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Das Alt Wiener Volkstheater auch Alt Wiener Volkskomodie ist eine osterreichische Theaterform des 18 Jahrhunderts und entwickelte sich aus dem barocken Hanswurst uber Philipp Hafner zu den Stucken von Josef Alois Gleich Carl Meisl und Adolf Bauerle Seinen literarischen Hohepunkt erreichte es im Vormarz in den Zauberspielen und Possen von Ferdinand Raimund und Johann Nestroy Szene aus Der Talisman von Johann Nestroy 1840 Inhaltsverzeichnis 1 Historische Entwicklung 1 1 Barockzeit 1 2 Hanswurst 1 3 Philipp Hafner 1 4 Wiener Vorstadttheater 1 5 Raimund und Nestroy 1 6 Ausklang 1 7 Nachfolge 2 Stil 3 Gattungen 4 Siehe auch 5 Literatur 6 WeblinksHistorische Entwicklung BearbeitenBarockzeit Bearbeiten nbsp Commedia dell arte Auffuhrung auf einem improvisierten Spielgerust Gemalde von Karel Dujardin 1657Wahrend der Barockzeit erreichte das europaische Theater der Neuzeit seine erste grosse Blute Hofisches Prunktheater Ballett Jesuitendrama und Stegreifkomodien belustigten Adel und Burger Sinnenfreudigkeit und Farbenpracht wurden im Zusammenhang mit der Warnung vor Ausschweifungen Vanitas zunehmend moglich Die Alt Wiener Volkskomodie ging aus dem Erbe dieses Barocktheaters hervor und fand auf primitiven Buhnen sogenannten Pawlatschen statt die auf bestimmten Platzen in den Stadten errichtet wurden Gespielt wurde von englischen Komodianten die seit Ende des 16 Jahrhunderts an das Festland kamen und Stucke Shakespeares und anderer englischer Dramatiker spielten Sie nahmen bald deutschsprachige Schauspieler in ihre Reihen auf und trugen damit zum Entstehen eines neuen Berufsstandes bei Neben den englischen zogen auch italienische Truppen durchs Land und spielten die Stucke der Commedia dell arte in denen der Dialog innerhalb einer feststehenden Szenenfolge als Stegreiftheater improvisiert wurde Beliebte Rollentypen waren Arlecchino Pantalone Dottore Pulcinella und Colombine die alle in Masken gespielt wurden Aus diesen Wurzeln entstand zu Beginn des 18 Jahrhunderts die Alt Wiener Volkskomodie Sie bildet eine Synthese aus Hoftheater und Wanderbuhne Pragendes Vorbild zu dieser Zeit waren die Pariser Jahrmarktstheater Das gesungene Couplet fuhrt auf die Zwischenspiele der Jesuitendramen zuruck im Buhnenzauber spiegelt sich die barocke Ausstattungsoper wider Das Altwiener Volkstheater war von Anfang an untrennbar mit seinen Autoren und den Darstellern der komischen Figur verbunden die als Dreh und Identifikationsfigur das Einverstandnis zwischen Buhne und Publikum herstellte Diese komische Figur entwickelte sich von der reinen Typisierung uber naive Narrenfiguren bis zu den individuellen volkstumlichen Charakteren die tief in der Volksseele wurzelten Hanswurst Bearbeiten Joseph Anton Stranitzky 1676 1726 fuhrte in die Haupt und Staatsaktionen der italienischen Opernlibretti mit dem Hanswurst eine Figur aus dem Volk ein er war der Schopfer der Hanswurstkomodie Hanswurstiade Sein Hanswurst war in seiner derben Komik dem Arlecchino der Commedia dell arte dem Narren der mittelalterlichen Fastnachtsspiele dem englischen Pickelhering aber auch dem spanischen Gracioso und dem franzosischen Polichinell verpflichtet Die Hauptmerkmale waren bauerliche Kleidung kurzer Haarschnitt der Bauern g schert Halskrause des Adels hofische Schuhe Pritsche Schlagstock an der linken Seite zum Verhauen der Gegner nbsp Joseph Anton Stranitzky als Hanswurst zirka 1720 Sein Charakter war beherrscht von einer Gier nach Fleischlichem Essen Frauen und Wortunflat Zu den von ihm sexuell bevorzugten Berufsgruppen zahlten naturgemass Kochinnen bei denen er sich reichlich mit kneln Knodeln versorgte wie uberhaupt Wirtshaus Bratwurst volle Becher Sind Hans Wurstens Sorgenbrecher 1711 fand Stranitzky im Wiener