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Die Megaherbivorenhypothese ist eine Hypothese aus den Bereichen Okologie und Geobotanik uber den entscheidenden Einfluss grosser Pflanzenfresser der Megaherbivoren von altgriech mega gross lat herba Kraut und vorare verschlingen auf die potenzielle naturliche Vegetation insbesondere von Waldland sowie die Landschaftsstruktur 1 Weidendes Pferd im New Forest Nationalpark Schutzgebiet Oostvaardersplassen das durch die Beweidung mit Megaherbivoren offengehalten wirdEs ist bekannt dass grosse Tierherden in Gebieten die aufgrund trockener Klimate im Ubergangsbereich von Waldern zu Offenlandbiomen leben siehe auch Hygrische Waldgrenze einen pragenden Einfluss auf die Vegetation haben So gelten die Savannen der Erde seit langem als degradierte tropische Trockenwalder Uberall spielen jedoch nicht nur Megaherbivoren sondern vor allem regelmassige naturliche Buschbrande sowie vom Boden abhangige Standortfaktoren eine Rolle sodass es meistens nicht moglich ist die Anteile der verschiedenen Ursachen zu ermitteln Die viel diskutierte Hypothese geht demgegenuber davon aus dass grosse Pflanzenfresser in naturlichen Bestandsdichten die Vegetation und das Landschaftsbild vor anderen Faktoren und auf klimatisch gunstigen Waldstandorten entscheidend beeinflussen Durch ihren Einfluss auf die Vegetation hatten beispielsweise Auerochsen Wisente Wildpferde und Hirsche verhindert dass sich im milderen Klima des Holozans nach der letzten Kaltzeit aus den baumfreien Landschaften Mitteleuropas wieder geschlossene Hochwalder entwickelt hatten Stattdessen seien halboffene parkartige Wald Graslandschaften entstanden Spater sei dieser Einfluss bis uber das Mittelalter hinaus von Nutztieren ausgeubt worden die zur Waldweide in die Walder getrieben wurden Daruber hinaus wird davon ausgegangen dass der Mensch die grossten Megaherbivoren Elefanten Nashorner im nordlichen Eurasien zum Ende der letzten Eiszeit ausgerottet und die uberlebenden Tierbestande durch Jagd niedrig gehalten habe Ausrottungshypothese Ahnliches gelte fur vergleichbare Vegetationsgebiete Nord und Sudamerikas sowie Australiens Dies habe zu der Ausbreitung von relativ einheitlichen Pflanzengesellschaften gefuhrt die sich von denen des Pleistozan unterschieden hatten In Afrika sei die ursprungliche Grosstierfauna dagegen erhalten geblieben living Pleistocene und habe grossflachig ein vielfaltiges Mosaik aus Grasland und Baumbestanden geformt Die Hypothese ist umstritten und wird in Details uneinheitlich dargestellt Die meisten Forscher sehen die Hypothese zumindest als einen fruchtbaren Forschungsansatz an So wird das daraus gewonnene Wissen durchaus praktisch eingesetzt vor allem beim Einsatz von grossen Weidetieren im Zuge von Renaturierungsmassnahmen dem so genannten Rewilding Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 1 1 Definition von Megaherbivoren 1 2 Vegetationsgeschichte 2 Geschichte der Hypothese 3 Darstellung der Hypothese 3 1 Einfluss von Megaherbivoren auf die Vegetation 4 Kritik 5 Praktischer Bezug der Hypothese 6 Siehe auch 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenDefinition von Megaherbivoren Bearbeiten nbsp Megaherbivoren mit uber 1000 kg Korpergewicht leben heute nur noch in Afrika und Sudasien Als Megaherbivoren werden grosse Pflanzenfresser aus den Uber Ordnungen der Huftiere Ungulata Russeltiere Proboscidea in Amerika ausserdem der Edentata vor allem die Riesenfaultiere in Australien verschiedene ausgestorbene riesenhafte Beuteltiere