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Als Lustschloss franzosisch Maison de plaisance was sowohl Landhaus als auch frei ubersetzt Lusthaus von plaisir Lust Freude Vergnugen bedeutet bezeichnet man ein kleines Schloss zumeist furstlicher Bauherren das dem privaten Vergnugen diente und abseits von Hofzeremoniell und Staatspflichten in der Freizeit bewohnt oder besucht wurde und sich meist in der Nahe grosserer Residenzen befand Schloss Favorite Ludwigsburg Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Entwicklung 3 Beispiele 4 Abgrenzung und Vorlaufer 5 LiteraturHintergrund BearbeitenMit dem Beginn der Renaissance erwachte im Adel der Wunsch nach reprasentativen Schlossern und langsam wurden die alten Burgen verlassen oder zu wohnlichen Residenzen nach italienischem Vorbild unter Verwendung antiker Formensprache umgebaut Im Laufe der Zeit wuchsen viele Adelssitze zu grossen Schlossern heran wenn auch zumeist symbolisch noch durch Graben und Turme befestigt Vor allem in der nachfolgenden Barockzeit veranderte sich aber auch das Hofzeremoniell und dieses schlug sich auf die Architektur nieder Die Fursten standen immer mehr im Mittelpunkt einer aufwandigen Hofhaltung die ihren Zenit im Absolutismus erreichte als Ludwig XIV mit dem Schloss von Versailles eine landliche Residenz samt Residenzstadt schuf und damit einen neuen Schlosstypus Die hofische Etikette notigte die Adeligen dazu immense Geldsummen fur ihre Kleidung auszugeben und ihre Zeit vor allem auf Ballen Diners und anderen Festlichkeiten zu verbringen die die alltagliche Routine des Hoflebens darstellten Der Konig wiederum unterhielt einen grossen Angestelltenstab zur Organisation dieser permanenten Events Kein Aristokrat der auf die Gunst des Konigs angewiesen war konnte seine Abwesenheit riskieren Anstatt seine regionalen Angelegenheiten zu regeln und seine dortige Macht zu behalten wetteiferte der Adel nun um solche trivialen Ehren wie die dem Konig beim Ankleiden helfen zu durfen Der Konig selbst gestaltete seinen gesamten Tagesablauf zu Ereignissen denen beizuwohnen nach strengen Rang und Auszeichnungskriterien gestattet wurde Schon das Aufstehen erfolgte in drei Akten dem petit lever der premiere entree und dem grand lever ebenso die Einnahme der Mahlzeiten und das Zubettgehen Auch die Gewahrung von Audienzen oder die Abhaltung von Festen folgte strengen Regeln denen die Enfilade der Raume genau entsprechen musste Durch das Zeremoniell hielt der Sonnenkonig die Noblesse d epee den ranghohen und reichen Geburtsadel beschaftigt und ubertrug die verantwortungsvollen Positionen in der Staatsverwaltung der Noblesse de robe einem neuen Amtsadel in den auch gut ausgebildete Burgerliche gelangen konnten die wirtschaftlich von der Gunst des Herrschers abhangig waren So ruhte die politische Macht fest in der Hand des Konigs Hauptsachlich deshalb fand der Grand Gout des Schlossbaus und der Parkgestaltung von Versailles in ganz Europa bei regierenden Fursten Nachahmung ebenso wie das Hofzeremoniell Die Residenzen dienten nicht etwa als Orte fur das personliche Vergnugen der Herrscher sondern waren politisches Machtinstrument Durch die standige Bindung des Hochadels und Adels an den Hof gerieten diese machtigen Hauser nicht nur in personliche Abhangigkeit vom Konig sondern wurden ebenso von Machtanspruchen oder gar Rebellionen ferngehalten wie sie Ludwig XIV in seiner Jugend mit der Fronde noch selbst erlebt hatte Der Regent war ausserdem von zahlreichen Beamten Generalen Gesandten Kunstlern Musikern Dienern und Bittstellern umgeben und die Residenzen quollen vor Menschen formlich uber Entwicklung Bearbeiten nbsp Das Grand Trianon rechts im Hintergrund das Schloss Versailles nbsp Das Kleine Trianon im Park von Versailles hinten vorn der