Karntnertortheater eine feste Spielstatte fur seine Truppe die Teutschen Comodianten Die Gagen der Schauspieler waren gering ihnen wurden ausserdem artistische und akrobatische Sonderleistungen abverlangt Zubussen konnte man durch sogenannte Accidentien lat accidentia zufalliges Ereignis erwerben In dem Bestreben dem Publikum Sensationelles zu bieten wurden Fusstritte Prugel oder Ohrfeigen extra bezahlt Gottfried Prehauser 1699 1769 Stranitzkys Schwiegersohn kam 1725 von Salzburg nach Wien wo er als Neuer Wienerischer Hanswurst Stranitzky am Karntnertortheater abloste dessen Erbe als Dichter und Schauspieler antrat und nach Stranitzkys Tod auch die Fuhrung der Teutschen Comodianten ubernahm Joseph Felix von Kurz 1717 1784 schuf mit der Figur des Bernardon den Nachfolger des Hanswurst er war der Erfinder und einzige Vertreter der Bernardoniade der letzten Ausformung der extemporierten Zauberburleske Als Partner von Prehauser verkorperte er in zahlreichen Stegreifkomodien am Karntnertortheater den mit geistreichem und unverschamtem Wortwitz sozial hoher gestellten Rivalen des traditionellen Hanswurst Das extemporierte Theater vor allem die Compositionen von dem sogenannten Bernardon wurden durch einen Erlass Maria Theresias 1752 verboten Kurz musste seine Possen niederschreiben die gedruckten Stucke gaben von seiner einmaligen Fahigkeit des Extemporierens kaum etwas wieder zumal die Zensur alle Zweideutigkeiten und groben Scherze getilgt hatte Damit war seinem Wirken in Wien der Boden entzogen Siehe auch Extempore Hanswurststreit In der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts horte Hanswurst auf Zoten und fakalische Witze von sich zu geben Die aufklarerische Politik erlegte ihm Massigung auf Im norddeutsch protestantischen Raum hatte man zu jener Zeit den Hanswurst schon langst als widernaturliche und unappetitliche Unterhaltungsform abgelegt Das Beharrungsvermogen des Alt Wiener Spassmachers hat mit seinen multikulturellen Bindungen der Spezifik des Publikums sowie seiner Beliebtheit selbst in den politischen Eliten zu tun So tolpelhaft der Hanswurst auch war das Publikum identifizierte sich mit ihm und grolte vor Vergnugen wenn er auf der Buhne sogar die Polizei verhohnte Es war tatsachlich ein Theater fur das Volk alle gesellschaftlichen Schichten waren im Publikum vertreten einer der begeistertsten Besucher war Franz Stephan von Lothringen der kaiserliche Gemahl Maria Theresias Die Bestrebungen der Zensur das Stegreifspiel zu verbieten belegen die Wirksamkeit dieses volkstumlichen Theaters Philipp Hafner Bearbeiten Philipp Hafner 1735 1764 der als Vater des Wiener Volksstuckes gilt griff in den Hanswurststreit ein und vermittelte mit seiner satirischen Schrift Hanswurstische Traume zwischen den beiden Streitparteien Er geisselte die Schwachen des abgenutzten Stegreifspiels sprach aber dem Theater gleichzeitig jegliche erzieherische Funktion ab Die Wirklichkeit zeigte dass ein Miteinander der beiden Gattungen die Losung war Hanswurst Bernardon und Kasperl durchliefen in der Folge eine Entwicklung vom derb deftigen Sauf und Raufbold Sexprotz und bramarbasierend extemporierenden Feigling zum Diener und Hausknecht und hielten auch im klassischen Schauspiel Einzug 1763 spielte Gottfried Prehauser sogar den Diener Norten in Gotthold Ephraim Lessings Miss Sara Sampson als Hanswurst Hafner der schon fruher dem ihm befreundeten Hanswurst Darsteller Prehauser Epiloge geschrieben hatte schrieb nun Originalstucke im Stil des volkstumlichen Stegreiftheaters aber mit festem Text Burlins und Hannswurst s seltsame Carnevalszufalle Die Handlung seiner Komodien war so folgerichtig ihr Bau so regelmassig der Witz so fern jeder Zote dass selbst seine Gegner ihm nichts anhaben konnten Manche Figuren die er