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Als Gradmessung wird eine astronomisch geodatische Methode bezeichnet die vom 16 bis ins 20 Jahrhundert zur Vermessung der Erdfigur des Erdellipsoids verwendet wurde Der Name kommt von der genauen Bestimmung jener Distanz 110 6 111 7 km die zwischen zwei um 1 verschiedenen Breitengraden liegt Gedenktafel auf dem Grossen Feldberg Taunus Inhaltsverzeichnis 1 Methodik und erste Messungen 2 Franzosische Erdmessung Lappland Peru 3 Weitere wichtige Meridianbogen im 18 20 Jahrhundert 4 Langengradmessungen und spatere Vernetzung 4 1 Internationale Grad und Erdmessung 4 2 Referenz und Erdellipsoide 5 Literatur 6 Siehe auch 7 WeblinksMethodik und erste Messungen BearbeitenDie Methode beruht auf der Messung der Erdkrummung zwischen weit entfernten Punkten indem deren Distanz Bogenlange B mit dem Winkel b zwischen ihren astronomisch bestimmten Lotrichtungen verglichen wird Der Quotient B b ergibt den mittleren Krummungsradius der Erde zwischen diesen Punkten Am besten wahlt man diese zwei Standorte der Lotrichtungsmessung in Nord Sud Richtung sodass b der Differenz ihrer geografischen Breite entspricht nbsp Erdmessung des EratosthenesDas Prinzip der Gradmessung geht auf den alexandrinischen Mathematiker und Bibliotheksdirektor Eratosthenes zuruck er schatzte den Erdumfang um 240 v Chr aus dem um 7 2 unterschiedlichen Sonnenstand zwischen Alexandria und Syene heutiges Assuan Sein Ergebnis von 250 000 Stadien traf je nach genauer Lange des verwendeten Stadions den wahren Wert auf etwa 10 Prozent Die Methode wurde im fruhen Mittelalter von den Arabern unter Al Ma mun auf 1 2 Genauigkeit verfeinert In Frankreich erhielt Jean Francois Fernel 1497 1558 1525 aus einem Meridianbogen nordlich von Paris einen mittleren Erdradius ca 6370 km bereits auf einige Kilometer genau wobei er die Entfernung aus den Radumdrehungen seiner Kutsche ermittelte Der Hollander Willebrord van Roijen Snell Snellius ermittelte 1615 die Distanzen erstmals mit der Triangulation grosser Dreiecke Jean Picard bestimmte 1670 als Erster den Meridianbogen Paris Amiens durch Triangulation mit Quadranten die Messfernrohre mit Fadenkreuzokularen zum Anvisieren des Gestirns hatten Damit wurde eine bis dahin nicht mogliche Prazision erreicht Die anschliessenden Verlangerungen dieses Meridianbogens bis nach Dunkirchen und Perpignan Anfang des 18 Jahrhunderts liessen auf eine ortlich variierende Erdkrummung schliessen also Abweichungen von der Kugelform Die Streitfrage der damaligen Zeit ob die Erdkrummung zum Pol ab oder zunimmt und die Erde polwarts abgeplattet oder eiformig ist wurde erst durch die franzosischen Erdmessungen in Lappland und Peru geklart Im 20 Jahrhundert ging man von Profil auf Flachennetze uber und bestimmte die regionale Erdkrummung durch verschiedene Geoidstudien und landerubergreifende Projekte Seit der Praxistauglichkeit von GNSS beziehen sich viele Vermessungen aber nicht mehr auf die wahre Erdgestalt Geoid sondern auf ein mittleres Erdellipsoid was freilich Probleme bei der Hohenmessung zur Folge hat Franzosische Erdmessung Lappland Peru BearbeitenWegen widerspruchlicher Resultate rustete die Pariser Academie des sciences zwei grosse Expeditionen aus eine unter der Leitung von Charles Marie de La Condamine nach Ecuador damals Teil von Peru und eine unter der Leitung von Pierre Louis Maupertuis nach