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Coincidentia oppositorum lateinisch Zusammenfall der Gegensatze ist ein zentraler Begriff im Denken des Philosophen und Theologen Nikolaus von Kues Cusanus Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Konzept 3 Die geistige Erfassung der Koinzidenz 4 Rezeption 5 Literatur 6 AnmerkungenVorgeschichte BearbeitenSchon Aristoteles hatte in seinem Werk Physik uber die Wirkursache die Formursache und die Zielursache festgestellt Nun gehen aber die drei oft in eins zusammen in lateinischer Ubersetzung co incidunt in unum 1 Die spatmittelalterlichen Philosophen Albertus Magnus und Heymericus de Campo bezogen dies auf die Identitat dieser drei Ursachen in Gott Das Wort coincidentia stammt von Heymericus der mit Nikolaus von Kues befreundet war und ihn stark beeinflusste Bei Heymericus war aber noch nicht von einem Zusammenfall von Gegensatzen die Rede Die Idee des Zusammenfalls Koinzidenz der Gegensatze zu einer Einheit ist aus der Tradition des Neuplatonismus hervorgegangen Einen Anstoss gaben Gedanken des spatantiken Neuplatonikers Pseudo Dionysius Areopagita und Meister Eckharts doch handelt es sich um eine von Nikolaus von Kues eingefuhrte Neuerung Nikolaus betont damit eine neue eigenstandige Theorie entwickelt zu haben die der bisherigen Philosophie gefehlt habe Er sieht im Koinzidenzgedanken ein Kernelement seiner Betrachtungsweise oder Methode womit er nicht eine Lehre oder ein System meint Mit Berufung auf die Neuartigkeit seiner Denkweise distanziert er sich scharf von der aristotelisch gepragten Schulphilosophie der spatmittelalterlichen Scholastik Konzept BearbeitenNikolaus unterscheidet zwischen Vernunft intellectus Intellekt und Verstand ratio Mit Verstand meint er die Kraft welche die Sinneseindrucke ordnet indem sie zwischen ihnen unterscheidet und somit einschliesst und ausschliesst also auch negiert wozu die Sinne nicht in der Lage sind Alles verstandesmassige Wissen ist auf Relatives bezogen da es auf Vergleichen beruht Der Verstand grenzt etwas ab und bestimmt definiert es damit Seine Objekte sind dadurch gekennzeichnet dass sie ein Mehr oder Weniger aufweisen konnen Etwas Absolutes oder Unendliches kann der Verstand nicht erfassen denn fur ihn besteht zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen keine Proportion Er versagt dort wo die Vergleichserfahrung fehlt Dennoch kann der Mensch den Begriff der Unendlichkeit entwickeln und sich dem Unendlichen geistig annahern Dazu verhilft ihm eine besondere Fahigkeit die Vernunft die nach Nikolaus Uberzeugung weit uber dem Verstand steht Indem die Vernunft das unterscheidende Negieren des Verstandes der Gegensatze nur getrennt denken kann negiert gelangt sie zum Begriff der Unendlichkeit und der unendlichen Einheit in der die Gegensatze in eins zusammenfallen koinzidieren Dieser Koinzidenzbegriff ist als Vernunftinhalt der Verstandestatigkeit unzuganglich fur den Verstand ist er paradox Theologisch ausgedruckt ist die unendliche Einheit Gott Im Sinne der neuplatonischen Tradition ist sie das Eine der Urgrund des Werdens den Nikolaus mit der aussersten Einfachheit identifiziert Schon der katalanische Denker Raimundus Lullus dessen Lehren Nikolaus eifrig studierte hatte darauf hingewiesen dass in Gott die gottlichen Eigenschaften nicht voneinander verschieden seien Demnach sind in Gott Gute und Weisheit dasselbe sie sind unterschiedslos als eins zu denken Nikolaus wendet diesen Grundsatz auf alle Arten von Entgegengesetztem opposita an Aus seiner Sicht sind die Gegensatze in Gott eingefaltet in der Welt ausgefaltet In die Einheit der Gegensatze bezieht er paradoxerweise ausdrucklich auch die kontradiktorischen widerspruchlichen Gegensatze mit ein die einander nach dem aristotelischen Satz vom Widerspruch ausschliessen Die Gultigkeit dieses Satzes beschrankt er auf den