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Dieser Artikel behandelt den physikalischen Begriff Fur andere Begriffe siehe Bezugssystem Begriffsklarung Ein Bezugssystem ist in der Physik ein gedachtes raum zeitliches Gebilde das erforderlich ist um das Verhalten ortsabhangiger Grossen eindeutig und vollstandig zu beschreiben Insbesondere kann die Lage und Bewegung von physikalischen Korpern nur relativ zu einem Bezugssystem angegeben werden 1 Ein Bezugssystem wird definiert indem man einen Bezugspunkt wahlt und die Raumrichtungen festlegt sowie einen physikalischen Prozess fur die Zeitmessung bestimmt Dadurch ist zunachst festgelegt was unter Ruhe und Bewegung jeweils zu verstehen ist Zudem ermoglicht dies ein Koordinatensystem einzufuhren mit dessen Hilfe physikalische Ereignisse durch Angabe ihrer raum zeitlichen Koordinaten mathematisch beschrieben werden konnen Wenn Beobachter von verschiedenen Bezugssystemen ausgehen konnen sie zu einem physikalischen Vorgang verschiedene Beschreibungen geben die dennoch alle zutreffen wenn man ihr jeweiliges Bezugssystem berucksichtigt Zum Beispiel konnte ein Autofahrer zu Recht behaupten dass ihm ein Baum entgegenkommt wahrend ein am Strassenrand neben dem Baum stehender Beobachter ebenfalls zu Recht den Vorgang umgekehrt sieht Ihm und damit dem Baum kommt das Auto entgegen In der Physik gilt dass jedes so definierte Bezugssystem gleichberechtigt gewahlt werden darf und dass es keinen grundlegenden Prozess gibt durch den man ein bestimmtes Bezugssystem vor allen anderen auszeichnen konnte Inhaltsverzeichnis 1 Bezugssysteme in der klassischen Physik und in der Relativitatstheorie 2 Bezugspunkte und Koordinatensysteme 3 Haufig gewahlte Bezugssysteme 3 1 Ruhesystem 3 2 Laborsystem 3 3 Absolut und Relativsystem 3 4 Schwerpunktsystem 3 5 Inertialsystem 3 6 Beschleunigtes Bezugssystem 3 7 Rotierendes Bezugssystem 3 8 Frei fallendes Bezugssystem 4 Wechsel des Bezugssystems 4 1 Einfache Beispiele 4 1 1 Welche Kugel stosst die andere an 4 1 2 Unter welchem Winkel fliegen die Kugeln auseinander 4 2 Koordinatentransformation von einem Bezugssystem in ein anderes 4 3 Relativitatsprinzip 5 Geschichte 5 1 Mechanik 5 2 Elektrodynamik 5 3 Astronomie und Kosmologie 6 Siehe auch 7 EinzelnachweiseBezugssysteme in der klassischen Physik und in der Relativitatstheorie BearbeitenIn der klassischen Physik stimmen verschiedene Bezugssysteme in den Abstanden je zweier Punkte in den Winkeln zwischen je zwei Geraden und in der Zeitdifferenz je zweier Ereignisse uberein Daher kann die Zeitkoordinate t displaystyle t fur alle Bezugssysteme einheitlich gewahlt werden und fur die Geschwindigkeiten gilt die vektorielle Addition Das bedeutet dass die Geschwindigkeit v displaystyle vec v die ein Vorgang in einem bewegten Bezugssystem K hat vektoriell zu der Geschwindigkeit V displaystyle vec V addiert wird mit der sich K in einem Bezugssystem K bewegt um die Geschwindigkeit v displaystyle vec v desselben Vorgangs in K zu erhalten v V v displaystyle vec v vec V vec v Klassisches Additionstheorem der Geschwindigkeiten Dagegen stimmt in der Realitat die Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugssystemen uberein was mit dem klassischen Additionstheorem nicht in Einklang zu bringen ist Die in der Relativitatstheorie gefundene Losung geht davon aus dass Abstande Winkel und Zeitintervalle in verschiedenen Bezugssystemen unterschiedlich sein konnen Eine Folge ist das relativistische Additionstheorem fur Geschwindigkeiten nach dem die vektorielle Addition nur fur kleine Geschwindigkeiten verglichen mit der Lichtgeschwindigkeit eine gute Naherung darstellt Die Abweichungen die bei grossen Geschwindigkeiten merklich auftreten sind durch Messungen