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Dieser Artikel befasst sich mit dem Schnittprinzip in der Mechanik Zum Schnittprinzip im Gartenbau siehe Schnitt Gartenbau Das Schnittprinzip englisch free body principle principle of intersection 1 75 ist ein unbegrenzt anwendbares 1 91 und grundlegendes Prinzip der Mechanik Interessierende Korper werden gedanklich aus ihrer Umgebung herausgelost oder freigeschnitten wesentliche Wechselwirkungen mit der Umgebung definiert und die Korper so einer Analyse zuganglich gemacht Die Schnittfuhrung ist dabei weitgehend beliebig und kann der jeweiligen Aufgabenstellung angepasst werden 2 Der Korper kann ein Festkorper eine Flussigkeit ein Gas oder ein System aus solchen sein Anwendung des Schnittprinzips an einer Hangebrucke a mit Lageplan b und Freikorperbild eines als Seil idealisierten Teilstucks c Die Abbildung zeigt ein Beispiel Mittels des Schnitts A wird die Hangebrucke aus ihrer Umgebung heraus getrennt a und in ein mathematisches Modell uberfuhrt b wo die Streckenlast q die Gewichtskraft reprasentiert Mit dem Schnitt B wird ein Teilstuck blossgelegt und die an ihm wirkenden Schnittgrossen H S und V angetragen um die Seillinie y displaystyle mathsf y herzuleiten c siehe Seilstatik Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Allgemeines 3 Anwendung in der Kontinuumsmechanik 4 Anwendung in der Technik 4 1 Lageplan 4 2 Freikorperbild Schnittreaktionen 4 2 1 Abbildung der Korper 4 2 2 Abbildung der Krafte und Momente 4 2 3 Nicht Darzustellendes 4 3 Konkrete Abbildungen 5 Siehe auch 6 Anmerkungen 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDas Schnittprinzip der Mechanik ist in seiner einfachsten Form die gedankliche Nachbildung des Bruchvorgangs beim Zugversuch wie er schon bei Leonardo da Vinci und Galileo Galilei praformiert wurde 3 Die Erkenntnis uber den Vorteil der Zerlegung wird Francis Bacon zugeschrieben denn das Prinzip der Zerlegung blieb den Alten ganz verborgen erst der grosse englische Naturphilosoph Bacon of Verulam sprach es um 1600 aus Man musse die Natur zerschneiden Als Ganzes waren uns fast alle Naturerscheinungen unverstandlich sie waren so kompliziert und mannigfaltig dass der Mensch bald jeden Versuch eines Verstandnisses aufgeben musste Georg Hamel 4 Nach dem Begrunder der theoretischen Physik lernen wir aus den Erscheinungen dass die sich wechselseitig beruhrenden Theile der Korper von einander getrennt werden konnen Isaac Newton 5 Diese Erkenntnis schlug sich in Newtons Prinzip Actio und Reactio nieder Zur Formulierung des zweiten Newton schen Gesetzes Kraft gleich Masse mal Beschleunigung war gleichfalls das Schnittprinzip notwendig 6 Leonhard Euler entwickelte darauf aufbauend 1752 das Schnittprinzip um ausgedehnte auch deformierbare oder flussige Korper behandeln zu konnen Wird ein beliebiger Teil eines Korpers in Gedanken herausgeschnitten befolgt er fur sich die newtonschen Gesetze der Mechanik wobei die auf ihn wirkenden Krafte die sind die der restliche Korper an den Schnittflachen auf ihn ausubt zuzuglich eventueller ausserer Krafte wie Gewichtskraft etc 7 Augustin Louis Cauchy wandte dieses Schnittprinzip erfolgreich auch auf mechanische Spannungen an die uber die Schnittflachen verteilt sind Entsprechend wird dieses Schnittprinzip auch als Spannungsprinzip von Euler Cauchy bezeichnet 8 Allgemeines BearbeitenDie mechanischen Wechselwirkungen finden immer zwischen materiellen Korpern oder den Teilchen aus denen sie bestehen statt Druckt z B ein Teilchen T1 auf ein anderes T2 mit einer Kraft F so tritt die Kraft F gleichzeitig auch an T1 als Wirkung von T2 auf und zwar als eine Druckkraft in Richtung des Teilchens T1 T 1 F F T 2 displaystyle stackrel T 1 square stackrel F leftarrow quad stackrel F rightarrow stackrel T 2 square nbsp Beide Krafte sind nach dem Prinzip Actio und Reactio immer entgegengesetzt gleich gross An einem gegen andere Massen abgegrenzten System von Massen sind zwei Arten von