des Wiedergutmachens folgt Die ichhafte alles und alle entwertende und zerstorende Aggression druckt sich in den vielfaltigen Formen des Negativismus und der ideologisch motivierten Vernichtung aus Die Frustrations Aggression aufgrund des Zukurzgekommen und Nichtangenommenseins kann beispielsweise zu terroristischen und extremistischen Verzweiflungs und Befreiungsaktionen von Angehorigen unterdruckter Gesellschaften fuhren SchicksalstherapieErst ab 1956 8 trat Szondi als Begrunder einer eigenen Schicksalsanalytischen Psychotherapie auf Im Lehrbuch Schicksalsanalytische Therapie veroffentlicht er 1963 9 ein breites Band von Methoden und Interventionsformen die er teilweise bereits in Budapest praktiziert hatte Angebracht erscheint eine Schicksalstherapie bei Menschen die sich gezwungen fuhlen Lebensmuster von Vorfahren und Ahnen ungefragt wiederholen zu mussen In einer Schicksalstherapie gilt es deshalb sich den folgenden Fragen zu stellen Was ist mein familiares Zwangsschicksal Was will ich vom Familienerbe und von den Anliegen meiner Familie weiterfuhren Familiare Identifizierung Was will ich auf keinen Fall weiterreichen Familiare Negation Was will ich von den Einseitigkeiten und Ubertreibungen in meiner Familie verandern Wie will ich im Kontext des familiaren Erbes mein individuelles Leben selbstbestimmend gestalten Wahlschicksal Wissenschaftsgeschichtliches Vermachtnis BearbeitenMit der Schicksalsanalyse erganzte Szondi die bereits etablierten tiefenpsychologischen Schulen von Sigmund Freud und C G Jung durch eine psychobiologische Dimension Mit der Psychobiologie versuchte er innerhalb der Tiefenpsychologie eine Brucke zwischen Geistes und Naturwissenschaften zu schlagen Die ideengeschichtliche Bedeutung Szondis liegt in innovativen Beitragen zu verschiedenen Wissenschaftsgebieten namentlich zur Humangenetik Psychiatrie Heilpadagogik Tiefenpsychologie Psychotherapie Padagogik und Religionspsychologie GenetikDie Erbanalyse psychiatrischer Krankheiten war in den Dreissigerjahren Szondis Hauptarbeitsgebiet in seinem Laboratorium fur Pathologie und Therapie in Budapest Er stand in wissenschaftlichem Austausch mit Erbforschern wie Ernst Rudin Bruno Schulz und anderen Mittels eines konstitutionsanalytischen Ansatzes bis 1937 stellte sich Szondi die Frage nach der Krankheitswahl des Menschen Erbstatistische Untersuchungen erbrachten zwei Formen der Neurasthenie Szondi ordnete die apathische Neurasthenie dem schizophrenen die irritative Neurasthenie dem zirkularen Erbboden zu Einen grossen Stellenwert in der Forschungsarbeit nahmen die Untersuchungen uber den Erbgang des Stotterns ein Szondi gelang der erbstatistische Nachweis einer engen erbbiologischen Verbindung zwischen den paroxysmal vasomotorischen Reaktionsformen des Stotterns der Epilepsie Migrane Hysterie und gewissen Formen der Kriminalitat Szondi bestimmte den Erbgang des Stotterns als dimer zweifaktoriell rezessiv Im Zusammenhang mit der erbbiologischen Erforschung von Sprachstorungen fand er bei der Entstehung der Gaumenspalte ebenfalls haufig einen rezessiven Erbgang beteiligt Gametaler GenotropismusDie Anziehung genverwandter Menschen wurzelt nach Szondi 1944 306 10 letztlich im Bestreben einzelner Gene im Wettstreit mit anderen Genen sich durchzusetzen und generationenubergreifend Einfluss auf familiare Lebensmuster zu nehmen Menschen mit identischen Genen wahlen und unterstutzen sich in Liebe und Freundschaft um die Ausbreitung gemeinsamer Gene zu fordern Menschen werden unbewusst zu Mitspielern der Gene Das genotropische Denken Szondis begreift den Menschen als Genwesen und lasst den Schicksalsweg des Menschen langst vor Zeugung und Geburt beginnen Kunftige Eltern erkennen und finden sich unbewusst als Genverwandte weil die den Geschlechtszellen Gameten beider Eltern innewohnenden gleichen Gene die gegenseitige Anziehung bewirken Deswegen spricht Szondi 1944 306 1948 412 11 von der Elternwahl der Gene und vom gametalen Genotropismus Die schicksalspragenden