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Hamburgischer Theaterstreit heute auch Hamburger Theaterstreit ist die Bezeichnung fur zwei historische Auseinandersetzungen um Oper und Schauspiel in Hamburg Dabei ging es im ersten Streit 1677 1688 vor allem um die Frage der sittlichen Erlaubtheit von Oper und Schauspiel uberhaupt und im Zweiten 1768 und 1769 konkret um die Frage der Beteiligung von Geistlichen daran als Besucher und Autoren In beiden Fallen wurde der Streit mit grossem publizistischem Aufwand und Anteilnahme der Offentlichkeit gefuhrt Inhaltsverzeichnis 1 Erster Hamburgischer Theaterstreit 2 Zweiter Hamburgischer Theaterstreit 3 Literatur 3 1 Quellen zum ersten Theaterstreit 3 2 Quellen zum zweiten Theaterstreit 3 3 Sekundarliteratur 4 EinzelnachweiseErster Hamburgischer Theaterstreit Bearbeiten nbsp Oper am Gansemarkt Ausschnitt aus der Stadtansicht Paul Heineckens 1726Schon vor der Eroffnung der Hamburger Oper am Gansemarkt der heutigen Hamburgischen Staatsoper am 2 Januar 1678 als erstem offentlichen Opernhaus in Deutschland kam es zu einem heftigen Streit Zur Eroffnung wurde das Singspiel Adam und Eva oder Der Erschaffene Gefallene und Aufgerichtete Mensch von Johann Theile aufgefuhrt Dieses religiose Sujet war eigentlich als Zugestandnis an den vom Pietismus beeinflussten Teil der Hamburger Pastorenschaft gedacht die heftig gegen diese weltliche Institution opponierte Die Befurworter der Oper unter den lutherisch orthodoxen Pfarrern ergriffen fur diese Partei Der Streit wurde auf den Kanzeln in zahlreichen Broschuren und Streitschriften sowie in kirchlichen und stadtischen Gremien wie dem Geistlichen Ministerium und selbst dem Senat der Stadt ausgetragen Auf der einen Seite standen die Pietisten wie Abraham Hinckelmann Johann Winckler Hauptpastor an St Michaelis und Johann Heinrich Horb Hauptpastor an St Nicolai die Oper und Schauspiele grundsatzlich ablehnten Anton Reiser Hauptpastor an St Jacobi war 1681 der erste der in einer Streitschrift mit dem Titel Theatromania gegen das Theater polemisierte Darin verdammte er alle Arten der Schauspielkunst als Erzeugnisse des Wahns und als Wercke der Finsternis Auf der anderen Seite standen Heinrich Elmenhorst der Diaconus zweiter Pfarrer der Katharinenkirche einer der Begrunder der Oper und selbst Librettist sowie ab 1686 Johann Friedrich Mayer der lutherisch orthodox gesinnte Nachfolger Reisers als Hauptpastor von St Jacobi Auch Christoph Rauch vermeintlich einer der Schauspieler griff mit einer Antwort an Reiser mit dem Titel Theatrophania in die Auseinandersetzung ein Der Streit schien zunachst zu erloschen Doch 1686 wurden die Opern durch Beschluss der Burgerschaft untersagt im Juli desselben Jahres aber vom Rat und dem Kollegium der Oberalten wieder erlaubt Darauf hielt der 1684 nach Hamburg berufene Senior Johann Winckler Predigten gegen die Oper ihm widersprachen der frisch eingefuhrte Hauptpastor Mayer und Elmenhorst Schon 1688 wurden in Hamburg wieder Opern gegeben im selben Jahr veroffentlichte Elmenhorst seine Verteidigungsschrift Dramatologia antiquo hodierna in der er zeigte dass die in Hamburg gespielten Opern gar nicht zu vergleichen seien mit den von den Kirchenvatern verworfenen heidnischen Schauspielen und als Adiaphora anzusehen seien die an sich weder gut noch schlecht seien Adiaphora stunden unter der gemeinsamen Verantwortung von Obrigkeit und Kirche Die Oper sei vom Rat zu Recht zugelassen worden solange kein Missbrauch damit geschehe Elmenhorst gab sodann eine klassisch gewordene Definition Was ist aber eine Opere darvon allhie die Streitigkeit ist Eine Opere ist ein Sing Spiel auf dem Schau Platz vorgestellt mit erbaren Zurustungen und anstandigen Sitten zu geziemender Ergotzligkeit der Gemuther Ausubung der Poesie und Fortsetzung der Music Elmenhorst Dramatologia antiquo hodierna S 101f Die neuere Forschung geht davon aus dass Elmenhorst dabei auf Gedanken von Gottfried Wilhelm Leibniz zuruckgriff die dieser 1681 in einem Brief an Polycarp Marci einen der Hamburger Librettisten dargelegt hatte 1 Zweiter Hamburgischer Theaterstreit BearbeitenDen Anlass zum zweiten Theaterstreit achtzig Jahre spater bei dem es nicht um die Oper sondern um die Sittlichkeit der damaligen deutschen Schaubuhne ging gab Johann Ludwig Schlosser ein junger Pastor in Bergedorf Schon als Student hatte er einige Lust und Schauspiele verfasst die Freunde als Manuskript auf die Ackermannsche Buhne gebracht hatten Dabei war seine Anonymitat nicht respektiert worden Diese Stucke wurden in den Jahren 1767 und 1768 gedruckt veroffentlicht und erhielten ziemlich abfallige Kritiken wobei einer der Rezensenten bei dieser Gelegenheit den ganzen geistlichen Stand verhohnte Zunachst einmal dagegen verwahrte sich