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Der Begriff lutherische Orthodoxie bezeichnet eine theologiegeschichtliche Phase der Konsolidierung der lutherischen Theologie im Anschluss an die Wirren der Reformationszeit ungefahr von 1580 bis 1730 Besonders kennzeichnend fur diese Epoche ist die Ausbildung eines lutherischen Lehrsystems und die Publikation zahlreicher dogmatischer Systeme Haufig wurde der lutherischen Orthodoxie vorgeworfen sie fuhre die evangelische Theologie in die Scholastik zuruck Zwar brachte die lutherische Theologie dieser Zeit auch ein Wiederaufleben der aristotelischen Metaphysik mit sich ihrem Wesen nach verstand sie sich aber immer auch in ihrer dogmatischen Form als Auslegung der Heiligen Schrift bzw als Hilfe zu ihrem Verstehen Die Person und die Lehre Martin Luthers sind zwar ein wichtiger Referenzpunkt sind aber nicht unhinterfragte theologische Autoritat In der theologischen Argumentation wird erstaunlich selten auf Luther verwiesen Vielmehr sind es erst die Gegner der Orthodoxie die sich spater stets auf Luther beziehen Man unterteilt diese theologiegeschichtliche Epoche in drei Abschnitte Fruhorthodoxie 1580 1600 Hochorthodoxie 1600 1685 und Spatorthodoxie 1685 1730 Die Zeit zwischen dem Tod Martin Luthers 1546 und der Publikation der Konkordienformel 1580 wird gelegentlich auch als Vororthodoxie bezeichnet oder aber als Teil der Fruhorthodoxie behandelt Inhaltsverzeichnis 1 Vor und Fruhorthodoxie 1546 1600 1 1 Der zweite Abendmahlsstreit 1 2 Der interimistische adiaphoristische Streit 1 3 Der osiandrische Streit um die Rechtfertigungslehre 1 4 Der majoristische Streit um die guten Werke 1 5 Der synergistische Streit um die Willensfreiheit 1556 1560 1 6 Die Konkordienformel als Einigungswerk 1 7 Wichtige Vertreter und ihre Werke 2 Die Hochorthodoxie 1600 1685 2 1 Theologischer Aristotelismus 2 2 Von der Loci Methode zum analytischen Ordo 2 3 Wichtige Vertreter und ihre Werke 3 Die Spat und Reformorthodoxie 1650 1730 4 Nachgeschichte 5 Literatur 6 EinzelnachweiseVor und Fruhorthodoxie 1546 1600 BearbeitenNach dem Tod Martin Luthers im Jahre 1546 fehlte der lutherischen Theologie die einigende Autoritat des Reformators Infolgedessen kam es bald zu theologischen Flugelkampfen zwischen dem Reformator und Weggefahrten Martin Luthers Philipp Melanchthon und seinen Anhangern von den Gegnern als Philippisten diffamiert auf der einen Seite und denen die meinten dass Melanchthon mit seiner Position vom ursprunglichen Weg Luthers abweiche Tatsachlich hatte sich Melanchthon schon zu Luthers Lebzeiten von dessen Abendmahlslehre distanziert freilich ohne dies Luther selbst wissen zu lassen Die Anhanger der Position Luthers machten sich die ursprunglich polemisch gemeinte Bezeichnung als Gnesiolutheraner von gr gnesios eigentlich zu eigen 1 Der zweite Abendmahlsstreit Bearbeiten Der Streit um das Abendmahlsverstandnis war in erster Linie ein Streit zwischen Lutheranern und Reformierten Er brach schon 1544 also noch vor Luthers Tod erneut aus Zweiter Abendmahlsstreit Eine Kirchengemeinschaft mit den Reformierten galt den Lutheranern aufgrund der Differenzen im Abendmahlsverstandnis als unmoglich Der Streit war zunachst deutliches Zeichen der zunehmenden Konfessionalisierung innerhalb des evangelischen Lagers 1552 griff der Gnesiolutheraner Joachim Westphal die reformierte Lehre erneut scharf an und forderte die lutherischen Theologen zu einer deutlichen Distanzierung von der reformierten Lehre auf Ins Zentrum der Kritik geriet nun Philipp Melanchthon dem man vorwarf den Reformierten zu weit entgegenzukommen Melanchthon war gezwungen sich 1557 offentlich von der reformierten Abendmahlslehre zu distanzieren obwohl Calvin sich intensiv um eine Verstandigung mit den