www.wikidata.de-de.nina.az
Die Amtseinfuhrung Heinrich Julius von Braunschweig Wolfenbuttel als Furstbischof von Halberstadt am 7 Dezember 1578 war ein Ereignis von religionspolitischer Brisanz das heftige offentliche Reaktionen ausloste Der damals 14 jahrige lutherisch erzogene Prinz Heinrich Julius wurde auf Geheiss seines Vaters Herzog Julius mit katholischen Zeremonien im Halberstadter Dom durch das Domkapitel Halberstadt als Bischof Elekt des Bistums Halberstadt und Furst des Hochstifts Halberstadt eingefuhrt Furstentum Braunschweig Wolfenbuttel und Hochstift Halberstadt vor 1618Halberstadt um 1580 in der Mitte der Dom rechts die Pfarrkirche St Martini Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Ablauf 2 1 Vorbereitung 2 2 Niedere Weihen im Kloster Huysburg 2 3 Inthronisierung im Halberstadter Dom 3 Folgen 4 Literatur 5 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenIm Heiligen Romischen Reich waren die Bischofe der kirchlichen Diozesen zugleich Landesherren eines mit dem Bischofsstuhl verbundenen Furstentums des Hochstifts Seit dem Spatmittelalter wurden diese Positionen regelmassig an nachgeborene Furstensohne vergeben die zwar an den geistlichen Anteilen ihres Amtes meist wenig Interesse hatten jedoch mindestens durch die niederen Weihen dem geistlichen Stand angehoren und zur vollgultigen Amtsubernahme die Bischofsweihe empfangen mussten Ehe und Erblichkeit waren ausgeschlossen Die 1517 durch Martin Luther ausgeloste Reformation war 1555 im Augsburger Religionsfrieden zu einem vorlaufigen reichsrechtlichen Abschluss gekommen Darin wurde den Reichsfursten das Recht zugestanden fur ihre Untertanen entweder das katholische oder das lutherische Bekenntnis festzulegen Ausgenommen waren die Furstbistumer Deren Landesherren mussten im Fall eines Konfessionswechsels abdanken und durch katholische Nachfolger ersetzt werden geistlicher Vorbehalt Infolge der oft ungeklarten Rechts und Konfessionsverhaltnisse und der Abwendung weiter Teile der Bevolkerung von der alten Kirche gelang es den norddeutschen lutherischen Furstenhausern in vielen Fallen den geistlichen Vorbehalt zu umgehen und die Furstbistumer lutherisch und erblich zu machen Das Bistum Halberstadt wurde seit 1552 in Personalunion mit dem Erzbistum Magdeburg von Sigismund von Brandenburg als Fursterzbischof regiert Er war noch vom Papst bestatigt worden bekannte sich jedoch zum Luthertum und forderte es in seinen Territorien Wahrend aber das Magdeburger Domkapitel als Ganzes lutherisch wurde hielt das Halberstadter Domkapitel mehrheitlich noch am alten Glauben fest Sigismund starb 1566 im 28 Lebensjahr Das Recht der Neuwahl fur Halberstadt lag beim Domkapitel In Braunschweig Wolfenbuttel regierte 1566 noch Heinrich II der letzte norddeutsche Landesfurst der sich der Reformation widersetzte Er erlangte vom Halberstadter Domkapitel fur seinen zweijahrigen Enkel Heinrich Julius die Zusicherung der Amtsnachfolge in Halberstadt Im Gegenzug sicherte er die katholische Erziehung des Enkels zu und verzichtete in dessen Namen auf alle furstbischoflichen Einkunfte fur die Dauer von zwolf Jahren ein fur das verschuldete Hochstift willkommenes Zugestandnis Heinrich II starb 1568 Sein Sohn und Nachfolger Julius fuhrte sofort die Reformation durch und liess auch seine Sohne lutherisch erziehen Die Situation des Luthertums war jedoch angespannt durch den zweiten Abendmahlsstreit und weitere erbitterte Streitigkeiten zwischen Gnesiolutheranern und Philippisten 1577 entstand die Konkordienformel die diesen Streit im Sinne des echten Luthertums entscheiden sollte Julius gehorte zu den Fursten die die Entstehung der Konkordienformel politisch und finanziell intensiv forderten und sie in ihren