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Dieser Artikel behandelt die Entwicklung der klassischen Mechanik als Teil der Geschichte der Physik von ihren Vorlaufern im Altertum bis zur Gegenwart Sie wurde im 17 Jahrhundert im Wesentlichen durch die Arbeiten von Isaac Newton begrundet und war damit die erste Naturwissenschaft im modernen Sinn Die Darstellung erfolgt unter historischem Aspekt und verzichtet dabei fast vollstandig auf mathematische Formeln Fur genauere Erklarungen der einzelnen Begriffe und Methoden wird auf die entsprechenden Artikel verwiesen Inhaltsverzeichnis 1 Altertum bis Galilei 2 Die Mechanik Isaac Newtons 3 Ausarbeitung der klassischen Mechanik 4 Mechanistisches Weltbild 5 EinzelnachweiseAltertum bis Galilei BearbeitenBis zu Beginn des 17 Jahrhunderts war die Mechanik auf die Statik beschrankt Als deren Begrunder gilt Archimedes mit seinen beiden im 3 Jahrhundert v u Z formulierten Gesetzen vom Gleichgewicht am Hebel und vom archimedischen Prinzip beim hydrostatischen Auftrieb Erst im 16 Jahrhundert n u Z wurden diese Gesetze durch Simon Stevin auf das Gleichgewicht von mehr als zwei Kraften erweitert indem er das geschlossene Krafteck als Gleichgewichtsbedingung angab Stevin leitete auch als Erster die Gleichgewichtsbedingung fur die auf der schiefen Ebene wirkenden Hangabtriebskraft her 1 Kraft galt ganz allgemein als eine dem einzelnen Korper innewohnende Fahigkeit eine bestimmte Wirkung zu erzielen oder zu verhindern z B das Herunterfallen eines anderen Gegenstandes Um eine Wirkung im Sinne der Mechanik auszuuben musste ein Korper nach damaliger Ansicht einen anderen Korper beruhren um ihn schieben ziehen heben drucken oder stossen zu konnen wobei letzteres abrupt seine Geschwindigkeit verandert Zwischen Masse und Gewicht wurde nicht richtig unterschieden Bewegung galt von der Zeit des Aristoteles bis ins 16 Jahrhundert als etwas absolut Gegensatzliches zu Ruhe Daher stellte z B die Erklarung eines allmahlichen stetigen Ubergangs von Ruhe zu Bewegung ein philosophisch nicht losbares Problem dar Fur den freien Fall der irdischen Korper wurde nicht eine aussere Einwirkung verantwortlich gemacht sondern ein naturliches jedem schweren Korper innewohnendes Streben nach unten Fur die Himmelskorper wurde angenommen dass sie ewig die naturliche von den oben genannten mechanischen Einwirkungen freie Bewegung in Form einer gleichformigen Kreisbewegung ausfuhren Die Abkehr von solchen jahrhundertelang verbreiteten Ansichten markierte im 17 Jahrhundert den Beginn der klassischen Mechanik und der neuzeitlichen Naturwissenschaft uberhaupt Sie ist vor allem Galileo Galilei 2 zu verdanken Er setzte der bis dahin in der Naturphilosophie vorherrschenden philosophisch theologischen Spekulation seine neuartige experimentelle Methode entgegen die von Beobachtungen wenn moglich Messungen ausgeht und diese mit mathematischer Strenge analysiert Fur die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse forderte er zusatzlich dass sie im Zweifelsfall Vorrang vor den aus der Spekulation gewonnenen haben sollten Zur gleichen Zeit formulierte Johannes Kepler allein auf die beobachteten Positionen der Planeten gestutzt die keplerschen Gesetze nach denen die Planeten sich mit variabler Geschwindigkeit auf Ellipsenbahnen um die Sonne bewegen Statt die Form der naturlichen Bewegung wie bisher aus allgemeingultigen philosophischen Grundsatzen erschliessen zu wollen nahm Galilei die Beobachtung wirklicher konkreter Bewegungsablaufe zum Ausgangspunkt Als Erster fuhrte er gezielt geplante Experimente durch um diese Vorgange direkt zu beobachten so genau wie moglich zu vermessen und die Messwerte anschliessend mithilfe von mathematischen Verfahren zu analysieren Daraus gewann er durch Verallgemeinerung und Idealisierung grundlegende allgemeine Einsichten und neue noch heute gultige Begriffe Zu nennen