Wahlen in Beruf Erkrankungs und Todesart sind nach Szondi weitere Stationen des genischen Fahrplanes eines Menschen Bei der Frage wie Menschen bzw ihre Gene es schaffen Genverwandte zu identifizieren war Szondi der Meinung dass sich die Genverwandtschaft im Gesichtsausdruck niederschlage und sich deshalb Genverwandte vor allem uber die Physiognomie erkennen Genotropismus und EvolutionspsychologieErst mit der Soziobiologie von Edward Osborne Wilson 12 erschien in den siebziger Jahren eine Wissenschaftsrichtung deren Perspektive die Genotropismus Hypothese auch ausserhalb der Tiefenpsychologie als sinnvoll erscheinen lasst Wissenschaftshistorisch betrachtet zahlt Szondi zu den radikalen Vordenkern der modernen Soziobiologie Die heute fast schon vergessenen Ausfuhrungen Szondis 1944 1949 13 uber den genischen Fahrplan des Menschen der bereits vor der Zeugung beginnt sowie die Konzeption des Kampfes und Wettstreites zwischen den Genen rucken in erstaunliche Nahe zu Analogien und Sprachfiguren des Soziobiologen Richard Dawkins 14 Szondi verstand ahnlich wie Soziobiologie und Evolutionare Psychologie Jahrzehnte spater das Leben des einzelnen Menschen in einem letztursachlichen evolutionaren Sinn Menschen sind Mitspieler des reproduktiven Eigennutzes der Gene Gemass Szondi wahlt nicht das Individuum sondern die latenten Gene wahlen in ihm 1944 307f 1949 Deren ultimates Ziel ist es sich im Wettstreit mit anderen Genen zum reproduktiven Eigennutz durchzusetzen und sich Generationen ubergreifend im Genpool zu halten GottesgeneMit den in den Dreissiger und Vierzigerjahren geausserten Ansichten uber die Existenz von Gottesgenen Burgi Meyer 2000 78 15 hat Szondi die von Dean Hamer 2004 16 vertretene Annahme von einem Gottesgen ideengeschichtlich vorweggenommen Gottesgene in der Genausstattung von besonders gottbegeisterten und religios begabten Menschen gehorchen gemass Szondi ebenfalls den evolutiven Gesetzmassigkeiten des Genotropismus Gottesgene bewirken eine wechselseitige genotrope Anziehung eine Affinitat und Zuneigung zu religiosen Menschen Gruppierungen Berufen Interessen und Idealen PsychiatrieSzondi begann 1919 mit seinen konstitutionsanalytischen Arbeiten unter Leitung von Pal Ranschburg Er untersuchte Menschen mit entwicklungsbedingten Verminderungen der Intelligenz und jener Fertigkeiten die zum Intelligenzniveau beitragen wie Kognition Sprache motorische und soziale Fahigkeiten Szondi gelangte zur Erkenntnis dass sowohl ausgepragt Minderbegabte als auch Genies und Hochbegabte dieselbe Biologie der extremen Varianten mit ihrer charakteristischen Fulle von somatopathologischen und psychopathologischen Befunden aufweisen Den Intelligenzquotienten IQ erganzend erarbeitete er einen biologischen Abweichungsquotienten B A Q zur Berechnung des Mittelwertes der extremen Eigenschaften einer Gruppe bzw einer Person Mit der Bestimmung der alimentaren glykamischen Reaktion Zuckerbelastungsprobe gelang es Szondi und Mitarbeitern zwei Verhaltenstypen der Personlichkeit mit geistiger Behinderung die apathische und die erregbare zu unterscheiden Die zwei von Szondi unterschiedenen Formen der Oligophrenie zeichnen sich durch zwei polar entgegengesetzte biologische und verhaltensmassige Organisationen aus Er erkannte auch dass apathische Minderbegabte mit anderen heilpadagogischen Methoden zu unterrichten und zu fordern sind als erregbare Reizreiche moglichst alle Sinnesmodalitaten anregende Methoden geeignet fur die apathische Gruppe waren fur die irritative Gruppe kontraindiziert Ebenso teilte Szondi das Krankheitsbild der Neurasthenie in zwei Syndrome auf das apathische und irritative erregbare Aufgrund der neuen Unterteilung erkannte er als erster dass sich die damals breit angewandte Bromtherapie Antiepileptikum fur die apathische Sonderform der Neurasthenie als streng kontraindiziert erwies Diese konstitutionsanalytischen Forschungsarbeiten mundeten schliesslich in die schicksalsanalytischen Schaffensphase 1937 17 