Lappland Die Ergebnisse dieser Messungen 1735 1740 ergaben 1 eine Erdabplattung von f 0 0046 heutiger Wert 0 00335 womit die Verkurzung des Erdradius zu den Polen 6378 6357 km bzw der wachsende Krummungsradius 6335 6400 km erstmals nachgewiesen war Land Beobachter geogr Breite G Bogen Grad KrummungsradiusEcuador Bouguer et al 01 31 56 734 Toisen 6335 5 kmFrankreich Jean Picard 49 13 57 060 Toisen 6371 9 kmLappland Maupertuis 66 20 57 438 Toisen 6414 km Cassinis Nachmessung 1740 ergab Abplattung f 0 00329Weitere wichtige Meridianbogen im 18 20 Jahrhundert BearbeitenLeitung JahrBoskovic Lemaine 1751 1753 2 Rimini Rom erstmals AusgleichsrechnungJoseph Liesganig 1761 1765 3 Brunn Wien VarasdinDelambre Mechain 1792 1798 9 Dunkirchen Paris BarcelonaGauss fur Hannover 1821 1823 2 Gottingen Altonaengl Triangulation 1784 1858 9 Shetland Isle of WightIndien Lambton Everest 1802 1841 23 Himalaya Kap KomorinStruve Tenner 1821 1852 25 Struve Bogen Hammerfest DonaumundungEuropaische Gradmessung 1867 internationale Koordination s unten ostliche USA 1900 20 Meridiane SchragkettenPeru Meridian 1899 1906 6 Kolumbien Ecuador PeruPariser Meridian 1906 27 Shetland AlgierBerliner Mer F Hopfner 1922 7 Grossenhain Kremsmunster Pola Alpen Querung westliches Nordamerika 1922 50 Eismeer Mexiko spater sudlich verlangertSudafrika R Schumann 1925 25 Tanganjika Kapland Aquatorachse 100 m Afrika 30 D Gill 1940 65 Kairo Tanganjika KapstadtJapan 1940 20 Kurilen SudjapanLangengradmessungen und spatere Vernetzung BearbeitenDie Gradmessung entlang von Meridianen ist einfacher durchfuhrbar weil die astronomischen Arbeiten nur Breitenmessungen erfordern Fur genaue kontinentale Projekte sind allerdings auch Ost West Profile und Messungen der geografischen Langen notwendig die global wegen der Notwendigkeit genauer Zeitbestimmungen erst durch funktechnische Zeitsignale und Prazisions Chronometer moglich wurden Kontinent Jahr MeridianEuropa 52 Breite 1895 69 Irland Deutschland Polen UralNordamerika 39 Breite 1898 49 Atlantik PazifikUSA Mexiko 19 Europa 48 Br A Galle 1923 19 Brest Paris Wien AstrachanIndien 24 R Schumann 1925 25 Panschab BengalenAustralien Sud 1930 40 incl TriangulationsnetzeTranssibirien 51 52 1950 80 mit Europa 52 15 000 km ProfilEuropanetz 40 60 1951 90 Geoid Bestimmung auf 1 m H WolfInternationale Grad und Erdmessung Bearbeiten nbsp Gedenkstein auf dem Kiekeberg bei Hamburg TP Vahrendorf 4 2525 oder Station Vahrendorf von Heinrich Christian Schumacher eingerichtet nbsp Gradmessungspfeiler auf dem DreifaltigkeitsbergZur internationalen Koordinierung der genannten Grossprojekte wurde 1862 auf deutsch osterreichische Initiative die Mitteleuropaische Gradmessungs Kommission gegrundet Ihr langjahriger Leiter war der preussische General Johann Jacob Baeyer Sie wurde 1867 zur Europaischen Gradmessung erweitert und stellt den Vorlaufer der internationalen geodatischen Union IAG dar 1919 sowie der heutigen geowissenschaftlichen Union IUGG Seit etwa 1910 bzw 1940 werden die Profile in Richtung Nord Sud bzw Ost West nicht mehr getrennt beobachtet bzw ausgewertet sondern zunehmend zu grossen Vermessungsnetzen verbunden Der Rechenaufwand solcher grossraumiger Area Networks und ihre Ausgleichsrechnung steigt zwar enorm mit 2 bis 3 Potenz der Punktanzahl lohnt sich aber durch hohere Genauigkeiten und Homogenitat Die ersten dieser Grossprojekte betrafen die USA