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Die Physik ist neben der Metaphysik und der Nikomachischen Ethik eines der Hauptwerke des Aristoteles Sie entstand um 347 v Chr und befasst sich mit der Erklarung und Erlauterung Definition einiger grundlegender Begriffe die bei der Beschreibung von Naturvorgangen im taglichen Leben gebraucht werden Die wichtigsten davon sind Raum Zeit Bewegung und Ursache Es handelt sich nicht um eine mathematische Darlegung der Grundzuge der Natur in heutigem Sinne Die erste Seite von Aristoteles Physik in der Edition von Immanuel Bekker 1837 Handschrift der Physik in lateinischer Ubersetzung am Rand wurde der griechische Originaltext nachgetragen Biblioteca Apostolica Vaticana Cod Pal Lat 1033 fol 1r Anfang des 14 Jahrhunderts Der Anfang der Physik in lateinischer Ubersetzung in einer mit handgemalten Miniaturen geschmuckten Venezianer Inkunabel von 1483 New York Morgan Library amp Museum 21194 21195 Band 1 fol 2r Inhaltsverzeichnis 1 Aristoteles Methode 2 Zentrale Begriffe 2 1 Veranderung 2 2 Bewegung 2 3 Natur 2 4 Ursache 2 5 Zufall 2 6 Unendlichkeit 2 7 Ort bzw Raum 2 8 Leere 2 9 Zeit 2 10 Kontinuitat 2 11 Der unbewegte Beweger 3 Literatur 3 1 Wichtige Ausgaben und Ubersetzungen der Physik 3 2 Literatur uber die Physik 4 WeblinksAristoteles Methode BearbeitenAristoteles zufolge bezeichnen viele Worte zunachst unbestimmt ein Ganzes 184 b Die Zerlegung des Begriffs in seine Bestandteile bedeutet eine Erkenntnis da es den Begriff auf seine Grundbausteine zuruckfuhrt vgl Physik I 1 Bei der Definition der fraglichen Begriffe geht Aristoteles immer wieder gleich vor Er betrachtet als erstes eine Reihe von Definitionsvorschlagen seiner Vorganger Platon und die Vorsokratiker Er zeigt dass diese nicht zufriedenstellen konnen da sie eine Reihe von Schwierigkeiten und Problemen Aporien mit sich bringen Dann schlagt er seine eigene Definition vor Er weist nach dass diese die Schwierigkeiten vermeidet und dass sie doch die wertvollen Intuitionen die in den Definitionsversuchen der Vorganger steckten bewahrt In Aristoteles eigenen Worten Man muss dabei versuchen die Untersuchung so durchzufuhren dass das Wesentliche an dem Begriff wiedergegeben wird so dass infolge davon einerseits die oben angefuhrten Schwierigkeiten sich losen andererseits sich erweist dass die ihm anscheinend zukommenden Bestimmungen ihm auch wirklich zukommen und ausserdem dass die Ursache der Schwierigkeit und der hier zu stellenden anspruchsvollen Fragen deutlich wird 211 a dd Zentrale Begriffe BearbeitenVeranderung Bearbeiten In Kapitel I 7 geht es in erster Linie um den Begriff der Veranderung Dabei kann sich die Form die Summe der Eigenschaften an der Materie andern oder die Materie selbst Ausserdem nimmt Aristoteles hier die Akt Potenz Lehre aus der Metaphysik vorweg Bewegung Bearbeiten Aristoteles versteht unter Bewegung altgriechisch kinhsis kinesis jegliche Art von Veranderung Er fasst den Begriff also in einem weiteren Sinne auf als heute ublich Die Bewegung in diesem Sinne kann als der fundamentale Begriff der Physik angesehen werden Mit ihm beschaftigen sich die Kapitel III 1 3 V 1 2 und Buch VII Aristoteles definiert Bewegung wie folgt Das endliche Zur Wirklichkeit Kommen eines bloss der Moglichkeit nach Vorhandenen insofern es eben ein solches ist das ist Bewegung 201 a Nach Aristoteles Auffassung muss jede Veranderung bereits in den Moglichkeiten des sich verandernden Dings angelegt sein Wird diese Anlage realisiert dann ist dies eine Veranderung Aristoteles selbst gibt folgendes Beispiel Wenn etwas das gebaut werden kann insofern wir ebendiese Eigenschaft von ihm aussagen zu seiner endlichen Verwirklichung kommt dann wird es eben gebaut und dies ist dann Bauen ebd Natur Bearbeiten Aristoteles zufolge ist alles das naturbeschaffen was in sich selbst einen Anfang von Veranderung und Bestand hat 192 b Demgegenuber stehen die hergestellten Dinge Artefakte die vom Menschen durch Kunst texnh techne erschaffen und erhalten werden damit