Kraften zu unterscheiden Zum einen gibt es die inneren Krafte die zwischen jeweils zwei zum System gehorenden Massen wirken und daher immer paarweise entgegengesetzt auftreten Zum anderen gibt es die ausseren Krafte die zwischen jeder Systemmasse und einer sich ausserhalb des Systems befindenden Masse wirken und die daher am System nur einmal auftreten In der Summe heben sich die inneren Krafte immer paarweise auf 9 so dass nur die ausseren Krafte stehen bleiben 10 Anwendung in der Kontinuumsmechanik Bearbeiten nbsp Eine Scheibe mit herausgeschnittenem KlotzchenAus Sicht der Kontinuumsmechanik kann das gesamte Universum als ein Kontinuum mit mehr oder weniger festen Bestandteilen angesehen werden Die daraus hervorgehenden Theorien sind jedoch formal aufwendig und werden fur die meisten lokalen Untersuchungen nicht benotigt 11 Stattdessen werden materielle Korper im Allgemeinen mit Hilfe des Schnittprinzips eingefuhrt 2 71 Aus dem Kontinuum wird durch Vorgabe einer Begrenzung der Korper herausgeschnitten wodurch das Kontinuum in den Korper und seine Umgebung zerlegt wird Die Begrenzung ist weitestgehend beliebig und kann der jeweiligen Aufgabenstellung angepasst werden Die inneren und ausseren Wechselwirkungen sind im Kontinuum immer flachig oder raumlich verteilt und werden falls notig uber entsprechende Gebiete zu Resultierenden integriert Es konnen auch wie in der Abbildung rechts infinitesimal kleine Teilkorper herausgelost werden um Bewegungsgleichungen der materiellen Punkte des Korpers herzuleiten siehe beispielsweise Seilstatik und Cauchy Eulersche Bewegungsgesetze Insbesondere das Cauchy sche Fundamentaltheorem zeigt die unbegrenzte Anwendbarkeit des Schnittprinzips in der Kontinuumsmechanik 1 91Anwendung in der Technik BearbeitenIn der technischen Mechanik und Baustatik interessieren beim Freischneiden vor allem die Beanspruchungen an einer Stelle in einem Bauteil oder in einem System aus Bauteilen die den an dieser Stelle anzubringenden Schnittreaktionen entsprechen Lageplan Bearbeiten nbsp Lageplan eines mechanischen Systems mit Schnittfuhrung rot an einem vom Seil gehaltenen Fass auf einer Rampe zu ermitteln ist die Beanspruchung des Seils infolge der Gewichtskraft des Fasses angedeutet durch Erdbeschleunigung g Ein Lageplan siehe Abbildung zeigt die raumliche Anordnung des betrachteten Korpers oder Systems In ihm wird die Schnittfuhrung eingezeichnet und gekennzeichnet Die gedanklichen Schnitte in dieser Abbildung trennen die betrachteten Korper von ihrer Umgebung das Seil vom Mann und vom Fass und das Fass vom Seil und der Rampe Die Trennlinie umfasst die gesamte weggeschnittene Umgebung geschlossene Linie die nicht immer vollstandig eingezeichnet wird durch die Luft fuhrende Schnitte werden oft weggelassen Anmerkung 1 Freikorperbild Schnittreaktionen Bearbeiten nbsp Freikorperbild des Systems aus dem Lageplan a Schnittreaktion F und innere Seilkraft Z an der Schnittstelle Anmerkung 2 b Die von der Gewichtskraft m g erzeugte Hangabtriebskraft F Vektorrichtung richtig hangabwarts ist die Schnittreaktion Anmerkung 3 Der Lageplan wird zum sogenannten Freikorperbild abstrahiert Vom freigeschnittenen Korper genugt die symbolische Darstellung der Schnittstelle Schnittflache Von der weggeschnittenen Umgebung bleibt nur das fur die Ermittlung der von ihr ausgehenden Schnittreaktionen unbedingt notige Gegenstandliche in Andeutung ubrig im Freikorperbild Fass Rampenoberflache und Ruckhalteseil aus dem Lageplan Mit Hilfe des Freikorperbildes ist die Ermittlung der Schnittreaktionen relativ leicht moglich im Freikorperbild die Zugkraft F am Seil Z ist die innere Kraft im Seil Im Allgemeinen ist zu beachten Fest verbundene Stabe Balken und andere feste Korper ubertragen Krafte und Momente Seile Ketten Treibriemen und ahnliche biegeschlaffe Strukturen ubertragen nur Zugkrafte in Seilrichtung Durch Rollen werden solche Seilkrafte umgelenkt bei Reibungsfreiheit andert sich dabei ihr Betrag nicht Ein