bezeichnet Die Frage welche Arten zu den Megaherbivoren zu zahlen sind wird nicht einheitlich beantwortet Fur viele Autoren sind nur riesenhafte Weidetiere uber 1 000 kg Korpermasse Megaherbivoren also vor allem Elefanten und ihre ausgestorbenen Verwandten Nashorner und die grossten Formen der ausgestorbenen amerikanischen Riesenfaultiere und Glyptodonten 2 Andere rechnen bereits kleinere bis mittelgrosse Saugetiere ab etwa 44 kg Korpermasse dazu Auch in der Megaherbivorenhypothese gehoren Tiere wie Rinder Pferde und Hirsche die alle unter 1000 kg wiegen zu den Megaherbivoren 3 Vegetationsgeschichte Bearbeiten nbsp Mammutsteppe des Pleistozan Kunstlerische Darstellung Ausgangspunkt der Hypothese ist die Betrachtung des Quartarzeitalters einer erdgeschichtlichen Epoche die je nach Definition etwa die letzten zwei Millionen Jahre der Erdgeschichte umfasst Wahrend dieses gesamten Zeitalters war das Erdklima von periodischen Schwankungen gepragt bei denen sich Warmzeiten und Kaltzeiten im Wechsel von einigen zehn bis hunderttausend Jahren abwechselten Wahrend warmer Zeitabschnitte konnten in den gemassigten Breiten Europas grossere Baumbestande gedeihen wahrend in den kaltesten Phasen baumlose Mammutsteppen aus Grasern Krautern und Zwergstrauchern das Landschaftsbild pragten Die letzte Kaltzeit begann vor etwa 115 000 Jahren als die Eem Warmzeit zu Ende ging Wahrend der letzten Warmzeit lebten in Europa neben den heutigen Arten auch Waldelefanten Waldnashorner Steppennashorner Riesenhirsche Auerochsen Pferde und Damhirsche in sehr warmen Phasen auch Wasserbuffel und Flusspferde Wahrend der Kaltzeiten wurden sie durch Wollhaarmammuts Wollnashorner Moschusochsen und Rentiere ersetzt Die grossen Raubtiere wie Lowen Leoparden Hyanen und Wolfe kamen in beiden Abschnitten vor Der jungste noch andauernde Abschnitt des Quartar wird Holozan genannt und entspricht klimatisch gesehen einer Warmzeit Dieser Abschnitt begann vor etwa 12 000 Jahren als die letzte Kaltzeit und damit das Pleistozan zu Ende ging Damals wurden in den Mittelbreiten die Mammutsteppen die fur die Kaltzeit typisch waren zuerst durch Parklandschaften dann durch Walder ersetzt Wie ublich am Beginn einer Warmzeit verschwanden die typischen Arten der Mammutsteppe in den sudlichen Gebieten Im Gegensatz zu den fruheren Warmzeiten wurden sie allerdings nicht vollstandig durch warmzeitliche Tiere ersetzt und starben wenig spater auch in ihren nordlichen Ruckzugsarealen aus Daruber hinaus verschwanden die grossen Raubtiere wie Grosskatzen und Hyanen aus weiten Gebieten der nordlichen Hemisphare Mit der Wiedererwarmung breiteten sich Geholze immer weiter nordwarts aus Im Gegensatz zur Vegetation des Pleistozan die stark von Mischformen zwischen Offenland und Baumbestanden dominiert war stellen die Lebensraume des Holozan die den heutigen Naturlandschaften entsprechen meist relativ einheitliche Zonen dar die von einzelnen Pflanzentypen Walder Graslander dominiert werden 2 nbsp Naturbelassener Rotbuchenwald im Nationalpark Biogradska Gora Montenegro als Beispiel einer Klimaxvegetation Die Rekonstruktion der Vegetationsgeschichte Europas resultiert vor allem aus Pollenanalysen Der Grossteil Mitteleuropas war demzufolge seit 9000 v Chr vor allem von Birken und Kiefernwaldern bewachsen Ab etwa 7000 bis 6000 v Chr war das Land flachendeckend von Eichen Ulmen Linden Eschen und Ahornen seit etwa 2000 v Chr zunehmend von Rotbuchen beherrscht Graspollen sind seit dem Ende des Pleistozan kaum noch vorhanden und treten erst in der