geschaffen hat wurden zu stehenden Typen des Wiener Volkstheaters Er war der erste Autor der nicht zugleich auch der Darsteller seiner Hauptrollen war Im Genre des Zaubertheaters und der Maschinenkomodie parodierte Hafner auch die Vorliebe fur technische Spezialeffekte Magera die forchterliche Hexe die wie auch Der Furchtsame 1764 am Hofburgtheater herausgebracht wurden da das Theater am Karntnertor 1761 abgebrannt war Hafners Werk markiert fur das deutsche Theater dasselbe was Moliere fur Frankreich und Carlo Goldoni in Italien erreichten Die Uberfuhrung der alten Stegreifkomodie in eine literarische Form unter Verwendung der Figuren der Commedia dell arte und deren unmittelbaren Nachkommen Hanswurst und Kasperl Hafner individualisierte die alten Figurentypen verwandelte sie in bodenstandige Charaktere des alten Wien und legte so den Grundstein zu jenem literarischen Genre fur das sich der Begriff der Alt Wiener Volkskomodie eingeburgert hat Mit seinem fruhen Tod 1764 verlor das Wiener Theater eines seiner grossten Talente Joachim Perinet 1763 1816 Schauspieler und Theaterdirektor hat viele Original Stucke Hafners zu Operetten umgearbeitet mit anderen Titeln versehen und mit nachhaltigem Erfolg am Leopoldstadter Theater herausgebracht Manche von Hafners Rollen wie den tauben Hausmeister im Neuen Sonntagskind einer Operette der Hafners Stuck Der Furchtsame zugrunde lag hat noch Ferdinand Raimund gespielt Goethe soll geaussert haben dass er die grosse sinnliche Masse Wiens in Hafners Werk so lebhaft dargestellt gefunden habe dass einem Angst und Bange werden konnte Karl von Marinelli 1745 1803 begrundete die Wiener Lokalposse und eroffnete 1781 die erste stehende Volksbuhne Wiens das Leopoldstadter Theater Wiener Vorstadttheater Bearbeiten nbsp Das Theater in der Leopoldstadt Auffuhrungsort der Kasperliaden von Johann Joseph La RocheGegen Ende des 18 Jahrhunderts entstandenen drei wichtige Vorstadttheater die fur die Entwicklung der Wiener Volksdramatik grosse Bedeutung erlangten Das Theater in der Leopoldstadt gegrundet 1781 ab 1847 Carltheater Das Freihaustheater gegrundet 1787 ab 1801 Theater an der Wien Das Theater in der Josefstadt gegrundet 1788Weil diese Theater nicht auf bestimmte Gattungen eingeschrankt waren kam auf ihnen eine Mischung zwischen Oper Sprechstuck oder Pantomime zur Auffuhrung Das barocke Erbe wurde sowohl im Inhalt als auch in der Verwendung szenischer Effekte ubernommen Neben den herkommlichen mythologischen Figuren gewannen die moderneren marchenhaften an Einfluss also etwa Geister und Feen statt Satyrn Furien und Nymphen Die technischen Neuerungen der Theatermaschinerie wurden ausgiebig verwendet Die Maschinenburleske ein derb komisches Possenspiel benutzte den modernisierten barocken Buhnenapparat um ihre einfaltig verschmitzten Helden in unerwartete Kalamitaten zu bringen Mit der von Johann Joseph La Roche 1745 1806 neu kreierten Figur des Kasperl fasste der Hanswurst in veranderter Gestalt wieder Fuss im Alt Wiener Volkstheater und erlebte in ihr den Hohepunkt seiner Komik La Roche spielte den Kasperl dessen Attribut ein Brustfleck mit einem aufgenahten roten Herz war ab 1781 am Leopoldstadter Theater wo zahlreiche Stucke eigens fur ihn geschrieben wurden Er begrundet mit dem Kasperl den Ruhm dieser ersten Wiener Vorstadtbuhne die bald nur mehr als Kasperltheater bezeichnet wurde sogar das 34 Kreuzer Stuck der Eintrittspreis fur den Ersten Rang wurde allgemein ein Kasperl genannt Der gemalte Theatervorhang zeigte Kasperl wie er von Thalia in den Parnass gefuhrt wird wahrend Hanswurst und den italienischen Commedia dell arte Figuren durch einen griesgramigen Kunstrichter den Eingang verwehrt wird Dank seiner Popularitat wurde La Roches Kasperl auch zur Zentralfigur des Puppentheaters