also keinen Anfang in sich selbst haben Ursache Bearbeiten In Kapitel II 3 entwickelt Aristoteles das beruhmte Vier Ursachen Schema Materialursache causa materialis woraus als etwas schon Vorhandenem etwas entsteht 194 b Gemeint ist der Stoff aus dem ein Gegenstand besteht z B im Fall einer silbernen Statue das Metall Formursache causa formalis Die Form und das Modell ebd des Gegenstandes im Fall der Statue die Gestalt eines Pferdes Wirkursache causa efficiens woher der anfangliche Anstoss zu Wandel oder Beharrung kommt ebd Dies ware beim Beispiel der Statue der Bildhauer Zweckursache causa finalis das Ziel d h das Weswegen ebd Der Zweck der Statue ist dass sie das Zimmer schmuckt Nach heutigem Sprachgebrauch wurden wir eigentlich nur die Wirkursache als Ursache bezeichnen Die vier Ursachen des Aristoteles kann man als vier verschiedene Erklarungsmuster auffassen die beantworten warum ein bestimmtes Ding in seiner bestimmten Eigenart existiert Eine Darstellung der Vier Ursachen Lehre findet sich auch in Aristoteles Metaphysik in der er unter anderem seine Wissenschaftstheorie entfaltet Metaphysik Buch A 3 Kapitel 983a Zufall Bearbeiten Mit der Definition von Zufall und Fugung befasst sich Physik II 4 9 Aristoteles Definition von Zufall lautet Wenn im Bereich der Geschehnisse die im strengen Sinn wegen etwas eintreten und deren Ursache ausser ihnen liegt etwas geschieht das mit dem Ergebnis nicht in eine Deswegen Beziehung zu bringen ist dann nennen wir das zufallig 197 b Sein Beispiel ist folgendes Ein Pferd entgeht dadurch dass es aus dem Stall herauskommt einem Ungluck es ist aber nicht herausgekommen weil es dem Ungluck entgehen wollte es wusste nichts von dem drohenden Ungluck In diesem Fall wurde man sagen Das Pferd ist zufallig herausgekommen Die Ursache ist hier das Herauskommen das Ergebnis ist dass es dem Ungluck entgeht und zwischen beiden gibt es keine Deswegen Beziehung das Pferd ist nicht herausgekommen um dem Ungluck zu entgehen daher ist das ganze zufallig Eine interessante Stelle findet sich in 198 b Aristoteles scheint hier Empedokles viele Jahrhunderte vor Charles Darwin eine erste Evolutionstheorie zuzuschreiben welche die Elemente der Mutation und der Selektion enthalt da erhielten sich diese Gebilde die rein zufallig in geeigneter Weise zusammengetreten seien Wo es sich nicht so ergab da gingen sie unter Diese Theorie wird aber von Aristoteles abgelehnt Unendlichkeit Bearbeiten Mit diesem Begriff befassen sich die Kapitel III 4 8 Aristoteles unterscheidet zwischen einer Unendlichkeit in Bezug auf Teilung Division und auf Hinzusetzung Addition Er erlautert den Begriff wie folgt Es ergibt sich so dass unbegrenzt das Gegenteil von dem bedeutet was man dafur erklart Nicht was nichts ausserhalb seiner hat sondern wozu es immer ein Ausseres gibt das ist unbegrenzt 207 a Mit seiner Definition wendet Aristoteles sich gegen die Vorstellung einer sog aktualen Unendlichkeit d h gegen die Vorstellung es existiere etwas unendlich grosses das als ganzes vorliegt Ihm zufolge gibt es nur sog potentielle Unendlichkeiten d h Mengen zu denen immer wieder ein weiteres Element hinzugefugt werden kann Diese sind jedoch niemals vollstandig vorhanden Ort bzw Raum Bearbeiten Aristoteles behandelt nicht den Raum im modernen Sinne sondern erortert in IV 1 5 den Ort Seine Definition des Ortsbegriffs lautet Die unmittelbare unbewegliche Grenze des Umfassenden das ist Ort 212 a Die Idee dabei ist dass der Ort einen Korper z B einen Tisch unmittelbar umfasst so wie ein sehr passgenauer Handschuh die Hand Im Gegensatz zum Handschuh ist der Ort aber unbeweglich d h wird der Tisch fort getragen so wird sein Ort nicht mitbewegt sondern der Tisch kommt an einen anderen Ort Leere Bearbeiten Mit dem Begriff der Leere befassen sich die Kapitel IV 6 9 Aristoteles argumentiert hier dafur dass es keine Leere geben kann vgl Horror vacui wobei er als leer einen Ort bezeichnet an dem nichts ist 213 b Diese Argumentation wurde 1647 von Blaise Pascal mit dem