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Cuius regio eius religio auch cuius regio illius religio lateinisch fur wessen Gebiet dessen Religion im damaligen Sprachgebrauch oft wes der Furst des der Glaub ist eine lateinische Redewendung die besagt dass der Herrscher eines Landes berechtigt ist die Religion fur dessen Bewohner vorzugeben Sie ist die Kurzform eines im Augsburger Religionsfrieden niedergelegten Rechtsprinzips das weitgehend bis zum Westfalischen Frieden galt Assekurationsakte Die lateinische Redewendung wurde vom Greifswalder Rechtsprofessor Joachim Stephani im Jahre 1612 gepragt Inhaltsverzeichnis 1 Ausgangspunkt bis zur Reformation 2 Reichskrise durch die Reformation 3 Rechtssatz 4 Ausnahmen 4 1 Geistliche Herrschaften 4 2 Reichsstadte 4 3 Kleve Julich Berg 4 4 Osnabruck 4 5 Schlesien 4 6 Sudwesten 4 7 Pfalz Sulzbach 5 Bewertung und Wirkung 6 Ausserhalb des Heiligen Romischen Reiches 6 1 Frankreich 6 2 Grossbritannien 6 3 Andere Teile Europas 7 EinzelnachweiseAusgangspunkt bis zur Reformation BearbeitenSeit Entstehung des Staatswesens im Altertum wurde die Staatsgewalt als gottliche Stiftung aufgefasst Gottesgnadentum So war es einerseits Aufgabe des Staates den Schutz und die Verbreitung der anerkannten Staats Religion sicherzustellen Ein Abweichen von der jeweiligen Staatsreligion stellte andererseits die Legitimationsbasis des Staates in Frage Die Herrscher betrachteten sich deshalb als verpflichtet und berechtigt die staatlich anerkannte Religion durchzusetzen Beispiele fur diese Verbindung von Staat und Religion lassen sich im Alten Agypten gottgleiche Stellung des Konigs antiken Griechenland Asebie oder auch im Kaiserkult des Romischen Reiches finden Seit 380 war das Christentum im Romischen Reich Staatsreligion und diente gleichermassen als Legitimationsbasis fur die weltliche Herrschaft Im Heiligen Romischen Reich stellte das katholische Christentum bis zu Beginn der Fruhen Neuzeit faktisch die Staatsreligion dar Haresie also religiose Abweichungen innerhalb der Kirche wurde nach dem Reichsrecht verfolgt Die obrigkeitliche Sorge und Bewahrung der Staatsreligion waren zum Zeitpunkt der Reformation 1517 der Normalfall und ein anderer Zustand grundsatzlich nicht vorstellbar Ausnahme war die mehr oder weniger geduldete judische Religion Reichskrise durch die Reformation BearbeitenIm Zuge der Reformation wurden nach 1517 weite Landstriche in West Nord und Mitteleuropa protestantisch Damit zerbrach die religiose Einheit des Reiches Der im Heiligen Romischen Reich regierende Kaiser Karl V ein Teil der Fursten und grosse Teile des furstlichen Klerus schlossen sich der Reformation nicht an Auch die Reichstage zwischen 1527 und 1545 die Religionsgesprache zwischen 1540 und 1546 der Schmalkaldische Krieg 1546 47 und das Augsburger Interim 1548 vermochten diese nicht wiederherzustellen Damit war ein alle gemeinsam verpflichtendes Recht gegen Haresie auf Reichsebene de facto nicht mehr durchsetzbar Diese Regelung spater Cuius regio eius religio genannt war die Antwort auf die reichsverfassungsrechtliche Krise dass die Protestanten trotz religioser Abweichung nicht von der Herrschaft im Reich ausgeschlossen werden konnten Rechtssatz BearbeitenIm Zuge der Reformationszeit wurde das Prinzip der obrigkeitlichen Bestimmung der Religion unter der Bezeichnung Ius reformandi das Reformationsrecht in Deutschland neu gefasst Mit dem Passauer Vertrag von 1552 und im Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde ein politisches Patt zwischen Kaiser lutherischen und katholischen Landesherren des Heiligen Romischen Reiches zum Anlass genommen Verfolgung wegen Haresie gegenuber den Lutheranern zu suspendieren Die obrigkeitliche Bestimmung und Beaufsichtigung der Religion wurde aber nicht abgeschafft sondern auf die Ebene der Territorien verlagert In diesen gab es weiterhin eine obrigkeitlich durchgesetzte