bestatigt Bezugspunkte und Koordinatensysteme Bearbeiten Skizze eines BezugssystemsAls Bezugspunkt wird haufig ein Punkt eines realen Korpers gewahlt z B die linke vordere Ecke des Tisches die Mitte des Bahnsteigs oder das Zentrum der Sonne 2 Es kann sich aber auch um einen gedachten Punkt handeln z B der gemeinsame Schwerpunkt von Erde und Mond oder ein frei fallendes Bezugssystem 3 Um die drei Raumrichtungen festlegen zu konnen bedarf es noch mindestens zweier weiterer Punkte Durch diese drei Punkte wird eine Ebene aufgespannt Die dritte Dimension erhalt man dann z B als Normale auf dieser Ebene Damit hat man alle Voraussetzungen fur die Definition eines Koordinatensystems das zur Angabe von Raumpunkten verwendet werden kann Deshalb wird der Begriff Bezugssystem in der Literatur auch gelegentlich synonym zum Begriff Koordinatensystem verwendet Meist werden die Begriffe jedoch unterschieden weil ein und dasselbe Bezugssystem z B das der Erde durch verschiedene Koordinatensysteme z B kartesische Koordinaten und Polarkoordinaten beschrieben werden kann Dabei lassen sich durch eine Koordinatentransformation die Raum und Zeitkoordinaten eines beliebigen Vorgangs von einem Koordinatensystem in das andere umrechnen Physikalische Formeln die im selben Bezugssystem denselben Vorgang beschreiben konnen daher bei Benutzung verschiedener Koordinatensysteme trotzdem ganz verschiedene Gestalt annehmen Haufig gewahlte Bezugssysteme BearbeitenRuhesystem Bearbeiten Hauptartikel Ruhesystem Ein Bezugssystem in dem der betrachtete Korper ruht nennt man sein Ruhesystem Er besitzt in diesem Bezugssystem keine kinetische Energie weder durch Translation noch durch Rotation und befindet sich im Kraftegleichgewicht Laborsystem Bearbeiten Hauptartikel Laborsystem Das Ruhesystem des Beobachters und der Apparatur des betrachteten Experiments heisst Laborsystem Es ist meist das nachstliegende Bezugssystem zur Beschreibung eines Experiments aber nicht immer das am besten geeignete Das Laborsystem ist sofern es sich auf der Erde befindet nur angenahert ein Inertialsystem Absolut und Relativsystem Bearbeiten Unter anderem in der Stromungslehre werden zwei unterschiedliche Bezugssysteme unterschieden Das Bezugssystem in dem das aussere Gehause eines betrachteten Gegenstands ruht zum Beispiel die Verkleidung einer Turbine wird als Absolutsystem definiert Ein Bezugssystem welches sich relativ zu diesem bewegt zum Beispiel ein Bezugssystem das sich mit den Turbinenschaufeln mitbewegt wird daher als Relativsystem bezeichnet 4 Schwerpunktsystem Bearbeiten Hauptartikel Schwerpunktsystem Im Schwerpunktsystem eines aus mehreren Korpern bestehenden physikalischen Systems ruht deren gemeinsamer Schwerpunkt im Ursprung des Bezugssystems Fur manche physikalischen Prozesse z B den elastischen Stoss erlaubt das Schwerpunktsystem eine besonders einfache Beschreibung weil die Impulse der beiden beteiligten Korper hier per Definition entgegengesetzt gleich sind Auch bei mehreren beteiligten Korpern wie sie z B haufig bei Kernreaktionen auftreten ist das Schwerpunktsystem sinnvoll Hier ist die Vektorsumme aller Impulse zu betrachten Sie ist konstant gleich Null siehe Schwerpunktsatz Inertialsystem Bearbeiten Hauptartikel Inertialsystem Ein Bezugssystem in dem kraftefreie Teilchen ruhen oder mit konstanter Geschwindigkeit gerade Bahnen durchlaufen heisst Inertialsystem Dies besagt der Tragheitssatz Die Ortskoordinaten r t displaystyle vec r t dieser Bahnen sind linear inhomogene Funktionen der Zeit t displaystyle t r t r 0 v t displaystyle vec r t vec r 0 vec v t Darin ist r 0 displaystyle vec r 0 der Ort des Teilchens zur Zeit t 0 displaystyle t 0 und v displaystyle vec v seine Geschwindigkeit Solche Bezugssysteme