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Dieser Artikel behandelt den Philosophen Zum Heiligen siehe Speusippus Eleusippus und Meleusippus Speusippos altgriechisch Speysippos latinisiert Speusippus um 410 407 v Chr 339 oder 338 v Chr war ein antiker griechischer Philosoph Er war ein Neffe und Schuler Platons und dessen Nachfolger als Leiter der Platonischen Akademie Scholarch Da von seinen philosophischen Werken nur kleine Bruchstucke erhalten sind gestaltet sich die Rekonstruktion seiner Lehren schwierig Dank der Erschliessung neuer Quellen seit der Mitte des 20 Jahrhunderts wird seine philosophische Leistung heute gunstiger beurteilt als in der alteren Forschung In zentralen Fragen entfernte sich Speusippos von der Auffassung Platons und schlug neue Wege ein Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke 2 1 Homoia 2 2 Weitere philosophische Werke 2 3 Briefe 3 Lehre 3 1 Ontologie 3 2 Wissenschaftstheorie und Sprachphilosophie 3 3 Kosmologie 3 4 Ethik 4 Rezeption 5 Ausgaben und Ubersetzungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 AnmerkungenLeben BearbeitenSpeusippos war ein Sohn von Platons Schwester Potone und ihres Ehemanns Eurymedon von Myrrhinous Er wuchs in Athen auf und schloss sich fruh Platon an Nach einer von Plutarch uberlieferten Anekdote nahm Platon Anteil an der Erziehung des Jungen und brachte ihn von einem fragwurdigen Lebenswandel ab was den Eltern nicht gelungen war Wahrscheinlich nahm Speusippos auch Unterricht bei Isokrates 1 Als der sizilische Politiker Dion von Syrakus der mit Platon seit dessen erster Sizilienreise um 388 v Chr befreundet war 366 vom Tyrannen Dionysios II von Syrakus verbannt wurde begab er sich nach Griechenland In Athen trat er in Platons Akademie ein Dort schloss er Freundschaft mit Speusippos wie Plutarch berichtet schenkte Dion der sehr reich war dem Freund ein Landgut Im Jahr 361 unternahm Platon auf Einladung von Dionysios seine dritte Sizilienreise begleitet von einigen seiner Schuler darunter Speusippos und Xenokrates Er wollte sich in Syrakus insbesondere fur eine Rehabilitierung Dions einsetzen Der Versohnungsversuch misslang jedoch und Dionysios beschlagnahmte Dions grosses Vermogen das er bisher nicht angetastet hatte das bedeutete den endgultigen Bruch zwischen den beiden Als radikaler Anhanger Dions gehorte Speusippos zu den Befurwortern einer gewaltsamen Losung des Konflikts mit militarischen Mitteln Er nutzte seinen Aufenthalt in Syrakus um Erkundigungen uber die Stimmung der Burger einzuziehen Damit wollte er herausfinden wie sich die Bevolkerung im Falle eines Versuchs den Tyrannen zu sturzen verhalten wurde Diese Aktivitaten des Speusippos blieben Dionysios aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verborgen 2 Platon und seine Schuler gerieten in den Verdacht mit einer gewaltbereiten Opposition zu sympathisieren Dies fuhrte zur endgultigen Entfremdung zwischen Platon und dem misstrauisch gewordenen Tyrannen Platon wurde von Soldnern des Dionysios bedroht geriet in eine lebensgefahrliche Lage und konnte nur mit Muhe eine Gelegenheit zur Abreise erlangen Nach Platons Ruckkehr im Jahr 360 trieb Dion die Rustungen fur einen Feldzug voran wobei er von seinen Freunden in der Akademie unterstutzt wurde Speusippos bestarkte ihn in der Annahme dass der Tyrann bei seinen Untertanen verhasst und das Vorhaben daher aussichtsreich war 3 Einige Platoniker beteiligten sich an dem Unternehmen das Dion 357 mit einer relativ kleinen Streitmacht von Soldnern begann Speusippos blieb in Athen 4 liess sich aber von einem der teilnehmenden Akademiemitglieder Timonides von Leukas brieflich uber den erfolgreichen Verlauf des Kriegszugs unterrichten