Religion Anerkannt im Sinne des Augsburger Religionsfriedens waren zunachst nur Katholiken und Lutheraner vgl 17 Der Westfalische Friede bezog 1648 dann auch die reformierte Konfession in die Gewahrleistung ein Dieser Kernaspekt des Ius reformandi wurde 1610 durch den pommerschen Kanonisten Joachim Stephani mit dem Satz cuius regio eius religio popularisiert Eng mit dem Rechtssatz Cuius regio eius religio verbunden war das Ius emigrandi Recht auszuwandern in 24 des Augsburger Religionsfriedens Hiernach konnten Untertanen die nicht der Konfession des Landesherrn folgen wollten in Begleitung ihrer Familie und unter Mitnahme ihres Eigentums auswandern Die Untertanen hatten somit das Recht einem erzwungenen Konfessionswechsel auszuweichen Allerdings konnte diese Auswanderung aus Glaubensgrunden nur vollzogen werden wenn alle herrschaftlichen Verbindlichkeiten abgelost waren beispielsweise durch Freikauf aus einer Leibeigenschaft was den wirtschaftlichen Ruin bedeuten konnte Ausnahmen BearbeitenGeistliche Herrschaften Bearbeiten Eine wichtige Ausnahme vom Cuius Regio Prinzip bestand in Form des reservatum ecclesiasticum Geistlicher Vorbehalt Er regelte dass ein romisch katholischer geistlicher Herrscher seine Besitzungen und Herrschaftsrechte verlor wenn er evangelisch wurde So geschehen als bspw der Kolner Erzbischof und Kurfurst Gebhard Truchsess von Waldburg seine Konfession wechselte um Kurkoln in ein weltliches und erbliches Furstentum zu verwandeln und damit den Truchsessischen Krieg begann In einem solchen Fall musste dann das Domkapitel bzw der Klosterkonvent einen romisch katholischen Nachfolger wahlen Zum Ausgleich des Nachteils der den Protestanten durch den Geistlichen Vorbehalt entstand gab Konig Ferdinand I die so genannte Declaratio Ferdinandea ab durch die die Rechte der landsassigen evangelischen Ritter und Stadte in geistlichen Territorien gesichert wurden In der Praxis setzte sich der geistliche Vorbehalt aber in Ostdeutschland und im ostlichen Norddeutschland nicht durch Dort gab es vor der Reformation eine ganze Reihe geistlicher Territorien wie Bremen Meissen Minden Magdeburg Lubeck die alle im 16 Jahrhundert unter die Herrschaft ihrer benachbarten weltlichen Territorien fielen Nur Bremen und Lubeck bewahrten formal ihren Charakter als geistliches aber lutherisches Territorium bis ins 17 18 Jahrhundert Reichsstadte Bearbeiten In den Reichsstadten bestanden nach der Reformation oft mehrere Konfessionen Hier entwickelten sich zuerst Staats und Gesellschaftsmodelle die auf eine obrigkeitlich bestimmte vom Staat vorgegebene Einheitsreligion verzichten konnten Es gab Stadte in denen bis zu vier Religionen offiziell nebeneinander existierten etwa Frankfurt am Main Romisch katholisch lutherisch reformiert und judisch In der praktischen Umsetzung zahlte dazu oft ein konfessionsgebundener Proporz in den stadtischen Gremien und manchmal auch Simultankirchen wie in den suddeutschen Paritatischen Reichsstadten Kleve Julich Berg Bearbeiten In den in Personalunion verbundenen Herzogtumern Kleve Julich und Berg verzichtete der Landesherr von Anfang an darauf seinen Untertanen ihre Konfession vorzuschreiben In der Folge setzte sich in den rechtsrheinischen Teilen der Herrschaft weitgehend der evangelische linksrheinisch der katholische Glaube durch Es blieben aber Minderheiten der jeweils anderen Konfession auf beiden Seiten Osnabruck Bearbeiten Recht kompliziert war die Situation im Hochstift Osnabruck Wahrend des 16 Jahrhunderts gab es hier keine eindeutig zugeordneten konfessionellen Verhaltnisse In vielen Pfarreien wurden katholische und lutherische Vorstellungen gemischt Erst im 17 Jahrhundert erfolgte uberall ein klares Bekenntnis zu einer Konfession Im Westfalischen Frieden 1648 wurde dann jedem Kirchspiel eine Konfession zugewiesen wobei das Bekenntnis des Pfarrers der 1624 Normaljahr im Kirchspiel tatig war massgeblich