jungeren Vergangenheit wieder auf Ab ca 5000 v Chr wurden einzelne Flachen durch den Menschen als landwirtschaftliche Nutzflachen offengehalten Man geht davon aus dass Rodungen und Waldweidewirtschaft die Walder immer weiter offneten bis spatestens bei der Ankunft der Romer um die Zeitenwende diese auf halboffene Kulturlandschaften trafen Diese sei zwar von dichten Waldern und Mooren durchbrochen oder umgeben aber ausgedehnte Offenlandbereiche werden zum Beispiel durch das Vorkommen des Feldhasen in dieser Zeit bestatigt 3 Die Intensivierung menschlicher Kulturtatigkeit fuhrte immer mehr zum Ruckgang der grossflachigen Walder und zu einer Anreicherung der Landschaft mit kleingliedrigen Strukturen aus Wiesen und Feldern sowie einer Vielzahl von Waldern Geholzgruppen und Hecken und damit zu einem Anstieg der Artenvielfalt Haufig werden deshalb die Kulturlandschaften Mitteleuropas aus der Zeit des 14 bis 16 Jahrhunderts und zu Beginn des 20 Jahrhunderts zur Veranschaulichung als Beispiel angefuhrt Diese Landschaften waren gebietsweise sehr strukturreich und boten einer Vielzahl an Offenlandarten einen neuen Lebensraum Geschichte der Hypothese BearbeitenAm Beginn des 20 Jahrhunderts ging man davon aus dass sich ein Lebensraum den man sich ungestort entwickeln lasst fruher oder spater von den grossten und hochsten Pflanzen beherrscht wird die potentiell im Gebiet vorkommen konnen Dieser Vegetationstyp wird als Klimaxvegetation bezeichnet In den meisten Gebieten Mitteleuropas wurden demnach seit dem Ende der Eiszeit flachendeckend dichte Hochwalder in verschiedenen Sukzessions Stadien Mosaik Zyklus Konzept dominieren Erst die Rodung der Walder fur Ackerbau und Weidewirtschaft fuhrte nach dieser Ansicht dazu dass die dichten Walder aufgebrochen wurden Demnach werden dichte geschlossene Walder in Mitteleuropa in der Regel als potentielle naturliche Vegetationsform angesehen wahrend Offenlandbereiche in der Regel als durch menschlichen Einfluss entstanden gelten Diese Ansicht wird durch die Megaherbivorenhypothese in Frage gestellt die davon ausgeht dass grosse Pflanzenfresser die nicht durch menschliche Jagd kontrolliert sind ihre Lebensraume entscheidend mit beeinflussen In ihrer modernen Form geht die Megaherbivorenhypothese vor allem auf den niederlandischen Biologen Frans Vera zuruck der die These im Jahr 1997 auf Niederlandisch ausformulierte und spater auf Englisch veroffentlichte Vera bezieht sich vor allem auf Pflanzenfresser die noch im Holozan Europas verbreitet waren 4 Bereits vor Vera ging der amerikanische Biologe Paul S Martin der als Begrunder der Ausrottungshypothese gilt davon aus dass die ausgestorbene Megafauna des Pleistozan die Vegetation ihrer Lebensraume stark geformt haben konnte Die Ausrottungshypothese geht davon aus dass der Mensch fur das Verschwinden der pleistozanen Megafauna verantwortlich ist 5 Bis heute ist die Fachwelt sich daruber uneinig ob diese Hypothese zutrifft 6 Die Megaherbivorenhypothese hangt eng mit der Ausrottungshypothese zusammen und grundet zum Teil auf ihr Darstellung der Hypothese Bearbeiten nbsp Nach der Megaherbivorenhypothese gelten halboffene Walder wie dieser Hutewald in Langa Jutland als beste Annaherung der naturlichen Vegetation Mitteleuropas nbsp Halboffene Waldlandschaft im New Forest nbsp Speerschleuder als effektive prahistorische FernkampfwaffeDie Megaherbivorenhypothese geht davon aus dass die Walder Mitteleuropas bis zur Einfuhrung der Landwirtschaft durch Wildtiere wie Wisente Auerochsen Wildpferde Rothirsche