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Der Beobachter ist in der Physik derjenige der ein Phanomen beobachtet Es kann sich dabei um eine reale Person um einen geeigneten Messapparat oder in einem Gedankenexperiment um eine gedachte Person handeln Der Beobachter beschreibt das Phanomen in der Regel in seinem Ruhesystem Ein Wechsel zu einem anderen Beobachter bedeutet daher im Allgemeinen auch den Wechsel zu einem anderen Bezugssystem und damit zu einer anderen Beschreibung desselben Phanomens Grossen deren Wert nicht vom Bewegungszustand des Beobachters abhangen nennt man invariant Inhaltsverzeichnis 1 Formaler Status des Beobachterkonzepts 2 Klassische Physik 2 1 Inertialsysteme 2 2 Beschleunigter Beobachter 3 Relativitatstheorie 3 1 Spezielle Relativitatstheorie 3 2 Allgemeine Relativitatstheorie 4 Der Einfluss von Messungen 5 Einzelnachweise 6 WeblinksFormaler Status des Beobachterkonzepts BearbeitenObwohl das Beobachterkonzept insbesondere in Buchern und Arbeiten zur Relativitatstheorie zur Illustration physikalischer Sachverhalte herangezogen wird ist es kein eigentlicher Bestandteil des Theoriengebaudes der Physik 1 Physikalische Aussagen die das Beobachterkonzept verwenden gelten daher als pragmatische Formulierungen 2 die insbesondere in der Didaktik und in Gedankenexperimenten Anwendung finden Die Grundgleichungen und Axiomatisierungen physikalischer Theorien basieren hingegen nicht auf Beobachterkonzepten Physikalische Sachverhalte konnen daher grundsatzlich ohne Verwendung des Beobachterkonzepts formuliert werden An die Stelle des Satzschemas Der Beobachter z im Bezugssystem I findet den Wert y fur die Eigenschaft P des Objekts x tritt dann das Satzschema Die Eigenschaft P des Objekts x hat den Wert y relativ zum Bezugssystem I Einige Physiker und Philosophen z B J S Bell K Popper oder M Bunge stehen der Verwendung beobachter basierter Formulierungen insbesondere in der Quantenmechanik kritisch gegenuber da sie zu Missverstandnissen und Unklarheiten fuhren konnen 3 4 5 Klassische Physik BearbeitenIn der klassischen Physik hat der Beobachter eine rein passive Rolle Anders formuliert Ein physikalischer Vorgang hangt nicht davon ab ob er beobachtet wird oder nicht Allerdings hangt die Art der Beschreibung des Phanomens vom Bewegungszustand des Beobachters ab Dabei ist zu unterscheiden ob der Beobachter sich in einem Inertialsystem oder in einem beschleunigten Bezugssystem befindet Inertialsysteme Bearbeiten In einem Inertialsystem gilt der Tragheitssatz Das bedeutet dass sich alle kraftefreien Korper gleichmassig und geradlinig bewegen Fur alle Krafte lasst sich eine Ursache angeben Es gilt actio reactio Jeder Beobachter der sich relativ zu einem Inertialsystem gleichformig bewegt befindet sich ebenfalls in einem Inertialsystem Anders formuliert Alle Inertialsysteme sind gleichberechtigt Mit einer Galilei Transformation kann von einem Inertialsystem in ein anderes gewechselt werden Oft wird ein Beobachter willkurlich als ruhender Beobachter bezeichnet obwohl eine solche Festlegung keinen Sinn ergibt denn theoretisch konnte jeder Beobachter fur sich in Anspruch nehmen sich in Ruhe zu befinden Ein Beobachter der sich relativ zum ruhenden Beobachter mit der konstanten Geschwindigkeit v displaystyle vec v nbsp bewegt beschreibt alle Bewegungen anders als jener Alle Geschwindigkeiten andern sich um v displaystyle vec v nbsp alle Orte um v t displaystyle vec v t nbsp Ein anschauliches Beispiel ist ein Schaffner der sich entgegen der Fahrtrichtung des Zuges in diesem mit der Gehgeschwindigkeit v displaystyle vec v nbsp bewegt Verschiedenen Beobachtern erscheint seine Bewegung auf unterschiedliche Weise Fur eine auf der Weide stehende Kuh bewegt sich der Schaffner aus ihrer Sicht vorwarts jedoch um seine Gehgeschwindigkeit langsamer als der Zug Der im Zug sitzende Fahrgast beobachtet den Schaffner relativ zum Zug sodass der Schaffner sich mit seiner Gehgeschwindigkeit nach hinten bewegt Der Schaffner selbst bewegt sich zu seinem eigenen Bezugssystem ihm selbst nicht der Zug scheint sich an ihm vorbeizubewegen und zwar mit der Geschwindigkeit v displaystyle vec v nbsp Ein weiteres Beispiel ist der akustische Dopplereffekt Die gehorte Frequenz hangt nicht nur von der Frequenz einer Schallquelle sondern auch von der Bewegung des Beobachters ab Mit Bewegung ist in beiden Fallen eine Bewegung relativ zum als ruhend angesehenen