sind etwa die gleichmassig beschleunigte Bewegung bei der nach den Fallgesetzen die Momentangeschwindigkeit proportional zur Fallzeit zunimmt die Wurfparabel die durch Zusammensetzung 2 S 42 einer horizontalen unbeschleunigten mit einer vertikalen beschleunigten Bewegung erklart wird und die Pendelgesetze nach denen bei kleinen Auslenkungen die Schwingungsdauer von nichts anderem als der Lange des Aufhangefadens bestimmt wird Sehr nahe kam Galilei auch dem Tragheitsprinzip dem zufolge ein unbeeinflusster Korper keine Kreisbahn sondern eine gleichformige Bewegung in gerader Linie vollfuhrt und dem Relativitatsprinzip dem zufolge es keinen grundlegenden Unterschied zwischen Ruhe und Bewegung gibt 2 S 10 19 Klar ausgesprochen wurden diese beiden auch heute gultigen Prinzipien noch nicht von Galilei aber kurz danach von Rene Descartes 2 S 59 bzw Christiaan Huygens Die Mechanik Isaac Newtons BearbeitenDen Entwicklungsschritt zu einer voll entfalteten Mechanik leistete Isaac Newton in seinem 1687 erschienenen Hauptwerk Mathematische Prinzipien der Philosophie der Natur 3 4 Darin schrieb Newton zunachst jedem Korper eine unveranderliche Masse zu und weiter eine Bewegungsgrosse die das Produkt aus Masse und momentaner Geschwindigkeit ist heutiger Name Impuls Indem er ohne Ausnahme eine von aussen eingepragte Kraft dafur verantwortlich machte wenn die Bewegungsgrosse eines Korpers sich andert gab er der Kraft ihre endgultige zentrale Bedeutung in der Mechanik 2 Ohne uber das Wesen die Ursache oder die Wirkungsweise der Kraft nach weitergehenden Erklarungen zu suchen Hypotheses non fingo Hypothesen mache ich nicht gemeint sind die alten philosophischen Spekulationen definierte er als Mass einer bestimmten eingepragten Kraft die von ihr bewirkte Anderung der Bewegungsgrosse selbst sowohl nach ihrem Betrag als auch nach ihrer Richtung Mit diesen Konzepten und vielen eigenen Experimenten gelang es Newton die Bewegungen der Korper umfassend zu beschreiben Eine konstante Kraft z B die in Richtung der Geschwindigkeit wirkt andert nur den Betrag der Bewegungsgrosse und fuhrt zu einer Bewegung wie im freien Fall steht die Kraft bei konstantem Betrag aber stets auf der Geschwindigkeit senkrecht verandert sie nur die Richtung der Bewegungsgrosse und fuhrt damit zur gleichformigen Kreisbewegung Insbesondere konnte Newton auch die realen Bewegungen analysieren die z B durch Reibung von ihrer idealen vorher als naturlich angesehenen Form abweichen Es gelang ihm die Bewegung der Erde der Planeten und ihrer Monde einschliesslich ihrer schon bekannten Unregelmassigkeiten sowie die Gezeiten und die Bewegungen fallender und pendelnder Korper auf das Wirken einer einzigen Art von Kraft zuruckzufuhren fur die er ein einfaches universelles Gesetz angeben konnte das newtonsche Gravitationsgesetz Allerdings blieb Newton in seiner Mechanik im Wesentlichen auf die Bewegungen einzelner Korper oder Massenpunkte beschrankt auch wenn er damit bereits Stromung Reibung und Schall in flussigen oder gasformigen Stoffen behandelte Die Eigentumlichkeiten der Mechanik ausgedehnter Korper wo auch Drehbewegung und Verformung moglich sind blieben noch weitgehend ausserhalb der Betrachtung 5 6 Ausarbeitung der klassischen Mechanik BearbeitenZur Zeit Newtons arbeiteten auch andere Wissenschaftler intensiv an Problemen der Mechanik und steuerten wesentliche Erkenntnisse bei Zu nennen sind unter anderem Christiaan Huygens Relativitatsprinzip Stossgesetze Physikalisches Pendel Robert Hooke Hookesches Gesetz der Elastizitat Federschwingungen Gottfried Wilhelm Leibniz Vorbereitung des Begriffs der kinetischen Energie Johann I Bernoulli Modellvorstellung dass in einem beschleunigten festen Korper jeder Teil relativ zum Korper deshalb an seinem Platz bleibt weil er durch geeignete Krafte die von den angrenzenden Teilen auf ihn ausgeubt werden entsprechend beschleunigt