in dem er bis heute weiterlebt nbsp Emanuel Schikaneder als Vogelfanger Papageno in Mozarts Zauberflote Auch der Hanswurst wurde wieder zum fixen Bestandteil der Volkskomodie und blieb ihr erhalten noch 1841 spielte Johann Nestroy den Hanswurst in Hanswurst Doktor Nolens volens von Mylius Ende des 18 Jahrhunderts entstand das beliebte Genre des Singspiels das als Wiener Kasperl und Zauberoper bezeichnet wurde und deren bedeutendstes Beispiel Emanuel Schikaneders Zauberflote mit der Musik von Wolfgang Amadeus Mozart ist in der die lustige Figur Papageno heisst Schikaneder 1751 1812 war Schauspieler Sanger Stuckeschreiber Komponist Regisseur und Theaterdirektor und schuf den Begriff der Zauberoper in der er die Zauberwelt ganz ernst auffasste Er gab dem Zauberwesen wieder die geheimnisvolle Sphare zuruck Doch er schaffte es nicht das Zauberspiel wieder so attraktiv zu machen wie es einst war Weitere Kasperl und Zauberopern schuf Karl Friedrich Hensler 1759 1825 nbsp Ignaz Schuster als Staberl in Adolf Bauerles Posse Die Burger in Wien 1813 Mit Anton Hasenhut 1766 1841 der mit seiner Kasperl Variante des Thaddadl den letzten Versuch machte die fest gefugte Typenkomik alten Stils weiterzufuhren klang die Blutezeit der alten Volksnarrenkomik aus Mit La Roches Tod 1806 war der Ruckzug des Kasperls von der Schauspielbuhne nicht mehr aufzuhalten Lediglich die Buhnenmaschinerie hatte als Relikt der Barockzeit noch bis weit in das 19 Jahrhundert Bestand In der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts blieb das Wiener Vorstadttheater ein Konglomerat der verschiedensten Gattungen Ferdinand Kringsteiner 1775 1810 fuhrte das Volksstuck in eine pessimistischere und sarkastischere Richtung Mit der aufkommenden burgerlichen Mentalitat schliesslich wurde das Altwiener Volkstheater durch Josef Alois Gleich Carl Meisl und Adolf Bauerle erneuert das Zauberspiel und die Lokalposse wurden die hauptsachlichen Genres Carl Meisl 1775 1853 verband in der Lokalposse Komik mit Belehrungs und Erbauungsintentionen in den Zauberspielen sorgte er fur eine neue Buhnenatmosphare benutzte effektvoll allegorische Figuren Zauberwesen griffen mit Macht in die Handlung ein und wollten als solche auch ernst genommen werden Er versetzte antike Gotterfiguren in die Wiener Gegenwart doch im Unterschied zum barocken Zauberspiel griffen die Uberirdischen kaum in menschliche Bereiche ein Die Helden der Stucke wurden nicht durch eine innere Wandlung zur Besserung angehalten sondern mussten durch theatralische Misserfolge ihr Scheitern erkennen Josef Alois Gleich 1772 1841 ersetzte in seinen parodierenden Possen und komischen Lokalstucken den Kasperl durch komische Volksgestalten Er schrieb fast ausschliesslich fur das Theater in der Josefstadt und furs Leopoldstadter Theater war der Vater von Ferdinand Raimunds spaterer Frau Aloisia und verhalf seinem Schwiegersohn 1815 mit seinem Stuck Die Musikanten am Hohen Markt zum Durchbruch Adolf Bauerle 1786 1859 schuf mit der Figur des Staberl in seinem Lustspiel Die Burger in Wien 1813 einem Vorstadtwiener der Unter und Mittelschicht der ein wurdiger Nachfolger Kasperls und die erste komische Charakterfigur aus dem Volk war Chrysostomus Staberl war Parapluiemacher Schirmmacher ihm folgten zahlreiche Staberliaden mit typisch Wiener Charakterkomik Bauerle war auch Herausgeber der Wiener allgemeinen Theaterzeitung die zahlreiche Auffuhrungen in kolorierten Kupferstichen abbildete Auf dieser Tradition bauten die beiden bekanntesten Dramatiker der Biedermeierzeit Ferdinand Raimund und Johann Nepomuk Nestroy auf die dem Altwiener Volkstheater zu seiner Vollendung und zu literarischem Wert verhalfen Raimund verband barockes Zaubertheater und Wiener Volksposse wahrend Nestroy politisch und kritisch brisant