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De anima lateinisch altgriechisch Perὶ psyxῆs Peri psychḗs deutsch Uber die Seele ist eine Schrift des Aristoteles Sie behandelt die Seele als diejenige Entitat die bewirkt dass einem naturlichen Korper das Pradikat lebendig zugesprochen werden kann Die Schrift besteht aus drei Buchern Es handelt sich um die erste bekannte Abhandlung der Antike die speziell die Seele zum Thema hat Angesprochen werden unter anderem Fragen der Erkenntnistheorie der Philosophie des Geistes der philosophischen Psychologie und der Handlungstheorie De anima in der lateinischen Ubersetzung Wilhelms von Moerbeke Handschrift Rom Biblioteca Apostolica Vaticana Vaticanus Palatinus lat 1033 fol 113r Anfang des 14 Jahrhunderts Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 1 1 Definition der Seele 1 2 Seelenvermogen 1 3 Erkenntnistheorie 2 Rezeption 3 Ausgaben und Ubersetzungen 4 Literatur 5 Weblinks 6 Siehe auch 7 AnmerkungenInhalt BearbeitenEinleitend betont Aristoteles im ersten Buch dass es zum Schwierigsten gehore zuverlassiges Wissen uber die Seele zu erlangen doch sei dies ein lohnendes Ziel sowohl wegen der hohen Bedeutung dieses Themas als auch wegen der Genauigkeit der erreichbaren Kenntnisse Anschliessend formuliert er Fragen die er klaren will ob die Seele als Einzelding als bestimmtes Etwas als Qualitat oder Quantitat zu betrachten ist ob sie teilbar oder unteilbar ist ob sie einfach homogen oder zusammengesetzt ist ob die Seelen der verschiedenen Arten von Lebewesen unterschiedliche Definitionen benotigen ob die Seele eigene Vorgange aufweist die dem Gesamtlebewesen nicht zukommen und daher eigenstandig existieren kann Dann wendet sich Aristoteles den fruheren Philosophen zu den Vorsokratikern und Platon Dabei stellt er fest dass die Seele bisher als Ursache fur das Lebendigsein fur die Wahrnehmung und die Selbstbewegung der Lebewesen aufgefasst wurde Er beschreibt die Ansichten seiner Vorganger und untersucht sie auf ihre Stichhaltigkeit wobei er zu negativen Ergebnissen kommt Weder kann die Seele als das sich selbst Bewegende definiert werden noch bewegt sie sich im Kreis noch ist sie eine Harmonie eine Zahl oder ein raumlich ausgedehntes aus den Elementen zusammengesetztes Objekt Definition der Seele Bearbeiten Im zweiten und dritten Buch erlautert Aristoteles seine eigene Theorie uber die Seele Er definiert die Seele als Entelechie Akt Wirklichkeit Vollendung eines naturlichen organischen Korpers der potenziell die Moglichkeit zu leben hat Der Begriff organisch von organon Werkzeug wird meist ubersetzt als mit Organen ausgestattet die Bedeutung ist aber wohl eher als Instrument dienend 1 Mit der Aussage dass der Korper potenziell Leben hat ist gemeint dass er zum Belebtsein geeignet ist daher kann die Seele seine Belebung tatsachlich verwirklichen Die Seele ist kein eigenstandiges Wesen das unabhangig vom Korper existiert sondern dessen Form Daher ist sie vom Korper nicht trennbar 2 Sie verhalt sich zu ihm wie das Augenlicht zum Auge Damit widerspricht Aristoteles der Auffassung Platons wonach der Seele ein eigenstandiges Dasein zukommt Im Sinne seiner teleologischen Betrachtungsweise fasst er die Seele als Zweckursache des Korpers auf Seelenvermogen Bearbeiten Aristoteles unterscheidet verschiedene Seelenvermogen darunter die Ernahrung die Fortbewegung die Wahrnehmung und die Vernunft nous Die Seele ist das Lebensprinzip aller Lebewesen Pflanzen Tiere Menschen Unterschiedliche Seelen besitzen verschiedene Seelenvermogen danach klassifiziert er die Lebewesen Pflanzen besitzen das vegetative Seelenvermogen das fur die Fortpflanzung das Wachstum und den Stoffwechsel verantwortlich ist Alle Tiere verfugen daruber hinaus uber das sensitive Vermogen die