Pavillon francais Die Herrschergeneration nach Ludwig XIV verspurte jedoch den Wunsch nicht mehr ununterbrochen eine buhnenreife Rolle im Hofzeremoniell spielen zu mussen sondern neben allen Pflichten auch ein individuelles Leben fuhren zu durfen Der Wunsch nach mehr Intimitat fuhrte nun neben den traditionellen Residenzbauten vermehrt auch zum Bau von Lustschlossern zu denen nicht die ganze Hofgesellschaft sondern nur ein enger Zirkel Zutritt hatte Jacques Francois Blondel machte sich 1737 mit seinem Buch uber die Lustschlosser De la distribution des maisons de plaisance et de la decoration en general zum Wortfuhrer dieser Generation Das Buch diente oft als Vorlage Charles Etienne Briseux folgte 1743 mit dem zweibandigen L Art de batir les maisons de campagne Ludwig XIV selbst hatte bereits mit seinem Schloss Marly le Roi 1679 1686 und dem Grand Trianon im Park von Versailles 1687 1688 die Vorbilder auch fur diesen Schlosstypus geschaffen In diese maisons de plaisance konnten sich die Fursten mit ihrer Familie oder ihren Matressen zuruckziehen hier konnten sie sich der Musse und dem Vergnugen widmen Lustschlosser waren vor allem Orte kleinerer Feste Diners des Tanzes und der Musik oft auch der Literatur und der Malerei Sie waren meist nicht standige Wohnsitze sondern Ausflugsorte Damit bildeten sie den Gegensatz zur eigentlichen Residenz welche haufig in der Nahe lag den Staatsgeschaften diente und wo stets die Etikette gewahrt werden musste Hohepunkte dieser Form der Schlossbaukunst waren wie bei den grossen Residenzbauten ebenfalls das Barock und anschliessend das Rokoko Letzteres konnte sich mit seinen zierlichen Dekorationen in der Kleinform der petite maison ideal entfalten Die Lustschlosser haufig versteckt gelegen in weitlaufigen Schlossparks zeichneten sich meist durch eine besonders reichhaltige und wertvolle Ausstattung aus gleichzeitig wurden die Zimmer und Salons intimer und bequemer Aus der besonderen Funktion ergaben sich neue formale Typologien Anders als bei den Residenzschlossern war hier meist das Erdgeschoss das Hauptgeschoss in dem die wichtigen Raumfunktionen angeordnet wurden um den Garten als erweiterten Wohnbereich nutzen zu konnen Wenn es ein Sockelgeschoss gab fuhrte meist eine Freitreppe vom Hauptgeschoss in den Garten In der Mittelachse liegen gewohnlich Vestibul und Gartensaal links und rechts schliessen sich wie bei den Residenzen aber mit weniger und kleineren Raumen die Appartements doubles an fur den Schlossherrn und seine Gemahlin Die wichtigeren Zimmer liegen in der Enfilade an der Gartenseite die untergeordneten Raume an der Hofseite In den zentralen Wandzwischenraumen konnten Alkoven Schranke diskrete Turen Kammern fur den Leibstuhl sowie Kachelofen eingebaut werden welche von ruckwartigen Raumen befeuert wurden damit das Personal nicht storte Zu den Appartements gehorte ublicherweise ein Speisesaal eine Chambre mit Paradebett sowie ein Cabinett Bisweilen wurden die Lustschlosser durch Gartenpavillons erganzt wie den Pavillon francais am Petit Trianon An vielen Bauten haben bedeutende Kunstler der jeweiligen Region gearbeitet Gleichzeitig mit dem als Prototyp geltenden Marly le Roi wurde bereits das Palais im Grossen Garten in Dresden errichtet 1678 83 spater das Mainzer Lustschloss Favorite 1700 22 das Schloss Monbijou in Berlin 1703 1706 die Rastatter Favorite 1710 1730 die Ludwigsburger Favorite 1717 1723 das Jagdschloss Falkenlust in Bruhl 1729 1740 das Weimarer Belvedere 1724 1744 das Jagdschloss Clemenswerth 1737 47 und die Amalienburg im Park von Schloss Nymphenburg 1734 1739 letztere diente ebenfalls als Jagdschlosschen von deren Dachbalkon aus man auf vorubergetriebenes Wild schoss 1743 1761 entstand Schloss Wilhelmsthal bei Kassel 1755 1773 Schloss Benrath bei Dusseldorf