schrieb Raimund und Nestroy Bearbeiten Den Hohepunkt der Wiener Volkskomodie markiert die Zeit vom Wiener Kongress 1814 15 bis zum grossen Borsenkrach 1873 die Ara eines Lebensuberschwangs vor dem Hintergrund permanenter wirtschaftlicher Krise Es war die Blutezeit der Salons und Kaffeehauser mit ungefahr 1000 Ballen jahrlich die sogenannte Backhendlzeit Wien war mit 300 000 Einwohnern die einzige osterreichische Grossstadt und bot dem Volkstheater ein zahlreiches Publikum das obwohl aus allen Bevolkerungsschichten kommend wegen gleichartiger Lebensanschauungen sehr homogen war Dieses Publikum wurde als theaterkundig und illusionsfreudig beschrieben das seine Schauspieler und ihre Arbeitsbedingungen kannte nbsp Ferdinand Raimund als Aschenmann in Der Bauer als Millionar Lithographie von Kriehuber nach Moritz von Schwind Ferdinand Raimund 1790 1838 wollte eigentlich mit dem vorstadtischen Volkstheater nicht in Verbindung gebracht werden und suchte Anerkennung als echter Dichter er wollte Original Stucke ohne fremde Anleihen schreiben Mit seinen Zauberspielen die Verwandlungen Buhnentricks und Zaubereien verwendeten bot Raimund dem Zuschauer eine totale Versinnlichung des Theaters Seine Stucke verbinden lokalen Dialekt mit Hochsprache Possenspiel mit humanem Anliegen Seine Zauberpossen waren Reaktion auf das Metternich sche System des Vormarz und boten ihm die Moglichkeit uber gesellschaftliche Anliegen zu schreiben ohne zensiert zu werden Seine spateren Stucke rucken in die Nahe des Besserungsstuckes Raimund erschuf Allegorienspiele und nahm bildliche Darstellungen von Begriffen in seine Stucke auf etwa die Jugend und das hohe Alter oder Hass Neid und Zufriedenheit in Der Bauer als Millionar 1826 Raimund hatte im Gegensatz zu Nestroy selten Probleme mit der Zensur des Vormarz seine Texte sprechen von Verzicht und Selbstbescheidung nbsp Johann Nestroy mit Wenzel Scholz und Carl Carl in Der bose Geist Lumpacivagabundus 1833 Johann Nepomuk Nestroy 1801 1862 und seine uber achtzig Stucke stehen in krassem Gegensatz zum Werk Raimunds Sein Werk entstand unmittelbar aus den Bedurfnissen des Wiener Volkstheaters und wurde aus einer Vielzahl von Quellen abgeleitet darunter zeitgenossische franzosische und englische Romane aber auch fremdsprachige Theaterstucke Nestroy adaptierte Handlungslinien und Motive fugte Couplets und Quodlibets ein und war mit seinem Werk der Vorlage weit uberlegen Sein Genie lag in der Transformation ins Wiener Milieu und in der Umgestaltung der Rollen in lokale Charaktere im Wiener Dialekt Nestroys Werke sind durch scharfe Satire und Desillusionstheater charakterisiert er durchschaut die Realitat und bannt sie mit enthullendem Wortwitz Bei seinen Stucken spielte Nestroy zumeist auch selbst die Hauptrollen er hatte sich die lustige Figur quasi immer auf den Leib geschrieben Seine Zentralfigur war nicht nur Trager der Handlung ihre Komik wirkte als Ventil sie stellte Angste und Leiden der Burger dar zeigte Missstande auf aber auch Moglichkeiten der Befreiung aus der Unterdruckung Einen kongenialen Partner fand er in dem kleinen dicken Wenzel Scholz mit dem er ein beliebtes Komikerpaar am Carltheater bildete fur das er zahlreiche Stucke schrieb Die Volkskomodie wurde zwischen 1815 und 1848 im Vormarz vor allem auch als Ersatz fur politische und offentliche Interessen des Burgers gesehen Denn ausser dem Theater war jedes abendliche Zusammentreffen verboten Die Bevolkerung besuchte daher das Theater um die politische Situation zu vergessen Politische Spitzen die gegen Metternich und seinen Staat gerichtet waren waren sehr beliebt Beruhmt und von der Obrigkeit gefurchtet war Nestroys Talent zu extemporieren Auf diese Weise setzte er Seitenhiebe auf aktuelle politische oder gesellschaftliche Ereignisse