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Das Ius emigrandi lateinisch Recht auszuwandern ist der Artikel 24 des Augsburger Religionsfriedens von 1555 und gewahrte allen Untertanen das Recht aus religiosen Grunden in ein Territorium ihrer Konfession auszuwandern Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 1 1 Augsburger Religionsfrieden 1 2 Ius reformandi 2 Rechtssatz 3 Auswanderungsrecht oder Ausweisungsrecht 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenAugsburger Religionsfrieden Bearbeiten Nachdem im Zuge der Reformation die religiose Einheit des Reichs zerstort worden war kam es fortan immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den protestantischen und den altglaubigen Reichsstanden Auch die Spaltung der Protestanten in Lutherische und Reformierte heizte die Konflikte weiter an sodass alle Versuche die Protestanten wieder in die altglaubige Kirche einzugliedern und so die religiose Einheit wieder herzustellen scheiterten Erst mit dem Augsburger Religionsfrieden wurden 1555 die Anhanger der Confessio Augustana von 1530 und die damit einhergehende Bikonfessionalitat des Reiches anerkannt Ius reformandi Bearbeiten Eine der grundlegenden Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens war das eng mit dem ius emigrandi zusammenhangende ius reformandi welches dem jeweiligen Landesherren das Recht zusprach die Religion seines Territoriums und all seiner Untertanen zu bestimmen Diese Regelung sollte dazu beitragen den Landfrieden zu wahren indem es den Landesherren die Moglichkeit gab ihre Religion frei zu wahlen und gleichzeitig die religiose Einheit ihres jeweiligen Territoriums wiederherzustellen Daraus ergab sich allerdings das Problem dass Untertanen deren Landesherr einer anderen Konfession angehorte als sie selbst oder der sie wechselte ihre Konfession entsprechend wechseln mussten Rechtssatz BearbeitenDas ius emigrandi bot als eine Art Ausgleich zum ius reformandi den Untertanen die Moglichkeit ihren Besitz zu verkaufen und mit ihrer Familie in ein Territorium ihrer Konfession auszuwandern wenn sie ihre Konfession nicht wechseln wollten Wo aber Unsere auch der Churfursten Fursten und Stande Unterthanen der alten Religion oder Augspurgischen Confession anhangig von solcher ihrer Religion wegen aus Unsern auch der Churfursten Fursten und Standen des H Reichs Landen Furstenthumen Stadten oder Flecken mit ihren Weib und Kindern an andere Orte ziehen und sich nieder thun wolten denen soll solcher Ab und Zuzug auch Verkauffung ihrer Haab und Guter gegen zimlichen billigen Abtrag der Leibeigenschafft und Nachsteuer wie es jedes Orts von Alters anhero ublichen herbracht und gehalten worden ist unverhindert manniglichs zugelassen und bewilligt auch an ihren Ehren und Pflichten allerding unentgolten seyn Doch soll den Oberkeiten an ihren Gerechtigkeiten und Herkommen der Leibeigenen halben dieselbigen ledig zu zehlen oder nicht hiedurch nichts abgebrochen oder benommen seyn 24 Auch wenn diese Regelung auf den ersten Blick allen Untertanen ein Recht zusprach das es ihnen ermoglichte ihre Konfession frei zu wahlen muss an dieser Stelle hinterfragt werden ob dies in der Realitat tatsachlich immer praktikabel war Das Aufgeben der Existenz und das Auswandern in ein anderes Territorium konnten durchaus den wirtschaftlichen Ruin bedeuten zumal beim Verkauf von Besitz nicht immer eine ausreichende Summe erzielt werden konnte Es war ausserdem keinesfalls sicher dass in einem anderen Territorium einfach wieder Fuss gefasst werden konnte 1 Die Regelungen des ius emigrandi von 1555 wurden schliesslich in modifizierter Form auch in den Westfalischen Friedensvertrag von 1648 ubernommen der auch ein