Experiment Leere in der Leere scheinbar widerlegt Die moderne Physik favorisiert Aristoteles Auffassung teilweise Aus quantenmechanischer Sicht gibt es uberall Vakuumfluktuationen Zeit Bearbeiten Aristoteles Ausfuhrungen zur Zeit finden sich in IV 10 14 Er definiert Zeit als die Zahl der Bewegung hinsichtlich des davor und danach 219 b und zwar Zahl im Sinn einer teilbaren Grosse Dahinter steht die Uberlegung dass wir Veranderungen z B das Wachstum einer Pflanze anhand von anderen Veranderungen quantitativ messen Bei diesen zweiten Veranderungen handelt es sich um gleichformige Ortsveranderungen heute die Bewegung von Uhrzeigern fruher die scheinbare Bewegung der Sonne Insofern konnen wir dort ein Davor und ein Danach ausmachen dies wird dann auf zeitliche Ablaufe ubertragen Zu beachten ist hier dass Aristoteles den Begriff der Veranderung als grundlegend ansieht und den Begriff der Zeit anhand von bestimmten Veranderungen namlich gleichformigen Ortsveranderungen konstruiert Nach moderner Auffassung ist umgekehrt der Begriff der Zeit fundamental und der Begriff der Bewegung davon abgeleitet Kontinuitat Bearbeiten In Kapitel V 3 und in Buch VI erlautert Aristoteles Begriffe wie zusammenhangend Dinge deren Rander eine Einheit bilden 231 b in Beruhrung deren Rander beisammen sind ebd in Reihenfolge bei denen sich nichts Gleichartiges zwischen ihnen findet ebd und weitere in diesen Zusammenhang gehorigen Ausdrucke Diese Begriffsbestimmungen dienen ihm zur Auseinandersetzung mit dem Atomismus Demokrit und atomistischer Vorstellungen der Zeit Beide Theorien lehnt Aristoteles ab Er befasst sich in diesem Zusammenhang auch mit einer Widerlegung der Paradoxien des Zenon von Elea Der unbewegte Beweger Bearbeiten Im letzten Buch der Physik Buch VIII und im Vorfeld seiner Theologie Buch XII der Metaphysik argumentiert Aristoteles fur die Notwendigkeit eines unbewegten Bewegers d h einer Kraft die alle Bewegung auf der Welt verursacht Diese Theorie inspiriert Thomas von Aquin spater zu seinem so genannten kosmologischen Gottesbeweis Literatur BearbeitenWichtige Ausgaben und Ubersetzungen der Physik Bearbeiten Erstdruck in lateinischer Ubersetzung Lowen ca 1475 Aristotle s Physics A revised text with introduction and commentary by W D Ross Oxford 1936 korrigiert 1956 bis heute die Standard Ausgabe des griechischen Originaltextes Aristoteles Physikvorlesung Ubersetzt von Hans Wagner Werke in deutscher Ubersetzung Band 11 Akademie Verlag 5 Auflage 1995 ISBN 3 05 000927 6 Aristoteles Physik Vorlesung uber die Natur Griechisch deutsch herausgegeben von Hans Gunter Zekl Band 1 Buch I IV Meiner Verlag Hamburg 1986 ISBN 978 3 7873 0649 7 Band II Buch V VIII Meiner Verlag Hamburg 1988 ISBN 978 3 7873 0712 8 Aristotle s Physics Books I and II Translated with Introduction and Notes by W Charlton Clarendon Press Oxford 1970 Aristotle s Physics Books III and IV Translated with Notes by Edward Hussey Clarendon Press Oxford 1983 ISBN 0 19 872068 8 Aristotle s Physics Book VIII Translated with a Commentary by Daniel W Graham Oxford University Press Oxford 1999 ISBN 0 19 824092 9 Aristoteles Physikvorlesung Vollstandig neu ubersetzt von Gottfried Heinemann 1 Teilband Bucher I IV Philosophische Bibliothek Band 737 Meiner Verlag Hamburg 2021 ISBN 978 3 7873 3870 2Literatur uber die Physik Bearbeiten Wolfgang Wieland Die aristotelische Physik Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1962 2 durchgesehene Auflage ebd 1970 Gustav Adolf Seeck Nachtrage im achten Buch der Physik des Aristoteles Abhandlungen der geistes und sozialwissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz Jahrgang 1965 Nr 3 Ingrid Craemer Ruegenberg Die Naturphilosophie des Aristoteles Alber Freiburg Munchen 1980 ISBN 3 495 47439 0 Sven Muller Naturgemasse Ortsbewegung Aristoteles Physik und ihre Rezeption bis Newton Mohr Siebeck Tubingen 2006 ISBN 978 3 16 149008 8 online Weblinks Bearbeiten Wikibooks Aristoteles und die Physik Lern und 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