Nach Platons Tod ubernahm Speusippos 348 347 die Leitung der Akademie eine formliche Wahl scheint nicht stattgefunden zu haben Er fuhrte ein Schulgeld ein und wich damit von der Haltung Platons ab bei dem der Unterricht stets kostenlos gewesen war Im Unterschied zu seinem Vorganger Platon und seinem Nachfolger Xenokrates wohnte Speusippos als Scholarch nicht in der Akademie Die schon zu Platons Zeit bestehende Rivalitat mit der Schule des Isokrates setzte er fort Im Kampf um die makedonische Hegemonie in Griechenland ergriff er mit Entschiedenheit fur die makedonische Seite Partei Er gehorte zu den eifrigen Anhangern des Makedonenkonigs Philipp II und versuchte anscheinend erfolglos den Einfluss des Isokrates am makedonischen Hof zuruckzudrangen Die Nachrichten uber seinen Tod 339 338 sind widerspruchlich angeblich setzte er wegen einer chronischen schweren Krankheit seinem Leben ein Ende 5 Bis zuletzt soll er schriftstellerisch tatig gewesen sein Seinem Wunsch folgend wahlten die Mitglieder der Akademie Xenokrates zu seinem Nachfolger Der Verfasser des unechten 13 Briefs in der Sammlung der Platon zugeschriebenen Briefe behauptet Speusippos habe seine Nichte geheiratet Werke BearbeitenVon den philosophischen Schriften des Speusippos sind nur Fragmente erhalten Er greift insbesondere Fragestellungen auf die sich aus den spaten Werken Platons ergeben Diogenes Laertios uberliefert ein unvollstandiges Verzeichnis der Werke Es umfasst 27 Titel darunter sowohl Abhandlungen als auch Dialoge 6 Behandelt werden Themen der Metaphysik Mathematik Erkenntnislehre Wissenschaftstheorie Sprachphilosophie Ethik Politik Theologie und Kosmologie vermutlich auch der Rhetorik Aus der Korrespondenz des Speusippos ist nur ein Brief an Konig Philipp II erhalten Homoia Bearbeiten Etwa ein Drittel der bekannten Fragmente stammt aus seinem aus zehn Buchern bestehenden Hauptwerk Ahnliche Dinge Homoia 7 Es handelte sich um eine systematisch geordnete Darstellung der Gesamtheit der damals bekannten Dinge Dabei ging es Speusippos aber nicht um die Schaffung einer Enzyklopadie als Nachschlagewerk sondern sein Ziel war eine durchgangige Klassifikation der gesamten Wirklichkeit nach einer einheitlichen Methode der Definition und Begriffsbildung Zu diesem Zweck entwarf er ein umfassendes System von Gattungen und Arten Als Ordnungsprinzip diente wie der Titel besagt die Ahnlichkeit Dabei scheint Speusippos mehrere Grade der Ahnlichkeit unterschieden zu haben Vermutlich ging das ambitiose Vorhaben auf eine Anregung Platons zuruck Erhalten sind rund sechzig zoologische und botanische Beispiele Sie stammen alle aus dem zweiten der zehn Bucher das der biologischen Systematik gewidmet war Die Erorterungen betreffen in erster Linie Einzelfalle aus der zoologischen und botanischen Systematik Auffallend sind Ubereinstimmungen von Speusippos Klassifikationen mit denen des Aristoteles in dessen Historia animalium In den ubrigen neun Buchern der Homoia wurde die Gliederung der unbelebten Natur dargestellt dort wurde wohl auch die Einteilung der Metaphysik der Mathematik der Ethik und der Technik behandelt Unklar ist ob es Speusippos nur um die Methodik des Klassifizierens ging also um die philosophische Frage nach allgemeinen Gesetzen der Gliederung der Wirklichkeit oder ob er seine naturkundlichen Untersuchungen auch aus einem spezifisch naturwissenschaftlichen Interesse anstellte Jedenfalls ist ein empirischer Ansatz bei ihm nicht feststellbar erst Aristoteles vollzog den Schritt zur empirischen Wissenschaft und wandte sich damit vom Wissenschaftsverstandnis der Akademie ab Weitere philosophische Werke Bearbeiten Weitere Schriften die demselben Themenbereich gewidmet