sind bis auf die Wahl des Orts und Zeitursprungs die Wahl von drei Richtungen oben vorn rechts und die Wahl einer konstanten Geschwindigkeit des ganzen Bezugssystems gegenuber einem anderen Inertialsystem festgelegt Das bedeutet Jedes Bezugssystem das relativ zu einem Inertialsystem ruht oder sich mit konstanter Geschwindigkeit gegenuber ihm bewegt ist ebenfalls ein Inertialsystem Die zurzeit 2017 beste bekannte Annaherung an ein Inertialsystem ist der in der Astronomie definierte Inertialraum Beschleunigtes Bezugssystem Bearbeiten Hauptartikel beschleunigtes Bezugssystem Hauptartikel Tragheitskraft Ein Bezugssystem das kein Inertialsystem ist heisst beschleunigtes Bezugssystem In Bezug zu einem solchen System zeigen die Korper Bewegungen die mit den aus dem Inertialsystem bekannten Kraften nicht immer erklarbar sind Zur Erlauterung des Unterschiedes soll folgendes Beispiel dienen Im Bahnhof fahrt ein Zug an darin ein Mann mit Kinderwagen ohne angezogene Bremse Das Bezugssystem in dem der Bahnsteig ruht ist in sehr guter Naherung ein Inertialsystem Das Bezugssystem des anfahrenden Zuges ist jedoch ein beschleunigtes Bezugssystem Der Kinderwagen erfahrt durch das Anfahren keine Kraft langs der Fahrtrichtung und verharrt im Bezugssystem Bahnsteig deshalb in Ruhe Daher rollt er relativ zum anfahrenden Zug beschleunigt nach hinten Um den Kinderwagen relativ zum Zug in Ruhe zu halten muss der Mann auf den Kinderwagen eine Kraft ausuben die diesen synchron mit dem Zug beschleunigt Dieser beschleunigenden Kraft setzt der Kinderwagen seinen gleich grossen Tragheitswiderstand entgegen der sich bei dem Mann wie eine reale Kraft auswirkt In einem beschleunigten Bezugssystem bewegen sich Korper auf die vom Standpunkt des Inertialsystems aus keine Krafte wirken mit einer Beschleunigung a displaystyle vec a beschleunigt bzw auf gekrummten Bahnen Es scheint auf den Korper eine Kraft F displaystyle vec F einzuwirken die nach der Grundgleichung der Mechanik F m a displaystyle vec F m vec a diese Beschleunigung verursacht So schliesst der Beobachter im beschleunigten Bezugssystem auf eine Kraft die es im Inertialsystem gar nicht gibt Solche Krafte werden Scheinkrafte oder Tragheitskrafte genannt Fur den Beobachter im beschleunigten Bezugssystem sind sie aber obwohl sich keine andere Ursache fur sie finden lasst als seine Wahl des Bezugssystems genauso real wie alle anderen Krafte So verharrt ein Korper im beschleunigten System nur dann in Ruhe wenn es eine zu der Tragheitskraft entgegengesetzte Kraft gibt die den Korper relativ zum beschleunigten Bezugssystem im Ruhezustand halt Abgesehen von der im beschleunigten Bezugssystem beobachteten Beschleunigung a displaystyle vec a ruhren alle weiteren Folgen die ublicherweise der Tragheitskraft zugeschrieben werden genau genommen von den Kraften her mit denen diese Beschleunigung beeinflusst z B verhindert wird Rotierendes Bezugssystem Bearbeiten Siehe auch Beschleunigtes Bezugssystem Ein rotierendes Bezugssystem ist der Spezialfall dass ein beschleunigtes Bezugssystem keine Translation ausfuhrt sondern nur eine Drehbewegung um den Ursprung Obwohl an dieser Situation nichts beschleunigt erscheint sofern Drehachse und Winkelgeschwindigkeit gleich bleiben wird das rotierende Bezugssystem zu den beschleunigten Bezugssystemen gezahlt Im rotierenden Bezugssystem erfahren Korper die sich nicht auf der Drehachse befinden eine nach aussen gerichtete Zentrifugalkraft und sie verharren nur dann in Ruhe wenn gleichzeitig eine nach innen gerichtete Zentripetalkraft auf sie einwirkt Betrachtet man dieselbe Situation von einem Inertialsystem aus so fuhrt derselbe Korper eine Kreisbahn um die Drehachse aus und die Zentripetalkraft bewirkt gerade