Ausbreitungsmedium gemeint Bewegt sich der Beobachter auf die Schallquelle zu hort er einen hoheren Ton als wenn er sich von ihr weg bewegt Beschleunigter Beobachter Bearbeiten Ist der Beobachter beschleunigt so treten in seinem Bezugssystem Tragheitskrafte auf die fur einen ruhenden Beobachter nicht existieren und daher als Scheinkrafte bezeichnet werden Beispielsweise muss der mitbewegte Beobachter in einem rotierenden Karussell eine nach aussen gerichtete Zentrifugalkraft annehmen um die Bewegung in seinem Bezugssystem zu deuten Der ruhende Beobachter benotigt fur die Erklarung der beobachteten Phanomene keine zusatzlichen Scheinkrafte In seinem Inertialsystem gehorchen alle Korper dem Tragheitssatz Dieser besagt unter anderem dass ein Korper nur dann der Kreisbewegung des Karussells folgt wenn er durch eine aussere Kraft dazu gezwungen wird In der klassischen Physik sind unter anderem folgende Grossen invariant Zeit Lange Masse elektrische Ladung potentielle Energie usw Nicht invariant sind beispielsweise Geschwindigkeit Impuls kinetische Energie usw Relativitatstheorie BearbeitenSpezielle Relativitatstheorie Bearbeiten In der speziellen Relativitatstheorie gilt neben dem Relativitatsprinzip auch die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit Das bedeutet dass die Lichtgeschwindigkeit unabhangig vom Bezugssystem des Beobachters immer denselben Wert hat Dies hat weitreichende Konsequenzen Relativitat der Gleichzeitigkeit Zwei Ereignisse werden von zwei verschiedenen Beobachter nur dann ubereinstimmend als gleichzeitig angesehen wenn die beiden Beobachter relativ zueinander ruhen Die Diskrepanz ihrer Aussagen ist umso grosser je schneller sie sich relativ zueinander bewegen und je weiter sie voneinander entfernt sind Zeitdilatation Wird das Zeitintervall fur einen physikalischen Vorgang gemessen so misst der Beobachter der relativ zu diesem Vorgang ruht das kurzeste Intervall Dieses wird auch Eigenzeit genannt Jeder relativ dazu bewegte Beobachter wird fur denselben Vorgang eine langere Zeit messen Das wird oft plakativ mit den Worten ausgedruckt Bewegte Uhren gehen langsamer Langenkontraktion Der Beobachter der relativ zu einem Gegenstand ruht misst fur dessen Lange stets den grossten Wert die so genannte Eigenlange Jeder relativ zu ihm bewegte Beobachter misst eine kurzere Strecke In kurzen Worten Bewegte Langen schrumpfen In der Relativitatstheorie kann ein Beobachter der sich an einem Raumzeitpunkt befindet von seinem Standpunkt aus keine Beobachtungen an einem anderen Raumzeitpunkt machen Er kann nur Informationen uber Ereignisse sammeln die innerhalb seines Ereignishorizonts sind In der speziellen Relativitatstheorie gibt es bevorzugte Familien von Beobachtern 6 Eine solche besteht aus uber die gesamte Raumzeit verteilten relativ zueinander ruhenden Beobachtern mit untereinander synchronisierte Uhren und bildet so ein Inertialsystem Mit einer Lorentz Transformation kann von einem Inertialsystem in ein anderes gewechselt werden Invariant sind in der Relativitatstheorie die Grossen Lichtgeschwindigkeit Raumzeit Intervall Masse usw Dagegen sind insbesondere die Grossen Lange Zeit Impuls Energie usw nicht invariant Allgemeine Relativitatstheorie Bearbeiten Die allgemeine Relativitatstheorie geht von dem Aquivalenzprinzip aus d h von dem Grundsatz dass ein Beobachter in seinem Bezugssystem nicht zwischen Tragheitskraften und Gravitationskraften unterscheiden kann Daraus folgt sofort die Gleichheit von trager und schwerer Masse die sich in der klassischen Physik nicht begrunden lasst Ausserdem ergibt sich aus der allgemeinen Relativitatstheorie die gravitative Zeitdilatation Damit meint man das Phanomen dass Uhren umso langsamer gehen je tiefer das Gravitationspotential an ihrem Standort ist In der allgemeinen Relativitatstheorie gibt es keine bevorzugte Familie von Beobachtern Ob zwei Beobachter relativ zueinander ruhen oder ihre Uhren synchron sind hangt davon ab auf welchem Weg sie miteinander kommunizieren Ein Beobachter der nicht an seinem Raumzeitpunkt beobachtet sondern uber einen festgelegten Weg an einem anderen Raumzeitpunkt aufschreibt wird auch als Buchhalter bezeichnet 6 Insbesondere bei der Beschreibung der Gravitationswirkungen eines Schwarzen Lochs wird ein Beobachter als Koordinatenbuchhalter bezeichnet der sich unendlich weit weg vom Gravitationszentrum befindet und relativ zu diesem ruht Gebrauchlich sind hierbei auch