Lutheranern um Melanchthon bemuht hatte Der Abendmahlsstreit blieb der Hauptgrund der scharfen Verurteilungen der reformierten Lehre durch die Lutheraner bis weit in das 17 Jahrhundert hinein In der Konigsberger Schlosskirche wurde beim sonntaglichen Kirchengebet laut die Bitte vorgetragen und behut uns Gott vor dem calvininistischen Gift 2 Der interimistische adiaphoristische Streit Bearbeiten Hauptartikel Adiaphoristischer Streit Kaiser Karl V zwang den Protestanten nach seinem Sieg im Schmalkaldischen Krieg 1547 das Augsburger Interim auf Die Protestanten mussten sich nun mit der katholischen Ubermacht arrangieren In den Leipziger Artikeln die Melanchthon im Auftrag des Kurfursten Moritz von Sachsen verfasste kam man der katholischen Seite daher in Angelegenheiten des ausseren Ritus weit entgegen Melanchthon betrachtete die ausseren Riten und Gebrauche der Kirche als dogmatisch und theologisch nicht heilsrelevant als Adiaphora Mitteldinge Dies machte ihm die sich nun bildende Gruppe der Gnesiolutheraner um Nikolaus von Amsdorf und Matthias Flacius Illyricus zum Vorwurf und brandmarkte Melanchthon und seine Anhanger als Adiaphoristen Die Gnesiolutheraner formulierten pointiert Nihil est adiaphoron in casu confessionis amp scandali Es gibt keine Adiaphora im Bekenntnis und Konfliktfall Da in der Situation des Interims die Existenz des wahren Glaubens auf dem Spiel stehe gelte es den wahren Glauben ohne jeden Kompromiss zu bekennen Fur die Position Melanchthons verhangnisvoll war dass er auch solche ausseren Riten als Adiaphora kennzeichnete die ihrem dogmatisch theologischen Gehalt nach problematisch waren wie z B das Fronleichnamsfest das mit einer Anerkennung der katholischen Abendmahlslehre verbunden ist Durch die starke Annaherung an die katholischen Machthaber hatte Melanchthon seine Autoritat innerhalb des lutherischen Lagers schwer erschuttert Der osiandrische Streit um die Rechtfertigungslehre Bearbeiten Der osiandrische Streit wurde durch die Rechtfertigungslehre von Andreas Osiander Reformator in Nurnberg ausgelost Er behauptete 1550 51 die Rechtfertigung des Menschen vor Gott bestehe darin dass Christus als ewiges Wort Gottes im Menschen real prasent sei und der Mensch so durch die Gerechtigkeit Christi gerecht werde Die lutherische Mehrheit diesmal unter der Federfuhrung Melanchthons warf Osiander vor die Grenze zwischen Rechtfertigung und Heiligung zu verwischen und daher zu lehren dass der Mensch vor Gott durch seine guten Werke gerecht werde Das war eine grobe Verzeichnung der Position Osianders Dem stellten sie ein rein imputatives Verstandnis der Rechtfertigung entgegen In der Rechtfertigung werde dem Menschen die Gerechtigkeit Christi angerechnet lat imputare und im Gegenzug werden seine Sunden Christus angerechnet Fur die auf ihn ubertragenen Sunden erleide Christus am Kreuz die Strafe Gottes Dieses imputative Verstandnis der Rechtfertigung wurde zur Standardlehre der lutherisch orthodoxen Theologie Der majoristische Streit um die guten Werke Bearbeiten Georg Major Wittenberger Theologieprofessor und Schuler Philipp Melanchthons loste diesen Streit mit seiner These aus dass die guten Werke zur Seligkeit des Christen notwendig seien Dies rief auf Seiten der Kritiker wiederum Uberreaktionen hervor So behauptete Nikolaus von Amsdorf in Kritik an Major dass die guten Werke zur Seligkeit schadlich seien Die Konkordienformel verwarf am Ende beide Positionen Der synergistische Streit um die Willensfreiheit 1556 1560 Bearbeiten Hauptartikel Synergistischer Streit Die Vorgeschichte dieses Streits reicht bis ins Jahr 1535 zuruck In diesem Jahr bereits hatte Melanchthon die These aufgestellt dass der freie Wille des Menschen neben dem ausseren Wort der Verkundigung und der inneren