und 1760 1761 das Jagdschloss Baum bei Buckeburg nbsp Schloss SanssouciFriedrich der Grosse war insofern ein Sonderfall als er sich nach dem Siebenjahrigen Krieg von Hofleben und Etikette fast ganz zuruckzog ein Leben en philosophe im engen Freundeskreis fuhrte und hierzu von Marz bis Oktober sein Lustschloss Sanssouci bewohnte das er ab 1745 unter der Bezeichnung Vigne Weinberghaus hatte errichten lassen Nur fur die Wintermonate bezog er das Potsdamer Stadtschloss das Berliner Schloss besuchte er meist nur noch wahrend der Ballsaison nach Neujahr dort musste seine Frau die in Sanssouci keinen Zutritt hatte viele Reprasentationspflichten stellvertretend fur den Monarchen erfullen Fur Gaste und Festlichkeiten liess er im Park seines Lustschlosses aber noch einmal einen grossen klassisch barocken Schlossbau errichten das Neue Palais 1763 1769 Eine Besonderheit Sanssoucis im Gegensatz zu den meisten Lustschlossern franzosischer Pragung ist jedoch die Gestaltung der Gesamtanlage entsprechend den Vorgegebenheiten einer bewegten Landschaft die Umwandlung eines kahlen Sandhugels in einen terrassierten Weinberg mit verglasten Pflanzraumen die Schaffung von Point de vues nach den beiden Talseiten Eine ahnlich dominierende Lage haben nur das Obere Belvedere in Wien 1720 1725 und das Schloss Solitude bei Stuttgart 1763 1769 welches jedoch auf hohem Sockel weniger intim erscheint als das einstockige und ebenerdige Sanssouci dessen Vorbild Benrath folgte Der Stil der Lustschlosser unterlag naturlich den Wandlungen des Zeitgeschmacks so wurde gleichzeitig mit dem spatbarocken Potsdamer Neuen Palais ab 1763 bereits das Schloss Worlitz als fruhklassizistischer Bau nach englischem Vorbild errichtet integriert in einen englischen Landschaftsgarten Ein weiteres klassizistisches Beispiel ist das in Trier 1779 1783 erbaute Schloss Monaise In Potsdam entstand 1787 1793 im neuen Stil das Marmorpalais und ab 1840 das Schloss Charlottenhof Der Ruckzug der Herrscher in ihre Lustschlosser konnte aber auch politische Folgen haben Den franzosischen Konigen wurde ihr erstes Lustschloss im Park von Versailles das noch recht weitlaufige Grand Trianon bald zu sehr von der Hofgesellschaft uberlaufen sodass sich Ludwig XV das Petit Trianon schuf Der nachfolgenden Konigin Marie Antoinette aber war selbst dieses noch zu zuganglich und so schuf sie sich mit dem Hameau de la Reine einen kunstlichen Bauernhof am Rand des Versailler Parks in den sie sich mit ihren engsten Gunstlingen zuruckzog um kaum noch bei Hofe zu erscheinen geschweige denn in der Hauptstadt Paris Nicht zuletzt dies machte sie bei Aristokratie und Volk hochst unbeliebt und trug zum Ausbruch der Franzosischen Revolution bei die sie und ihren Mann Ludwig XVI schliesslich Thron und Leben kostete Beispiele Bearbeiten nbsp Schloss Marly le Roi nbsp Jagdschloss Falkenlust nbsp Amalienburg nbsp Jagdschloss Clemenswerth nbsp Belvedere Weimar nbsp Schloss Solitude nbsp Schloss Benrath nbsp Schloss Worlitz nbsp Marmorpalais nbsp Jagdschloss AugustusburgAbgrenzung und Vorlaufer BearbeitenDer Begriff Lustschloss ist eine Ubersetzung der franzosischen Maison de Plaisance und bezieht sich im Allgemeinen auf die kleinen furstlichen Refugien der Barock und Rokokozeit und des Klassizismus Nicht so bezeichnet werden hingegen die zeitgleichen oft auch stilistisch ahnlichen Landschlosser des niederen Adels da diese zwar dem Wohn und Reprasentationsbedurfnis eines Grundherren daher auch Herrenhaus genannt nicht aber dem Ruckzug eines Landesherren von seinen Herrscherpflichten und damit seinem puren Vergnugen dienten Konigliche Land und Jagdschlosser gab es schon im Mittelalter Schloss Vincennes Castel del Monte Windsor Castle Auch die Renaissancezeit kannte grosse oder kleine furstliche Landschlosser