Bleiberecht fur konfessionelle Minderheiten enthielt Auswanderungsrecht oder Ausweisungsrecht BearbeitenWie bei vielen Regelungen des Augsburger Religionsfriedens ist auch die Deutung des ius emigrandi nicht eindeutig So geht aus der Formulierung nicht klar hervor ob ein Untertan der nicht die Konfession seines Landesherren annehmen will auswandern darf oder muss Das Auswanderungsrecht der Untertanen und das Ausweisungsrecht der Landesherren liegen somit nah beieinander 2 Sollte ein Untertan die Konfession seines Landesherren nicht annehmen wollen konnte der Landesherr ihn aus einem Territorium ausweisen und sich dabei einfach auf das ius emigrandi berufen Die evangelische Lesart des 24 betont deutlich das Recht der Untertanen auf Auswanderung welches von evangelischer Seite bereits mehrmals eingefordert worden war Die altglaubige Seite hingegen legte ihn vornehmlich als Ausweisungsrecht aus 3 Bei genauerem Hinsehen wird also deutlich dass das ius emigrandi vornehmlich dazu diente das ius reformandi der Landesherren in der Realitat praktikabler zu machen Daher ist auch die in der Forschung oft diskutierte Frage ob das ius emigrandi der Vorlaufer eines modernen Grundrechts sei nicht leicht zu beantworten Die nicht zu bestreitende Fortschrittlichkeit des ius emigrandi als Auswanderungsrecht und die Interpretation als Ausweisungsrecht bilden einen starken Kontrast In der Praxis setzte sich sowohl 1555 als auch 1648 schliesslich letzteres durch auch wenn die Bedeutung des Rechts auf Auswanderung als ein erster Schritt in Richtung Religionsfreiheit nicht unterschatzt werden darf 4 Literatur BearbeitenMatthias Asche Auswanderungsrecht und Migration aus Glaubensgrunden Kenntnisstand und Forschungsperspektiven zur ius emigrandi Regelung des Augsburger Religionsfriedens in Heinz Schilling Heribert Smolinsky Hrsg Der Augsburger Religionsfrieden 1555 Wissenschaftliches Symposium aus Anlass des 450 Jahrestages des Friedensschlusses Augsburg 21 bis 25 September 2005 Munster 2007 S 75 104 Axel Gotthard Der Augsburger Religionsfrieden Munster 2004 Georg May Die Entstehung der hauptsachlichen Bestimmungen uber das ius emigrandi Art V 30 43IPO auf dem Westfalischen Friedenskongress in ZRG Kan Abt 74 1 1988 S 436 494 Dietmar Willoweit Religionsrecht im Heiligen Romischen Reich zwischen Mittelalter und Aufklarung in Carl A Hoffmann Markus Johanns Annette Kranz u a Hrsg Als Frieden moglich war 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden Begleitband zur Ausstellung im Maximiliansmuseum Augsburg Regensburg 2005 S 35 50 Weblinks BearbeitenDer Augsburger Reichsabschied Augsburger Religionsfrieden im Volltext Internet Portal Westfalische Geschichte Einzelnachweise Bearbeiten Axel Gotthard Der Augsburger Religionsfrieden Munster 2004 S 529 Matthias Asche Auswanderungsrecht und Migration aus Glaubensgrunden Kenntnisstand und Forschungsperspektiven zur ius emigrandi Regelung des Augsburger Religionsfriedens In Heinz Schilling Heribert Smolinsky Hrsg Der Augsburger Religionsfrieden 1555 Wissenschaftliches Symposium aus Anlass des 450 Jahrestages des Friedensschlusses Augsburg 21 bis 25 September 2005 Munster 2007 S 84 86 Matthias Asche Auswanderungsrecht und Migration aus Glaubensgrunden Kenntnisstand und Forschungsperspektiven zur ius emigrandi Regelung des Augsburger Religionsfriedens In Heinz Schilling Heribert Smolinsky Hrsg Der Augsburger Religionsfrieden 1555 Wissenschaftliches Symposium aus Anlass des 450 Jahrestages des Friedensschlusses Augsburg 21 bis 25 September 2005 Munster 2007 S 84 Axel Gotthard Der Augsburger Religionsfrieden Munster 2004 S 100 101 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ius emigrandi amp oldid 214074300