www.wikidata.de-de.nina.az
Der Vertrag von Versailles von 1919 sah vor dass in mehreren Grenzgebieten des Deutschen Reiches Volksabstimmungen stattfinden sollten durch die die Zugehorigkeit der Gebiete entweder zum Deutschen Reich oder zu dessen Nachbarstaaten Danemark Polen Frankreich oder Belgien festgelegt werden sollte Geregelt wurde dies in den Artikeln 88 94 und 104 des Versailler Vertrags Im Einzelnen ergaben sich daraufhin folgende Ergebnisse Karte mit den Abstimmungsgebieten an der polnischen GrenzeInhaltsverzeichnis 1 Schleswig 2 Oberschlesien 3 Ost und Westpreussen 4 Saargebiet 5 Exkurs Gebietsabtretungen ohne vorausgehende Volksabstimmung 5 1 Westpreussen 5 2 Posen 5 3 Eupen und Malmedy 5 4 Elsass Lothringen 6 Sonderfall Deutschosterreich 7 Siehe auch 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseSchleswig Bearbeiten Hauptartikel Volksabstimmung in Schleswig Abstimmungen in Schleswig I Zone Nordschleswig 10 Februar 1920 25 1 fur den Verbleib bei Deutschland damit fiel dieses Gebiet an Danemark II Zone Mittelschleswig 14 Marz 1920 insgesamt 80 2 der Stimmen fur Deutschland damit blieb das Gebiet beim Deutschen Reich Das Ergebnis der Zone I fuhrte dazu dass neben Stadten wie Apenrade und Sonderburg mit Mehrheiten von 55 1 bzw 56 2 fur Deutschland in einem ansonsten mehrheitlich danisch gesinnten Umland im Norden der Zone I auch die Stadt Tondern mit uber 76 5 deutschen Stimmen und mehrheitlich deutsch gesinntem Umland an Danemark kam obwohl dieses Gebiet direkt an der Grenze liegt In Zone II gab es auf Gemeindeebene nur drei Orte auf Fohr mit einer danischen Stimmenmehrheit die bei Deutschland verblieben Nur im Falle grenznaher Gemeinden mit danischer Mehrheit in Zone II hatte Danemark weitere Gebiete erhalten In einer zeitweilig diskutierten sudlichen Zone III mit den Stadten Schleswig Husum und Friedrichstadt wurde keine Abstimmung durchgefuhrt obwohl nationalliberale Kreise auf danischer Seite eine dortige Abstimmung ins Spiel gebracht hatten Zeitgenossische deutsche Politiker und Publizisten kritisierten sowohl die Zoneneinteilung selbst die auf der Clausen Linie beruhte als auch dass die I Zone en bloc gewertet wurde wahrend in der II Zone jede Gemeinde einzeln ausgezahlt wurde Dieses Vorgehen fuhrte zu einer doppelt so grossen deutschen Minderheit in Danemark wie danischen Minderheit in Deutschland Ein noch am Tag der ersten Abstimmung vorgelegter Vorschlag des deutschen Historikers Johannes Tiedje zur Revision des umstrittenen grenznahen Streifens um Tondern in der I Zone der im Ergebnis zu gleich grossen Minderheiten beiderseits der Grenze gefuhrt hatte wurde nicht angenommen Er spielte in der Endphase des Wahlkampfes in der II Zone eine Rolle 1 Die Grenze zwischen den Zonen I und II bildet bis heute die deutsch danische Grenze Die deutsche Minderheit in Nordschleswig sowie die danische Minderheit in Sudschleswig besitzen bis heute den Status nationaler Minderheiten mit entsprechenden Rechten Kulturverbanden Schulen Bibliotheken und eigenen Parteien der Schleswigschen Partei in Danemark und dem Sudschleswigschen Wahlerverband in Deutschland Oberschlesien Bearbeiten Hauptartikel Volksabstimmung in Oberschlesien Bei der Abstimmung am 20 Marz 1921 wurden 59 6 der Stimmen fur Deutschland abgegeben und 40 4 fur Polen Die Wahlbeteiligung betrug 98 In 664 Gemeinden votierte die Mehrheit fur das Deutsche Reich in 597 fur Polen Der Versailler Vertrag sah die Moglichkeit einer Aufteilung des Gebietes vor 2 Dementsprechend verblieb dann auch der grossere westliche Teil Oberschlesiens bei Deutschland wahrend Ostoberschlesien mit Kattowitz Katowice und seinen wertvollen Kohlegruben an Polen kam Schon vor der Abstimmung hatte es heftige Kontroversen zwischen Deutschen und Polen gegeben die sich jetzt zuspitzten Nach der Auszahlung verlangte die neugebildete Regierung Wirth wegen der insgesamt 59 6 fur Deutschland abgegebenen Stimmen musse das gesamte Gebiet Deutschlands erhalten bleiben 3 Am 22 Mai 1921 veranstalteten die deutschen Arbeitergeberverbande gemeinsam mit den Gewerkschaften eine Versammlung in der Berliner Philharmonie in der gegen die Vergewaltigung Oberschlesiens protestiert und ein Selbstbestimmungsrecht fur die Region gefordert