Fahigkeit zur Sinneswahrnehmung wenn auch manche nur den Tastsinn besitzen den einzigen Sinn den jedes Tier hat Bereits aus dem Tastsinn ergibt sich die Unterscheidung von Angenehmem und Unangenehmem und damit das Begehren also ein Gefuhlsleben Die meisten Tiere konnen sich selbstandig fortbewegen 3 Allein der Mensch besitzt uberdies als intellektuelles Vermogen die Fahigkeit zur Vernunft die sich somit erst in der letzten von drei Phasen der seelischen Entwicklung zu verwirklichen vermag der eigentlich menschlichen Die erste nennt Aristoteles also die vegetative wachsende und die zweite die animalische durchsetzungsfahige Phase Zur weiteren Klarung der Zusammenhange untersucht er eingehend die Organe und Funktionsweisen der einzelnen Sinne Erkenntnistheorie Bearbeiten Notwendige Bedingung fur die Vernunft die Erkenntnis hervorbringt ist das Vorstellungsvermogen phantasia dessen Tatigkeit definiert wird als eine Bewegung die durch den Vollzug einer Sinneswahrnehmung erzeugt wird 4 Hinzu kommt das Strebevermogen orexis Damit im Menschen die Vernunft wirklich und nicht nur moglich ist also konkret in Erscheinung tritt und Erkenntnis herbeifuhrt bedarf es eines aktiven und eines passiven Prinzips Die passive erleidende oder mogliche potentielle Vernunft nous pathetikos lateinisch intellectus possibilis bezeichnet das Vorstellungsvermogen hinsichtlich dessen Fahigkeit dem Verstand Sinneseindrucke zur gedanklichen Durchleuchtung zu prasentieren Die aktive oder tatige wirkende Vernunft nous poietikos lateinisch intellectus agens ist dann in der Lage zu abstrahieren Schlusse ziehen und Meinungen zu bilden Die passive Vernunft wird biologisch vererbt die aktive kommt von aussen in den Menschen hinein Die Seele und damit auch die passive Vernunft ist verganglich sie stirbt mit dem Korper Die aktive Vernunft halt Aristoteles fur unverganglich damit meint er aber im Unterschied beispielsweise zur christlichen Seelenlehre keine Unsterblichkeit der einzelnen Personen bzw Individuen Die Formen die der Intellekt aufnimmt einschliesslich der abstrakten mathematischen existieren fur Aristoteles nur in den sinnlich wahrgenommenen Objekten Sie befinden sich demnach nicht in der von Platon angenommenen eigenstandigen der Seele unmittelbar zuganglichen Ideenwelt Daher vollzieht sich das Denken nur durch Vorstellungen die aus der Sinneswahrnehmung abgeleitet sind Ohne Sinneswahrnehmung gabe es keinerlei Erfahrung und konnte man nichts verstehen 5 Diese grundlegende Aussage wurde spater in der lateinischen Formulierung Nihil est in intellectu quod non prius in sensu beruhmt Nichts ist im Verstand was nicht zuvor in der Sinneswahrnehmung war Eine weitere beruhmte Behauptung des Aristoteles lautet dass der menschliche Geist uber keine angeborenen Kenntnisse verfugt sondern zu Beginn des Lebens einer unbeschriebenen Tafel lateinisch tabula rasa gleicht die mit allem moglichen beschrieben werden kann 6 In diesem Sinne lasst sich sagen dass der Intellekt alles werden kann Sich selbst kann er nur indirekt erkennen namlich als Nebenwirkung eines Erkenntnisakts der sich auf ein ausseres Objekt richtet 7 Rezeption BearbeitenDer Peripatetiker Alexander von Aphrodisias griff um 200 n Chr die aristotelische Seelenlehre auf und vertrat insbesondere die Auffassung dass die Seele sterblich sei was ihm spater die Gegnerschaft christlicher Autoren eintrug Im 6 Jahrhundert verfasste der Neuplatoniker Simplikios einen noch in der fruhen Neuzeit viel beachteten Kommentar zu De anima in dem er sich bemuhte die Lehre des Aristoteles mit dem Neuplatonismus in Ubereinstimmung zu bringen In der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt des Mittelalters wurde De anima erst durch die lateinische Ubersetzung bekannt die Jakob von Venedig