HeilpadagogikSzondi verwirklichte in Budapest von 1927 bis 1941 als Chefarzt des Koniglich Ungarischen Staatlichen Heilpadagogischen Laboratoriums fur Pathologie und Therapie eine ganzheitliche Heilpadagogik in der Padagogen Psychologen Biologen Mediziner und Geistliche eng zusammenarbeiteten Er erarbeitete fur seelisch gestorte Kinder und Jugendliche eine mehrdimensionale konstitutionsanalytische quantitative und qualitative Diagnostik Diese umfasste die Analyse der Erscheinung und die Metrik des Wachstums die Untersuchung der Reife der biologischen Reaktionsformen und der somatischen und psychologischen Konstitution Hinzu kamen umfassende erbbiologische und genealogische Abklarungen sowie Personlichkeits und Charakteranalyse Am 5 Kongress fur Heilpadagogik in Koln 1930 trat Szondi 18 erstmals vor die internationale Offentlichkeit und erlauterte Arbeit und Zielsetzungen seines heilpadagogischen Forschungslaboratoriums Unter Leitung Szondis organisierten sich zahlreiche Mitarbeiter als Seelenstutzen fur jugendliche Kriminellen und Strafentlassene Szondi erkannte dass sich padagogische Anstrengungen besonders dann als fruchtbar erwiesen wenn die latenten Triebstrukturen der Erzieher und Betreuten durch Genverwandtschaft einander entsprachen Szondi stellte die Auswahl geeigneter Erziehungspersonen und die Bildung von Erziehungsgruppen und Klassen auf eine triebpsychologische Basis Am I Internationalen Kongress fur Heilpadagogik in Genf trug Szondi 1939 19 seine Heilmethode der Trieb Umformung vor Zum Schutz der Gemeinschaft und zum Wohle der Kinder wurden gefahrliche Triebanspruche in ihren Ausserungsformen umgeformt d h sozialisiert Szondi erarbeitete einen Katalog beruflicher Aktivitaten die sich zur Sozialisierung von bestimmten Triebtendenzen eignen sollten Allgemeine TiefenpsychologieEin zentrales Anliegen in der Ich Analyse 1956 bestand darin die verschiedenen tiefenpsychologischen Schulen und Richtungen in eine Allgemeine Tiefenpsychologie zu integrieren ohne die Unterschiede der Denkrichtungen zu verwischen Szondi wunschte sich deshalb an seinem Ausbildungsinstitut in Zurich ab 1970 eine multidimensionale Ausbildung in der Vertreter der Psychoanalyse der Analytischen Psychologie nach C G Jung und Schicksalsanalytikerinnen integrativ zusammenarbeiten Er wollte die Vielfalt psychotherapeutischer Perspektiven als Manifestationen des einen jedoch polyglotten Unbewussten belassen Szondi verstand die einzelnen tiefenpsychologischen Richtungen als eigentliche Sprachschulen die sich auf die verschiedenen Ausdrucks und Kommunikationsformen der menschlichen Seele spezialisiert haben So ordnete er der Psychoanalyse die Sprache der Symptome der Analytischen Psychologie die Sprache der Symbole und der Schicksalsanalyse die Sprache der Wahl zu Szondi uberliess es kunftigen Forschungen weitere Sprachgebiete des Unbewussten zu entdecken Triebpsychologische DifferenzierungenDas schicksalsanalytische Triebsystem erwies sich als ausserordentlich integrativ In ihm finden sich die vier psychiatrischen Erbkreise der Dreissiger und Vierzigerjahre von Szondi jedoch neu als Schicksalskreise gedeutet der Erbkreis der sexuellen Abweichungen sexuelle Orientierung Sexualtrieb der epileptiforme paroxysmale Erbkreis Epilepsie Hysterie Paroxysmaltrieb der schizoforme Erbkreis Schizophrenie Ichtrieb der zirkulare manisch depressive Erbkreis Manie Depression Kontakttrieb Szondi vermochte die Trieblehre Bedurfnispsychologie und Krankheitslehre der Psychoanalyse voll einzugliedern Zusatzlich brachte er triebpsychologische Differenzierungen ein die sich gegenuber dem Triebsystem der fruhen Psychoanalyse als differenzierter und der therapeutischen Praxis als angemessener erwiesen Szondi unterschied neben libidinos sexuellen auf dem Sexualtrieb basierenden Bindungsformen eigenstandige dem Ichtrieb zugehorige partizipativ verschmelzende Formen der Bindung Ebenso ordnete er dem eigenstandigen Kontakttrieb neu Beziehungsformen zu die von den Bedurfnissen