waren wie die Homoia trugen die Titel Uber Beispiele von Gattungen und Arten oder Uber Gattungen und Arten als Beispiele Peri genōn kai eidōn paradeigmatōn Einteilungen und Annahmen hinsichtlich der ahnlichen Dinge Dihaireseis kai pros ta homoia hypotheseis und Definitionen horoi Ferner verfasste er eine Abhandlung Uber die pythagoreischen Zahlen Peri Pythagorikōn arithmōn worin er seine Theorie der Zahlen darlegte er behandelte die Zahlen unter dem Gesichtspunkt ihrer Ahnlichkeit das heisst ihrer Eigenheiten Gemeinsamkeiten Analogien und gegenseitigen Beziehungen Dabei ging er von einer Zuordnung der Zahlen zu bestimmten geometrischen Figuren wie etwa Quadraten Rechtecken und den platonischen Korpern aus Von diesem Werk ist ein Auszug erhalten Eingehend ausserte sich Speusippos zur Frage nach der Funktion der Lust die Platon in seinem Dialog Philebos behandelt hatte Mit diesem Thema befasste er sich in einem Dialog mit dem Titel Aristippos benannt nach Aristippos von Kyrene einem prominenten Vertreter des Hedonismus sowie in einer Abhandlung Uber die Lust Peri hedonḗs Einige andere Schriften waren anscheinend rhetorischen Themen gewidmet Ferner verfasste Speusippos ein Enkomion Lobrede oder Lobschrift auf Platon Unklar ist ob es sich dabei um die Gedenkrede handelt die Speusippos entweder beim Leichenmahl Platons hielt oder wahrscheinlicher anlasslich der ersten Feier von Platons Geburtstag der nach dessen Tod alljahrlich in der Akademie gefeiert wurde Hier taucht erstmals die Legende von Platons gottlicher Abstammung auf sein Vater soll der Gott Apollon gewesen sein Allerdings ist kaum anzunehmen dass Speusippos selbst an die Legende glaubte 8 Briefe Bearbeiten In der Sammlung der Sokratikerbriefe sind acht Briefe uberliefert die angeblich von Speusippos verfasst wurden oder an ihn gerichtet waren Nach heutigem Forschungsstand sind alle ausser einem Schreiben des Philosophen an Konig Philipp II unecht Die Echtheit des Briefs an Philipp wird in der neueren Forschung fast einhellig angenommen wenn auch nicht mit restloser Gewissheit 9 In dem 343 342 verfassten Brief wird dem Konig ein Historiker namens Antipatros von Magnesia empfohlen der besser als Isokrates geeignet sei fur die makedonische Politik zu werben Die Gegnerschaft zu Isokrates mit dem Speusippos um die Gunst Philipps rivalisierte tritt unverhullt zutage 10 Umstritten ist ob der Brief privat war oder sein Verfasser ihn zwecks Beeinflussung der offentlichen Meinung zur Veroffentlichung bestimmte 11 Es soll auch eine Korrespondenz des Speusippos mit Dionysios II gegeben haben Briefliche Ausserungen des Tyrannen gegenuber dem Philosophen sind zitatweise uberliefert 12 die Authentizitat dieser Zitate ist allerdings ungewiss Lehre BearbeitenSpeusippos wich in wesentlichen Punkten von der Lehre Platons ab in der er wie Aristoteles berichtet Schwierigkeiten entdeckt hatte Dies betrifft insbesondere die Ontologie Gesamthaft wirkt das Weltbild des Speusippos komplexer und weniger ubersichtlich als dasjenige Platons Die Grunde dafur sind dass die Seinsstufen weniger stringent miteinander verknupft werden und die ontologische Ordnung nicht zugleich durchgangig eine Wertordnung darstellt Zudem treten die Beziehungen zwischen den Elementen der Wirklichkeit gegenuber deren je besonderer Eigenart in den Vordergrund Diese Art des Philosophierens trug Speusippos den Vorwurf des Aristoteles ein er denke episodenhaft und stelle die Wirklichkeit wie in einer schlechten Tragodie dar 13 Ontologie Bearbeiten Fur den ontologischen Stufenbau der Welt nimmt Speusippos funf Stufen an Es gilt folgende Abfolge zuoberst das Eine das aber nicht als Stufe aufgefasst wird sondern uber allen