spatestens um die Mitte des 12 Jahrhunderts anfertigte Der ausfuhrliche Kommentar mit dem darin integrierten Text von De anima in arabischer Sprache den Averroes im 12 Jahrhundert verfasst hatte stand den Gelehrten bereits seit den 1230er Jahren in einer lateinischen Ubersetzung von Michael Scotus zur Verfugung In der nun einsetzenden Hochscholastik war De anima ein massgebliches Lehrbuch an den Universitaten Einen der zahlreichen Kommentare dazu verfasste 1254 1257 Albertus Magnus 8 einen der einflussreichsten 1267 1268 Thomas von Aquin 9 auf der Grundlage einer 1266 67 von Wilhelm von Moerbeke fertiggestellten Ubersetzung Thomas betont dass der intellectus agens keine separate Substanz sei sondern ein Vermogen der menschlichen Seele das mit dem intellectus possibilis ein und dieselbe Substanz bilde Die thomistische Version der aristotelischen Seelenlehre setzte sich in der katholischen Kirche dauerhaft durch Im Renaissance Aristotelismus ging die Diskussion um das Verstandnis von De anima weiter Sie wurde auch unter evangelischen Theologen gefuhrt Martin Luther wandte sich gegen das scholastische Bestreben eine Ubereinstimmung philosophischer und theologischer Lehren zu erweisen und betonte demgegenuber dass in der aristotelischen Lehre die Seele sterblich ist Ausgaben und Ubersetzungen BearbeitenMassgebliche textkritische Edition des griechischen Originals William David Ross Aristotelis De anima Oxford University Press Oxford 1956Zweisprachige Ausgaben und Ubersetzungen Thomas Buchheim Hrsg Aristoteles De anima Uber die Seele Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2016 ISBN 978 3 534 26817 7 griechischer Text der kritischen Edition von Ross mit Ubersetzung Einleitung und Kommentar Klaus Corcilius Ubersetzer Aristoteles Uber die Seele De anima Meiner Hamburg 2017 ISBN 978 3 7873 2789 8 griechischer Text nach der Edition von Aurelius Forster mit Verzeichnis der Abweichungen der Edition von W D Ross Robert Drew Hicks Hrsg Ubers Aristoteles De anima With translation introduction and notes London 1907 Olof Gigon Ubersetzer Aristoteles Vom Himmel Von der Seele Von der Dichtkunst Artemis Zurich 1950 nur Ubersetzung Gernot Krapinger Hrsg Aristoteles De Anima Uber die Seele Reclam Stuttgart 2011 ISBN 978 3 15 018602 2 griechischer Text mit Ubersetzung Horst Seidl Hrsg Aristoteles Uber die Seele Meiner Hamburg 1995 ISBN 3 7873 1381 8 griechischer Text nach der kritischen Ausgabe von Wilhelm Biehl und Otto Apelt mit Ubersetzung und Kommentar Willy Theiler Ubers Aristoteles Uber die Seele Aristoteles Werke in deutscher Ubersetzung Band 13 Akademie Verlag Berlin 1959 Ubersetzung und Erlauterungen Spatantike Paraphrase in arabischer und persischer Uberlieferung Rudiger Arnzen Aristoteles De Anima Eine verlorene spatantike Paraphrase in arabischer amp persischer Uberlieferung Arabischer Text nebst Kommentar quellengeschichtlichen Studien amp Glossaren Brill Leiden 1998 Aristoteles Semitico Latinus 9 online Veroffentlichung der Diss Bochum 1994 Literatur BearbeitenKommentare und Untersuchungen zum WerkHubertus Busche Die Seele als System Aristoteles Wissenschaft von der Psyche Meiner Hamburg 2001 ISBN 3 7873 1591 8 Caleb M Cohoe Hrsg Aristotle s On the soul a critical guide Cambridge critical guides Cambridge University Press Cambridge New York 2022 Michael Durrant Hrsg Aristotle s De Anima in focus Routledge London 1993 ISBN 0 415 05340 4 Andree Hahmann Aristoteles Uber die Seele Ein systematischer Kommentar Reclams Universal Bibliothek Stuttgart 2016 einfuhrender Kommentar Hans Jurgen Horn Studien zum dritten Buch der aristotelischen Schrift De anima Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1994 Hypomnemata 104 ISBN 3 525 25204 8 Christian Jung Die doppelte Natur des menschlichen