Wirkung des Heiligen Geistes eine dritte Ursache der Bekehrung sei Wiederholt wurde diese Behauptung auch 1547 48 in den Leipziger Artikeln Die Kritik der Gnesiolutheraner wurde aber erst durch den Leipziger Johann Pfeffinger hervorgerufen Amsdorf und Flacius warfen ihm einen Ruckfall in die scholastische Theologie vor Flacius operierte in seiner Kritik allerdings selber mit den Begriffen der scholastischen Anthropologie und verstieg sich dabei zu der Aussage dass die Erbsunde die Substanz des Menschen sei Dies brachte ihm wiederum den Vorwurf des Manichaismus ein Die Konkordienformel als Einigungswerk Bearbeiten Durch die zahlreichen theologischen Streitigkeiten wurde die einheitliche Front der Lutheraner immer mehr in Frage gestellt Dies machte auch von politischer Seite her eine Einigung notig So kam es unter der theologischen Federfuhrung von Jakob Andreae in der Zeit von 1574 bis 1580 zu einem theologischen Einigungsprozess der allerdings nicht ohne politischen Druck ablief Die verschiedenen Artikel der Konkordienformel 1577 losen die behandelten Streitigkeiten jeweils eindeutig auf Im Blick auf das Abendmahlsverstandnis wurde die Realprasenz Christi in mit und unter Brot und Wein festgeschrieben und in der Christologie die Communicatio idiomatum in den drei von Martin Chemnitz erstmals dargestellten genera genus apotelesmaticum genus idiomaticum und genus maiestaticum entfaltet Die Behauptung dass die Erbsunde die Substanz des Menschen sei wurde abgelehnt eine klare begriffliche Entfaltung der Gegenposition hat die lutherische Orthodoxie allerdings nie erreicht Die Unfreiheit des Willens im Blick auf die Heilswahl wurde festgeschrieben die guten Werke gelten hier als Frucht der Rechtfertigung die nicht ursachlich fur das ewige Leben notwendig seien Lediglich die Frage nach dem sogenannten dritten Gebrauch des Gesetzes tertius usus legis also die Frage danach inwieweit das gottliche Gesetz fur die Glaubenden im Kontext der Heiligung Geltung besitzt wurde nicht eindeutig beantwortet Spatere Vertreter der lutherischen Orthodoxie haben ihn allerdings gelehrt Wichtige Vertreter und ihre Werke Bearbeiten Martin Chemnitz 1522 1586 Loci theologici 1591 posthum Matthias Hafenreffer 1561 1619 Tubingen Loci theologici 1601 Agidius Hunnius der Altere 1550 1603 Libelli IIII de persona Christi eiusque ad dextram Dei sedentis divina maiestate 1585 Datenbank zu den Kontroversen 1548 1577 80 3 Die Hochorthodoxie 1600 1685 BearbeitenTheologischer Aristotelismus Bearbeiten Am Anfang der Hochorthodoxie stand der Hofmannsche Streit um das Verhaltnis von Theologie und Philosophie um 1600 Der Helmstedter Daniel Hofmann vertrat die Position dass in der Theologie und der Philosophie nicht dasselbe wahr sei es also eine doppelte Wahrheit gabe Demgegenuber setzte sich die u a auch von Johann Gerhard vertretene Position der einfachen Wahrheit durch Es gebe nur eine Wahrheit in Philosophie und Theologie Wenn die Philosophie eine reine Philosophie philosophia sobria sei gerate sie mit der Theologie nicht in Widerspruch Die Folge war der verstarkte Wiedereinzug philosophischer Methoden in die lutherische Theologie Infolgedessen erlebte der Aristotelismus in der Zeit der lutherischen Orthodoxie eine Renaissance und es kam zu einer Intensivierung und Erweiterung des philosophischen und analytischen Instrumentariums In voller Weite kam es erstmals bei Johann Gerhard in seinen Loci Theologici 1610 1622 zur Geltung Gerhards Werk kennzeichnet zugleich den Beginn der grossen systematischen theologischen Entwurfe die bis heute massgeblich das Bild der Hochorthodoxie pragen Die Konzentration auf diese systematischen Entwurfe fuhrt allerdings zu einer einseitigen Wahrnehmung dieser Epoche denn die Systeme entwickelten sich