Man hat lange Zeit die Stucke Raimunds als die dichterischeren poetisch ungleich wertvolleren phantastischeren Stucke denen Nestroys vorgezogen Doch ab der Jahrhundertwende sehr stark durch Ludwig Ganghofer und spater Karl Kraus befordert setzte eine Umbewertung ein Mittlerweile wird Nestroy mit seiner Ironie seiner Satire und seiner Skepsis favorisiert und auch an deutschen Theatern wesentlich ofter gespielt Ausklang Bearbeiten Soziookonomische Anderungen in der Bevolkerungsstruktur Wiens durch die Industrialisierung Ende des 19 Jahrhunderts entzogen dem Altwiener Volkstheater seinen Nahrboden und sein Publikum Friedrich Kaiser 1814 1874 etablierte die ernstere Form des Lebensbildes Seine Stucke standen noch gleichberechtigt neben denen Nestroys Dieser verspottete Kaisers Lebensbilder in Der Talisman Wenn in einem Stuck drei G spass und sonst nichts als Tote Sterbende Verstorbene Graber und Totengraber vorkommen das heisst man jetzt ein Lebensbild Die aufkommende Operette ubernahm allmahlich die Unterhaltungsfunktion des Volksstucks das jedoch in den Stucken Ludwig Anzengrubers Das vierte Gebot 1878 fortgesetzt wurde und in ihnen eine spate Vollendung erfuhr Ihm folgten Karl Morre s Nullerl 1884 und Peter Rosegger Am Tage des Gerichts 1890 Spater kamen Stucke von Vinzenz Chiavacci und Carl Karlweis Das grobe Hemd 1901 hinzu Auch das Wiener Stuck etwa bei Hermann Bahr Aus der Vorstadt 1895 Arthur Schnitzler Liebelei 1895 Felix Salten Der Gemeine 1902 und Ferenc Molnar Liliom 1909 ist von der Tradition des Wiener Volksstucks beeinflusst Das Wiener Volksstuck s Katherl von Max Burckhard wurde im Februar 1907 mit der beruhmten Volksschauspielerin Hansi Niese am Burgertheater uraufgefuhrt Der Feldherrnhugel 1910 von Roda Roda wird ebenfalls dem Genre zugerechnet Nachfolge Bearbeiten In der Zwischenkriegszeit wurde der Begriff des Volksstucks durch Ferdinand Bruckner Die Verbrecher 1929 Odon von Horvath Geschichten aus dem Wiener Wald 1931 Elias Canetti Hochzeit 1932 Komodie der Eitelkeit 1933 34 und in Jura Soyfers Stucken Der Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein Fall mehr lang 1936 der Untertitel eine Anspielung auf Johann Nestroys Kometenlied in Lumpazivagabundus und Der Lechner Edi schaut ins Paradies 1936 abgewandelt und verscharft Possenmotive und die sprachliche Karikatur bei Canetti Sprachmaske der verschiedenen Stande wurden zur Sozialkritik und fur die Charakterisierung des aufkommenden Faschismus genutzt Horvath formulierte Man musste ein Nestroy sein um all das definieren zu konnen was einem undefiniert im Wege steht Im Gegensatz dazu stand die Fortsetzung des von Ludwig Anzengruber entwickelten naturalistischen bauerlichen Volksstucks in den Stucken von Karl Schonherr Franz Kranewitter und Richard Billinger mit bereits teilweise volkischen Tendenzen Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Wiener Volksstuck mit Der Bockerer von Ulrich Becher und Peter Preses 1946 Donauwellen von Fritz Kortner 1949 Das jungste Gericht von Arnolt Bronnen 1952 und von Fritz von Herzmanovsky Orlando Kaiser Joseph und die Bahnwarterstochter 1957 Helmut Qualtinger Der Herr Karl 1961 Die Hinrichtung 1965 und Fritz Hochwalder Der Himbeerpflucker UA 1965 wieder aufgegriffen oft mit dem kleinburgerlichen Spiesser und Mitlaufer im Dritten Reich als Protagonisten Der Herr Karl zerstorte endgultig den Mythos vom gemutlichen Wiener In den Dialektstucken von Wolfgang Bauer und Peter Turrini erfuhr das Wiener Dialektstuck Anfang der 1970er Jahre eine Renaissance und trat vom Wiener Volkstheater unter Gustav Manker ausgehend einen Siegeszug an den deutschsprachigen Buhnen an Turrini verfasste mit Die Burger 1981 eine Paraphrase auf Adolf Bauerles Die Burger von Wien Peter Henisch mit Lumpazimoribundus 