Territorien zur verbindlichen Lehrgrundlage machen wollten Die theologischen Gegner sahen in der Betonung der sakramentalen Realprasenz eine Wiederannaherung an den Papismus Ablauf BearbeitenVorbereitung Bearbeiten Am 15 Oktober 1578 vollendete Heinrich Julius sein 14 Lebensjahr Kaiser Rudolf II erklarte ihn fur volljahrig trug ihm auf Betreiben seines Vaters die Administration der Temporalia des Hochstifts Halberstadt auf und befahl dem Domkapitel und den Stiftssassen ihm zu huldigen Die Stiftssassen bereits uberwiegend lutherisch waren dazu bereit sofern ihrem Konfessionsstand keine Gefahr drohte Auch das Domkapitel willigte ein Es nahm obwohl es angesichts der lutherischen Erziehung des Prinzen die papstliche Bestatigung seiner Wahl verhindert hatte das lutherische Bekenntnis des Elekten jetzt hin und befurwortete dass Heinrich Julius nicht nur die weltliche Administration sondern auch die geistliche Jurisdiktion der Diozese ubernehmen sollte Dazu musste er um das kanonische Recht nicht offen zu brechen was unabsehbare reichsrechtliche Folgen gehabt hatte durch die niederen Weihen in den geistlichen Stand aufgenommen werden Julius der Vater hatte wegen dieser katholischen Zeremonie und ihrer liturgischen Einzelheiten ernste Bedenken und liess in Halberstadt keine Unklarheit aufkommen dass sein Sohn lutherisch war und blieb Seine Zweifel zerstreuten sich jedoch als ihm versichert wurde dass nicht nur Sigismund 1552 fur Magdeburg und Halberstadt sondern auch Heinrich von Sachsen Lauenburg 1567 fur Bremen mehrere Weihestufen und die Tonsur akzeptiert hatten Niedere Weihen im Kloster Huysburg Bearbeiten Ende November 1578 fand sich Herzog Julius mit seinem Sohn Heinrich Julius dem Bischofskandidaten und auch dessen jungeren Brudern Philipp Sigismund und Joachim Karl im Benediktinerkloster Huysburg ein und Abt Johannes Kopen reg 1568 1583 spendete den drei Prinzen in kleinem Kreis die Tonsur und die niederen Weihen Er beurkundete die an Heinrich Julius vollzogene Handlung mit den Worten Wir Johannes durch Gottes Gnade Abt des Benediktinerklosters Huysburg erklaren offentlich und bestatigen dass wir im Jahr des Herrn 1578 am 5 Tag der Dezemberkalenden 27 November im Auftrag des ehrwurdigen Domkapitels unserem in Christus geliebten hochehrwurdigen und erlauchten Herrn Herrn Heinrich Julius Bischof von Halberstadt und Herzog von Braunschweig und Luneburg unserem allergnadigsten Herrn im Namen Gottes die erste Tonsur erteilt haben in Anwendung der uns in dieser Hinsicht zukommenden und gewohnten Feierlichkeiten 1 In gewisser Abweichung davon sagt der Bericht den Herzog Julius spater zu seiner Rechtfertigung veroffentlichen liess die primi ordines seien gar simpliciter ohne alle Condition und Obligation verrichtet und dabei gar kein Oelen Theren Plattenscheeren Schmieren Weihen noch anderes gebraucht und dazu solches alles in geheim in gar weniger von des Herrn Postulirten Rathen und Dienern auch des Domcapitels Beisein durch den Abt geschehen unter der ausdrucklichen Erklarung sich dem Papstthum hierdurch nirgends zu verbinden 2 Nach Wolfenbuttel zuruckgekehrt liess sich Herzog Julius von seinem Sohn eidlich zusichern dass er beim lutherischen Bekenntnis bleiben werde und am Freitag dem 4 Dezember empfingen beide in der Kapelle des Wolfenbutteler Schlosses vom Hofprediger Johannes Malsius das Abendmahl Inthronisierung im Halberstadter Dom Bearbeiten Am Montag 7 Dezember 1578 brachen Herzog Julius und sein Sohn der Furstbischof mit ihrem Begleitzug vom Schloss Hessen nach Halberstadt auf An der Grenze des Hochstifts wurden sie von den Stiftssassen festlich empfangen und Julius sicherte fur seinen Sohn erneut die Wahrung des lutherischen Bekenntnisses zu Eine halbe