Elche und Rehe offen gehalten worden sind Spater sei dieser Einfluss durch Nutztiere ausgeubt worden die bis in die Neuzeit zur Waldweide in die Walder getrieben wurden In ahnlicher Weise seien die gemassigten Walder im Osten Nordamerikas bis zur Ankunft der Europaer von Bisons und Hirschen offen gehalten worden 4 S 88 Als wesentlicher Punkt in der Argumentation gilt die Feststellung dass Pollenablagerungen aus Gebieten mit Gras und Baumbestanden kaum Graspollen aufweisen wenn sie stark durch Weidetiere beweidet werden Demnach sind halboffene Landschaften in Pollenanalysen nur schwer von geschlossenen Waldern zu unterscheiden Die starke Prasenz der Hasel in den mitteleuropaischen Waldern bis vor etwa 3 000 Jahren ist ein starker Hinweis auf halboffene Landschaften da die Hasel in der Regel nicht in geschlossenen Waldern bluht Weiterhin seien Eichen in geschlossenen Waldern kaum in der Lage sich naturlich zu regenerieren In offenen Hutewaldern dagegen sind Eichen anderen Arten wie der Rotbuche sogar uberlegen Das haufige Vorkommen von Eichen wahrend langer Phasen des Holozan insbesondere vor 8 000 5 000 Jahren gilt deshalb als ein weiteres Indiz fur halboffene naturliche Walder als ursprunglichen Vegetationstyp vor der Einfuhrung der Landwirtschaft vor etwa 5 000 Jahren 4 Daruber hinaus wird oft angenommen dass der Mensch wahrend des spaten Pleistozan durch die Bejagung von grossen Pflanzenfressern an deren Aussterben mitgewirkt habe Diese Arten konne man zur naturlichen Fauna zahlen Wahrend der grossen Quartaren Aussterbewelle sind zahlreiche grosse Pflanzenfresser verschwunden In Europa starben etwa Mammut und Wollnashorn vor etwa 12 000 Jahren aus Auch Arten die wahrend der letzten Warmzeit die vor etwa 115 000 Jahren zu Ende ging in Mitteleuropa lebten starben im spaten Pleistozan in ihren Ruckzugsarealen im Mittelmeergebiet aus dazu zahlen etwa der Europaische Waldelefant und das Waldnashorn Nach der Megaherbivorenhypothese durfte der Mensch auch fur deren Aussterben verantwortlich sein Der zunehmende Jagddruck durch den Menschen konne so die Verfechter der Hypothese wahrend des spaten Pleistozan insgesamt zu relativ niedrigen Bestandsdichten an uberlebenden Weidetieren wie Wildrindern Pferden und Hirschen gefuhrt haben Erst die Verringerung der Arten und Bestandszahlen bei grossen Pflanzenfressern nach der Erderwarmung zu Beginn des Holozan habe die flachendeckende Ausbreitung dichter Walder ermoglicht In einigen Gebieten Amerikas und Australiens liess sich ein starkerer Bewuchs von Baumen nach dem Aussterben einiger Pflanzenfresser feststellen Nach der letzten Eiszeit konne so eine dichte Bewaldung Wiederbesiedelung Mitteleuropas eingesetzt haben da der Frass der Pflanzenfresser zu gering geworden war um einen wesentlichen Einfluss auf die Vegetation auszuuben Diese sich in Mitteleuropa einstellende Klimax der Sukzession habe hauptsachlich in Buchenwaldern Buchen und anderen Mischwaldern Nadelwaldern sowie azonalen und extrazonalen Waldgesellschaften resultiert Ein starkes Argument fur die Megaherbivorenhypothese resultiert aus der Betrachtung der sommergrunen Walder der nordamerikanischen Ostkuste Hier wird die hier sehr artenreich vertretene Gattung der Eichen als dominante Gattung der pre settlement forests also der vor der Besiedlung durch die Europaer gewachsenen Urwalder beschrieben diese Walder gelten als vom Menschen unbeeinflusst entstanden Neben Eichen ist in diesen Waldern auch Hickory stark vertreten Diese Eichen Hickory Waldgesellschaften