Intellekts bei Aristoteles Konigshausen amp Neumann Wurzburg 2011 ISBN 978 3 8260 4407 6 Martha C Nussbaum Amelie Oksenberg Rorty Hrsg Essays on Aristotle s De Anima Clarendon Press Oxford 1992 ISBN 0 19 824461 4 Georg Picht Aristoteles De anima Klett Cotta Stuttgart 1992 ISBN 3 608 91415 3 Ronald Polansky Aristotle s De Anima Cambridge University Press Cambridge 2007 ISBN 978 0 521 86274 5 ausfuhrlicher Kommentar Michael Wittmann Vox atque sonus Studien zur Rezeption der Aristotelischen Schrift De anima und ihre Bedeutung fur die Musiktheorie Pfaffenweiler Centaurus Verlagsgesellschaft 1987 RezeptionHenry J Blumenthal Aristotle and Neoplatonism in Late Antiquity Interpretations of the De Anima Duckworth London 1996 ISBN 0 7156 2719 8 Matthias Perkams Selbstbewusstsein in der Spatantike Die neuplatonischen Kommentare zu Aristoteles De anima De Gruyter Berlin 2008 Quellen und Studien zur Philosophie 85 ISBN 978 3 11 020492 6 Sascha Salatowsky De Anima Die Rezeption der aristotelischen Psychologie im 16 und 17 Jahrhundert Gruner Amsterdam 2006 Bochumer Studien zur Philosophie 43 ISBN 90 6032 374 2Weblinks BearbeitenChristopher Shields Aristotle s Psychology In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy De anima griechisch De anima griechisch el wikisource org Commentum Johannis Philoponis lat Siehe auch BearbeitenGeist Philosophische Anthropologie Leib Seele ProblemAnmerkungen Bearbeiten De anima II 1 412a19 412b6 Siehe dazu Abraham P Bos Die Aristotelische Lehre der Seele Widerrede gegen die moderne Entwicklungshypothese in Der Begriff der Seele in der Philosophiegeschichte hg Hans Dieter Klein Wurzburg 2005 S 92f De anima II 1 413a4 De anima II 3 414a29 b6 De anima III 3 428b30 429a2 De anima III 8 432a3 10 De anima III 4 429b29 430a2 De anima III 4 429b5 9 Albert der Grosse De anima hg Clemens Stroick Munster 1968 Editio Coloniensis Bd 7 1 Thomas von Aquin Sentencia libri de anima hg Rene Antoine Gauthier Rom und Paris 1984 Editio Leonina Bd 44 1 Werke des Aristoteles Logik Organon Kategorien Cat Lehre vom Satz De interpr Erste Analytik An pr Zweite Analytik An post Topik Top Sophistische Widerlegungen Soph el Naturphilosophie Physik Physik Phys Uber den Himmel De cael Uber Entstehen und Vergehen De gen et corr Meteorologie Meteor Uber die Welt De mundo Uber die Seele De an Uber Wahrnehmung und Wahrnehmbares De sens Uber Gedachtnis und Erinnerung De mem et rem Uber Schlafen und Wachen De somn Uber Traume De insomn Uber Weissagung imTraum De divinat Uber Lang und Kurzlebigkeit De long vit Uber die Jugend Uber Leben und Tod Uber die Atmung De iuv De vit et mort De resp Uber die Seele De spir Tiergeschichte Hist an Uber die Teile der Lebewesen De part an Uber die Bewegung der Lebewesen De mot an Uber die Fortbewegung der Lebewesen De inc an Uber die Entstehung der Lebewesen De gen an Uber die Farben De col Von horbaren Dingen De aud Physiognomik Physiogn Uber die Pflanzen De plant Uber wundersame Geruchte De mir Mechanik Mech Probleme Probl Uber unteilbare Linien De lin insec Lage der Winde Vent sit Uber Melissos Xenophanes und Gorgias De Mel Xenoph Gorg Metaphysik Metaphysik Met Ethik Politik Nikomachische Ethik Eth Nic Grosse Ethik M Mor Eudemische Ethik Eth Eud Uber Tugenden und Laster De virt et vit Politik Pol Uber Haushaltung in Familie und Staat Oec Der Staat der Athenener Ath pol Rhetorik Poetik Rhetorik Rhet Rhetorik an Alexander Rhet ad Alex Poetik Poet Fragmente Fragmente Fr Siehe auchAristotelismus Bekker Zahlung Corpus Aristotelicum Parva naturalia Pseudo Aristoteles allgemein als unecht anerkannt Authentizitat umstritten Normdaten Werk GND 4192601 8 lobid OGND AKS LCCN n93082145 VIAF 184769403 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title De anima amp oldid 233019941