Pendelstab der an beiden Enden gelenkig gelagert ist ubertragt nur Zug und Druckkrafte entlang seiner Achse Gelenke ubertragen je nach Typ einige Krafte und Momente nicht Andere Krafte und Momente konnen aber je nach Typ ubertragen werden Kontaktkrafte an glatten reibungsfreien Flachen wirken immer senkrecht zu den Flachen Genauso uben Flussigkeiten und Gase ihren statischen Druck immer senkrecht zu den benetzten Flachen aus Reibkrafte wirken immer tangential zur Kontaktflache entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung des Korpers an dem sie angreifen Zur Orientierung erhalt die Zeichnung ein Koordinatensystem In den verschiedenen Disziplinen Baustatik Maschinenbau Punktmechanik gibt es unterschiedliche Arten der Darstellung und Interpretation der Zeichen in den Skizzen Abbildung der Korper Bearbeiten nbsp In der Dynamik konnen Korper als Punktmassen dargestellt werden Das Freikorperbild ist eine Prinzipskizze bei der es auf massstabgerechte Darstellung nicht ankommt Die einzelnen Korper werden skizziert wobei Arme und Saulen durchaus zu Linien reduziert und ausgedehnte Korper wie in der Abbildung rechts auf Punkte zusammengezogen werden Bei komplexen Bauteilen mit vielen Teilkorpern ahnelt ein Freikorperbild einer Explosionszeichnung und es ist eine Sache der Geschicklichkeit das Freikorperbild ubersichtlich zu gestalten Abbildung der Krafte und Momente Bearbeiten nbsp Darstellung einer Kraft F Momente M und T sowie einer Streckenlast qKrafte werden als Pfeile Streckenlasten als miteinander verbundene Pfeile und Momente als Doppelpfeile oder als um eine Drehachse gebogene einfache Pfeile dargestellt siehe Abbildung rechts Weil die relative Position der Kraftangriffspunkte und die Wirkungslinien der Krafte fur ein Kraftesystem von Belang sind mussen die Angriffspunkte und ihre relativen Positionen aus dem Freikorperbild ersichtlich sein Beim Eintrag der Krafte muss bedacht werden ob nur ermittelt werden soll ob der Korper im Gleichgewicht ist ob die Korper deformierbar sind oder als starr angenommen werden durfen Bei letzteren und allgemein bei Gleichgewichtsfragen durfen Momente frei und Krafte entlang ihrer Wirkungslinien verschoben werden Bei der Ermittlung von Beanspruchungen und Deformationen durfen die Kraftangriffspunkte nicht verlegt werden Nicht Darzustellendes Bearbeiten Das Freikorperbild ist nur eine von mehreren Zeichnungen die fur die Losung mechanischer Systeme erstellt werden Die folgenden Merkmale von Systemen sollen in ihren Freikorperbildern ausdrucklich nicht vorkommen nicht zum betrachteten System gehorende insbesondere weggeschnittene Korper Die von ihnen ausgeubten Krafte sind bereits eingetragen Es besteht die Gefahr Krafte doppelt zu berucksichtigen Neben Rand und andere Zwangsbedingungen sowie Lager stattdessen sind die entsprechenden Zwangskrafte einzutragen Krafte und Momente die der Korper auf seine Umgebung ausubt Weil diese Krafte und Momente nach dem Prinzip Actio und Reaction entgegengesetzt gleich gross sind zu denen die auf den Korper ausgeubt werden wurden sich alle Krafte und Momente ausloschen Es gabe keine eingepragten Krafte mehr innere Krafte und Momente Diese treten nur an Schnittflachen auf Im Korper eingetragene innere Krafte lassen befurchten dass sie als eingepragte Krafte missverstanden werden Diese auszuschliessenden Details konnen bei Bedarf in anderen erganzenden Zeichnungen dargestellt werden Konkrete Abbildungen Bearbeiten Bisweilen werden Belastungen Lagerreaktionen Beanspruchungen und auch Schnittreaktionen vereinfachend in konkretere Abbildungen etwa in technische Funktionsprinzipdarstellungen eingetragen wie die Bilder unten zeigen Der Uberblick geht dabei gegenuber Lageplanen und insbesondere Freikorperbildern leicht verloren nbsp Die Lagerreaktionen sind als Vektoren bereits eingetragen Die Lagersymbole sind verzichtbar nbsp Das System ist nicht statisch sondern dynamisch die beiden Gewichtskrafte sind nicht gleich Der