aus einer regen Lehr und Disputationstatigkeit Die Phase der Hochorthodoxie ist auch eine Zeit der wissenschaftlichen Blute der lutherischen Theologie und Philosophie Von der Loci Methode zum analytischen Ordo Bearbeiten Wahrend Johann Gerhard seine Loci Theologici noch nach der Loci Methode organisierte wie sie von Philip Melanchthon eingefuhrt worden war setzte sich infolge des Aristotelismus der sogenannte analytische Ordo als Organisationsprinzip zunehmend durch Die Loci Methode reihte die wichtigsten Themen die sich aus dem biblischen Stoff ergaben aneinander um so eine Zusammenfassung der Lehre der Bibel zu geben Jeder biblische Text bekam so seinen Ort locus in einem theologischen Themenzusammenhang Der Aristoteliker Giacomo Zabarella hatte im Anschluss an die aristotelische Philosophie zwischen zwei wissenschaftlichen Ordnungsprinzipien unterschieden dem ordo compositivus fur die spekulativen Wissenschaften die es mit dem unveranderlichen Seienden zu tun haben und dem ordo resolutivus fur die praktischen Wissenschaften die es mit dem veranderlichen Seienden zu tun haben Zabarella hatte dabei zwar nicht die Theologie im Blick der reformierte Theologe Bartholomaus Keckermann ubernahm jedoch die Organisationsstruktur des ordo resolutivus fur die Theologie die er als praktische Wissenschaft in Analogie zur Medizin versteht So wie es der Medizin um das korperliche Heil des Menschen gehe so gehe es der Theologie um das geistliche Heil des Menschen Keckermann sprach nicht mehr vom ordo resolutivus sondern vom ordo analyticus bzw dem analytischen ordo Wahrend sich dieses Ordnungsprinzip in der reformierten Theologie nicht durchsetzen konnte nahmen es die Vertreter der lutherischen Orthodoxie auf Der erste war der von der Orthodoxie skeptisch betrachtete Georg Calixt Helmstedt zum Durchbruch verhalf diesem Ordnungsprinzip Calixts grosster Kontrahent Abraham Calov Wittenberg Der ordo analyticus nimmt seinen Ausgangspunkt bei der Bestimmung des Zwecks finis geht uber zum Gegenstand subiectum und endet mit einer Betrachtung der Mittel media bzw Prinzipien principia die zum Erreichen des Zwecks notig sind Die theologischen Zuordnungen variierten v a im dritten Teil Als Zweck der Theologie galten in der Regel Gott und die Schau Gottes fruitio Dei Gegenstand sei der sundige Mensch uber den sich Gott erbarme Im dritten Teil kam es zu den starksten Variationen Wahrend Calov noch zwischen Ursachen Christus Kirche Mitteln Wort und Sakrament und Modus des Heils Zueignung des Heils durch den Heiligen Geist unterschied kannte Quenstedt nur Prinzipien Pradestination durch den Vater Errettung durch Christus Zueignung des Heils durch den Geist und Mittel Wort und Sakrament des Heils Verschiedene Lehrstucke liessen sich in dem Schema nur schwer unterbringen wie z B die gesamte Lehre von den letzten Dingen Eschatologie Wichtige Vertreter und ihre Werke Bearbeiten Leonhard Hutter 1563 1616 Wittenberg Compendium locorum theologicorum 1610 Jakob Martini 1570 1649 Wittenberg Institutionum Logicarum libri VII 1610 Balthasar Meisner 1587 1626 Wittenberg Philosophia sobria 1611 Johann Gerhard 1582 1637 Jena Loci theologici 9 Bande 1610 1622 Johann Konrad Dannhauer 1603 1666 Strassburg Hodosophia christiana 1649 Johann Friedrich Konig 1619 1664 Rostock Theologia positiva acroamatica 1664 Abraham Calov 1612 1686 Wittenberg Systema locorum theologicorum 1655 1677 Johann Andreas Quenstedt 1617 1688 Wittenberg Theologia didactico polemica sive Systema Theologicum 1685 Johann Deutschmann 1625 1706 Wittenberg Discussio anatomias Augustanae Confessionae 1662Die Spat und Reformorthodoxie 1650 1730 BearbeitenDie ersten Auslaufer von Rationalismus und Fruhaufklarung setzten am Ende des 17 Jahrhunderts der lutherischen Theologie