Bereich der Verstandestatigkeit jenseits dieses Bereichs hebt er die Beschrankung des Denkens durch das Verbot des Widerspruchs auf Damit wendet er sich gegen Aristoteles und die mittelalterlichen Aristoteliker die den Widerspruchssatz als Grundprinzip aller Wirklichkeit und allen die Wirklichkeit erfassenden Denkens betrachteten Die geistige Erfassung der Koinzidenz BearbeitenNikolaus hat sich zeitlebens darum bemuht die einfache Einheit Gottes in der alle Gegensatze zusammenfallen geistig zu erreichen Im Verstandnis der Koinzidenz sieht er eine unbedingt erforderliche Voraussetzung fur die Gotteserkenntnis In seiner 1440 entstandenen Schrift De docta ignorantia Uber die belehrte Unwissenheit vertritt er die Ansicht die Vernunft sei endlich und konne daher ebenso wie der Verstand die Widerspruche nicht ubersteigen und die Koinzidenz nicht erreichen Spater in De coniecturis um 1442 und den im Zeitraum 1445 1447 verfassten kleinen Schriften schatzt Nikolaus die Moglichkeiten der Vernunft hoher ein Nun meint er sie konne gegen den Widerstand des Verstandes die Widerspruche uberwinden und damit paradoxe Einsichten erlangen etwa das Grosste mit dem Kleinsten gleichsetzen Daruber hinaus schreibt er nun dem Menschen die Fahigkeit zu einem gottlichen Denken zu das auch den Gegensatz von Affirmation und Negation im Sinne der Koinzidenz transzendiert Er behauptet dieses gottliche Denken lasse auch die Vernunft und deren Verstandnis der widerspruchlichen Gegensatze hinter sich um sich der absoluten Einheit und Unendlichkeit zuzuwenden Gott sei nicht die Koinzidenz der Gegensatze sondern das Koinzidenzdenken sei nur die der menschlichen Vernunft angemessene Art sich ihm zu nahern Daher bezeichnet Nikolaus 1453 in De visione dei die Koinzidenz als Mauer zwischen dem Gottsuchenden und Gott Er sieht jedoch in dieser Mauer kein unuberwindliches Hindernis Der Tradition des Platonismus der die Bedeutung des mathematischen Denkens fur die Philosophie betont folgt Nikolaus indem er seine metaphysischen Gedanken mit Vorliebe anhand von mathematischen Beispielen symbolhaft veranschaulicht Die unendliche Einheit illustriert er mit dem Beispiel einer unendlichen Geraden Diese ist nicht nur Gerade sondern zugleich auch ein Dreieck dessen Grundseite unendlich lang und die zugehorige Hohe unendlich klein geworden ist der grosste Winkel 180 erscheint zugleich als der kleinste 0 Ebenso ist die Gerade auch ein Kreis mit unendlich grossem Durchmesser Rezeption BearbeitenEin scharfer Gegner des Koinzidenzkonzepts war der Theologieprofessor Johannes Wenck ein Zeitgenosse von Nikolaus Er meinte diese Betrachtungsweise fuhre zum Pantheismus da sie ontologisch Gott und Welt zusammenfallen lasse und damit den Unterschied zwischen Schopfer und Geschopfen aufhebe Daher handle es sich um Haresie Gegen diesen Vorwurf setzte sich Nikolaus heftig zur Wehr Giordano Bruno ein Bewunderer des Cusanus fuhrte den Koinzidenzgedanken in pantheistischem Sinne weiter Im 18 Jahrhundert griff Johann Georg Hamann das Konzept der Koinzidenz der Gegensatze auf und machte es zu einem zentralen Element seiner Philosophie Auch Schelling knupfte daran an Hegel nennt den Namen des Nikolaus von Kues an keiner Stelle Seine Vorstellung vom Verhaltnis der absoluten Idee zur Welt mit Natur und Geschichte ist aber vom Koinzidenzkonzept beeinflusst Literatur BearbeitenKurt Flasch Nikolaus von Kues Die Idee der Koinzidenz In Josef Speck Hrsg Grundprobleme der grossen Philosophen Philosophie des Altertums und des Mittelalters Gottingen 1992 S 221 261 Josef Stallmach Ineinsfall der Gegensatze und Weisheit des Nichtwissens Grundzuge der Philosophie des Nikolaus von Kues Aschendorff Munster 1989 ISBN 3 402 03493 X Anmerkungen Bearbeiten Aristoteles Physik 198a24 25 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Coincidentia oppositorum amp oldid 211040367