diejenige nach innen gerichtete Beschleunigung die ihn auf seiner Kreisbahn halt siehe etwa Kettenkarussell Wahrend die Zentrifugalkraft in einem rotierenden Bezugssystem auf jeden Korper wirkt wirkt eine zweite Tragheitskraft die Corioliskraft nur auf solche Korper die sich relativ zum rotierenden System bewegen Solange man z B auf einer rotierenden Scheibe nur steht spurt man auch nur die Zentrifugalkraft Versucht man nun auf der Scheibe zu gehen tritt die Corioliskraft hinzu Sie ist immer zur Bewegungsrichtung seitwarts gerichtet und lasst einen eine Kurve beschreiben Versucht man z B geradeaus auf die Drehachse zu oder von ihr weg zu gehen wird man in Drehrichtung bzw ihr entgegen abgelenkt Lauft man dagegen in konstantem Abstand um die Drehachse der Scheibe herum ist die Corioliskraft radial gerichtet also parallel oder antiparallel zur Zentrifugalkraft Wenn man dann gegen die Drehrichtung gerade so schnell lauft dass man von aussen betrachtet an derselben Stelle bleibt dann ist man im Inertialsystem in Ruhe also frei von Krafteinwirkung Im Bezugssystem der Scheibe beschreibt man aber eine Kreisbewegung um die Drehachse die in diesem Bezugssystem ihrerseits eine nach innen gerichtete Relativbeschleunigung erfordert Diese wird von der Corioliskraft erzeugt die in diesem Fall nach innen gerichtet ist und im rotierenden Bezugssystem nicht nur die allgegenwartige Zentrifugalkraft neutralisiert sondern daruber hinaus die fur die Kraft sorgt die fur die Relativbeschleunigung zur Drehachse hin benotigt wird Die Erde als Bezugskorper definiert ein rotierendes Bezugssystem Jedoch konnen aufgrund der langsamen Erdrotation die Unterschiede zu einem Inertialsystem oft vernachlassigt werden so z B bei vielen physikalischen Vorgangen im Alltag Im Labor sind die Unterschiede nur mit speziellen Experimenten wie dem Foucaultschen Pendel nachweisbar Grossraumig haben sie aber unubersehbaren Einfluss z B auf Meeresstromungen und Wetter Frei fallendes Bezugssystem Bearbeiten Ist das Bezugsystem an einen Punkt geknupft der sich im freien Fall befindet so heben sich Gravitations und Tragheitskraft gegenseitig auf Der Begriff freier Fall ist hier im physikalischen Sinn zu nehmen d h er ist nicht auf Korper beschrankt die senkrecht nach unten sturzen Vielmehr sind damit alle Korper gemeint die nicht durch irgendwelche ausseren Stutz Halte oder Reibungskrafte daran gehindert werden frei der Schwerkraft zu folgen Auch eine Raumstation die antriebslos ausserhalb der Atmosphare in einer Umlaufbahn um die Erde kreist befindet sich demnach im freien Fall Hier ist die Erdanziehungskraft nicht spurbar weil die Schwerkraft alle Massen auch die Astronauten gleichmassig beschleunigt und keine weiteren Krafte wirken Es herrscht die so genannte Schwerelosigkeit Das Verschwinden von Gravitations und Tragheitskraften in frei fallenden Bezugssystemen kann auf zweierlei Weise erklart werden Man kann das Ruhesystem der Erde als Bezugssystem wahlen und stellt dann fest dass ein fallender Korper durch seine Gewichtskraft beschleunigt wird Sein eigenes Ruhesystem ist also ein beschleunigtes Bezugsystem in dem zusatzlich zur Gewichtskraft Tragheitskrafte auftreten Diese Tragheitskrafte sind nach Betrag und Richtung so beschaffen dass sie die Gewichtskraft genau kompensieren Also verhalt sich ein frei fallender Korper in seinem Ruhesystem so als wurden keine ausseren Krafte auf ihn einwirken Die andere Betrachtungsweise geht davon aus dass nicht das Ruhesystem der Erde sondern das frei fallende Bezugssystem ein Inertialsystem ist Aus dieser Perspektive wird ein Korper der auf der Erde ruht bestandig nach oben beschleunigt und sein Gewicht ist nichts anderes als die durch diese Beschleunigung hervorgerufene