Wegstunde vor der Stadt empfing sie die Ritterschaft mit etwa 400 Pferden und erhielt dieselbe Zusicherung Beim Einzug in die Stadt lauteten die Glocken aller Kirchen sowohl der katholischen Dom und Stiftskirchen wie der lutherischen Pfarrkirchen Auf dem Domhof warteten die leitenden Pastoren aus Wolfenbuttel und die Professoren der 1576 gegrundeten lutherischen Landesuniversitat Helmstedt Die vier altesten Halberstadter Domherren empfingen den neuen Furstbischof im Namen des Domkapitels Ihm wurde ein langer rother bischoflicher Sammetrock angelegt ein rothes sammetnes viereckiges Baret auf ein roth sammetnes Haublein gesetzt und das weisse Chorrocklein angezogen wie solches alles bei Erzbischofs Sigismund Einfuhrung auch gehalten worden 3 Erneut wurde durch den herzoglichen Kanzler Franz Mutzeltin erklart dass all das keine Unterwerfung unter das Papstthum und seine Misbrauche bedeute Dann formierte sich die Prozession in den Dom angefuhrt von den Ministranten und dem Klerus gefolgt vom Bischof zwischen dem Dechanten und dem Senior des Kapitels Vorangetragen wurden ihm vom jungsten Domherrn ein vergoldetes Kreuz als Zeichen seiner geistlichen und von einem Stiftsgrafen ein vergoldetes Schwert als Zeichen seiner reichsfurstlichen Gewalt Ein Stiftspropst hielt den Zipfel seines Gewandes Hinter ihm schritt Herzog Julius mit seinen beiden jungeren Sohnen dahinter das ganze Gefolge Der Dom war mit vielen Kerzen hell erleuchtet der Chor mit rotgoldenen Paramenten ausgekleidet Beim Einzug erklangen das Responsorium Iustum deduxit Dominus 4 und der erste Teil des Te Deum bis zum Salvum fac Im Chorraum angekommen wurde der Erwahlte von den vier altesten Domherren auf den Hochaltar gehoben und auf ein rotsamtenes Kissen gesetzt dann wieder herabgenommen Dann knieten der Erwahlte und die Domherren vor dem Altar nieder und sangen dreimal Salvum fac Domine servum tuum et benedic haereditati tuae Dann wurde der neue Bischof erneut auf den Altar gehoben und das Te Deum zu Ende gesungen Damit war die Inthronisation abgeschlossen die Prozession verliess den Dom und es folgte ein Festessen im Petershof Am Folgetag Dienstag 8 Dezember 1578 forderte das Domkapitel den neuen Bischof auf der heiligen Messe im Dom beizuwohnen und den Bischofseid zu leisten Heinrich Julius weigerte sich jedoch auf Geheiss seines Vaters auch nur der Vormesse beizuwohnen worum das Domkapitel instandigst gebeten hatte und horte stattdessen eine lutherische Predigt in der Petershof Kapelle Um 11 Uhr leistete er den Eid im Kapitelshaus Anschliessend empfing er den Huldigungseid des Stiftsadels Wieder beschloss ein Festmahl den Tag Fur Mittwoch 9 Dezember war die Huldigung der Burgerschaft vorgesehen Abweichend von allen fruheren Bischofseinfuhrungen begann der Tag jedoch auf Veranlassung Heinrich Julius mit einem dreistundigen lutherischen Gottesdienst in der Martinikirche geleitet vom Stadtsuperintendenten Christoph Fischer Daraufhin verschob das Domkapitel den Huldigungsakt auf den Donnerstag um die Neuerung nicht zum Prazedenzfall zu machen Am 10 Dezember nahm Heinrich Julius vormittags im Rathaus die Huldigung des Rates und der Burgervertreter am Nachmittag auf dem Petershof die aller Burger entgegen Folgen BearbeitenDie Nachricht von den papistischen Weihe und Einfuhrungshandlungen in Huysburg und Halberstadt verbreitete sich wie ein Lauffeuer im protestantischen Deutschland und war Gesprachsthema in allen Bevolkerungsschichten Dabei gingen die Begrifflichkeiten schnell durcheinander fast uberall wurde von Bischofsweihe geredet und geschrieben und die zeremoniellen Einzelheiten wurden ohne nahere Kenntnis der Vorgange ausgeschmuckt Auch die katholische Seite bediente sich der Vorkommnisse