Stufen steht 14 dann als erste oberste Stufe die Zahlen als zweite die geometrischen Figuren als dritte die bewegte Weltseele Die Weltseele wird als mathematische geometrische Wesenheit aufgefasst und als Idee Gestalt des uberallhin Ausgedehnten definiert Die vierte und die funfte Stufe umfassen den Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Korper dessen Unterteilung nicht uberliefert ist vermutlich bilden die belebten Korper die vierte Stufe die unbelebten materiellen Objekte die funfte Die Zahlen bringen die Vielheit und die ousia Seiendheit mit sich die geometrischen Figuren zusatzlich die Ausdehnung die Seele fuhrt die Bewegung ein und mit den Korpern tritt die Materialitat hinzu Die erste und die zweite Stufe machen den gottlichen Nous aus 15 Speusippos weigert sich wie Platon das Gute mit dem Einen und der archḗ der Weltursache gleichzusetzen Er argumentiert das Eine musse als Wertprinzip allem Werthaften also auch dem Guten ubergeordnet sein Ausserdem liege das Gute im Nutzen und Ertrag etwa von Pflanzen und Nutztieren also im Ziel von etwas und somit nicht in dessen Ursache oder Ursprung Das Gute konne nicht mit dem Einen zusammenfallen denn sonst musste die Vielheit die den Gegenpol des Einen bildet das Schlechte an sich sein Dann musste alles woran Vielheit beteiligt ist also auch die mathematischen Gegebenheiten in einem gewissen Ausmass schlecht sein Damit verwirft Speusippos einen Kernbestandteil von Platons Metaphysik Er entfernt aus dem ontologisch hochstrangigen Bereich des Einen die ethische Vorstellung von Gute denn ethische Begriffe sind aus seiner Sicht nur fur Seinsebenen angemessen auf denen die Natur der seienden Dinge weiter fortgeschritten ist 16 Den Vorgang der Entstehung von Mannigfaltigkeit aus der Einheit halt er fur an sich wertneutral Eine Ablehnung der Vielfalt und der Materie in der sie existiert als Ursprung des Ubels ist somit fur Speusippos unangebracht 17 Vielmehr betrachtet er Einheit und Vielheit als Urprinzipien die beide jenseits des Bereichs des Seienden und des Werthaften liegen Einheit und Vielheit sind fur ihn unmittelbar Prinzipien der Zahlen und dadurch mittelbar Prinzipien von allem Die Materie in der sich die Vielheit sinnlich wahrnehmbar manifestiert kann nicht an sich schlecht sein denn sie ist Aufnahmestatte des Guten ware sie fur dasjenige empfanglich zu dem sie in absolutem Gegensatz steht wurde dies zu ihrer Selbstaufhebung fuhren Begriffe wie gut und schlecht schon und hasslich sind somit nur auf einen Zwischenbereich zwischen Einheit und Vielheit anwendbar Dort tritt das Werthafte zuerst als Schones auf namlich im Bereich der mathematischen Gegebenheiten und dann erst als Gutes im Bereich des Seelischen und Korperlichen 18 Eine weitere Neuerung liegt darin dass Speusippos die Eigenart eines jeden Seinsbereichs betont und jeder Seinssphare eine spezifische Seinsstufe zuweist Damit wertet er das Einzelne gegenuber dem Allgemeinen ontologisch auf wahrend Platon sein Erkenntnisstreben grundsatzlich auf das Allgemeine als das Hoherrangige konzentriert Die Prinzipien der Seinsstufen leitet Speusippos nicht direkt auseinander ab sondern stellt nur Analogien zwischen ihnen fest 19 Auch von Platons Ideenlehre wendet sich Speusippos ab Fur die allgemeinen Wesenheiten Platons Ideen nimmt er kein eigenstandiges von den Einzeldingen abgetrenntes Sein an Damit kehrt er Platons ontologische Rangordnung zwischen dem Allgemeinen und dem Einzelnen um das Allgemeine ist bei ihm vom Einzelnen abhangig und an es gebunden An die Stelle der platonischen Ideen treten bei Speusippos die Zahlen und die geometrischen Figuren Gemeint sind die mathematischen Zahlen als solche nicht deren