wird 7 Zusammen mit den weiteren Entwicklungen die im Laufe des 18 und 19 Jahrhunderts durch Leonhard Euler Jean Baptiste le Rond d Alembert Joseph Louis de Lagrange Pierre Simon Laplace William Rowan Hamilton und anderen erzielt wurden wurde diese ganze Theorie als Newtonsche Mechanik oder Rationale Mechanik bezeichnet und erhielt ab 1900 auch den Namen klassische Mechanik 8 9 Grundlagen Punktmechanik ausgedehnte KorperEin wichtiger Schritt zur klassischen Mechanik hin war die prazise Formulierung von Newtons Mechanik durch Leonhard Euler 1736 in Form der von Leibniz erfundenen Differentialrechnung Newton selbst hatte in seinen Schriften ausschliesslich geometrische Beweise vorgestellt 10 11 Hier findet sich erstmals die heute als 2 newtonsches Gesetz bekannte Differentialgleichung in heutiger Notation F m d 2 x d t 2 displaystyle F m d 2 x dt 2 nbsp in der die Anderungsgeschwindigkeit der Bewegungsgrosse vollstandig mit der wirkenden Kraft identifiziert wird statt sie nur als deren Mass zu betrachten Ferner unterschied Euler erstmals richtig zwischen dem Massenpunkt in Newtons Mechanik und dem starren Korper und gab die Formeln fur dessen Dynamik an Besonders die von ihm formulierten Gesetze der Drehbewegung mit den Begriffen Winkelgeschwindigkeit Drehmoment Tragheitsmoment Haupttragheitsachsen waren fur die Weiterentwicklung der newtonschen Mechanik und ihre technische Anwendung im beginnenden Maschinenzeitalter bedeutsam Jean Baptiste le Rond d Alembert veroffentlichte 1743 die Methode die Bewegungen vieler Korper Massenpunkte die nicht nur aufeinander einwirken sondern auch durch Zwangskrafte auf bestimmten Bahnen gehalten werden zu berechnen 12 13 Mit dem Schnittprinzip legte Euler 1752 die allgemeine Grundlage um ausgedehnte auch deformierbare oder flussige Korper behandeln zu konnen Wird ein beliebiger Teil eines Korpers in Gedanken herausgeschnitten befolgt er fur sich die newtonschen Gesetze der Mechanik wobei die auf ihn wirkenden Krafte die sind die der restliche Korper an den Schnittflachen auf ihn ausubt zuzuglich eventueller ausserer Krafte wie Gewichtskraft etc 14 S 92 Damit konnten auch ausgedehnte Korper als Systeme vieler Massenpunkte aufgefasst und mit den Mitteln von Newtons Punktmechanik behandelt werden Pierre Louis Moreau de Maupertuis entdeckte 1744 den Begriff der Wirkung und das Prinzip der kleinsten Wirkung dem alle mechanische Vorgange unterliegen 15 Auf dieser Grundlage entwickelte Joseph Louis de Lagrange 1788 den Zweig der klassischen Mechanik der genauer als Analytische Mechanik bezeichnet wird 16 Darin konnen mithilfe verallgemeinerter Koordinaten und der neu eingefuhrten Lagrangefunktion die Bewegungsgleichungen beliebiger mechanischer Systeme aufgestellt werden Dies Verfahren ist heute auch als Ausgangspunkt fur die Bewegungsgleichungen der Quantenfeldtheorie in Gebrauch Pierre Simon Laplace brachte 1796 die Himmelsmechanik 17 18 auf einen Stand der es moglich machte aus dem unerklarten Rest der Bahnstorungen des Planeten Uranus die Existenz des Planeten Neptun abzuleiten und dessen ungefahre Koordinaten zu berechnen William Rowan Hamilton veroffentlichte 1835 19 eine Weiterentwicklung der Lagrange schen Methode die mittels der Hamiltonfunktion nicht nur die Bewegungsgleichungen beliebiger mechanischer Systeme liefert sondern auch in der Hamilton Jacobischen Differentialgleichung eine tiefe Parallele der Punktmechanik zur geometrischen Optik erkennen lasst Hierauf konnte Werner Heisenberg 1925 die Quantenmechanik aufbauen HydromechanikEbenso wichtig war die Ausdehnung der newtonschen Mechanik auf die Dynamik stromender Flussigkeiten und Gase Hydrodynamik Aerodynamik Diese Anwendungen sind fur Stromungen in Kanalen und Rohrsystemen ebenso relevant wie fur den Fahrwiderstand von Schiffen Zuerst war Daniel Bernoulli hier 1738 erfolgreich dann vor allem Leonhard Euler 