in ihrem Sinn Julius von Braunschweig Wolfenbuttel eine der Hauptstutzen des orthodoxen Luthertums galt nun als Apostat der sein und seines Sohnes Seelenheil fur das Linsengericht weltlicher Vorteile verkauft hatte Die Gegner der Konkordienformel sahen sich in ihrer Meinung bestatigt dass diese nur der erste Schritt zur Rekatholisierung sei und ihre Befurworter gerieten unter starksten Rechtfertigungsdruck Herzog Julius wurde von diesem Aufsehen uberrascht Aufs ausserste aber erbitterten ihn mehrere Briefe die ihn in dieser Sache erreichten verfasst von Theologen seiner Universitat Helmstedt und namentlich vom Braunschweiger Stadtsuperintendenten Martin Chemnitz einem der Initiatoren der Konkordienformel Darin wurde ihm unter Heranziehung der abschreckendsten biblischen Parallelen vorgeworfen sich mit der papistischen Abgotterei gemeingemacht und seinem Sohn das Malzeichen des Tieres aufgenotigt zu haben unverhohlen wurde ihm die Strafe Gottes angedroht 5 In diesem Sinn wurde am vierten Adventssonntag von allen braunschweigischen Kanzeln in scharfstem Ton gepredigt Dazu kamen Ausserungen und Briefe von anderen lutherischen Fursten wie Georg Wilhelm in Celle Ludwig von Wurttemberg Wilhelm von Hessen den Kurfursten von Sachsen und Brandenburg und dem Pfalzgrafen bei Rhein die ihn in milderem aber herablassendem Ton tadelten Bei der Fortsetzung des Konkordienwerks blieb Julius unberucksichtigt In einer Rechtfertigungsschrift liess Herzog Julius die tatsachlichen Vorgange darstellen wobei er die katholischen Handlungen abwertete das wiederholte offentliche Bekenntnis zum lutherischen Glauben betonte und auch auf ahnliche religionspolitische Kompromisse sogar bei denen hinwies die ihn jetzt tadelten Die Wunden aus dieser Erfahrung heilten jedoch nicht mehr und sein Groll auf die orthodox lutherischen Theologen und die Theologenzunft uberhaupt sass tief 6 Martin Chemnitz und die Helmstedter Wortfuhrer liess er seinen Zorn spuren Von der Konkordienformel trat er zuruck und liess im Gegenteil die Theologen seines Herrschaftsgebiets auf die Ablehnung insbesondere der Ubiquitatslehre verpflichten 7 Literatur BearbeitenEduard Bodemann Die Weihe und Einfuhrung des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig als Bischof von Halberstadt und die damit verbundenen Streitigkeiten 1578 1580 In Zeitschrift des historischen Vereins fur Niedersachsen Jahrgang 1878 Hannover 1878 S 239 297 Inge Mager Die Konkordienformel im Furstentum Braunschweig Wolfenbuttel Entstehungsbeitrag Rezeption Geltung Studien zur Kirchengeschichte Niedersachsens Band 33 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1993 ISBN 3 525 55238 6 S 325 366 Einzelnachweise Bearbeiten Lateinischer Originaltext bei Bodemann S 243 244 Anmerkung Zitiert bei Bodemann S 244 Zitiert bei Bodemann S 246 Text Die Briefe im Wortlaut bei Bodemann In einem Brief Julius an die Kurfursten von Brandenburg Sachsen und Pfalz vom 19 November 1579 betreffend die Konkordienformel heisst es damit nach dem vollzogenen Concordienwerk nicht einem jeden zanksuchtigen und ehrgeizigen Theologen freistehe ihres Gefallens und sobald es nicht stracks nach ihrem gefassten Sinn und aufgesetzten vier Augen hernach gehet etwas Neues zu erregen und ihre eigene Misgunst auf den Kanzeln oder durch gedruckte Schriften feindseliger Weise auszugiessen Wie denn unter dem Schein eines christlichen Eifers meistens Privat Affecte bei solchen Leuten viel mehr als Andern pradominiren und den Knuttel bei den Hund zu legen ganz hochnothig ist Bodemann S 292 Bodemann S 297 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Amtseinfuhrung Heinrich Julius von Braunschweig Wolfenbuttel als Furstbischof von Halberstadt amp oldid 228906747