Tragheitskraft So wird die Gravitationskraft selbst zu einer Scheinkraft Beide Betrachtungsweisen sind mathematisch aquivalent Einstein stellte die Aquivalenz von Gravitationskraften mit Tragheitskraften in Form des Aquivalenzprinzips an den Anfang seiner allgemeinen Relativitatstheorie Wechsel des Bezugssystems BearbeitenDie genaue Beschreibung eines physikalischen Phanomens hangt im Allgemeinen vom gewahlten Bezugssystem ab zum Beispiel die beobachteten Werte fur Ortskoordinaten und Zeiten und damit alle daraus gebildeten Grossen wie Geschwindigkeit Beschleunigung etc Je nach Bezugssystem erscheinen die Beobachtungen desselben konkreten Vorgangs verschieden so dass daraus verschiedene Formeln abgelesen werden und unter Umstanden verschiedene Schlusse hinsichtlich des Ablaufs des Vorgangs oder der ihm zugrundeliegenden physikalischen Gesetze gezogen werden konnen Grossen und mathematische Beziehungen die bei einem Wechsel des Bezugssystems unverandert bleiben nennt man invariant Einfache Beispiele Bearbeiten Siehe auch Kinematik Teilchenprozesse Welche Kugel stosst die andere an Bearbeiten Bei einem Billardspiel sieht ein am Billardtisch stehender Beobachter d h im Laborsystem wie eine weisse Billardkugel zentral gegen eine ruhende rote stosst und dann liegen bleibt In einem anderen Bezugssystem das sich mit konstanter Geschwindigkeit so bewegt dass die weisse Kugel darin anfangs ruht kommt die rote Kugel mit entgegengesetzter Geschwindigkeit auf die ruhende weisse Kugel zu stosst sie an und bleibt dann liegen wahrend die weisse Kugel sich nun mit der anfanglichen Geschwindigkeit der roten davonbewegt In einem dritten Bezugssystem dem Schwerpunktsystem beider Kugeln bewegen sich beide Kugeln erst aufeinander zu stossen zusammen und bewegen sich voneinander weg stets mit gleicher Geschwindigkeit die gerade halb so gross ist wie die Anfangsgeschwindigkeit der roten Kugel im ersten Bezugssystem Die Frage welche Kugel die andere anstosst ist insofern keine physikalisch sinnvolle Frage als sie unterschiedlich beantwortet werden kann je nachdem in welchem Bezugssystem ein Beobachter den Vorgang interpretiert Unter welchem Winkel fliegen die Kugeln auseinander Bearbeiten Im Bezugssystem Billardtisch gilt die allgemeine Regel dass nach einem nicht zentralen Stoss der weissen gegen die ruhende rote Billardkugel sich beide unter genau 90 auseinanderbewegen Im Schwerpunktsystem dagegen bilden ihre Bewegungsrichtungen nach dem Stoss stets einen Winkel von 180 genau so wie vor dem Stoss nur langs einer anderen Richtung Keine dieser beiden Regeln ist ein allgemeines Naturgesetz Koordinatentransformation von einem Bezugssystem in ein anderes Bearbeiten Hauptartikel Koordinatentransformation Wird ausgehend von einem Bezugssystem ein zweites definiert dann lassen sich mittels einer Koordinatentransformation fur jeden Punkt und jeden Zeitpunkt die in einem Bezugssystem gultigen Koordinaten durch die Koordinaten aus dem anderen Bezugssystem ausdrucken Im Fall einer konstanten Geschwindigkeit der Bezugssysteme gegeneinander ist fur kartesische Koordinaten in der klassischen Mechanik die Galilei Transformation anzuwenden Das bedeutet dass beim Ubergang von einem Bezugsystem ins andere zu allen Geschwindigkeiten die Relativgeschwindigkeit v displaystyle vec v der Bezugssystem vektoriell addiert wird und zu allen Ortskoordinaten die Translation v t displaystyle vec v t Obwohl mathematisch sehr einfach und unmittelbar anschaulich ist diese Art der Koordinatentransformation nur bei Relativgeschwindigkeiten korrekt die sehr klein gegenuber der Lichtgeschwindigkeit sind Wenn man davon nicht ausgehen kann tritt an die Stelle der Galilei Transformation die Lorentz Transformation der