Ideen wie Zweiheit oder Dreiheit Den Zahlen und Figuren weist Speusippos eine selbstandige unabhangige metaphysische Existenz zu Er betrachtet sie als vom menschlichen Geist unmittelbar erfassbare Realitaten deren Erkenntnis den Ausgangspunkt aller sonstigen Erkenntnisse bilde 20 Mit diesem Konzept vereinigt er Mathematik und Metaphysik die Gesetze der Mathematik erscheinen zugleich als diejenigen der Metaphysik Der platonische Grundsatz des ontologischen Vorrangs des Mathematischen vor dem Verganglichen bleibt trotz des Verzichts auf die Ideenlehre gewahrt Im Gegensatz zu Aristoteles der den unbewegten Beweger das erste Prinzip als reinen Akt betrachtet und damit der Wirklichkeit ontologische Prioritat gegenuber der Moglichkeit gibt tritt Speusippos fur das umgekehrte Verhaltnis ein Er fasst das erste Prinzip als reine Potenz Moglichkeit auf die erst etwas hervorbringen muss um selbst wirklich existieren zu konnen Dieser Gedanke eignet sich zugleich als Erklarung dafur dass das erste Prinzip uberhaupt etwas hervorbringt Aristoteles der diese Position kritisiert illustriert die beiden gegensatzlichen Standpunkte mit dem Beispiel dass ein erwachsenes Lebewesen Akt vor dessen Samen Potenz existieren musse Speusippos nehme zu Unrecht die umgekehrte Reihenfolge an siehe Henne Ei Problem 21 Mit seinem Verstandnis des Einen nimmt Speusippos ein Element neuplatonischen Denkens vorweg 22 Er betrachtet das Eine als absolute Grenze und absolutes Vielheit und Quantitat aufhebendes Minimum das zugleich unendlich und insofern auch ein Maximum ist 23 Wissenschaftstheorie und Sprachphilosophie Bearbeiten Speusippos stellt an eine Definition hohe Anforderungen Er meint man konne ein Ding nur dann definieren wenn man weiss worin es sich von allen anderen Dingen unterscheidet Demnach setzt jede Definition eine Kenntnis der Gesamtwirklichkeit voraus das Verhaltnis des zu definierenden Dings zu allem anderen Existierenden muss bekannt sein Daraus leitet Speusippos aber nicht eine skeptische Haltung hinsichtlich der Moglichkeit einer korrekten Wesensbestimmung einzelner Dinge ab Vielmehr meint er im Rahmen einer universalen Klassifikation auf die sein Werk Homoia abzielt konne die Beziehung jedes Gegenstands zu jedem anderen dargelegt werden 24 Dahinter steht die Auffassung dass Einzeldinge nicht separat existieren sondern nur durch die Gesamtheit ihrer Beziehungen zu anderen Dingen konstituiert werden Diesem Konzept folgt Speusippos in seinen Homoia wo er auf der Basis von Aussagen uber Ahnlichkeitsbeziehungen klassifiziert Sein Ansatz unterscheidet sich von Platons Verfahren der Dihairesis bei dem man differenzierend durch dichotomische Aufteilung von Gattungen uber Untergattungen zu Arten voranschreitet 25 Auf diese Art geht Speusippos auch in der Sprachphilosophie vor Er untersucht Bezeichnungen und Definitionen Dabei ist fur seine Denkweise charakteristisch dass er die Begriffe nicht nach ihren je eigenen Merkmalen einteilt sondern die verschiedenen Arten ihrer Beziehungen zueinander klassifiziert Er teilt die moglichen Verhaltnisse zwischen Wortern in zwei Haupt und funf Untergruppen nach dem Kriterium inwieweit die Bedeutungen ubereinstimmen 26 Kosmologie Bearbeiten In der Kosmologie gehorte Speusippos ebenso wie sein Nachfolger Xenokrates zu den Anhangern der Auffassung dass die Darstellung der Weltschopfung in Platons Dialog Timaios nicht im buchstablichen Sinne einer Erschaffung zu einem bestimmten Zeitpunkt gemeint ist sondern Platons Ausdrucksweise metaphorisch zu verstehen ist und nur aus einem didaktischen Grund gewahlt wurde Wie zahlreiche andere Platoniker hielt Speusippos die Welt fur ewig 27 Ethik Bearbeiten Wie in der antiken