6 Fur den endgultigen Durchbruch zur praktischen Anwendbarkeit bei realen zahen Flussigkeiten fehlte noch die Berucksichtigung der inneren Reibungsverluste Dies gelang Claude Louis Marie Henri Navier 1822 und George Gabriel Stokes 1845 ihre Navier Stokes Gleichungen sind bis heute die Grundgleichungen fur die Berechnungen der Stromungen Elastizitatslehre und Mechanik der kontinuierlichen MedienIm Bereich der Statik hatte schon Galilei 1638 die Bruchfestigkeit eines Balkens in Abhangigkeit von Lange Breite und Hohe zu berechnen versucht und eine allerdings nicht ganz richtige Formel abgeleitet Nachdem Robert Hooke 1678 das Gesetz der Elastizitat Hookesches Gesetz entdeckt hatte verbesserten Jakob I Bernoulli Leibniz Euler und andere den fehlerhaften Vorfaktor in Galileis Gleichung schrittweise jedoch wurde die richtige Form erst 1773 von Charles Augustin de Coulomb abgeleitet Die heutige Differentialgleichung der Balkenbiegung die auch die Schwingungen von Balken beschreibt wurde erstmals von Navier 1821 angegeben Auch die Betrachtung dynamischer elastischer Phanomene hatte schon einige Jahre vor Newtons Principia 1687 bei Robert Hooke begonnen Er konnte 1678 aus seinem Grundgesetz der Elastizitat ableiten dass die Schwingungsdauer von Federpendeln von der Auslenkung unabhangig ist was heute als Kennzeichen der harmonischen Schwingung gilt Hookes Kraftbegriff entsprach damals allerdings nicht dem von Newton doch dieser fand in den Principia das gleiche Ergebnis als er Bewegungen auf Ellipsenbahnen analysierte wenn das Kraftzentrum in deren Mittelpunkt liegt Newton erklarte darin auch den Schall als eine elastische Schwingung in Luft Die Analyse der Bewegung einer schwingenden Saite wurde 1713 Brook Taylor bekannt durch die Taylorentwicklung in der Differentialrechnung begonnen und durch Leibniz Johann I Bernoulli d Alembert Euler fortgesetzt Daniel Bernoulli fand schliesslich 1753 dass die allgemeine Form der Saitenschwingung immer als eine Uberlagerung der Grundschwingung der Saite und ihren Obertonen dargestellt werden kann eine Vorwegnahme der Fourierzerlegung um 60 Jahre Lange Zeit blieb die Anwendung der newtonschen Mechanik auf die inneren Bewegungen von deformierbaren z B elastischen Korper ein Problem Der in der heutigen Kontinuumsmechanik zentrale Begriff des Spannungstensors wurde 1822 von Augustin Louis Cauchy richtig eingefuhrt Technische MechanikSeit dem Altertum waren die einfachen Maschinen Rad Hebel Seilrolle schiefe Ebene etc die Wasserrader Kanale Damme Schleusen und Schiffe die Tragwerke von Hausern Schutzmauern und Bergwerken sowie das militarische Arsenal fur Angriff und Verteidigung etc nach tradierten Regeln der Handwerks Ingenieurs und Baukunst konstruiert und auch immer wieder zum Gegenstand der Mechanik gemacht worden Jedoch begann eine Technische Mechanik als eigenstandiger Zweig der klassischen Mechanik sich erst im 19 Jahrhundert zu entwickeln als die zunehmend komplexer werdenden Maschinen und Bauwerke z B Hangebrucken Stahlturme neue Konstruktionsmethoden voraussetzten Fur die mechanischen Probleme die aufgrund der altbekannte Krafte wie Gewicht Wind und Wasserdruck im Zusammenhang mit Stahl und Hangebrucken Lokomotiven und Dampfschiffen auftraten wurde zunachst die Statik und Baustatik erheblich weiter entwickelt 20 In der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts kam die dynamische Betrachtungsweise hinzu weil mit immer schneller laufenden Maschinen zusatzlich auch die Massenkrafte bedeutende Grosse erreichten die durch die beschleunigte Bewegung der Maschinenteile verursacht wurden Ab Anfang des 20 Jahrhunderts wurde in der technischen Mechanik auch berucksichtigt dass elastische Verformungen durch eine aussere Kraft durch mechanische Resonanz auf ein Vielfaches gesteigert werden konnen wenn die Kraft sich periodisch andert Mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor war erstmals eine Hangebrucke zum Einsturz gebracht worden indem eine Gruppe marschierender Soldaten sie in Schwingungen versetzt hatte siehe Broughton Suspension Bridge Weitere bedeutende Zweige der technischen Mechanik sind die Stromungsmechanik insbesondere fur turbulente Stromung ab Ende 19 Jahrhundert und die Finite Elemente Methode die Mitte des 20 Jahrhunderts im Bereich des Flugzeugbaus entstand und inzwischen fur eine Vielzahl weiterer Konstruktionen eingesetzt wird ChaostheorieIn der 2 Halfte des 20 Jahrhunderts entstand im Rahmen der klassischen Mechanik die Chaosforschung Fur zahlreiche Systeme der klassischen Mechanik vom einfachen Doppelpendel bis zur turbulenten Stromung die den deterministischen klassischen Bewegungsgleichungen folgen wurde gezeigt unter welchen Umstanden sie sich chaotisch verhalten d h bei kleinsten Unterschieden der Anfangsbedingungen sich vollig unterschiedlich entwickeln Naheres siehe unter Deterministisches Chaos Mechanistisches Weltbild BearbeitenDer Erfolg den die klassische Mechanik im Laufe des 18 und 19 Jahrhunderts bei der Erklarung zahlloser Phanomene in Natur und Technik hatte fuhrte zur verbreiteten Ansicht moglicherweise konne man auf mechanische Weise die ganze Welt verstehen Alle Vorgange von den Himmelserscheinungen uber die chemischen Umwandlungen und die Brechung des Lichts bis zum menschlichen Geist sollten auf die Bewegung von materiellen Korpern unter dem Einfluss gegenseitiger Krafte zuruckzufuhren sein Herausragende Vertreter dieser Entwicklung waren unter anderen Pierre Simon Laplace Claude Louis Berthollet und Jean Baptiste Biot Ein mechanistisches Weltbild entstand wurde schliesslich zum Paradigma wissenschaftlicher Rationalitat uberhaupt und ist es in modifizierter Form bis heute geblieben Naheres siehe auch unter Laplacescher Damon Naturtheorie Maschinenparadigma Erbitterte Gegnerschaft fand diese Denkweise hingegen an vielen deutschen Universitaten wo insbesondere die Philosophischen Fakultaten zustandig fur die Physik waren 21 22 Dort sperrte man sich gegen das Eindringen der ursprunglich aus England stammenden experimentellen Philosophie die statt echter philosophischer Letzt Erklarungen auf der Grundlage tiefster Grundsatze nur noch oberflachliche Beschreibungen von Zusammenhangen zwischen beobachtbaren Erscheinungen hervorbringe diesen aber durch die extensive Nutzung von mathematischen Methoden den falschen Anschein der Wissenschaftlichkeit gebe In der romantischen Naturphilosophie des deutschen Idealismus mundete diese Kritik Anfang des 19 Jahrhunderts in eine grundsatzliche Ablehnung der modernen Naturwissenschaft in der durch Newton begrundeten Art In der Gestalt einer gegenseitigen Geringschatzung von Natur und Geisteswissenschaften trifft man diese Ablehnung bis heute an 23 24 Einer der letzten grossen philosophischen Vertreter dieser Denkweise war Georg Wilhelm Friedrich Hegel noch 1830 25 Der letzte von ihm inspirierte Lehrstuhlinhaber der Physik war Georg Friedrich Pohl in Breslau der noch 1845 erfolglos versuchte die newtonsche Himmelsmechanik entsprechend den Grundsatzen der romantischen Philosophie umzuformulieren 26 Einzelnachweise Bearbeiten Moritz Ruhlmann Vortrage uber die Geschichte der technischen Mechanik und theoretischen Maschinenlehre und der damit im Zusammenhang stehenden mathematischen Wissenschaften Baumgartner Leipzig 1885 Nachdruck Documenta technica Reihe 1 Darstellungen zur Technikgeschichte Verlag Olms Hildesheim 1979 a b c d e Richard Westfall Force in Newton s Physics the Science of Dynamics in the Seventeenth Century MacDonald London 1971 Isaac Newton Ubersetzt von J Ph Wolfers Mathematische Principien der Naturlehre Verlag R Oppenheim Berlin 1872 Online Isaac Newton Die mathematischen Prinzipien der Physik ubersetzt und herausgegeben von Volkmar Schuller de Gruyter Berlin u a 1999 