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Der Laplacesche Damon ist die Veranschaulichung der erkenntnis und wissenschaftstheoretischen Auffassung nach der es im Sinne der Vorstellung eines geschlossenen mathematischen Weltgleichungssystems moglich ist unter der Kenntnis samtlicher Naturgesetze und aller Initialbedingungen wie Lage Position und Geschwindigkeit aller im Kosmos vorhandenen physikalischen Teilchen jeden vergangenen und jeden zukunftigen Zustand zu berechnen und zu determinieren Nach dieser Aussage ware es theoretisch moglich eine Weltformel aufzustellen Der Laplacesche Damon ist ein Entwurf des Mathematikers Pierre Simon Laplace Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Diskussion 3 Siehe auch 4 EinzelnachweiseHerkunft BearbeitenDer Ausdruck stammt aus folgender Aussage von Pierre Simon Laplace im Vorwort des Essai philosophique sur les probabilites von 1814 Wir mussen also den gegenwartigen Zustand des Universums als Folge eines fruheren Zustandes ansehen und als Ursache des Zustandes der danach kommt Eine Intelligenz die in einem gegebenen Augenblick alle Krafte kennt mit denen die Welt begabt ist und die gegenwartige Lage der Gebilde die sie zusammensetzen und die uberdies umfassend genug ware diese Kenntnisse der Analyse zu unterwerfen wurde in der gleichen Formel die Bewegungen der grossten Himmelskorper und die des leichtesten Atoms einbegreifen Nichts ware fur sie ungewiss Zukunft und Vergangenheit lagen klar vor ihren Augen 1 Diskussion BearbeitenGrundlage dieses Gedankens ist der Gesetzesdeterminismus Das Universum so der englische Chemiker Robert Boyle im 17 Jahrhundert gleiche einem Uhrwerk Gott habe das Universum mit seinen Gesetzen so geschaffen wie ein Uhrmacher die perfekte Uhr bauen wurde Einmal erschaffen und in den richtigen Ausgangszustand gebracht laufe das Universum unerbittlich nach dem Willen der gottlichen Vorsehung ab Auch fur Laplace ist die Welt durch Anfangsbedingungen und Bewegungsgesetze vollstandig determiniert so dass die Aufgabe der Naturphilosophie die in der Himmelsmechanik ihr Vorbild besitzt ausschliesslich in der Integration von Differentialgleichungen besteht Das ware die Aufgabe der Intelligenz die Laplace als Gedankenexperiment entwirft Argumente gegen die Moglichkeit der Existenz einer solchen Intelligenz die Bezeichnung Damon etablierte sich erst spater sind die empirische Unzuganglichkeit des Kleinen und die Unzuganglichkeit sehr grosser Massen im Kosmos Gegen die Moglichkeit eines Laplaceschen Damons lassen sich verschiedene Einwande erheben die auf von der Physik nach Laplace erkannten Gesetzmassigkeiten beruhen Der Laplacesche Damon dient heute nur noch zur Veranschaulichung eines streng deterministischen Weltbildes Das Dreikorperproblem vor 1888 Schon vor 1888 vermutete man und seit den entsprechenden Arbeiten von Henri Poincare und Heinrich Bruns weiss man dass Differentialgleichungssysteme die eine Bewegung von auch nur drei Korpern beschreiben nicht mehr geschlossen integriert werden konnen und daher nur in Sonderfallen analytisch losbar sind Der Damon ist also aus rein mathematischen Grunden nicht in der Lage seine Kenntnisse der Analyse zu unterwerfen Er kann allenfalls Naherungslosungen finden die mit fortschreitender Zeit immer aufwandigere Berechnungen oder neue Messungen benotigten Das gilt sowohl fur das Berechnen der Zukunft wie auch der Vergangenheit Dieser Einwand ist grundlegend mathematischer Natur Die Relativitatstheorie 1905 Nach der Relativitatstheorie ist es nicht moglich den ganzen Kosmos zu erfassen da Informationen maximal mit Lichtgeschwindigkeit transportiert werden konnen D h es bildet sich ein Horizont uber den der Damon nicht hinaus blicken konnte Er kann also nicht alle Zustande des Universums erfassen und folglich auch nicht vorhersagen Diese Erkenntnis verbietet dass