Philosophie allgemein ublich erscheint auch bei Speusippos die Eudaimonie als Ziel menschlichen Handelns Er versteht darunter die Beschwerdelosigkeit aochlesia die von den Guten angestrebt werde Mit Beschwerdelosigkeit meint er sowohl die Abwesenheit von Schmerz als auch die Vermeidung von Lust die Lust betrachtet er namlich nicht als Gut sondern wertet sie negativ Schmerz und Lust sind fur ihn Phanomene des Werdens und der Bewegung und als solche dem ruhenden Sein einer affektfreien Indifferenz unterlegen 28 Umstritten ist in der Forschung seit langem ob die von Platon im Dialog Philebos erwahnten Gegner des Philebos nach deren Ansicht Lust nur das Aufhoren von Schmerz ist und somit nicht eigenstandig existiert Anhanger der Lustlehre des Speusippos waren Wenn dies wie zahlreiche Forscher annehmen der Fall ist hat Platon sich im Philebos mit der Auffassung seines Neffen auseinandergesetzt 29 Rezeption BearbeitenAristoteles geht wiederholt auf Lehren des Speusippos ein Er kritisiert sie polemisch lasst sich aber auch von ihnen anregen denn ihre Abweichungen von Platons Auffassungen kommen seiner eigenen Platon Kritik entgegen In der Platonischen Akademie war die Nachwirkung von Speusippos Lehren relativ gering zumal da sein Nachfolger Xenokrates eine andere Richtung einschlug die sich als zukunftstrachtiger erwies Die Speusippos Tradition erlosch aber nicht sondern wirkte bis in die Spatantike fort Im Neuplatonismus wurde Speusippos Gedanke aufgegriffen dass das Eine sich oberhalb des Bereichs des Seins befinde und insofern selbst nicht etwas Seiendes sei Der spatantike Neuplatoniker Iamblichos kannte das System des Speusippos in seinem Werk De communi mathematica scientia teilt er einen Abriss davon mit 30 Als Personlichkeit des offentlichen Lebens war Speusippos in der Antike wegen seiner politischen Parteinahmen umstritten Die gegensatzlichen Meinungen uber ihn spiegeln sich in den Quellen Seine Biographie bei Diogenes Laertios enthalt Material aus einer ihm wohlgesinnten und einer gegnerischen Tradition Plutarch berichtet Vorteilhaftes darunter eine gunstige Meinung Platons uber Speusippos Athenaios und Diogenes Laertios uberliefern Angaben von gegnerischer Seite die angeblich auf Briefe des Tyrannen Dionysios II zuruckgehen Den Behauptungen seiner Feinde zufolge war Speusippos jahzornig vergnugungssuchtig dem Alkohol zugeneigt und geldgierig Der Kirchenschriftsteller Tertullian schreibt offenbar einer Legende folgend Speusippos sei bei einem Ehebruch ums Leben gekommen 31 In der modernen Forschung galt Speusippos Denken lange als abstrus Diese Einschatzung entstand unter dem Eindruck der einseitigen Darstellung des Aristoteles Als jedoch Philip Merlan 1953 das grosse Speusippos Fragment bei Iamblichos entdeckte und in der Folgezeit weitere Quellen erschlossen wurden ergab sich ein wesentlich vorteilhafteres Bild der philosophischen Leistung von Platons Nachfolger 32 Hans Kramer halt ihn fur die neben Platon und Aristoteles starkste philosophische Potenz der Alteren Akademie 33 Weiterhin negativ beurteilt wird seine als opportunistisch eingeschatzte vorbehaltlose Parteinahme fur Philipp II 34 Ausgaben und Ubersetzungen BearbeitenMargherita Isnardi Parente Hrsg Speusippo Frammenti Neapel 1980 ISBN 88 7088 011 7 Edition der Fragmente mit italienischer Ubersetzung und Kommentar Margherita Isnardi Parente Hrsg Supplementum Academicum In Atti della Accademia Nazionale dei Lincei Classe di scienze morali storiche e filologiche Memorie Reihe 9 Bd 6 1995 S 247 311 enthalt Erganzungen zur 1980 erschienenen Edition der Herausgeberin Anthony Francis Natoli The Letter of Speusippus to Philip II Franz Steiner Stuttgart 2004 ISBN 3 515 