verjungen sich jedoch kaum noch sie werden oftmals von schattentoleranten Arten wie Rotahorn ersetzt Momentan verjungen sich weder Eichen wie die Weisseiche noch die Hickorys in diesen Waldern grossflachig obwohl die Eichen in amerikanischen Pollendiagrammen der Warmzeiten immer hohe Anteile einnehmen Gleichzeitig wurde der Bison der letzte verbliebene Megaherbivor Nordamerikas erst in jungerer Vergangenheit in diesen Gebieten ausgerottet 7 Einfluss von Megaherbivoren auf die Vegetation Bearbeiten nbsp Wildverbiss durch Axishirsche im Nagarhole NationalparkFruhe Beobachtungen zum Einfluss von Weidevieh auf ursprunglich geschlossene Walder stammen aus der Zeit der fruhmittelalterlichen Waldhutung die innerhalb von wenigen Jahrzehnten also bereits im Zeitraum eines Menschenlebens zu einer sehr deutlichen Landschaftsumformung beitragen kann 8 Um Siedlungen herum entstand durch im Wald weidendes Vieh wie Rinder Schweine Schafe usw ein zunachst aufgelichteter Wald ohne Kleinbewuchs und Unterholz der zunehmend von wenigen grossen alternden Baumen mit ausladenden Kronen sinkender Konkurrenzdruck und bald zahlreichen fur offene Landschaften typische Wiesenpflanzen getragen wurde Mit dem Absterben der grosseren Baume schliesslich verschwand der Wald vollstandig womit das Areal dem Ackerbau zur Verfugung stand ohne gerodet werden zu mussen Art und Weise dieser landschaftlichen Umformung Geschwindigkeit und Form des Endresultats hangen jedoch von zahlreichen Faktoren wie Beweidungsintensitat Haustierarten zeitliche Kontinuitat u a ab So fuhrt eine Beweidung mit Schafen schnell zum Verschwinden samtlicher nachwachsender Keimlinge wahrend Pferde auch grossere Baume verbeissen und ihre Wuchsform beeinflussen Wahrend der Kolonialzeit wurde erkannt dass dieser Effekt bei Landschaften und Wuchsformen von Baumen uberall auf der Welt beobachtet werden kann Man nimmt daher an dass auch die prahistorische Flora und Vegetation durch die damals lebenden Pflanzenfresser massgeblich mitbestimmt worden sei Da die Vegetation ausserdem geologische Grossen wie Erosion Widerstand gegen exogene Krafte und Sedimentierung beeinflussen kann werden Megaherbivoren auch als geologisch relevante Einflussfaktoren diskutiert Hierbei mussen jedoch sehr grosse Zeitraume und langfristige Wirkungen in Betracht gezogen werden nbsp Wald Grasland Mosaik das im Tennenloher Forst durch die Beweidung mit Wildpferden vor der Wiederbewaldung bewahrt werden sollNach der Megaherbivorenhypothese ist es wahrscheinlich dass ohne menschlichen Einfluss in weiten Teilen Europas ein Mosaik aus Flachen in unterschiedlichen Sukzessionsstadien vorherrschen wurde Durch den Verbiss von grossen Pflanzenfressern Megaherbivoren wurden nicht ausschliesslich Walder sondern auch mehr oder weniger offene Wiesenlandschaften entstehen Vom Verhalten rezenter Arten abgeleitet wird ein Herdenverhalten angenommen was durch Umherwandern ortlich stark differenzierte Einflusse auf die Vegetation erzeugt Nahrungspraferenzen Bevorzugung von gewissen Pflanzen unterscheiden sich je nach Tierart und uberlagern das soziale Verhalten Der Standort spiele eine entscheidende Rolle so sei die naturliche Waldgesellschaft vgl potenzielle naturliche Vegetation nicht uberall gleichermassen resistent gegen Verbiss Auch Dornstrauchern wird von Verfechtern der Hypothese eine entscheidende Rolle in von Beweidung beeinflussten Gebieten zugesprochen da sie sich in diesen etablieren und durch ihren Dornenschutz fur Pflanzenfresser undurchdringliche Dickichte bilden konnten