der Damon existieren kann Die Unscharferelation auf Quantenebene um 1925 In der Quantenphysik lassen sich keine deterministischen genauen Voraussagen treffen es sind nur Wahrscheinlichkeitsaussagen moglich Dies ist nach der Kopenhagener Deutung nicht durch die Unkenntnis verborgener Variablen bedingt sondern spiegelt einen auf Quantenebene existierenden absoluten Zufall wider Daher ist also nicht nur der Laplacesche Damon unmoglich wie nach den beiden vorgenannten Einwanden sondern der Determinismus ist an sich falsch Es gibt allerdings auch deterministische Interpretationen der Quantenmechanik z B die De Broglie Bohm Theorie oder die Viele Welten Interpretation Auch der Messprozess kann bei Einbeziehung des Messgerats ohne Ruckgriff auf den Zufall beschrieben werden Von Neumann Messprozess wenn sich das Objekt schon vor der Messung in einem Zustand befindet in dem die zu messende Grosse einen eindeutigen Wert besitzt Eigenzustand In allen anderen Fallen die auch haufig auftreten sind verschiedene Messergebnisse moglich fur deren Haufigkeit aus prinzipiellen Grunden nur eine Wahrscheinlichkeit berechnet werden kann Des Weiteren beschreibt die Schrodingergleichung die Zustandsentwicklung eines Systems welches sich von aussen ungestort entwickelt und sich durch einen reinen Zustand beschreiben lasst Aus der Schrodingergleichung lasst sich der Zeitentwicklungsoperator bilden welcher grundsatzlich unitar ist d h eine eindeutige Entwicklung ohne Zufall beschreibt und immer rechnerisch umkehrbar also der Zustand auch in die Vergangenheit ruckrechenbar ist Die Kopenhagener Deutung geht bei einem reinen Zustand ausdrucklich damit konform postuliert nur zukunftige Messungen von aussen mit einem nicht zu diesem reinen Zustand kommutierenden Messoperator als Zufall Die Einschrankung auf einen reinen Zustand ist in diesem Zusammenhang keine echte Einschrankung jedes durch einen gemischten Zustand beschriebene System kann als Teil eines durch einen reinen Zustand beschriebenen Gesamtsystems interpretiert und mathematisch dazu erganzt werden Es kann daher empirisch nicht entschieden werden ob unsere Realitat durch einen reinen Zustand oder ein Zustandsgemisch gegeben ist Eine das gesamte All und alle physikalischen Gesetze Effekte und Krafte umfassende Schrodingergleichung ist allerdings naturgemass sehr komplex Berechnungsgrenzen 1960er Auch die Phanomene der Chaosforschung stellen den Damon vor eine unlosbare Aufgabe solange er Teil des Universums ist Letztlich gilt dass die Anfangsbedingungen die Zukunft eindeutig festlegen die Anzahl der fur eine solche Berechnung benotigten Werte jedoch exponentiell anwachst Deshalb wurde der Damon fur Vorhersagen eine sehr lange Zeit benotigen Letztlich so lange dass er fur eine Berechnung des Zustandes des Universums ublicherweise mindestens so lange benotigt wie das Universum benotigt um den Zustand einzunehmen Seine Vorhersage als eine vom System entkoppelte Aussage kame also zu spat Da der Damon aber kein tatsachliches wissenschaftliches Ziel darstellen soll muss er auch nicht einer realen Bedingung unterworfen sein womit der 1 2 und 4 Punkt fur die philosophische Interpretation bedeutungslos ist Einzig die Kopenhagener Deutung der Quantenphysik steht ihr entgegen da sie den per definitionem unvorhersehbaren absoluten Zufall beinhaltet Was den Punkt 3 angeht ist wissenschaftstheoretisch gesehen jedoch die gesamte Wissenschaftswelt induktiv aufgebaut d h beruht grundsatzlich auf Wahrscheinlichkeitsaussagen nur in den formalen Systemen Mathematik Logik lasst sie sich deduktiv ableiten Siehe auch BearbeitenOmniszienz AllwissenheitEinzelnachweise Bearbeiten O Hofling Physik Band II Teil 1 Mechanik Warme 15 Auflage Ferd Dummlers Verlag Bonn 1994 ISBN 3 427 41145 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Laplacescher Damon amp oldid 237784211