relativistischen Physik Wahrend zeitliche Intervalle und raumliche Abstande invariant gegenuber der Galilei Transformation sind gilt dies fur die Lorentz Transformation nicht Insbesondere konnen hier Geschwindigkeiten nicht einfach addiert werden siehe Relativistisches Additionstheorem fur Geschwindigkeiten Relativitatsprinzip Bearbeiten Hauptartikel Relativitatsprinzip Nach dem Relativitatsprinzip sind beliebige zwei Bezugssysteme die sich relativ zueinander geradlinig gleichformig bewegen aquivalent Das heisst es gibt keinen physikalischen Prozess an dem man neben der Tatsache dass die beiden Bezugssysteme sich relativ zueinander bewegen und den notwendigen Folgen wie z B Doppler Effekt ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen ihnen beobachten konnte Daher mussen die grundlegenden physikalischen Gesetze gegenuber dem Wechsel zwischen diesen Bezugssystemen invariant sein Hat das Gesetz die Gestalt einer Formel in der die Koordinaten des jeweiligen Bezugssystems auftreten dann mussen die Formeln fur beide Koordinatensysteme exakt gleich aussehen und die eine muss sich aus der anderen ergeben wenn man die Koordinaten darin durch die des anderen Bezugssystems ausdruckt Mathematisch gesagt mussen die Naturgesetze invariant gegenuber der Koordinatentransformation sein Als Folge sind Begriffe wie absolute Ruhe oder absolute Bewegung physikalisch sinnlos weil nicht nachweisbar Geschichte BearbeitenMechanik Bearbeiten Huygens Zwei Beobachter einer im Boot einer an Land beschreiben die Kollision zwischen zwei Kugeln unterschiedlich 5 Bei Aristoteles ist der naturliche Zustand eines Korpers die absolute Ruhe Wenn der Korper sich bewegt so nur durch einen inneren Antrieb oder einen ausseren Zwang Fur ihn sind Ruhe und Bewegung objektiv unterscheidbare Dinge also gibt es in der Physik des Aristoteles nur ein objektives Bezugssystem Die Erde 6 Mit Beginn der Neuzeit erkannten im 17 Jahrhundert Galileo Galilei und Isaac Newton dass kraftefreie Korper nicht von selbst in einen Ruhezustand ubergehen sondern sich mit ihrer momentanen Geschwindigkeit geradlinig weiterbewegen und somit in ihrem Bewegungszustand verharren Dieses Beharrungsvermogen wird Tragheit genannt und gilt gleichermassen fur ruhende und bewegte Korper Ob sich ein Korper geradlinig bewegt oder ruht hangt daher lediglich vom Standpunkt des Beobachters d h von seinem Bezugssystem ab Der Ubergang zwischen den Inertialsystemen wird in der klassischen Mechanik durch die Galilei Transformation beschrieben Ebenfalls im 17 Jahrhundert untersuchte Christiaan Huygens die Unterschiede in den Beschreibungen eines einfachen mechanischen Vorgangs in verschiedenen Bezugssystemen 7 Er beschrieb etwa einen elastischen Stoss zweier Gegenstande vom Ufer und von einem voruberfahrenden Schiff aus gesehen siehe Galilei Transformation 8 Das diente ihm u a zur Prazisierung des Begriffs Bewegungsgrosse oder Impuls Bis Anfang des 20 Jahrhunderts wurden verschiedene elementare Grossen stillschweigend als invariant bei Wechsel des Bezugssystems angesehen so z B raumliche und zeitliche Abstande Einstein postulierte in der speziellen Relativitatstheorie im Jahr 1905 dass alle Inertialsysteme physikalisch gleichwertig seien siehe Relativitatsprinzip und dass die Lichtgeschwindigkeit nicht vom Bewegungszustand der Lichtquelle abhinge Daraus folgt direkt die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit Wenn die Lichtgeschwindigkeit jedoch im Gegensatz zu allen anderen Geschwindigkeiten in allen Bezugssystemen gleich ist so konnen Zeiten und Langen nicht invariant sein 9 Elektrodynamik Bearbeiten Hauptartikel Ather Physik Bis Anfang des 20 Jahrhunderts wurde nach einem Medium gesucht das die Wellenausbreitung des Lichtes