nach Angenommensein Halt Sicherheit und Ernahrtwerden gepragt sind In Szondis Konzeption existieren neben den von Sigmund Freud beschriebenen libidinosen Ubertragungsbeziehungen auch mehrere nichtlibidinose Ubertragungsbindungen Solche Konzepte wurden in den psychoanalytischen Selbstpsychologien und theorien erst Jahrzehnte spater als Selbstobjekt Ubertragungen nach Heinz Kohut und in der Objektbeziehungstheorie beschrieben Der Entwurf eines eigenstandigen Kontakttriebes ruckt in die Nahe der viel spater von John Bowlby entwickelten Bindungstheorie Szondi wie Bowlby berucksichtigten bei ihren Untersuchungen und Uberlegungen zum Bindungsverhalten auch verhaltensbiologische Forschungen MehrgenerationenperspektiveZentraler Ausgangspunkt der Schicksalsanalytischen Therapie 1963 ist die Mehrgenerationenperspektive Das familiare Unbewusste bildet ein unsichtbares Band das alle Familienmitglieder vertikal uber Generationen hinweg an den Stromkreis der Ahnen anschliesst Es verbindet aber auch horizontal die noch lebenden Mitglieder einer Familie Durch die vertikalen und horizontalen Verbindungen bilden die Familienmitglieder ein affektiv hoch besetztes Netzwerk Die Schicksalsanalyse betrachtet den einzelnen Menschen nicht als isoliertes Individuum sondern eingebettet in den sichtbaren und unsichtbaren das ganze Leben begleitenden Kontext von Herkunftsfamilie und Anverwandtschaft In der Mehrgenerationenperspektive Szondis werden Verstrickungen Erwartungen Verdienste Schulden Loyalitatsverpflichtungen aber auch Ressourcen und Starken erkennbar die sich uber Generationen hinziehen Familiare KoevolutionHinsichtlich der Familienpsychologie verstand Szondi den Einzelnen als Trager und Teilhaber einer familiaren Koevolution als Verwalter eines generationenubergreifenden Ideenerbes mentales Schicksal Fur dessen Erhaltung Entfaltung und Weitergabe sind wir verantwortlich Eine bewusste vom Ich gewahlte Ubernahme dieser Verantwortung vermittelt Lebenssinn familiare Identitat und Solidaritat Szondi sprach einerseits von einer bewusst verantworteten familiaren Identifizierung Freiheitsschicksal Werden familiare Auftrage und Erwartungen anderseits unbewusst ubernommen und in blindem Zwang ausgelebt behindern sie Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung des Einzelnen Das Mitglied verfallt dem familiaren Wiederholungszwang und einem familiaren Zwangsschicksal das mit dem Erleben einhergeht nicht das eigene Leben zu fuhren Kain Abel MosesSzondis Wirklichkeitsschau ist durch die Erfahrung gepragt dass in jedem komplementaren Gegensatzpaar Polaritat die Pole dynamisch und untrennbar aufeinander bezogen sind und eine Einheit bilden So gilt es nicht einseitig nach dem Guten zu streben und das Bose zu bekampfen sondern vielmehr das Gute und Bose als zwei Seiten der eigenen Ganzheit wahrzunehmen und sie in einem dynamischen Gleichgewicht zu halten Zum Verstandnis der menschlichen Affektdynamik mass Szondi der Kain und Abel Polaritat 20 eine zentrale Bedeutung bei Die Aufgabe des Menschen Kain und Abel in sich als komplementare Gegensatze Polaritaten anzuerkennen und zu leben findet in der Integrationsfigur Mose symbolischen Ausdruck In der Gestalt des Moses 21 formen sich durch das dialektische Zusammenwirken von Kain und Abel die herausragenden humanen Errungenschaften wie Gewissen und Ethik Pontifex IchSzondi beschreibt in seiner Ich Analyse 1956 den Weg des Menschen zur Personwerdung zum homo humanus Szondi ging von der Annahme der Eigenstandigkeit menschlicher Bedurfnisse nach Transzendenz und mystischer Partizipation aus Mit den Konzeptionen einer Vierten Seinsdimension und des Pontifex Ich wurde Szondi zu einem Vordenker der Transpersonalen Psychologie Mit der Erreichung eines Pontifex Ich fuhrt ein integrierter Mensch nach Szondi die beiden entzweiten Bewusstseinsorientierungen der Dies und Jenseitigkeit zusammen die gesondert nur zur Erfassung von Halbwelten reichen Das Pontifex Ich integriert und uberbruckt alle