Schritt bis zu einem Freikorperbild ist noch erheblich gross nbsp Die Auftriebskrafte B ersetzen den hydrostatischen Druck des Wassers dessen Abbildung verzichtbar ist In diesen Bildern tritt die Gefahr auf dass manche Krafte bei Anwendung des Schnittprinzips als eingepragte Krafte doppelt berucksichtigt werden beispielsweise die Lagerreaktionen im linken Bild die Seilkrafte im mittleren und die Auftriebskrafte im rechten Bild Siehe auch BearbeitenKraftesystem PolplanAnmerkungen Bearbeiten Bereits freigeschnittene Korper nochmals zu schneiden birgt die Gefahr dass leicht Fehler auftreten konnen insbesondere dann wenn im Freikorperbild schon vereinfachende Annahmen eingeflossen sind Die kurze Linie zwischen den beiden Kraftvektoren deutet an dass man mitunter von den beiden Ufern eines Schnittes spricht von denen man dem einen rechts im Freikorperbild die Schnittreaktionen dem anderen links die an der Schnittflache des freigesschnittenen Teils vorhandenen inneren Krafte und Momente bzw Spannungen zuordnet Die Kraftpfeile N und R stellen die Lagerreaktionen dar die sich mit nicht eingezeichneten sich ebenfalls aus der Gewichtskraft des Fasses ergebenden Kraften auf das Lager Rampe und Gegenseil kompensieren Literatur BearbeitenBruno Assmann Peter Selke Technische Mechanik 18 Auflage Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2006 ISBN 3 486 58010 8 S 99 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Alfred Boge Technologie Technik fur Fachgymnasien und Fachoberschulen 5 Auflage Friedr Vieweg amp Sohn Braunschweig Wiesbaden 1988 ISBN 978 3 528 44075 6 S 5 f eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Dietmar Gross Werner Hauger Jorg Schroder Wolfgang A Wall Technische Mechanik Band 3 Kinetik Springer DE 2008 ISBN 978 3 540 68422 0 S 191 f eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Freikorperbilder Sammlung von BildernEinzelnachweise Bearbeiten a b c P Haupt Continuum Mechanics and Theory of Materials Springer 2002 ISBN 978 3 642 07718 0 englisch a b H Altenbach Kontinuumsmechanik Einfuhrung in die materialunabhangigen und materialabhangigen Gleichungen Springer 2012 ISBN 3 642 24119 0 S 71 Karl Eugen Kurrer The History of the Theory of Structures Searching for Equilibrium Ernst amp Sohn Berlin ISBN 978 3 433 03229 9 S 378 f Georg Hamel Elementare Mechanik Ein Lehrbuch Teubner Leipzig Berlin 1912 DNB 580933865 S 5 archive org Mathematische Principien der Naturlehre Die Wolfers Ubersetzung 1872 S 388 Volltext Wikisource Istvan Szabo Geschichte der mechanischen Prinzipien Springer 2013 ISBN 978 3 0348 5301 9 Eingeschrankte Vorschau S 248 und S 20 in der Google Buchsuche abgerufen am 3 Februar 2022 Otto Bruns Theodor Lehmann Elemente der Mechanik I Einfuhrung Statik Vieweg Braunschweig 1993 S 92 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche abgerufen am 3 Februar 2022 Hans Georg Hahn Elastizitatstheorie Grundlagen der linearen Theorie und Anwendungen auf eindimensionale ebene und raumliche Probleme Leitfaden der Angewandten Mathematik und Mechanik 62 Teubner Stuttgart 1985 DNB 850225965 S 16 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche abgerufen am 1 Dezember 2016 Diese Aussage hat in der Mechanik den Stellenwert eines Axioms In der Punktmechanik wirken innere Krafte nach dem dritten Newton schen Axiom immer paarweise entgegengesetzt und innere Drehmomente treten nicht auf weil Massenpunkte nur Zentralkrafte aufnehmen konnen In der Kontinuumsmechanik muss dem Boltzmann Axiom zufolge jedes Volumenelement im statischen Gleichgewicht sein sodass die resultierenden inneren Krafte und Momente am Volumenelement null ergeben H Oertel Hrsg Prandtl Fuhrer durch die Stromungslehre Grundlagen und Phanomene 13 Auflage Springer Vieweg 2012 ISBN 978 3 8348 1918 5 S 15 H Bertram Axiomatische Einfuhrung in die Kontinuumsmechanik Wissenschaftsverlag 1989 ISBN 3 411 14031 3 S 67 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schnittprinzip amp oldid 234468418