wurde So wurden 27 Kirchspiele als katholisch definiert 19 als lutherisch sieben Kirchspiele wurden als gemischt konfessionell definiert In diesen Fallen waren die ortlichen Kirchen dann meistens Simultankirchen Die in der Immerwahrenden Kapitulation Capitulatio Perpetua Osnabrugensis 1 1650 festgelegten Regelungen zur freien Religionsausubung der beiden Konfessionen behielten ihre Gultigkeit bis 1802 Das Hochstift Osnabruck war somit eines der wenigen Territorien des Alten Reiches ohne einheitliche konfessionale Festlegung Sogar der Landesherr selbst der Furstbischof von Osnabruck wurde abwechselnd von Katholiken und Lutheranern gestellt Schlesien Bearbeiten Schlesien war im Westfalischen Friedensvertrag explizit von der obigen Regel ausgenommen worden Es blieb weitgehend den einzelnen Untertanen uberlassen welcher Konfession sie angehoren wollten Dennoch versuchte die seit 1526 habsburgische Herrschaft den Katholizismus zu verbreiten So lange sie regierten gab es nur relativ wenige evangelischen Kirchen im Land In der Gft Glatz die damals noch zu Bohmen gehorte setzten sie den Katholizismus ganz durch Erst nach der preussischen Eroberung in den 1740er Jahren wurden die Evangelischen gleichberechtigt nun stiegen sie sogar schnell zur fuhrenden Konfession auf Insgesamt setzte sich der Katholizismus in Oberschlesien durch wahrend in Niederschlesien ausser der Gft Glatz die in den 1740er Jahren an Schlesien angeschlossen wurde die Mehrheit der Bevolkerung evangelisch war und blieb im 19 und 20 Jahrhundert wohl ca 55 60 Die vorherrschende Konfession der Evangelischen war das Luthertum wobei diese 1817 mit der hier winzigen calvinistischen Minderheit in der altpreussischen Kirchenunion verbunden wurde 1815 wurden Teile der Lausitz die rein lutherisch waren mit Schlesien in einer Provinz verbunden darunter auch die einzigen Teile dieser Provinz die auch heute noch zu Deutschland gehoren 1945 wurde Schlesien Teil Polens und in den folgenden Jahren fast die gesamte niederschlesische Bevolkerung nach Deutschland vertrieben In Oberschlesien blieb etwa die Halfte der Bevolkerung Polen und Ukrainer stromten stattdessen ins Land In der Folge sind evangelische Christen die heute zur Evangelischen Kirche Augsburger Konfession gehoren heute nur noch eine winzige Minderheit in ganz Schlesien Die uberwiegende Mehrheit der Bevolkerung besteht aus polnischsprachigen Katholiken Sudwesten Bearbeiten Die konfessionellen Verhaltnisse des 16 17 Jahrhundert wurden in der Regel bis ins 20 Jh bewahrt Bis dahin waren Gebiete die damals katholisch waren immer noch mehrheitlich katholisch evangelische Gebiete immer noch mehrheitlich evangelisch Eine Ausnahme von dieser Regel entstand im Sudwesten Die Gebiete die im Pfalzischen Erbfolgekrieg kurzzeitig von Frankreich annektiert waren erlebten allerdings eine Rekatholisierung Seit dieser Zeit gab es in allen diesen Gebieten soweit sie vorher evangelisch waren eine bedeutende katholische Minderheit 2 Pfalz Sulzbach Bearbeiten Seit 1656 galt auch in Pfalz Sulzbach konfessionelle Toleranz Im grossten Teil seines Territoriums setzte sich allerdings der katholische Glaube durch Nur neun Gemeinden im Grenzbereich zu Mittelfranken sind bis heute uberwiegend evangelisch Bewertung und Wirkung BearbeitenDas Cuius Regio Prinzip bedeutet die grundsatzliche rechtliche Anerkennung dass ein Konfessionswechsel wenn zunachst auch nur fur Landesherren und nur fur einzelne Konfessionen moglich und rechtmassig war Der religiose Frieden wurde nach Auseinanderbrechen der konfessionellen Einheit im Zuge der Reformation zunachst vorubergehend und im Westfalischen Frieden endgultig hergestellt Die Wahrheitsfrage wurde auf Reichsebene suspendiert und es wurde auf Verfahren abgestellt mit denen die beiden Konfessionen miteinander umgehen konnten wie etwa die itio in partes Hierdurch war auf Reichsebene eine erste Sakularisation