in deren Schutz dann auch andere dornlose Straucher wie die Hasel aber auch Baume wie die Eiche aufwachsen konnten In Europa wird hierbei insbesondere der Schlehe aufgrund ihrer Wurzelbrut eine herausragende Stellung beigemessen da so ein einzelner Mutterstrauch uber die Jahre grosse Gebiete abdecken und in der Folge ganze Haine entstehen lassen konnte Weiter geht die Hypothese davon aus dass die Straucher selbst durch den zunehmenden Schattenwurf der aus ihnen erwachsenden Baume absterben und so wieder Weideraum fur die Herbivoren bieten wurden wodurch sich der Kreis schliesse Hochwald sei der Theorie zufolge eher auf nahrstoffarmen Boden zu erwarten da die dort wachsenden Pflanzen schlechter verdaulich sind und ausserdem uber Strategien zur Abwehr verfugen In solchen Gebieten konnte eine waldreiche und heterogene Landschaft entstanden sein Sofern haufig Jungwuchs abgefressen wird lichtet sich der Wald auf ohne dass nachwachsende Baume die absterbenden ersetzen konnen es entsteht eine offene Landschaft Auch an Stellen die bevorzugt von Tieren aufgesucht werden zum Beispiel an Gewassern konnten Trittstellen entstanden sein Weitlaufige halboffene Landschaften konnten dort vorgeherrscht haben wo auf nahrstoffreichen und frischen Boden eiweiss und nahrstoffreiche krautige Vegetation besser wachst Diese Gebiete konnten periodisch aufgesucht worden sein so dass relativ homogene Landschaftsteile fur wahrscheinlich gehalten werden Weitere Faktoren kamen hinzu Mastjahre Seuchen Schadlinge Durren und nasse Jahre Wanderungen territoriales Verhalten von Beutegreifern Flachen und Waldbrande Uberweidung so dass eine sehr deutliche Differenzierung entstanden sein konnte Allerdings sei der Einfluss der Pflanzenfresser durch deren Bestandsregulierung durch Beutegreifer Krankheiten Parasiten und nicht zuletzt durch Futtermangel im Winter niemals so gross geworden dass der Wald vollstandig habe zuruckgedrangt werden konnen In manchen Gebieten z B Serengeti regulieren sich heute lebende rezente Pflanzenfresser ausschliesslich durch das Nahrungsangebot in Trockenzeiten und die Wasserversorgung Fur Mitteleuropa stehen harte Winter mit ihrer Nahrungsknappheit sowie Beutegreifer starker im Vordergrund Aufgrund des Vergleiches mit bekannten Kultur oder Naturlandschaften die fur ahnlich gehalten werden wird ein grosserer Artenreichtum einer solchen auch durch Pflanzenfresser gepragten Landschaft vermutet Kritik BearbeitenGegen die Megaherbivorenhypothese spricht dass es Arten gibt die auf uber Jahrhunderte ungestorte Waldentwicklung angewiesen sind In Mitteleuropa gibt es zudem im Gegensatz zum Mittelmeerraum oder den Steppenlandschaften des Ostens so gut wie keine endemischen Pflanzenarten und unterarten des Offenlands was auf ein relativ geringes Alter der Offenvegetation hindeutet Zu diesem Einwand existieren allerdings auch gegenteilige Auffassungen 9 Ein weiteres Argument das gegen die Hypothese zu sprechen scheint ist die Tatsache dass aus der Pollenforschung keine Hinweise auf offene Landschaften nach dem Ende der letzten Kaltzeit vorliegen vgl z B 10 und 11 Im Holozan treten Pollen von Offenlandarten wie Grasern gut nachweisbar erst am Beginn der Jungsteinzeit mit der Einfuhrung von Ackerbau und Viehzucht in Mitteleuropa haufiger auf Dies deutet darauf hin dass seit dem Verschwinden der Mammutsteppen zunachst dichte Walder dominierten Allerdings ist dieses auf den ersten Blick schlagkraftige Argument von anderer Seite relativiert worden Paradoxerweise gleichen namlich Pollenproben