und Westeuropa auf das Dritte Reich geht die erstmalige Vernetzung von Ost und Westeuropas Landesvermessungen zuruck Seit den 1970ern und der Entwicklung der EDV werden diese Flachennetze auch mit 3D Messungen der Satellitengeodasie kombiniert Dadurch geht der klassische Begriff der Gradmessung in jenem der Erdmessung auf Referenz und Erdellipsoide Bearbeiten In der Landesvermessung haben die einzelnen Staaten bis etwa 1850 ihr jeweils eigenes geodatisches Datum Bezugssystem definiert Mit der internationalen Verlangerung und Vernetzung der erwahnten Gradmessungs Profile entwickelte sich die Moglichkeit und der Wunsch den einzelnen Gebieten grossraumiger gultige Daten zugrunde zu legen So entstand eine Reihe sogenannter Referenzellipsoide die sich mit zunehmender Ausdehnung dem mittleren Erdellipsoid annaherten Von den weltweit etwa 200 staatlichen Vermessungsnetzen basieren heute uber 90 auf den Daten von einem Dutzend weitraumiger Ellipsoide was ihre Gute erhoht und die internationale Kooperation erleichtert Die alteren dieser Ellipsoide beruhen auf den grossen Meridianbogen des 2 Abschnitts die neueren entstanden aus interkontinentalen und Satelliten Netzen Die wichtigsten dieser Ellipsoide sind Erdellipsoid grosse Achse a in Meter kleine Achse b in Meter 1 Abplattung fG B Airy 1830 6 377 563 40 0 6 356 256 91 299 3249646Everest Indien 1830 6 377 276 345 300 8017Bessel 1841 6 377 397 155 6 356 078 965 299 1528128Clarke 1866 6 378 206 400 z T Asien 294 9786982Clarke 1880 IGN 6 378 249 150 293 465 466 Australian Nat 6 378 160 000 298 25Internat 1924 Hayford 6 378 388 000 publ 1909 297 0Krassowski 1940 6 378 245 000 298 3Internat 1967 Luzern 6 378 165 000 erstmals Satelliten 298 25SAD69 South America 6 378 160 000 z T Astrogeoid Mercury 298 25WGS72 World Geodetic System 1972 6 378 135 000 298 26GRS 80 Geo Referenzsystem 6 378 137 000 ca WGS 84 298 257222 WGS84 World Geodetic System 1984 6 378 137 000 6 356 752 315 298 257223563Fur viele Staaten Mitteleuropas ist das Bessel Ellipsoid wichtig ferner die Ellipsoide von John Fillmore Hayford und Krassowski und fur GPS Vermessungen das WGS 84 Die Pionierarbeit von Jean Baptiste Joseph Delambre beruht nur auf lokalen Messungen Hingegen entsteht der grosse Unterschied zwischen den Ellipsoiden von Everest Asien und Hayford Amerika durch die geologisch bedingte Geoid Krummung der beiden Kontinente Literatur BearbeitenJohann Jacob Baeyer Ueber die Grosse und Figur der Erde Eine Denkschrift zur Begrundung der mittel europaischen Gradmessung Reimer Berlin 1861 Digitalisat PDF 4 MB W Torge Geschichte der Geodasie in Deutschland de Gruyter Berlin 2007 ISBN 978 3 11 019056 4Siehe auch BearbeitenAstrogeoid Erdfigur Erdquadrant Meridianbogen Meridiankreis Astronomisches Nivellement Krummungsradius Schmiegungskugel Bessel Ellipsoid Clarke Ellipsoid John Fillmore Hayford WGS 84Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Europaische Gradmessung Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikisource Projecte zur Erweiterung der europaischen Gradmessung von Johann Jacob Baeyer 1870 Quellen und Volltexte nbsp Wikisource Die neue Erdmessung am Aequator Zeitungsartikel 1906 Quellen und Volltexte Wie Eratosthenes mit dem Prinzip der Gradmessung die Erde vermessen hatNormdaten Sachbegriff GND 4259780 8 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gradmessung amp oldid 220981369