ermoglicht Die Unmoglichkeit Effekte der Bewegung gegenuber diesem hypothetischen Ather nachzuweisen fuhrte zur Aufstellung des oben genannten Relativitatsprinzips und der sich daraus ergebenden Relativitatstheorie Demnach musste die Vorstellung des Athers fallen gelassen werden Einstein konnte in seiner speziellen Relativitatstheorie weiterhin die Verwandtschaft von elektrischen und magnetischen Feldern erklaren die sich in den Maxwellschen Gleichungen schon gezeigt hatte Demnach gehen magnetische Felder aus den elektrischen Feldern hervor wenn man das Bezugssystem wechselt und umgekehrt 9 Astronomie und Kosmologie Bearbeiten Hauptartikel geozentrisches Weltbild und heliozentrisches Weltbild Aristoteles verwandte ausschliesslich das geozentrische Bezugssystem und formulierte seine Bewegungsgesetze nur in Bezug auf dieses Ptolemaus folgte ihm und schuf das bis ins 17 Jahrhundert hinein dominierende geozentrische Weltbild das u a von der katholischen Kirche stark verteidigt wurde vgl Galilei Prozess Kopernikus beschrieb Mitte des 16 Jahrhunderts das Planetensystem im heliozentrischen Bezugssystem Darin bewegt sich der Beobachter mit der Erde mit wodurch die in seinem Bezugssystem kompliziert scheinenden Schleifenbewegungen der ausseren Planeten eine einfache Erklarung finden 10 Mit dem Apparat der Newtonschen Mechanik konnten die Planetenbewegungen sehr prazise vorhergesagt werden wenn man als Bezugspunkt den Schwerpunkt des Sonnensystems nahm Da dieser jedoch nicht allzu weit vom Mittelpunkt der Sonne entfernt ist ist das heliozentrische Weltbild ein brauchbar angenahertes Modell Wenn man sich gedanklich von der Erde entfernt erscheint je nach Grossenskala ein anderes Bezugssystem sinnvoll Im Bezugssystem Erde Mond bewegen sich beide Himmelskorper um den gemeinsamen Schwerpunkt Im Bezugssystem Sonnensystem bewegt sich die Erde auf einer Ellipse um die Sonne Im Bezugssystem Milchstrasse bewegt sich das Sonnensystem um das Zentrum der Milchstrasse Usw Nach der Relativitatstheorie durfte es an und fur sich gar kein universelles Bezugssystem geben Allerdings gibt es nur ein Bezugssystem in dem die kosmische Hintergrundstrahlung isotrop ist Dieses konnte man theoretisch als das Ruhesystem des Universums ansehen 11 Dies andert an dem Relativitatsprinzip jedoch nichts Siehe auch BearbeitenEuklidische TransformationEinzelnachweise Bearbeiten Arnold Sommerfeld Vorlesungen uber theoretische Physik Band 1 Mechanik Leipzig 1943 Harri Deutsch 1994 ISBN 978 3 87144 374 9 Auf Seite 9 schreibt Sommerfeld Welche Forderungen haben wir an das ideale Bezugssystem der Mechanik zu stellen Und zwar verstehen wir darunter ein raum zeitliches Gebilde nach dem wir die Lage der Massenpunkte und den Ablauf der Zeit bestimmen konnen also etwa ein rechtwinkliges Koordinatensystem x y z und eine Zeitskala Klaus Luders Robert Otto Pohl Pohls Einfuhrung in die Physik Band 1 Mechanik Akustik und Warmelehre Springer DE 2008 ISBN 978 3 540 76337 6 S 11 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Dieter Meschede Gerthsen Physik Springer DE ISBN 978 3 642 12893 6 S 643 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Willy J G Braunling Flugzeugtriebwerke Grundlagen Aero Thermodynamik Kreisprozesse Thermische Turbomaschinen Komponenten und Emissionen Springer Verlag 2013 ISBN 3 662 07268 8 S 527 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Aus C Huygens Oeuvres Completes Vol 16 Den Haag Martinus Nijhoff 1940 Aristoteles Physics Aristotle Physics trans by R P Hardie and R K Gaye Memento des Originals vom 1 Dezember 2018 im Internet Archive Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft 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Bezugssystem amp oldid 236324089