Bewusstseinsstrukturen und deren Wirklichkeitsannahmen Der Mensch gelangt auf seinem Weg der Mensch und Personwerdung dann zur hochsten Stufe des Menschseins und der Freiheit wenn er in sich das metaphysische Ich das Pontifex Ich wortlich bruckenschlagendes Ich zeitweise errichtet hat Bei der Umschreibung seelischer Erfahrungen und Moglichkeiten des zur Stufe des Pontifex Ich gelangten Menschen griff Szondi auf die Atmanlehre Brahman der hinduistischen Upanischaden zuruck die ihm durch Ubersetzungen und Interpretationen von Paul Deussen 1898 1921 und Heinrich Gomperz 1925 vermittelt worden sind Wie Atman als Brucke uber alle Gegensatze als innerer Lenker des Menschen gefeiert wurde so wird der integrierte Mensch mit seinem Pontifex Ich zum selbstbestimmenden Lenker seines Freiheitsschicksals und zum Uberbrucker von Gegensatzen und Polaritaten Im Atman heben sich alle Gegensatze auf denn Atman ist weder das noch das Er sprengt alle Begriffe und Definitionen Der Mensch bewegt sich mit dem erreichten Pontifex Ich wie Atman jenseits der Gegensatze und Pole er ist stets im Dazwischen unterwegs Die zeitweise Aufhebung und Uberbruckung von Gegensatzen bedeutet fur Szondi den Inbegriff des menschlichen Freiheitsschicksals Anspruch der SchicksalsdiagnostikMit der Schicksalsdiagnostik auch Experimentelle Triebdiagnostik oder Szondi Test 1947 1960 1972 genannt verknupfte Szondi seit Beginn Erwartungen und Zielsetzungen die weit uber das hinausgehen was je von einem Personlichkeitstest und Instrument zur psychologischen Diagnostik erwartet und als einlosbar betrachtet wurde Vielmehr verbindet Leopold Szondi mit der Experimentellen Triebdiagnostik Anschauungen und Anspruche wie sie intuitiven Divinationsmethoden im Sinne von C G Jung eigen sind Szondi erhebt den unbescheidenen Anspruch mit seiner Schicksalsdiagnostik bis zu den genbiologischen Wurzeln vorzudringen die den Lebenslauf des Menschen lenken Das Testprofil ist Abbild eines Schicksalsplanes der wie ein unsichtbares Drehbuch das Leben des Menschen von der Geburt bis zum Tode zu einer Schicksalsgestalt formt Szondi 1937 2 76 1944 1 3 9 1948 23 30 403 Szondi 1954 18 setzt den Schicksalsplan mit dem familiaren Unbewussten gleich Die Schicksalsdiagnostik beansprucht schicksalsbestimmende Lebensmuster der Vorfahren sichtbar machen zu konnen Vergangene gegenwartige und kunftige Schicksalsmoglichkeiten Einzelner von Volkern und Kulturen sollen in den Testprofilen ihren Ausdruck finden Szondi 1954 1972 68 208f 399 Leopold Szondi 1960 22 sah seine Schicksalsdiagnostik wenigstens auf langere Sicht hin dem Anspruch genugen die Schillersche Idee eines Linneschen Bestimmungssystems Carl von Linne fur Menschen umzusetzen Menschen sollen im faktoriellen Koordinatensystem der Schicksalsdiagnostik vermessen und geortet werden Szondi betrachtete seine Experimentelle Triebdiagnostik als weiterfuhrendes Forschungsinstrument auf folgenden Gebieten Psychotherapie Diagnostik und Prognostik Padagogik Heilerziehung Ethik und Moral Religionswissenschaften Kriminologie und forensische Psychiatrie Psychosomatik Berufsberatung Entwicklungspsychologie Ethnologie Paarberatung Psychopharmakologie und Humangenetik Wirklichkeitsschau der SchicksalsdiagnostikSzondi 1972 68 209 399 1954 begreift das menschliche Leben wesentlich als immerwahrenden Wandel als Werden immerfort Fliessendes als Kreislauf und Dynamik Das Schicksal der Lebenslauf eines Menschen ist die Geschichte seiner Wandlungen Szondi 1947 211 219 1952 29f 23 1954 32 1956 152f Die Dynamik des Wandels stammt aus dem dialektischen Wechselspiel von komplementaren Polaritaten Wachst ein Polaritatenpol proportional zum anderen zu stark schlagt er in den Gegenpol um Der Kreislauf der Polaritaten wird bei Szondi zum Ausdruck des relativen Wertes aller Dinge Es gilt nicht einseitig nach Gutem zu streben und Boses zu vertreiben sondern beides als zwei Seiten der eigenen Ganzheit wahrzunehmen und sie in einem dynamischen Gleichgewicht zu halten Szondi 1969 