ISBN 3 11 016105 2 der dritten Auflage folgend mit zusatzlichem Material wie Rezensionen der drei Ausgaben zu Newtons Lebzeiten und von Newton gestrichene Texte aus der ersten Auflage Clifford Truesdell A program toward rediscovering the rational mechanics of the age of reason In Archive for history of exact sciences Band 1 Nr 1 1960 S 1 36 a b Istvan Szabo Geschichte der mechanischen Prinzipien und ihrer wichtigsten Anwendungen 3 Auflage Birkhauser Basel 1987 Clifford Truesdell A program toward rediscovering the rational mechanics of the age of reason In Archive for history of exact sciences Band 1 Nr 1 1960 S 1 36 Felix Klein Ueber technische Mechanik in Friedrich Schilling et al Uber angewandte Mathematik und Physik in ihrer Bedeutung fur den Unterricht an den hoheren Schulen BG Teubner 1900 F Auerbach Mechanik in A Winkelmann Hrsg Handbuch der Physik Bd 1 1 Verlag Joh Amb Barth Leipzig 1908 S 211ff Leonhard Euler Mechanica sive motus scientia analytice exposita 2 Bande 1736 E015 E016 Leonhard Euler Decouverte d un nouveau principe de Mecanique In Memoires de l academie des sciences de Berlin Band 6 1752 S 185 217 E177 Jean Baptiste le Rond d Alembert Traite de dynamique 1743 oder 1758 Jean Baptiste le Rond d Alembert Traite de l equilibre et du mouvement des fluides pour servir de suite au Traite de dynamique 1744 Otto Bruns Theodor Lehmann Elemente der Mechanik I Einfuhrung Statik Vieweg Braunschweig 1993 1 Pierre Louis Moreau de Maupertuis Principe de la moindre quantite d action pour la mecanique 1744 ders Essai de cosmologie Amsterdam 1750 deutsch Versuch einer Cosmologie Aus dem Franzosischen ubersetzt Nicolai 1751 S 89 google com Joseph Louis de Lagrange Mecanique Analytique Paris Desaint 1788 2 Auflage in 2 Banden Paris Courcier 1811 1815 Deutsche Ubersetzung von Friedrich Murhard Analytische Mechanik Gottingen Vandenhoeck und Ruprecht 1797 die Ubersetzung der 4 Auflage von H Servus erschien bei J Springer 1887 Pierre Simon Laplace Traite de mecanique celeste funf Bande Paris 1798 1825 Neudruck Brussel 1967 Pierre Simon Laplace Exposition du systeme du monde Paris 1796 ubersetzt von Johann Karl Friedrich Hauff Darstellung des Weltsystems Frankfurt 1797 William Rowan Hamilton Second Essay On a General Method in Dynamics In Philosophical Transactions of the Royal Society of London 125 1835 S 95 144 Philosophical Transactions of the Royal Society of London W Bowyer and J Nichols for Lockyer Davis printer to the Royal Society 1835 S 95 google com Karl Eugen Kurrer The History of the Theory of Structures Searching for Equilibrium Ernst amp Sohn Berlin 2018 ISBN 978 3 433 03229 9 Gunter Lind Physik im Lehrbuch 1700 1850 Springer Berlin 1992 ISBN 3 540 55138 7 Rudolf Stichweh Zur Entstehung des modernen Systems wissenschaftlicher Disziplinen Physik in Deutschland 1740 1890 Suhrkamp 1984 Erhard Scheibe Die Philosophie der Physiker 2 Auflage C H Beck Munchen 2012 S 22 ff C P Snow Die zwei Kulturen 1959 In Helmut Kreuzer Hrsg Die zwei Kulturen Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz C P Snows These in der Diskussion dtv Munchen 1987 ISBN 3 423 04454 3 Georg Wilhelm Friedrich Hegel Enzyklopadie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse Zweiter Teil Die Naturphilosophie 3 Auflage 1830 Hegel beklagt dort 270 siehe auch 137 die Uberschwemmung der physischen Mechanik mit einer unsaglichen Metaphysik die gegen Erfahrung und Begriff jene mathematischen Bestimmungen allein zu ihrer Quelle hat Georg Friedr Pohl Grundlegung der drei Keppler schen Gesetze besonders durch Zuruckfuhrung des dritten Gesetzes auf ein neu entdecktes weit allgemeineres Grundgesetz der kosmischen Bewegungen welches an die Stelle des Newtonischen Gravitationsgesetzes tritt Georg Philipp Aderholz Breslau 1845 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geschichte der Klassischen Mechanik amp oldid 238114904