der Senior des Geistlichen Ministeriums Johann Melchior Goeze energisch Das wiederum trieb Schlosser zu einer Entgegnung In einer weiteren Runde trat nun auch Schlossers Freund Johann Heinrich Vincent Nolting der Weltweisheit und Beredsamkeit Professor am Akademischen Gymnasium in den Streit ein und verfasste eine Verteidigung Schlossers die in kurzer Zeit drei Auflagen erlebte Goeze schrieb eine Gegenschrift unter dem Titel Theologische Untersuchung der Sittlichkeit der heutigen deutschen Schaubuhne und holte ein Gutachten der theologischen Fakultat der Universitat Gottingen ein das sich auf seine Seite stellte Dagegen erschienen wiederum boshafte Satiren Endlich machte ein Senatsbefehl vom 23 November 1769 dem Streit ein Ende indem er den beteiligten Parteien Stillschweigen auferlegte Gleichzeitig kam der Theaterbetrieb der Hamburgischen Entreprise aus finanziellen Grunden an ein Ende Literatur BearbeitenQuellen zum ersten Theaterstreit Bearbeiten nbsp Heinrich Elmenhorst Bericht von denen Oper Spielen TitelseiteAnton Reiser Theatromania Oder Die Wercke Der Finsterniss In denen offentlichen Schau Spielen von den alten Kirchen Vatern verdammet Nissen Ratzeburg 1681 Christoph Rauch Theatrophania Entgegen gesetzet der so genanten Schrifft Theatromania Zur Verthadigung der christlichen vornemlich aber deren musicalischen Operen und Verwerffung aller heidnischen und von alten Kirchen Vatern allain verdammeten Schau Spielen Wolfgang Schwendimann Hannover 1682 Anton Reiser Der Gewissen lose Advocat mit seiner Theatrophonia Lichtenstein Hamburg 1682 Heinrich Elmenhorst Dramatologia Antiqvo Hodierna Das ist Bericht von denen Oper Spielen Darin gewiesen wird Was sie bey den Heyden gewesen und wie sie von den Patribus und Kirchen Lehrern verworffen Ferner Was die heutige Oper Spiele seyn und dass sie zur geziemenden Ergetzung und Erbauung im Tugend Wandel vorgestellet Dannenhero von Christlicher Obrigkeit als Mittel Dinge wohl konnen erlaubet und von Christen ohn Verletzung des Gewissens geschauet und angehoret werden Aus Liebe zur Warheit geschrieben Rebenlein Hamburg 1688 Digitalisat Gerhard Schott Hrsg Vier Bedencken Fuhrnehmen Theologischen und Juristischen Facultaten wie auch Herrn Doct Johann Friederich Mayers Was doch von denen so genandten Operen zu halten Oehrling Frankfurt am Main 1693 Quellen zum zweiten Theaterstreit Bearbeiten Johann Heinrich Vincent Nolting Vertheidigung des Hrn Past or Schlossers wieder einen Angriff welcher in dem 102 Stuck der Hamburgischen Nachrichten aus dem Reich der Gelehrsamkeit vom vorigen Jahr auf ihn geschehn ist Harmsen Hamburg 1769 Johann Melchior Goeze Theologische Untersuchung der Sittlichkeit der heutigen deutschen Schaubuhne uberhaupt wie auch der Fragen Ob ein Geistlicher ohne ein schwer Aergernis zu geben die Schaubuhne besuchen konne Brandt Hamburg 1769 Johann Ludwig Schlosser Johann Ludwig Schlossers Pastors in Bergedorf Nachricht an das Publicum betreffend des Hamburgischen Herrn Pastors und Seniors Herrn Johann Melchior Goeze theologische Untersuchung der Sittlichkeit der heutigen teutschen Schaubuhne sammt einigen Anmerkungen uber den Werth dieser Schrift Gleditsch Hamburg 1769 Johann Heinrich Vincent Nolting Zwote Vertheidigung des Hrn Past Schlossers in welcher des Herrn Seniors Goeze Untersuchung der Sittlichkeit der heutigen teutschen Schaubuhne mit Anmerkungen begleitet wird Harmsen Hamburg 1769 Peter Hermann Becker Beylage der von dem Hrn Professor Nolting herausgegebenen Zwoten Vertheidigung des Herrn Pastor Schlossers 1769 Unpartheyische Untersuchung ob des Herrn Pastor Schlossers Nachricht an das Publicum eine Widerlegung der Schrift des Herrn Senior Goezens oder ein Pasquil sey Nebst denen verlangten theologischen Gutachten Altona 1769 Sekundarliteratur Bearbeiten Ferdinand Barth Theater In Theologische Realenzyklopadie Band 33 S 191 Johannes Geffcken Der erste Streit uber die Zulassigkeit des Schauspiels 1677 1688 In Zeitschrift des Vereins fur Hamburgische Geschichte 3 1851 S 1 33 Digitalisat Johannes Geffcken Der Streit uber die Sittlichkeit des Schauspiels im Jahre 1769 Goeze Schlosser Nolting In Zeitschrift des Vereins fur Hamburgische Geschichte 3 1851 S 56 77 Digitalisat Gisela Jaacks Hamburg zu Lust und Nutz burgerliches Musikverstandnis zwischen Barock und Aufklarung 1660 1760 Verl Verein fur Hamburgische Geschichte Hamburg 1997 Veroffentlichungen des Vereins fur Hamburgische Geschichte 44 ISBN 3 923356 80 3 Einzelnachweise Bearbeiten Ulrich Leisinger Leibniz Reflexe in der deutschen Musiktheorie des 18 Jahrhunderts Konigshausen amp Neumann Wurzburg 1994 Pommersfeldener Beitrage 7 ISBN 3884799355 S 17f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hamburgischer Theaterstreit amp oldid 196267923