aus gemischten Grasland Wald Landschaften mitunter solchen aus dichten Waldlandern sobald Rinder das ganze Jahr uber dort weiden Die Graser werden dann offenbar stark abgeweidet und kommen kaum zum Bluhen weshalb in der Folge die Baumpollen auch auf den offenen Grasflachen stark dominieren Dies wurde bedeuten dass Offenlandgebiete die mit Baumen durchsetzt sind und zugleich stark von Grosstieren beweidet werden im Pollendiagramm kaum von geschlossenen Waldern zu unterscheiden sind 4 S 88 Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf einige Argumente die sich auf Vergleiche mit anderen offenen Lebensraumen stutzen in denen heute noch zahlreiche Grossherbivoren vorkommen So konnen ost und sudafrikanische Okosysteme vermutlich nur eingeschrankt mit mitteleuropaischen Okosystemen verglichen werden Es kann nicht eindeutig nachgewiesen werden ob die angenommenen Verhaltnisse wirklich zutreffen so kann z B die Palaobotanik nur unvollstandige Angaben uber die Grosse der Mosaike und damit zur raumlichen Verteilung machen Auch uber soziales Verhalten der Tierarten und deren Populationsgrossen gibt es nur Ableitungen von denen heute lebender verwandter Arten Schliesslich werden Vermutungen zu den Ursachen des Aussterbens der Tierarten angestellt Die Behauptung der Mensch habe dazu wesentlich beigetragen ist weiterhin umstritten So konnte z B gezeigt werden dass der Riesenhirsch Megalocerus giganteus in Irland bereits einige hundert Jahre vor der Einwanderung des Menschen ausstarb vermutlich aufgrund von Vegetationsveranderungen infolge der Klimaanderung 12 Ahnliche Zweifel an der Ausrottungshypothese bezuglich der pleistozanen Megafauna gibt es fur viele andere Arten auch Auf der anderen Seite aber fiel das Aussterben der Megafauna sowohl in Europa und Nord und Sudamerika als auch auf Australien Neuseeland oder Madagaskar mehrmals zeitlich mit der Erstbesiedlung durch anatomisch moderne Menschen zusammen wahrend Grosstiere in dieser Zeit auf vom Menschen noch nicht besiedelten Inseln etwa das Wollhaarmammut auf der Wrangelinsel bis vor 3700 Jahren uberlebten Ausserdem starben nur grossere Tiere ab etwa 50 kg Gewicht aus kleinere jedoch nicht was prinzipiell gegen einen rein klimatischen Ausloser spricht 13 Praktischer Bezug der Hypothese Bearbeiten nbsp Beweidungsprojekt mit KoniksDie Hypothese hat uber die Palaookologie und Palaontologie hinaus in den Bereichen Okologie und Geobotanik grosses Interesse gefunden Dies liegt an den Folgerungen fur Vegetation und Landschaftsveranderung Trifft die Hypothese zu waren die Urwalder Mitteleuropas vor dem Neolithikum gar nicht die eigentliche Urnatur Mitteleuropas sondern gehen nur auf menschlichen Einfluss der Steinzeitjager zuruck Wird die Landschaft spater vom Menschen und seinem Weidevieh geoffnet oder offengehalten ware das dann nur ein Wiederherstellen des eigentlichen naturlichen Zustands Die Weidetiere waren also der okologische Ersatz fur die ausgestorbenen Megaherbivoren Die Hypothese erfreute sich deshalb bei solchen Naturschutzern besonderer Beliebtheit die mit Weidetieren zur Landschaftspflege arbeiten So lasst sich beispielsweise mit dieser Theorie erklaren warum sowohl typische Weide und Wiesenpflanzen als auch typische Waldpflanzen zur selben Zeit in mitteleuropaischen Gebieten vorkamen Gebiete von denen man bisher annimmt sie waren vor dem Einsetzen der Kulturtatigkeit des Menschen bis auf Moore Gewasser und Hochgebirge von zusammenhangenden Waldern bedeckt gewesen Wenn zur Landschaftspflege Tiere eingesetzt