1974 einer Antiposse mit Gesang eine Anlehnung an Johann Nestroys Lumpazivagabundus Elfriede Jelineks Theaterstuck Prasident Abendwind 1987 ist eine Anspielung auf Nestroys Hauptling Abendwind Auch ihr Stuck Burgtheater 1985 nannte Jelinek in Anlehnung an Nestroys Stuckbezeichnung eine Posse mit Gesang und erfand dafur eine Kunstschriftsprache die sie mit Zitaten aus dem Wiener Bildungskanon aus Operetten Wienerliedern und Theaterstucken wie Franz Grillparzers Konig Ottokars Gluck und Ende versetzte 1970 wurde der steirische Autor Harald Sommer durch sein Wiener Dialektstuck A unhamlich schtorka Obgaung Ein unheimlich starker Abgang bekannt Im Marz 1971 kam das Dialektstuck Haushalt oder die Sandhasen von Herwig Seebock der bereits 1965 mit seinem autobiographischen Gefangnis Kabarett Hafenelegie als Autor in Erscheinung getreten war am Wiener Volkstheater zur Urauffuhrung 1974 schilderte Jesus von Ottakring des Autorenduos Helmut Korherr und Wilhelm Pellert in 20 Szenen und 11 Songs den Fall eines Gastarbeiters der 1970 in einem Ottakringer Mannerheim erschlagen wurde wobei die Passionsgeschichte Jesu als Wiener Volksstuck ins Lokalkolorit ubertragen und das Schicksal Jesu im Geschick des erschlagenen Gastarbeiters paraphrasiert wurde 1976 wurde das Stuck zu einem der ersten Erfolge des Neuen Osterreichischen Films In den Fernsehserien Ein echter Wiener geht nicht unter 1975 1979 und Kaisermuhlen Blues 1992 1999 beide von Ernst Hinterberger traten starke Elemente der Volkskomodie hervor vor allem in der Figur des Mundl Sackbauer einem Wiener Original mit elementarer Sprachgewalt Stil BearbeitenWesentliche formale Konstanten des Alt Wiener Volkstheaters sind Wiener Mundart als Buhnensprache Nebenfiguren handwerklich kleinburgerlicher oder bauerlicher Herkunft entwickeln sich zu Protagonisten Zahlreiche musikalische Couplets Quodlibets tanzerische oder marchenhafte Einlagen Extemporieren Stegreifspiel Stoffe und Themen aus der Trivialliteratur oder aus zeitgenossischen Opern als Grundlage Alltagsbezogene Handlung mit komischem versohnlichem oft moralisierendem AusgangGattungen BearbeitenZauberstuck und BesserungsstuckZum Zauberstuck gehoren Feenmarchen Zauberpossen Zauberopern Ritterpossen und Gespensterstucke Eine Wunderwelt von Feen Geistern Zauberern und Nixen greift in das irdische Geschehen ein Gewohnlich bilden diese Zaubermotive nur den Rahmen in dessen Mittelpunkt aber eine irdische Handlung steht Im Besserungsstuck geht es um die Lauterung eines Menschen oder um die Erlosung vom Zauberbann Unvermeidlich ist eine Liebeshandlung selten fehlt das Lob auf Wien oder das osterreichische Herrscherhaus Weitere Merkmale der Zauberstucke sind Allegorien und Symbole Pathos gemischt mit volkstumlichem Dialog musikalische Einlagen und eine moglichst farbenprachtige und prunkvolle Ausstattung Parodie und TravestieWahrend in der Parodie die Form des ernsten Werkes erhalten bleibt aber ein heiterer Inhalt zugrunde liegt bleibt bei der Travestie der Stoff des ernsten Werkes wird jedoch scherzhaft behandelt Beider Zweck ist die Karikatur ganzer literarischer Richtungen oder hervorragender Einzelwerke In Anlehnung an Shakespeares Rupelszenen im Sommernachtstraum wurden auch die Dramen von Schiller uber Kleist bis zu Hebbel parodiert Auch die Einfuhrung der komischen Person in Gestalt des Dieners hatte meist zur Aufgabe die Worte und Taten des Helden zu parodieren Die Werke sind zugleich ein Spiegel der herrschenden Wiener Sitten LokalposseDie Lokalposse ist ein derb komisches Buhnenstuck das auf Verwechslungen Zufallen und unwahrscheinlichen Ubertreibungen aufgebaut ist Meistens steht eine lustige Person kleinburgerlicher Herkunft im Mittelpunkt Sprache und Schauplatz sind an den Auffuhrungsort angepasst die Figuren