wurde Reichstagsprasident Paul Lobe und der Prasident des Preussischen Landtags Robert Leinert beide SPD hielten Ansprachen 4 In Oberschlesien selbst gingen verschiedene Gruppen Selbstschutz und Freikorps daran sich zu bewaffnen und Widerstand gegen eine mogliche Abtretung zu leisten Polnische Freischarler unter Wojciech Korfanty versuchten dagegen eine Abtretung ganz Oberschlesiens an Polen zu erreichen Am Annaberg lieferten sich polnische und deutsche Gruppen am 23 Mai 1921 heftige Gefechte Dritter Aufstand in Oberschlesien Am 20 Oktober 1921 entschied eine Botschafterkonferenz in Paris dass das Gebiet aufzuteilen sei wobei das Deutsche Reich und Polen jeweils einen Anteil entsprechend dem Wahlergebnis erhalten sollte Diese Entscheidung beruhigte die Situation zwar oberflachlich auf deutscher Seite allerdings hielten sich weiterhin Ressentiments und der Wunsch die Entscheidung ruckgangig zu machen Ost und Westpreussen Bearbeiten nbsp Rosseler Tageblatt aus Rossel vom 10 Juli 1920 Sonderausgabe zur Abstimmung am 11 Juli 1920 im Abstimmungsgebiet AllensteinIn Ostpreussen gemessen an den Grenzen der Zwischenkriegszeit fanden am 11 Juli 1920 in zwei Gebieten Abstimmungen uber die zukunftige Zugehorigkeit zu Deutschland oder Polen statt Im Abstimmungsgebiet Marienwerder stimmten 92 8 fur Ostpreussen und damit fur Deutschland die Wahlbeteiligung betrug 84 Prozent Damit kam das Gebiet als Regierungsbezirk Westpreussen zur Provinz Ostpreussen Im Abstimmungsgebiet Allenstein Masuren und Teile des Ermlands stimmten 97 9 Prozent fur Ostpreussen die Wahlbeteiligung lag mit 87 Prozent etwas hoher Damit blieb das Gebiet deutsch Realistische Beobachter hatten Mehrheitsvoten fur Deutschland erwartet Dass sie so deutlich ausfielen hatte vermutlich verschiedene Ursachen Der Anteil slawischer Muttersprachler hatte in den vorangegangenen Jahrzehnten rapide abgenommen Ein erheblicher Teil der Einwohner masurischer Sprache identifizierte sich mit Deutschland Die Wahlwerbung fur Deutschland wurde von der deutschen Verwaltung unterstutzt Im Unterschied zu anderen Abstimmungsgebieten wurde diese wahrend der Abstimmungsvorbereitungen durch eine neutrale Verwaltung ersetzt Bereits im Ersten Weltkrieg druckte die Ostpreussenhilfe nationale Verbundenheit aus und die Reichsregierung stellte Kredite zur Behebung von Kriegsschaden bereit Polen befand sich 1920 im Polnisch Sowjetischen Krieg und war militarisch in die Defensive geraten 5 6 Saargebiet BearbeitenIm zunachst franzosisch besetzten dann unter Volkerbundsverwaltung stehenden Saargebiet fand die Volksabstimmung den Regelungen des Vertrags entsprechend erst am 13 Januar 1935 statt Sie erbrachte eine Mehrheit von 90 8 fur Deutschland sodass das Saargebiet am 1 Marz desselben Jahres dem Deutschen Reich angegliedert wurde Die Nationalsozialisten die seit 1933 im Deutschen Reich an der Macht waren schlachteten die Heimkehr der Saar propagandistisch als ihren Erfolg aus Exkurs Gebietsabtretungen ohne vorausgehende Volksabstimmung BearbeitenWestpreussen Bearbeiten Ein grosser Teil Westpreussens wurde Polen zugeschlagen und bildete nun den nordlichen Abschnitt des Polnischen Korridors Von den an Polen gekommenen Kreisen hatten 1910 allerdings nur Stadt und Landkreis Graudenz sowie die Stadt Thorn eine deutschsprachige Mehrheit gehabt Danzig wurde als Freie Stadt Danzig unter Aufsicht des Volkerbundes ein deutsches Gemeinwesen im polnischen Wirtschaftsraum um so dem polnischen Wunsch nach einem leistungsfahigen Seehafen und der deutschen Bevolkerungsmehrheit gleichermassen Rechnung zu tragen Posen Bearbeiten In der Provinz Posen der historischen polnischen Landschaft Grosspolen wurde keine Volksabstimmung durchgefuhrt Hier hatte bereits der Grosspolnische Aufstand ab Ende Dezember 1918 bis 16 Februar 1919 dazu gefuhrt dass aufgrund alliierten Drucks ein Waffenstillstand durchgesetzt und eine Demarkationslinie festgelegt wurde Bei der Volkszahlung von 1910 hatten 61 5 der Bevolkerung Polnisch als Muttersprache angegeben 38 5 Deutsch In der Stadt Posen selber hatten 1910 55 Polen und 45 Deutsche gelebt Ein Gebietsstreifen am Nordwestrand der Provinz mit besonders hohem deutschem Bevolkerungsanteil blieb beim Deutschen Reich Die Stadt