werden die im Pleistozan das jeweilige Gebiet besiedelt haben spricht man vom Pleistocene Rewilding Praktische Anwendungen dieser Theorie gibt es deshalb beispielsweise fur den Naturschutzbereich wo oft die Forderung abgeleitet wird struktur und artenreiche Landschaften die nicht mehr landwirtschaftlich bewirtschaftet werden in Beweidungsprojekten mit Hilfe von Pflanzenfressern zu erhalten 14 15 Siehe auch BearbeitenSteppenheidetheorieWeblinks Bearbeiten Quaternary Park Uberlegungen zu Wald Mensch und Megafauna von Bunzel Druke M Druke J amp H Vierhaus 1994 ABUinfo 17 18 Heft 4 93 1 94 Die erste Veroffentlichung zur Megaherbivorentheorie Ur Walder waren keine Ur Parks Auf wissenschaft de vom 13 Januar 2005 Grasende Tiere hatten keinen Einfluss auf den dichten Baumbestand urzeitlicher Walder Einzelnachweise Bearbeiten eine neuere Ubersicht in C N Johnson Ecological consequences of Late Quaternary extinctions of megafauna PDF 306 kB In Proceedings of the Royal Society Serie B 276 2009 S 2509 2519 a b Norman Owen Smith Pleistocene Extinctions The Pivotal Role of Megaherbivores Paleobiology 13 1987 S 351 362 a b M Bunzel Druke J Druke H Vierhaus Quaternary Park Uberlegungen zu Wald Mensch und Megafauna 1994 ABUinfo 17 18 Heft 4 93 1 94 online a b c d F W M Vera Grazing ecology and forest history CABI Publishing Wallingford New York ISBN 0 85199 442 3 Paul S Martin Richard G Klein Quaternary Extinctions A Prehistoric Revolution Arizona University Press 2004 ISBN 0 8165 0812 7 Donald K Grayson David J Meltzer A requiem for North American overkill Journal of Archaeological Science 30 2003 S 585 593 PDF Grazing Ecology and Forest History Abgerufen am 21 September 2019 englisch Pott Richard amp Huppe Joachim Die Hudelandschaften Nordwestdeutschlands Abhandlungen aus dem Westfalischen Museum fur Naturkunde Munster 53 ISBN 3 924590 27 3 Helge Walentowski Andreas Zehm Reliktische und endemische Gefasspflanzen im Waldland Bayern eine vegetationsgeschichtliche Analyse zur Schwerpunktsetzung im botanischen Artenschutz Tuexenia 30 59 81 Gottingen 2010 H John B Birks Mind the gap how open were European primeval forests Trends in Ecology amp Evolution 20 4 2005 S 154 156 Litt Thomas Waldland Mitteleuropa Die Megaherbivorentheorie aus palaobotanischer Sicht In Grosstiere als Landschaftsgestalter LWF Bericht 27 2000 Herausgegeben von der Bayerischen Landesanstalt fur Wald und Forstwirtschaft Anthony D Barnosky Big game extinction caused by late Pleistocene climatic change Irish elk Megaloceros giganteus in Ireland Quaternary Research 25 1986 S 128 135 Felisa A Smith Rosemary E Elliott Smith S Kathleen Lyons Jonathan L Payne Body size downgrading of mammals over the late Quaternary In Science Band 360 Nr 6386 20 April 2018 ISSN 0036 8075 S 310 313 doi 10 1126 science aao5987 science org abgerufen am 22 November 2023 Zak Ratajczak Scott L Collins John M Blair Sally E Koerner Allison M Louthan Reintroducing bison results in long running and resilient increases in grassland diversity In Proceedings of the National Academy of Sciences Band 119 Nr 36 29 August 2022 ISSN 0027 8424 S e2210433119 doi 10 1073 pnas 2210433119 pnas org abgerufen am 31 August 2022 Tanya L Rogers Bethany J Johnson Stephan B Munch Chaos is not rare in natural ecosystems In Nature Ecology amp Evolution Band 6 Nr 8 August 2022 ISSN 2397 334X S 1105 1111 doi 10 1038 s41559 022 01787 y nature com abgerufen am 31 August 2022 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Megaherbivorenhypothese amp oldid 239378047