1972 209 231 1973 Aus der Polaritatenlehre ergibt sich ein fur die Schicksalsdiagnostik wichtiges Verstandnis fur Gesundheit und Krankheit Gesund sein bedeutet seelische Dualitaten in komplementare Gegensatzbeziehungen Polaritaten zusammenzufuhren und deren relatives Gleichgewicht zu ertragen Ertragt ein Mensch das komplementare Zusammenspiel von Polen nicht uberfuhrt er die Pole in dualistische Gegensatze leidet und erkrankt er Ursprache der SchicksalsdiagnostikSzondi erblickte in der Experimentellen Triebdiagnostik 1947 1960 1972 unvergleichlich mehr als einen projektiven Personlichkeitstest Beweis ist seine Gleichstellung der Strukturelemente der Schicksalsdiagnostik mit einer Ursprache Szondi 1952 155 hat im Anschluss an Uberlegungen des Sprachwissenschaftlers Carl Abel die Bildwahl und Protokollierungssprache der Schicksalsdiagnostik als archaische Form einer Ursprache betrachtet Nach Szondi zeichnet sich eine Ursprache dadurch aus dass durch sie in geeigneter Form Gegensatze zu einer Einheit zu einer Ganzheit zusammengespannt werden Ursprachen sind charakterisiert durch Worte mit polar entgegengesetzten Bedeutungen oder durch Komposita in denen zwei Vokabeln von einsinniger aber einander widersprechender Bedeutung vereint werden Szondi 1952 154f In der schicksalsdiagnostischen Ursprache bilden acht faktorielle Polaritaten die Urworte mit polar entgegengesetzten Bedeutungen Das Urprofil der Schicksalsdiagnostik druckt nach Szondi sowohl die Ganzheit der Seele im vorpersonlichen Genleben vor der Reduktionsteilung und im vorgeburtlichen bisexuellen Embryostadium aus Das Urprofil stellt auch final das Voll und Ganzwesen des homo humanus die Vollendungsgestalt des Menschen dar Polaritaten sind aus der Einheit geboren und schliessen den Begriff der Ganzheit ein Im Urprofil fallen alle Urpolaritaten unterschiedslos zusammen Das Urprofil wird zum Symbol der mystischen Coincidentia oppositorum Nikolaus von Kues In seiner Sicht der Person und Menschwerdung skizziert Szondi wie die uranfangliche vorgeburtliche Einheit und Ganzheit des Menschen alsbald nach der Geburt verloren geht Die Spaltungen fuhren den Menschen weg von seiner Ganzheit und vom Ziel der Person und Menschwerdung namlich der Wiedererlangung der ubergegensatzlichen Ganz und Vollwesenheit Strukturschema und Deutungsmethodik der SchicksalsdiagnostikSzondi war sich des grossen Stellenwertes des I Ging vermittelt durch Richard Wilhelm 1924 bei C G Jung bewusst Er fand Zugang zur taoistischen Polaritatenlehre uber das Studium von Jungs Psychologische Typen Bekanntlich findet die taoistische Polaritatenlehre wie sie dem I Ging zugrunde liegt ihren pragnanteste Verdichtung im Zeichen Taiji chinesische Philosophie Bemerkenswert ist dass sich die Wiedergabe des Zeichens Taiji in der letzten Veroffentlichung Szondis 1984 24 findet Parallelen zwischen beiden Wirklichkeitsperspektiven springen ins Auge vgl Offermann 1986 25 Die im Buch der Wandlungen I Ging gebrauchte Ursprache lost in hervorragendem Masse jenes Kriterium ein das Szondi fur den Vergleich mit seiner schicksalsdiagnostischen Ursprache als einzig wichtig erachtet namlich Gegensatze zu einer Einheit zu einer Ganzheit zusammenzuspannen Strukturelle Entsprechungen zwischen der taoistischen Polaritatenlehre des I Ging und der Polaritatenlehre Szondis lassen einen Vergleich beider schicksalsdeutenden Methoden rechtfertigen In der Schicksalsdiagnostik Szondis kundigen sich die Wandlungen in der Beweglichkeit in Umschlagreaktionen in Entladungen und Vorentladungen an Szondi 1947 211 1952 86 95 1972 457 Im I Ging wandeln sich bewegliche Linien die Wandlungslinien in ihr Gegenteil Aus Yang Linien entstehen Yin Linien und umgekehrt Von einem Ausgangshexagramm Grundhexagramm mit Wandlungslinien entwickelt sich in der Deutungsmethodik des I Ging ein neues Hexagramm ein Komplementar Hexagramm welches die Bedeutung des Grundhexagrammes modifiziert Das Komplementar Hexagramm zeigt neue Tendenzen Keime fur Wandlungen und