sprechen Dialekt Anspielungen auf ortliche Sitten oder geografische Besonderheiten kommen vor Gesellschaftliche Unterschiede und finanzielle Umstande werden zum Thema gemacht Aristokraten werden verspottet Die Lokalposse ist fast immer mit Gesang verbunden eines ihrer Merkmale ist das eingangige Couplet das die Handlung unterbricht und sich an die Zuschauer wendet und das Quodlibet in dem klassische Musikelemente mit einfachen oft banalen Melodien vermischt werden Der Lokalposse ging auch eine Ouverture voran Siehe auch BearbeitenWiener Vorstadttheater Karntnertortheater Theater in der Leopoldstadt Carltheater Theater an der Wien Theater in der Josefstadt Freihaustheater Volksstuck Zauberstuck Stegreifkomodie Maschinenkomodie Lokalposse Wiener Kasperl und Zauberoper Besserungsstuck lustige Person Hanswurst Bernardon Kasperl Papageno Thaddadl Staberl Wiener Couplet Quodlibet Alt Wiener Volkstheater Hobellied Kometenlied Extempore Buhnenmaschinerie Josef Anton Stranitzky Gottfried Prehauser Joseph Felix von Kurz Philipp Hafner Karl von Marinelli Joachim Perinet Johann Joseph La Roche Anton Hasenhut Karl Friedrich Hensler Ignaz Schuster Ferdinand Kringsteiner Josef Alois Gleich Carl Meisl Adolf Bauerle Carl Carl Wenzel Scholz Ferdinand Raimund Johann Nepomuk NestroyLiteratur BearbeitenMargret Dietrich Hanswurst lebt noch Verlag Das Bergland Buch Salzburg 1965 Jurgen Hein Hrsg Parodien des Wiener Volkstheaters Reclam Stuttgart 1986 ISBN 3 15 008354 0 Jurgen Hein Das Wiener Volkstheater Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1997 ISBN 3 534 13593 8 Gerhard Helbig Hrsg Das Wiener Volksstuck in seinen schonsten Stucken Bauerle Gleich Meisl Raimund Nestroy Sammlung Dieterich Bd 253 Schunemann Bremen 1961 Franz Patzer Hrsg Adolf Bauerle und das Alt Wiener Volkstheater Wiener Stadt und Landesbibliothek Wien 1984 ISBN 3 900 52200 6 Wechselausstellung 201 Otto Rommel Die Alt Wiener Volkskomodie Ihre Geschichte vom barocken Welt Theater bis zum Tode Nestroys Anton Schroll Wien 1952 Otto Rommel Hrsg Alt Wiener Volkstheater Verlag Prochaska Wien 1913 Bd 1 Aus der Fruhzeit des Alt Wiener Volkstheaters K F Hensler Das Donauweibchen E Schikaneder Der Tiroler Wastel J F Kringsteiner Die Braut in der Klemme Bd 2 Josef Alois Gleich Ausgewahlte Werke Die Musikanten am hohen Markt Ydor der Wanderer aus dem Wasserreich Die weissen Hute Bd 3 4 Karl Meisl Das Gespenst auf der Bastei Das Gespenst im Prater Die Geschichte eines echten Schals in Wien Die Entfuhrung der Prinzessin Europa Die Frau Ahndl Der lustige Fritz Bd 5 6 Adolf Bauerle Die Burger in Wien Aline oder Wien in einem anderen Weltteile Der Fiaker als Marquis Die falsche Primadonna Die schlimme Lisel Bd 7 Friedrich Kaiser Die Schule des Armen Der Schneider als Naturdichter Otto Rommel Die grossen Figuren der Alt Wiener Volkskomodie Hanswurst Kasperl Thaddadl Staberl Raimund und Nestroy Bindenschild Wien 1946 Bartel F Sinhuber Hrsg Wiener Volksstucke von Nestroy Roda Roda Rossler Herzmanovsky Orlando Horvath Preses Becher Merz Qualtinger Bauer Langen Muller Verlag Munchen 1971 Reinhard Urbach Die Wiener Komodie und ihr Publikum Stranitzky und die Folgen Jugend amp Volk Wien 1973 ISBN 3 7141 6019 1 Jean Marie Valentin Hrsg Das osterreichische Volkstheater im europaischen Zusammenhang 1830 80 Lang Frankfurt M 1988 ISBN 3 261 03708 3 Paul Wertheimer Hrsg Alt Wiener Theater Schilderung von Zeitgenossen Paul Knepler Wien 1920 Walter Zitzenbacher Hanswurst und die Feenwelt Von Stranitzky bis Raimund Stiasny Verlag Wien 1965 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Alt Wiener Volkstheater im Katalog der Deutschen NationalbibliothekNormdaten Sachbegriff GND 7754035 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Alt Wiener Volkstheater amp oldid 237460063