FIDO fiducial observer stationar ruhend FFO free falling observer frei fallender Beobachter innerhalb der Ergosphare der Kerr Metrik auch ZAVO zero angular velocity observer w 0 und ZAMO zero angular momentum observer L 0 lokal mitbewegter Beobachter Der Einfluss von Messungen BearbeitenIn der klassischen Physik ist es denkbar dass ein Beobachter einen Vorgang wahrnimmt und mit beliebig hoher Genauigkeit d h mit beliebig geringer Messunsicherheit vermisst ohne den Vorgang dabei zu beeinflussen und zu verandern Man geht zum Beispiel davon aus dass es nur eine Frage der geeigneten Messtechnik ist wie prazise die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs oder die Temperatur einer Tasse Kaffee gemessen werden kann Aber schon bei dem Kaffee werden die Grenzen einer unbeeinflussten Messung deutlich Tauchen wir ein kaltes Thermometer in den Kaffee so wird das Thermometer von Kaffee aufgewarmt und der Kaffee wird dabei kalter Das Messergebnis wird durch den Einsatz der Messapparatur verfalscht Ahnliche Probleme lassen sich bei vielen Messvorgangen feststellen Im Bereich der Quantenphysik erweist sich der Einfluss der Messapparatur auf den beobachteten Vorgang als ganz grundsatzliche Erscheinung Jede Art von Messung bedeutet eine gegenseitige Einwirkung zwischen dem untersuchten System und dem Messinstrument Deshalb hat alleine die Tatsache der Messung bereits eine Wirkung auf quantenmechanische Effekte Zum Beispiel konnten sich in einem Experiment am Weizmann Institut nur isolierte Elektronen wie Wellen verhalten 7 Die Heisenbergsche Unscharferelation besagt dass zwei physikalische Grossen die in bestimmter Weise miteinander verknupft sind wie z B Ort und Impuls oder Zeit und Energie nicht zugleich mit beliebiger Genauigkeit gemessen werden konnen Vor allem in popularwissenschaftlicher Literatur wird dieser Effekt gerne damit erklart dass die Messung der einen Grosse die andere Grosse store Beispielsweise kann man den Ort eines Teilchens bestimmen indem man ein Photon an ihm streut Die Wechselwirkung des Photons mit dem Teilchen andert aber dessen Impuls Um den Ort des Teilchens moglichst genau zu messen muss man Strahlung von moglichst kurzer Wellenlange verwenden Kurzwellige Photonen besitzen aber einen besonders grossen Impuls so dass sie die Grosse des Impulses besonders stark verandern Auf diese Art der Erklarung wird aber in Lehrbuchern meist verzichtet da die quantenmechanische Unbestimmtheit eine grundlegende Eigenschaft von Quantenobjekten ist und nicht ein Artefakt das durch die Messmethode verursacht wird In der Quantenphysik werden Quantenobjekte durch Wellenfunktionen beschrieben Diese geben unter anderem an wie wahrscheinlich es ist ein Teilchen zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Zustand anzutreffen Eine eindeutige Vorhersage welchen Wert die Messung ergeben wird ist im Vorhinein nicht moglich Der genaue Zustand wird erst im Moment der Beobachtung festgelegt Sind mehrere Zustande prinzipiell moglich so befindet das Quantenobjekt sich so lange in Superposition bis eine Messung durchgefuhrt wird Diese verbluffende Konsequenz der Quantenphysik trieb Erwin Schrodinger in seinem beruhmten Gedankenexperiment Schrodingers Katze auf die Spitze Ist es moglich dass eine Katze deren Leben von einem quantenphysikalischen Prozess abhangig ist sowohl lebendig als auch tot ist bis man sie beobachtet In der Geschichte der Quantenphysik gab es verschiedene Ansatze wie dieses vermeintliche Paradoxon zu verstehen ist siehe hierzu Interpretationen der Quantenphysik und Quantenmechanische Messung Einzelnachweise Bearbeiten M Bunge Philosophy of Physics D Reidel Publishing Company 1973 S 30 google books M Bunge Philosophy of Physics D Reidel Publishing Company 1973 S 49 ff google books J S Bell Speakable and Unspeakable in Quantum Mechanics Cambridge University Press 2004 K R Popper Quantum Theory and the Schism in Physics Routledge 1989 M Bunge Philosophy of Physics D Reidel Publishing Company 1973 Kap 3 2 a b Tevian Dray Differential Forms and the Geometry of General Relativity CRC Press 2014 ISBN 1 4665 1000 5 S 39 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Beobachtung beeinflusst Wirklichkeit Weizmann Institut abgerufen am 14 April 2014 Bei idw online de Weblinks BearbeitenWeltbild Physik auf der Website der Universitat Tubingen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Beobachter Physik amp oldid 225773836