08396 0 Edition des Briefs mit englischer Ubersetzung Einleitung und Kommentar Wilhelm Nestle Hrsg Die Sokratiker Scientia Aalen 1968 Neudruck der Ausgabe Jena 1922 enthalt S 192 199 Speusippos Fragmente in deutscher Ubersetzung Leonardo Taran Speusippus of Athens A critical study with a collection of the related texts and commentary Brill Leiden 1981 ISBN 90 04 06505 9Literatur BearbeitenUbersichtsdarstellungen in Handbuchern Margherita Isnardi Parente Speusippe de Myrrhinonte In Richard Goulet Hrsg Dictionnaire des philosophes antiques Band 6 CNRS Editions Paris 2016 ISBN 978 2 271 08989 2 S 528 539 Hans Kramer Speusipp In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 3 Altere Akademie Aristoteles Peripatos 2 Auflage Schwabe Basel 2004 ISBN 3 7965 1998 9 S 13 31 Debra Nails The People of Plato A prosopography of Plato and other Socratics Indianapolis 2002 ISBN 0 87220 564 9 S 271 f und Stammtafel S 244 Untersuchungen John Dillon The Heirs of Plato A Study of the Old Academy 347 274 BC Clarendon Press Oxford 2003 ISBN 0 19 927946 2 S 30 88 Alain Metry Speusippos Zahl Erkenntnis Sein Haupt Bern 2002 ISBN 3 258 06440 7Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Speusippos im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Russell Dancy Speusippus In Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Anmerkungen Bearbeiten Philip Merlan Zur Biographie des Speusippos In Philip Merlan Kleine philosophische Schriften Hildesheim 1976 S 127 143 hier 131 Plutarch Dion 22 Siehe dazu Kai Trampedach Platon die Akademie und die zeitgenossische Politik Stuttgart 1994 S 110 Kurt von Fritz Platon in Sizilien und das Problem der Philosophenherrschaft Berlin 1968 S 70 Helmut Berve Dion Wiesbaden 1957 S 53 Plutarch Dion 22 Angaben wonach er mitzog sind unzutreffend Zu den Schulern Platons die teilnahmen siehe Kai Trampedach Platon die Akademie und die zeitgenossische Politik Stuttgart 1994 S 111 f Helmut Berve Dion Wiesbaden 1957 S 65 f Diese oft wiedergegebene Behauptung halt John Dillon The Heirs of Plato Oxford 2003 S 32 fur sehr unglaubwurdig Diogenes Laertios nennt dreissig Titel wovon drei doppelt angefuhrt sind siehe John Dillon The Heirs of Plato Oxford 2003 S 34 und Anm 14 Dies ist ein abgekurzter Titel der genaue Wortlaut des vollstandigen Titels ist unklar Leonardo Taran Speusippus of Athens Leiden 1981 S 228 f Kai Trampedach Platon die Akademie und die zeitgenossische Politik Stuttgart 1994 S 138 und Anm 100 Francisco Pina Polo Sabine Panzram Mito historia y propaganda politica La carta de Espeusipo a Filipo II de Macedonia In Gerion 19 2001 S 355 390 hier 357 f Anm 6 Anthony Francis Natoli The Letter of Speusippus to Philip II Stuttgart 2004 S 17 31 Anders Leonardo Taran Speusippus of Athens Leiden 1981 S XXIII Zu den Hintergrunden siehe Minor M Markle III Support of Athenian intellectuals for Philip a study of Isocrates Philippus and Speusippus Letter to Philip In The Journal of Hellenic Studies 96 1976 S 80 99 Anthony Francis Natoli The Letter of Speusippus to Philip II Stuttgart 2004 S 20 22 pladiert fur privaten Charakter des Schreibens und erortert die alteren Forschungsmeinungen Philip Merlan Zur Biographie des Speusippos In Philip Merlan Kleine philosophische Schriften Hildesheim 1976 S 127 143 hier 136 138 Aristoteles Metaphysik 1075b37 1076a4 und 1090b19 f John Dillon The Heirs of Plato Oxford 2003 S 54 f Hans Kramer Der Ursprung der Geistmetaphysik 2 Auflage Amsterdam 1967 S 208 210 216 218 spater hat Kramer sein Schema etwas modifiziert siehe Hans Kramer Speusipp In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Bd 3 2 Auflage Basel 2004 S 13 31 hier 21 f Ein etwas abweichendes Schema prasentiert