Veranderungen auf dem Schicksalsweg an Ein Hexagramm ohne Wandlungslinien ruhendes Hexagramm deutet auf eine relativ stabile oder auch erstarrte Konfiguration Zu den Interpretations und Deutungsmethoden des I Ging die sich aus der taoistischen Einsicht ergeben wonach polare Gegensatze ineinander keimhaft verborgen liegen weist die Schicksalsdiagnostik Szondis Parallelen auf Dazu gehoren die Erganzungs oder Komplementmethoden der Experimentellen Triebdiagnostik Durch Berucksichtigung der Vorder und Hintergangerdynamik von seelischen Polaritaten sollen Bewegungen Umdrehungen und Wandlungen im Schicksal der Menschen erfasst und voraussehbar gemacht werden Szondi 1947 216 1952 29 86 102 116 200 1956 153 1972 68 209 291 Damit verbunden ist die Voraussage ob und wie weit Neuorientierungen im Wechselspiel der Polaritaten und damit im Schicksal des Menschen auftreten konnen Szondi ist wichtig zu wissen ob die schicksalsdiagnostischen Konstellationen integriert das heisst vermischt oder desintegriert und entmischt sind Bei der Vermischung verstarken sich zwei Tendenzen und richtungsgleiche Triebfaktoren Liegt hingegen Entmischung vor wirken zwei richtungsverschiedene Faktoren aufeinander Sie geraten ohne gegenseitige Steuerung in Divergenz und Oppositionen Szondi 1980 36 26 Veroffentlichungen Auswahl BearbeitenAnalysis of Marriages An attempt at a theory of choice in love In Acta Psychologica Vol III Nr 1 1 80 Martinus Nijhoff The Hague 1937 Schicksalsanalyse Wahl in Liebe Freundschaft Beruf Krankheit und Tod Erbbiologische und psychohygienische Probleme Benno Schwabe Basel 1944 Experimentelle Triebdiagnostik Tiefenpsychologische Diagnostik im Dienste der Psychopathologie Kriminal und Berufspsychologie Charakterologie und Padagogik Band I Testband Band II Textband Hans Huber Bern 1947 Triebpathologie Bd I Huber Bern 1952 Ich Analyse Die Grundlage zur Vereinigung der Tiefenpsychologie Triebpathologie Bd II Huber Bern 1956 Lehrbuch der experimentellen Triebdiagnostik Textband 2 vollig umgearbeitete Auflage Hans Huber Bern 1960 Trieblinaus Band Menschenbestimmung mit Hilfe der Linnaustabellen aufgrund von 5086 Untersuchungen Huber Bern 1960 Schicksalsanalytische Therapie Ein Lehrbuch der passiven und aktiven analytischen Psychotherapie Huber Bern 1963 Kain Gestalten des Bosen Hans Huber Bern 1969 Lehrbuch der experimentellen Triebdiagnostik Textband 3 erweiterte Auflage Huber Bern 1972 Moses Antwort auf Kain Huber Bern 1973 ISBN 3 456 30587 7 1 auf szondi ch Die Triebentmischten Huber Bern 1980 Integration der Triebe Die Triebvermischten Huber Bern 1984Biographie BearbeitenLudwig Pongratz Leopold Szondi Psychotherapie in Selbstdarstellungen Huber Bern 1973 Dino Larese Leopold Szondi Eine Lebensskizze Amriswiler Bucherei Amriswil 1976 Beatrice Kronenberg Die Schicksalsanalyse und die Lebensgeschichte ihres Begrunders Leopold Szondi Szondi Verlag Zurich 1998 Karl Burgi Meyer Leopold Szondi Eine biographische Skizze Szondi Verlag Zurich 2000 Gerhard Stumm et al Hrsg Personenlexikon der Psychotherapie Springer Wien New York 2005 Karl Burgi Meyer Szondi Leopold In Neue Deutsche Biographie NDB Band 25 Duncker amp Humblot Berlin 2013 ISBN 978 3 428 11206 7 S 747 Digitalisat Sekundarliteratur BearbeitenHenri Ellenberger Das menschliche Schicksal als wissenschaftliches Problem Zur Einfuhrung in die Schicksalsanalyse von Szondi In Psyche 4 Jhrg 1951 S 576 610 Werner Huth Wahl und Schicksal Huber Bern 1978 Barbara Handwerker Kuchenhoff Doris Lier Hrsg Stadt der Seelenkunde Psychoanalyse in Zurich Schwabe reflexe 22 Basel 2012 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Leopold Szondi im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Szondi Institut Nachlassverwaltung von Leopold Szondi Leopold Szondi ISG Internationale Szondi Gesellschaft The Szondi Forum Szondi Schicksalanayse CEP Fotografie von Leopold Szondi 2 Einzelnachweise Bearbeiten Leopold Szondi Google Sites abgerufen am 15 Juli 2019 Vorlage Cite web temporar Der