stark zu Mit der zunehmenden Kritik an der Bibel als Autoritat in Glaubensfragen ihrer Grundlage beraubt durch den Niedergang des aristotelischen Weltbilds methodisch in die Enge getrieben und durch die aufbluhende Frommigkeit des Pietismus in ihrer religiosen Glaubwurdigkeit bestritten nahmen die Legitimationsprobleme fur die lutherische Orthodoxie uberhand Innerhalb der lutherischen Theologie entstand schon um die Mitte des 17 Jahrhunderts die sogenannte Reformorthodoxie die bemuht war die theologische Reflexion der lutherisch orthodoxen Theologie in Auseinandersetzung mit dem staatlichen Absolutismus und im Ringen um eine Erneuerung des sittlichen Lebens in den Gemeinden zu vertiefen Die Theologie sollte auch die personliche Frommigkeit starken Die Predigten nahmen mehr und mehr den personlichen Glauben in den Blick die Erbauungsliteratur erlebte innerhalb der orthodoxen Theologie einen Aufschwung Die Reformorthodoxie knupfte inhaltlich auch an die Erbauungsliteratur und mystisch gepragte Theologie von Johann Arndt sowie am englischen Puritanismus an dessen Schriften damals in Deutschland weit verbreitet waren Ihre wichtigsten Vertreter waren u a Heinrich Muller Theophil Grossgebauer und Christian Scriver Der Pietismus hat zwar in gewisser Weise an der Reformorthodoxie angeknupft tatsachlich aber in seiner Lehre die lutherische Orthodoxie dann verlassen Die Spatorthodoxie ist vor allem durch eine Abwehrbewegung gegen den Pietismus und spater gegen die Aufklarung gepragt Fuhrende Gegner des Pietismus waren Johann Friedrich Mayer Erdmann Neumeister und Valentin Ernst Loscher der auch den Kampf gegen die fruhe Aufklarung anfuhrte Auch gegen Ende des 17 Jahrhunderts entstanden noch grossere Systeme etwa das Compendium theologiae positivae 1686 von Johann Wilhelm Baier Am Ende standen dann aber selbst die Vertreter der lutherischen Orthodoxie nicht mehr auf den methodischen und prinzipiellen Grundlagen die einst die lutherische Orthodoxie kennzeichneten Als das letzte grosse dogmatische Werk der lutherischen Orthodoxie in dieser Phase gilt das Examen theologicum acroamaticum 1707 von David Hollaz Die Institutiones Theologiae Dogmaticae 1723 von Johann Franz Buddeus waren zwar ihrer ausseren Form nach noch stark an der lutherischen Orthodoxie orientiert in zahlreichen inhaltlichen Ausfuhrungen zeigt sich aber bereits deutlich der Einfluss von Pietismus und Aufklarung Eine weitere lutherisch orthodoxe Bewegung im ausgehenden 17 und fruhen 18 Jahrhundert war gegen Theater und Schauspiel gerichtet Die als unsittlich und unmoralisch geltenden seit Ende des Dreissigjahrigen Kriegs aufgekommenen umherziehenden Schauspieltruppen wurden von Eucharistie und Beichte grundsatzlich ausgeschlossen Lutherische Vertreter dieses Theaterstreits waren etwa der Magdeburger Diakon und Prediger Johann Joseph Winckler 23 Dezember 1670 in Luckau 11 August 1722 in Leipzig der sich bei der Verdammung von Komodiantentruppen auf den Kirchenvater Johannes Chrysostomos berief sowie Johann Melchior Goeze welcher im Hamburgischen Theaterstreit Streitschriften und Erwiderungen gegen den Dichter Gotthold Ephraim Lessing oder die Theaterleiterin Catharina Velten schrieb Nachgeschichte BearbeitenDas Neuluthertum des 19 Jahrhunderts knupfte in mancher Hinsicht an die lutherische Orthodoxie an vor allem an ihre Hochschatzung der Bekenntnisschriften Teilweise wiederholte sich die Frontstellung der Spatorthodoxie gegen die Aufklarung So kam es bei manchen Vertretern zu einer Wiederbelebung der Verbalinspirationslehre die auch fur die evangelikale Bewegung leitend wurde Weder sie noch der lutherische Konfessionalismus konnen aber als einfache Fortsetzung angesehen werden Literatur BearbeitenKenneth G Appold Abraham Calov s Doctrine