Harold A S Tarrant Speusippus ontological classification In Phronesis 19 1974 S 130 145 Aristoteles Metaphysik 1091a35 f John Dillon The Middle Platonists London 1977 S 12 15 Hans Kramer Der Ursprung der Geistmetaphysik 2 Auflage Amsterdam 1967 S 212 214 Zu einer abweichenden Auffassung die Leonardo Taran ausserte siehe John Dillon Speusippus in Iamblichus In Phronesis 29 1984 S 325 332 hier 327 f Hans Kramer Der Ursprung der Geistmetaphysik 2 Auflage Amsterdam 1967 S 32 210 f Jens Halfwassen Speusipp und die Unendlichkeit des Einen In Archiv fur Geschichte der Philosophie 74 1992 S 43 73 hier 62 f Siehe dazu Harold Cherniss Die altere Akademie Heidelberg 1966 S 44 56 John Dillon The Middle Platonists London 1977 S 12 f Hans Kramer Der Ursprung der Geistmetaphysik 2 Auflage Amsterdam 1967 S 351 353 Jens Halfwassen Speusipp und die Unendlichkeit des Einen In Archiv fur Geschichte der Philosophie 74 1992 S 43 73 hier 55 67 Harold Cherniss Die altere Akademie Heidelberg 1966 S 49 Malcolm Wilson Speusippus on knowledge and division In Wolfgang Kullmann Sabine Follinger Hrsg Aristotelische Biologie Stuttgart 1997 S 13 25 Zu Speusippos nichtdihairetischem Vorgehen siehe auch Andrea Falcon Aristotle Speusippus and the method of division In The Classical Quarterly New Series 50 2000 S 402 414 Malcolm Wilson Speusippus on knowledge and division In Wolfgang Kullmann Sabine Follinger Hrsg Aristotelische Biologie Stuttgart 1997 S 13 25 hier 20 22 Dass es Speusippos hier um Begriffe und nicht wie Jonathan Barnes meinte um Dinge geht wird heute allgemein angenommen Siehe dazu die ausfuhrliche Argumentation von Leonardo Taran Speusippus and Aristotle on Homonymy and Synonymy In Hermes 106 1978 S 73 99 Matthias Baltes Die Weltentstehung des platonischen Timaios nach den antiken Interpreten Teil 1 Leiden 1976 S 18 21 Hans Kramer Speusipp In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Bd 3 2 Auflage Basel 2004 S 13 31 hier 27 29 John M Dillon Speusippus on Pleasure In John M Dillon The Great Tradition Aldershot 1997 Nr III S 104 113 Zur Fortwirkung des Speusippos siehe Hans Kramer Der Ursprung der Geistmetaphysik 2 Auflage Amsterdam 1967 S 222 351 ff Zur Herkunft von Iamblichos Ausfuhrungen aus einem verlorenen Werk des Speusippos die von Leonardo Taran zu Unrecht bestritten wurde siehe John Dillon Speusippus in Iamblichus In Phronesis 29 1984 S 325 332 Jens Halfwassen Speusipp und die Unendlichkeit des Einen In Archiv fur Geschichte der Philosophie 74 1992 S 43 73 hier S 44 und Anm 4 Hans Kramer Speusipp In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Bd 3 2 Auflage Basel 2004 S 13 31 hier 21 Alain Metry Speusippos Zahl Erkenntnis Sein Bern 2002 S 148 151 Tertullian Apologeticum 46 10 Jens Halfwassen Speusipp und die Unendlichkeit des Einen In Archiv fur Geschichte der Philosophie 74 1992 S 43 73 hier 43 45 Vgl John Dillon The Heirs of Plato Oxford 2003 S 42 Alain Metry Speusippos Zahl Erkenntnis Sein Bern 2002 S 2 f Leonardo Taran Speusippus of Athens Leiden 1981 S 8 a highly original philosopher Speusippus need not have been inferior even to Aristotle himself Hans Kramer Speusipp In Hellmut Flashar Hrsg Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Bd 3 2 Auflage Basel 2004 S 13 31 hier 30 Anthony Francis Natoli The Letter of Speusippus to Philip II Stuttgart 2004 S 10 Normdaten Person GND 11875193X lobid OGND AKS LCCN n82071572 VIAF 69016459 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME SpeusipposKURZBESCHREIBUNG Neffe Platons Scholarch der Alteren AkademieGEBURTSDATUM um 410 407 v Chr STERBEDATUM 339 v Chr oder 338 v Chr Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Speusippos amp oldid 230684617