Szondiweg alt zueri ch abgerufen am 15 Juli 2019 Vorlage Cite web temporar Leopold Szondi Analysis of Marriages An attempt at a theory of choice in love In Acta Psychologica Vol III Nr 1 1 80 Martinus Nijhoff The Hague 1937 Leopold Szondi Experimentelle Triebdiagnostik Tiefenpsychologische Diagnostik im Dienste der Psychopathologie Kriminal und Berufspsychologie Charakterologie und Padagogik Band I Testband Band II Textband Hans Huber Bern 1947 Leopold Szondi Lehrbuch der experimentellen Triebdiagnostik Textband 2 vollig umgearbeitete Auflage Hans Huber Bern 1960 Leopold Szondi Lehrbuch der experimentellen Triebdiagnostik Textband 3 erweiterte Auflage Huber Bern 1972 Leopold Szondi Erziehung und Behandlung der Triebe In Schweizerische Zeitschrift fur Psychologie und ihre Anwendungen Band V Heft 1 3 14 Huber Bern 1946 Leopold Szondi Freiheit und Zwang im Schicksal des Einzelnen 61 73 Huber Bern 1968 Leopold Szondi Mensch und Schicksal Elemente einer dialektischen Schicksalswissenschaft Anankologie Wissenschaft und Weltbild 7 Jg Heft 1 2 15 34 Herold Wien 1954 Leopold Szondi Ich Analyse Die Grundlage zur Vereinigung der Tiefenpsychologie Triebpathologie Bd II Huber Bern 1956 Leopold Szondi Hrsg Heilwege in der Tiefenpsychologie Huber Bern 1956 Leopold Szondi Schicksalsanalytische Therapie Ein Lehrbuch der passiven und aktiven analytischen Psychotherapie Huber Bern 1963 Leopold Szondi Schicksalsanalyse Wahl in Liebe Freundschaft Beruf Krankheit und Tod Erbbiologische und psychohygienische Probleme Benno Schwabe Basel 1944 Leopold Szondi Schicksalsanalyse Erstes Buch Wahl in Liebe Freundschaft Beruf Krankheit und Tod Herausgegeben als Band VI der Bucherreihe Psychohygiene Wissenschaft und Praxis von Heinrich Meng Zweite neubearbeitete Auflage Benno Schwabe Basel 1948 Edward O Wilson Sociobiology The New Synthesis Harvard University Press Cambridge MA 1975 Edward O Wilson Biologie als Schicksal Die soziobiologischen Grundlagen des menschlichen Verhaltens Ullstein Munchen 1980 Leopold Szondi Revision der Frage der erblichen Belastung Erbhygienische Betrachtungen uber menschliche Konduktoren In Federn Meng Die Psychohygiene Maria Pfister Ammende Hrsg Bd 1 61 77 Huber Bern 1949 Richard Dawkins Das egoistische Gen Oxford University Press Oxford 1976 Karl Burgi Meyer Leopold Szondi Eine biographische Skizze Szondi Verlag Zurich 2000 Dean Hamer Das Gottes Gen Warum uns der Glaube im Blut liegt Kosel Munchen 2006 siehe 1 Leopold Szondi Das Staatliche Heilpadagogische Laboratorium fur Pathologie und Therapie Budapest Programm Organisation und Arbeitsrichtung In E Lesch Hrsg Bericht uber den 5 Kongress fur Heilpadagogik in Koln Rudolph Muller amp Steinicke Munchen 1930 173 174 Leopold Szondi Heilpadagogik in der Prophylaxe der Nerven und Geisteskrankheiten In H Hanselmann Therese Simon Hrsg Bericht uber den I Internationalen Kongress fur Heilpadagogik Genf 24 26 Juli 1939 24 61 Gebr Leemann amp Co Zurich 1940 Leopold Szondi Kain Gestalten des Bosen Hans Huber Bern 1969 Leopold Szondi Moses Antwort auf Kain Huber Bern 1971 Leopold Szondi Trieblinaus Band Menschenbestimmung mit Hilfe der Linnaustabellen aufgrund von 5086 Untersuchungen Huber Bern 1960 Leopold Szondi Triebpathologie Bd I Huber Bern 1952 Leopold Szondi Integration der Triebe Die Triebvermischten Huber Bern 1984 Peter H Offermann I Ging Das alte chinesische Orakel und Weisheitsbuch Gondrom Bindlach 1986 Leopold Szondi Die Triebentmischten Huber Bern 1980Normdaten Person GND 118620371 lobid OGND AKS LCCN n82028201 VIAF 2554477 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Szondi LeopoldALTERNATIVNAMEN Sonnenschein Leopold wirklicher Name Szondi Lipot ungarisch KURZBESCHREIBUNG ungarisch schweizerischer Arzt Endokrinologe Psychiater Heilpadagoge und TiefenpsychologeGEBURTSDATUM 11 Marz 1893GEBURTSORT Nyitra Osterreich UngarnSTERBEDATUM 24 Januar 1986STERBEORT Kusnacht Schweiz Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Leopold Szondi amp oldid 229308090