der Staatsgewalt erreicht und damit eine Voraussetzung fur den modernen freiheitlichen Staat in seinen Anfangen entwickelt 3 Neben dieser staatsrechtlichen Wirkung hatte das Prinzip auch eine Ausstrahlung auf die individualrechtliche Sphare Das ius emigrandi gab dem Einzelnen erstmals in Religionsangelegenheiten einen individuellen Freiheitsbereich wenngleich die Ausubung durch hohe materielle Pflichten erschwert wurde Es stellt damit eine Vorform der heutigen Religions bzw Gewissensfreiheit dar In den einzelnen Reichsteilen wurde im Laufe des 18 19 Jahrhunderts die Moglichkeit mehrere Konfessionen in einem Staat zu tolerieren durch politische Zwange und die im 18 Jahrhundert wirkende Aufklarung moglich Diese Entwicklung fuhrte schliesslich in den Verfassungen des 19 Jahrhunderts zum individuellen Recht auf Religionsfreiheit Ausserhalb des Heiligen Romischen Reiches BearbeitenFrankreich Bearbeiten In Frankreich war ein Nebeneinander der Konfessionen nur zeitweise im 16 und 17 Jahrhundert moglich Mit dem Ubergreifen der Reformation nach Frankreich entstanden schwere Spannungen im Staat die erst mit dem Edikt von Nantes im Jahre 1598 gelost wurden Das Edikt wurde von Heinrich IV erlassen der selbst nach seiner Thronbesteigung vom Protestantismus zum Katholizismus konvertiert war Es garantierte den calvinistischen Protestanten Hugenotten im katholischen Frankreich religiose Toleranz und volle Burgerrechte fixierte andererseits aber den Katholizismus als Staatsreligion Der Sonnenkonig Ludwig XIV beendete jedoch 1685 durch sein Edikt von Fontainebleau diese religiose Toleranz getreu der Formel un roi une loi une foi deutsch Ein Konig ein Gesetz ein Glaube 4 Grossbritannien Bearbeiten In Grossbritannien sind nach wie vor staatsrechtliche Relikte des Grundsatzes cuius regio eius religio in Geltung Konfessionsbestimmender Souveran ist hier der Monarch in Verbindung mit dem Parlament King in parliament Im Rahmen seines Rechtes uber die Thronfolge bestimmen zu konnen schliesst es nach wie vor durch die Bill of Rights und den Act of Settlement Personen von der Thronfolge aus die der katholischen Kirche angehoren oder angehort haben Diese Einschrankungen gelten nicht automatisch fur deren Nachkommen oder wenn der Gatte wahrend einer bestehenden Ehe konvertiert Die Glaubensfreiheit der Untertanen war fur Katholiken und radikale Protestanten Dissenters nicht immer gewahrleistet wurde jedoch seit dem 18 Jahrhundert gewahrt Andere Teile Europas Bearbeiten In vielen anderen europaischen Konigreichen ist zwar ebenfalls die Konfession des Staatsoberhaupts verfassungsrechtlich vorgeschrieben so in den Niederlanden calvinistisch Schweden lutherisch und Spanien katholisch es wurde aber fruher oder spater religiose Toleranz gewahrt vom niederlandischen Staat von Anfang an in Spanien aber erst sehr spat vollige religiose Toleranz wurde dort erst 1978 erreicht Einzelnachweise Bearbeiten Capitulatio Perpetua Osnabrugensis Auf Befehl eines Hochwurdigen Dom Capittels aufs neue aufgelegt Ohne Ort 1766 Digitalisat der SLUB weiteres Digitalisat eines Abdrucks in den Privilegia Caesarea Civitatis Osnabrugensis von 1717 in der ULB Munster Karl Moersch Geschichte der Pfalz von den Anfangen bis ins 19 Jahrhundert 4 Auflage Pfalzische Verlagsanstalt Landau 1992 ISBN 978 3 87629 121 5 vgl Ernst Wolfgang Bockenforde Die Entstehung des Staates als Vorgang der Sakularisation In Sakularisation und Utopie Ebracher Studien Ernst Forsthoff zum 65 Geburtstag Kohlhammer Stuttgart u a 1967 S 75 94 Auch in Ernst Wolfgang Bockenforde Staat Verfassung Demokratie Studien zur Verfassungstheorie und zum Verfassungsrecht Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 953 Suhrkamp Frankfurt am Main 1991 ISBN 3 518 28553 X S 92 114 Hugenotten auf calvin de abgerufen am 7 Mai 2018 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Cuius regio eius religio amp oldid 238232431