of Vocatio in Its Systematic Context Mohr Siebeck Tubingen 1998 ISBN 3 16 146858 9 Kenneth G Appold Orthodoxie als Konsensbildung Das theologische Disputationswesen an der Universitat Wittenberg zwischen 1570 und 1710 Mohr Siebeck Tubingen 2004 ISBN 3 16 148215 8 Jorg Baur Salus Christiana Die Rechtfertigungslehre in der Geschichte des christlichen Heilsverstandnisses Band 1 Von der Antike bis zur Theologie der deutschen Aufklarung Gutersloh 1968 Jorg Baur Luther und seine klassischen Erben Mohr Tubingen 1993 ISBN 3 16 146055 3 Jorg Baur Valentin Ernst Loschers Praenotiones theologicae Die lutherische Spatorthodoxie im polemischen Diskurs mit den fruhneuzeitlichen Heterodoxien In Hartmut Laufhutte Michael Titzmann Heterodoxie in der Fruhen Neuzeit Niemeyer Tubingen 2006 ISBN 978 3 484 36617 6 S 425 475 Michael Coors Scriptura efficax Die biblisch dogmatische Grundlegung des theologischen Systems bei Johann Andreas Quenstedt Ein dogmatischer Beitrag zu Theorie und Auslegung des biblischen Kanons als heiliger Schrift Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2009 ISBN 978 3 525 56397 7 Jurgen Diestelmann Usus und Actio Das Heilige Abendmahl bei Luther und Melanchthon Mit einem Geleitwort von Reinhard Slenczka Pro Business Berlin 2007 ISBN 978 3 86805 032 5 Corinna Ehlers Konfessionsbildung im Zweiten Abendmahlsstreit 1552 1558 59 Spatmittelalter Humanismus Reformation Band 120 Mohr Siebeck Tubingen 2021 ISBN 978 3 16 159236 2 Werner Elert Morphologie des Luthertums C H Beck Munchen Band 1 Theologie und Weltanschauung des Luthertums hauptsachlich im 16 und 17 Jahrhundert 1931 Nachdruck ebd 1965 Band 2 Soziallehren und Sozialwirkungen des Luthertums 1932 Nachdruck ebd 1965 Tim Christian Elkar Leben und Lehre Dogmatische Perspektiven auf lutherische Orthodoxie und Pietismus Studien zu Gerhard Konig Spener und Freylinghausen Frankfurt M 2015 ISBN 978 3 631 65605 1 Bengt Hagglund Die Heilige Schrift und ihre Deutung in der Theologie Johann Gerhards Eine Untersuchung uber das altlutherische Schriftverstandnis C W K Gleerup Lund 1951 Volker Jung Das Ganze der Heiligen Schrift Hermeneutik und Schriftauslegung bei Abraham Calov Calwer Verlag Stuttgart 1999 ISBN 3 7668 3633 1 Robert D Preus The theology of post reformation Lutheranism Vol 1 A Study of Theological Prolegomena Concordia Publishing House Saint Louis Mo 1971 ISBN 0570032113 Otto Ritschl Dogmengeschichte des Protestantismus Band IV Orthodoxie und Synkretismus in der altprotestantischen Theologie Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1927 Walter Sparn Die Wiederkehr der Metaphysik Die ontologische Frage in der lutherischen Theologie des fruhen 17 Jahrhunderts Calwer Verlag Stuttgart 1976 ISBN 3 7668 0506 1 Johannes Wallmann Der Theologiebegriff bei Johann Gerhard und Georg Calixt Mohr Siebeck Tubingen 1961 Johannes Wallmann Gesammelte Aufsatze Band 1 Theologie und Frommigkeit im Zeitalter des Barock Mohr Siebeck Tubingen 1995 ISBN 3 16 146351 X Johannes Wallmann Pietismus und Orthodoxie Gesammelte Aufsatze Bd 3 Mohr Siebeck Tubingen 2010 ISBN 978 3 16 150259 0 Max Wundt Die deutsche Schulmetaphysik des 17 Jahrhunderts Mohr Tubingen 1939 Nachdruck Olms Hildesheim Zurich New York 1992 ISBN 3 487 09603 X Winfried Zeller Hrsg Der Protestantismus des 17 Jahrhunderts Schunemann Bremen 1962 Brockhaus Wuppertal 1988 ISBN 3 417 24114 6 Einzelnachweise Bearbeiten Jurgen Diestelmann Usus und Actio Das Heilige Abendmahl bei Luther und Melanchthon Berlin 2007 Barbara Beuys Der grosse Kurfurst Der Mann der Preussen schuf Rowohlt Reinbek bei Hamburg 1979 ISBN 3 498 00456 5 S 87 Controversia et ConfessioNormdaten Sachbegriff GND 4224904 1 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lutherische Orthodoxie amp oldid 229885499