und Jagdsitze Hampton Court Fontainebleau Blois auch mit uppigen Parkanlagen wie die Villa d Este In der Barockzeit entstanden dann uberall in Europa die weitlaufigen landlichen Residenzen a la Versailles die der Aufnahme einer kompletten Hofgesellschaft samt all ihren zeremoniellen Funktionen dienten Schonbrunn Nymphenburg Schleissheim Ludwigsburg Schwetzingen Bruhl Nordkirchen Het Loo Drottningholm Peterhof Zarskoje Selo Caserta usw In der Umgebung dieser Palaste entstanden dann zumeist die Lustschlosser Ihre direkten Vorlaufer haben diese in Italien im einfachen casino oder auch casino di caccia Jagdschlosschen der Renaissancezeit sowie in den aufwandigeren Varianten etwa den landlichen Medici Villen der Toskana oder den venezianischen Villen des Palladio die ihrerseits von den antiken Formen der villa urbana und der villa rustica beeinflusst waren Zwar konnten Lustschlosser auch der Jagd dienen sie sind aber zu unterscheiden von den grossen hofischen Jagdschlossern die zur Abhaltung mehrtagiger Hofjagden mit zahlreichem Gefolge vorgesehen und daher entsprechend dimensioniert waren Fontainebleau etwa oder die kursachsischen Jagdschlosser Augustusburg Moritzburg und Hubertusburg Nicht als Lustschlosser bezeichnet werden zumeist auch die kleineren furstlichen Landschlosser des Historismus obgleich sie als Ruckzugsorte ahnliche Funktionen erfullten Doch entsprachen sie nicht mehr dem franzosischen Typus der Maison de Plaisance und deren italienischen Renaissancevorlaufern sondern waren stilistisch von den Burgen des Mittelalters inspiriert auch befanden sie sich oft abseits der grossen Residenzen Ausnahmen sind beispielsweise das Gotische Haus im Worlitzer Park 1786 87 oder die Lowenburg im Kasseler Bergpark Wilhelmshohe 1793 im Stil fruhester Neugotik Ebenfalls zu unterscheiden sind Lustschlosser von Staffagebauten oder Follies die oft als Blickfang Point de vue bzw Aussichtsort dienen bisweilen aber auch versteckt liegen und hauptsachlich als Ziele fur Spaziergange Ausritte oder Kutschfahrten dienten Sie bieten keine echte Wohnmoglichkeit da sie oft nur aus einem einzigen Raum bestehen und in der Regel auch keine Wirtschaftsraume haben Dazu zahlen exotische Pavillons etwa im maurischen oder chinoisen Stil kunstliche Ruinen kunstliche Grotten Einsiedeleien Parkhutten Aussichtsturme Pagoden Glorietten etc Literatur BearbeitenRolf Hellmut Foerster Das Barock Schloss Geschichte und Architektur DuMont Koln 1981 ISBN 3 7701 1242 3 S 83 91 Monika Hartung Die Maison de Plaisance in Theorie und Ausfuhrung Zur Herkunft eines Bautyps und seiner Rezeption im Rheinland Dissertation an der Technischen Hochschule Aachen Aachen 1988 Katharina Krause Die Maison de plaisance Landhauser in der Ile de France 1660 1730 Kunstwissenschaftliche Studien Band 68 Deutscher Kunstverlag Munchen und Berlin 1996 ISBN 3 422 06175 4 doi 10 11588 diglit 2998 Buchbesprechung als PDF Heiko Lass Begriffe erkunden Maison de plaisance In Burgen und Schlosser Zeitschrift fur Burgenforschung und Denkmalpflege Jahrgang 61 Nr 4 2020 ISSN 0007 6201 S 241 243 Heiko Lass Jagd und Lustschlosser Kunst und Kultur zweier landesherrlicher Bauaufgaben dargestellt an thuringischen Bauten des 17 und 18 Jahrhunderts Imhof Petersberg 2006 ISBN 3 86568 092 5 Stefan Rath Schloss Maisons Landsitz Rene des Logueils und konigliche maison de plaisance Dissertation an der Universitat Bonn Bonn 2011 urn nbn de hbz 5 26818 Barbara Schock Werner Heiko Lass Lustschloss In Horst Wolfgang Bohme Reinhard Friedrich Barbara Schock Werner Hrsg Worterbuch der Burgen Schlosser und Festungen Reclam Stuttgart 2004 ISBN 3 15 010547 1 doi 10 11588 arthistoricum 535 Normdaten Sachbegriff GND 4219343 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lustschloss amp oldid 231665323