Bromberg polnisch Bydgoszcz wurde trotz deutscher Einwohnermehrheit von 84 an Polen abgetreten Eupen und Malmedy Bearbeiten Bis Ende des Ersten Weltkrieges hatte das preussische Staatsgebiet hier auch frankophone Bereiche eingeschlossen Die Gegend um Malmedy wurde auch Preussische Wallonie genannt Die neue Staatsgrenze lag ostlich der Sprachgrenze Eupen und St Vith Das Gebiet Eupen Malmedy wurde zunachst ohne Volksabstimmung an Belgien abgetreten Spater fand eine Abstimmung uber Listeneintragungen statt und ergab eine leichte Mehrheit fur Belgien sie blieb aber wegen des Abstimmungsmodus umstritten 7 Das seit 1815 von Preussen nach 1871 Deutsches Reich und Belgien gehorte bis 1830 zum Vereinigten Konigreich der Niederlande gemeinsam verwaltete Sondergebiet Neutral Moresnet wurde ohne Volksabstimmung Belgien zuerkannt In Eupen befindet sich heute der Regierungssitz der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens Elsass Lothringen Bearbeiten Auch in Elsass Lothringen fand keine Abstimmung statt Das Gebiet das seit dem Jahr 870 zum Ostfrankischen Reich spater Heiliges Romisches Reich gehort hatte dann durch den franzosischen Konig Ludwig XIV im 17 Jahrhundert erobert und 1871 an Deutschland abgetreten werden musste fiel wiederum an Frankreich Zwar verlauft hier traditionell die Sprachgrenze entlang der Vogesen sodass das Elsass und Deutsch Lothringen 1918 deutschsprachig waren die Mehrheit der dortigen Bevolkerung hatte allerdings in den Jahrhunderten der Zugehorigkeit zu Frankreich insbesondere nach der Revolution von 1789 eine eher pro franzosische Haltung eingenommen 8 Sonderfall Deutschosterreich BearbeitenDa Deutschosterreich nicht Bestandteil des Deutschen Reichs war kann nicht von einer Abtretung gesprochen werden jedoch wurde umgekehrt die gewunschte Angliederung an das Deutsche Reich von den alliierten Siegern untersagt Am 21 Oktober 1918 hatten die deutschen Abgeordneten des Osterreichischen Reichsrats sich zur deutschosterreichischen Nationalversammlung erklart woraufhin Kaiser Karl am 25 Oktober den Regierungsgeschaften entsagte Am 30 Oktober also noch vor dem Waffenstillstand am 3 November hatte diese Nationalversammlung in einem Brief an Wilson die Grundung der Republik Deutschosterreich bekanntgegeben und sie als Bestandteil der Deutschen Republik erklart noch vor der Ausrufung der Republik in Deutschland Ab Oktober wurde der Staat nicht mehr Deutschosterreich genannt sondern auf Veranlassung der Siegermachte im Vertrag von Saint Germain als Republik Osterreich bezeichnet Die Vereinigung mit dem Deutschen Reich wurde ihr untersagt 1921 fanden Volksabstimmungen in Tirol 24 April 1921 98 8 fur Deutsches Reich und im Salzburger Land 29 Mai 1921 99 3 fur Deutsches Reich statt Die Siegermachte vor allem Frankreich unterbanden weitere Abstimmungen und bestanden auf der Einhaltung der Pariser Vorortvertrage Unter veranderten Rahmenbedingungen erfolgte 1938 der Anschluss Osterreichs an das Deutsche Reich Siehe auch BearbeitenVolksabstimmungen im Gefolge des Vertrags von Saint GermainWeblinks BearbeitenWahlen in der Weimarer Republik Zeittafeln 1918 1933 Oberschlesien Ostpreussen SaargebietEinzelnachweise Bearbeiten Deutsches Historisches Museum Portal Kollektives Gedachtnis Volksabstimmung in Schleswig Holstein 1920 unter Nachher auch detaillierte Karte und Zahlen Anlage VIII zum Versailler Vertrag 88 betreffend Ingrid Schulze Bidlingmaier Bearb Akten der Reichskanzlei Die Kabinette Wirth I und II 1921 22 Boldt Boppard am Rhein 1973 S LII online Manfred Overesch Die Weimarer Republik Droste Geschichts Kalendarium Politik Wirtschaft Kultur Chronik deutscher Zeitgeschichte Bd 1 Droste Verlag Dusseldorf 1982 S 494 AHF Information Nr 54 Die Volksabstimmung 1920 Voraussetzungen Verlauf und seine Folgen Memento vom 10 Februar 2012 im Internet Archive Robert Kempa Jugendzeit in Ostpreussen siehe auch Klaus Dieter Klauser Die Volksbefragung in Eupen Malmedy Sophie Charlotte Preibusch Verfassungsentwicklungen im Reichsland Elsass Lothringen 1871 1918 Integration durch Verfassungsrecht Berliner Wissenschafts Verlag Berlin 2010 S 43 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Volksabstimmungen infolge des Versailler Vertrags amp oldid 224558242