www.wikidata.de-de.nina.az
Die kommunale Selbstverwaltung ist ein praktisch wichtiges Beispiel fur Selbstverwaltung also der Ubertragung von Verwaltungsaufgaben an rechtlich verselbstandigte juristische Personen um den Betroffenen die eigenverantwortliche Gestaltung zu ermoglichen Legitimationskette der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung sowie Selbstverwaltung auf Bundes Landes und KommunalebeneTrager der kommunalen Selbstverwaltung sind in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere die Gemeinden als Gebietskorperschaften des offentlichen Rechts Die Gemeindeburger wahlen eine Vertretung Gemeinderat und je nach Bundesland auch den Burgermeister Die Gemeindevertretung beschliesst uber grundsatzliche Angelegenheiten der Selbstverwaltung und kontrolliert die Verwaltung Die Gemeindevertreter sind ehrenamtlich tatig Bei der Leitung der Verwaltung gilt der Grundsatz In Gemeinden mit weniger als 8 000 Einwohnern ist der Burgermeister Mitglied der Gemeindevertretung und ebenfalls ehrenamtlich tatig Grossere Gemeinden und Landkreise werden dagegen durch einen oder mehrere hauptamtlich tatige kommunale Wahlbeamte geleitet Die kommunale Selbstverwaltung ist in Art 28 Abs 2 GG und in den meisten Landesverfassungen durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie siehe unten geschutzt Die Zustandigkeit umfasst alle Aufgaben die in der ortlichen Gemeinschaft wurzeln Aufgabenfindungsrecht Ein Mandat fur uberortliche Aufgaben oder allgemeinpolitische Betatigung besteht dagegen nicht Die Gemeinde ist kein privater Zusammenschluss von Burgern sondern Teil der offentlichen Gewalt genauer ein Teil der Exekutive die nur innerhalb ihrer Kompetenzen tatig werden darf Kommunale Gebietskorperschaften sind neben den Gemeinden auch Gemeindeverbande wie z B Kreise bzw Landkreise Landschaftsverbande und besondere Regionalverbande z B der Regionalverband Ruhr Inhaltsverzeichnis 1 Historische Entwicklung 2 Heutiger Zustand 2 1 Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung 2 2 Die Gemeinde im Staatsaufbau 2 3 Die Aufgaben der Gemeinde 2 4 Probleme der kommunalen Selbstverwaltung 3 Rechtsquellen in den Landesverfassungen 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseHistorische Entwicklung BearbeitenIn Deutschland liegen die historischen Wurzeln der kommunalen Selbstverwaltung in der Reformation Prinzipiell waren bis zur Christianisierung alle Stammesgesellschaften und soweit schon existent alle Dorfgemeinschaften ostlich des Rheins wirtschaftlich autark und politisch autonom Im Zuge der christlichen Missionierung begann eine Umstrukturierung 1 verbunden mit der Einfuhrung des Lehnswesens Viele Dorfer und Stadte insbesondere in Norddeutschland konnten jedoch auch im Mittelalter eine weitgehende Selbstbestimmung bewahren Hervorzuheben sind Gemeinden in sogenannten Bauernrepubliken sowie Stadte mit eigener Rechtsprechung zum Beispiel nach dem Lubschen oder Magdeburger Recht Nach der Veroffentlichung von Luthers 95 Thesen setzten in Deutschland tiefgreifende gesellschaftliche Veranderungen ein Mit der Reformation kamen Abgaben nicht mehr direkt dem Pfarrer zugute sondern der Kirchengemeinde Die Kirche sollte lediglich noch indirekt als Lehrerin und Dienerin durch Anweisung und Ermahnung in der Liebe zu Gott nicht mehr aber in der Verwaltung der Gemeinden beteiligt sein Dabei kam es zu fiskalischen Auseinandersetzungen und zur Zersplitterung ursprunglicher Kirchbezirke auch in katholischen Gebieten Der Grund dafur war vor allem dass Gerichtssprengel und Kirchsprengel nicht mehr identisch waren Die geistliche Gerichtsbarkeit wurde abgeschafft und alle Streitigkeiten wurden fortan vor weltlichen Gerichten verhandelt Eingefuhrt wurden Gemeindekassen und die Begrundung des Pfarrwahlrechts zugunsten einer Kirchengemeindeleitung den sogenannten Kirchgeschworenen Das Pfarrwahlrecht bewirkte die Anpassung der kirchlichen an die nachbarschaftlichen das heisst kommunalen Strukturen Sie verbrieften den Gemeinden das freie Recht den Pfarrer zu wahlen und zu entlassen Im Gegenzug wurden die Gemeinden verpflichtet fur das Armen und Schulwesen aufzukommen Eine flachendeckende Schaffung administrativer Gemeindestrukturen fand in Deutschland erst Anfang des 19 Jahrhunderts statt Auf Grundlage der franzosischen Munizipalitat erhielten alle Gemeinden in den von Napoleon regierten deutschen Gebieten ein Selbstverwaltungsrecht verbunden mit einer rechtlichen und finanziellen Autonomiegarantie Diese Souveranitat behielten die Kommunen in Deutschland bis 1918 Tiefgreifende Veranderungen im traditionellen Selbstverwaltungsgefuge traten in Deutschland im Zuge der Erzbergerschen Reformen ein sie machten die Lander und Gemeinden weitgehend von Steuerzuweisungen des Staates abhangig 2 Die Gleichschaltung der Gemeinden im Dritten Reich war dagegen eine vorubergehende Erscheinung Wahrend dieser Zeit blieb die kommunale Selbstverwaltung nicht nur erhalten die Nationalsozialisten machten sie fortan zur Pflicht 3 Seit Einfuhrung der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 konnen in Deutschland grundsatzlich alle Einwohner zur Mitwirkung der Selbstverwaltung ihrer Gemeinden ehrenamtlich verpflichtet werden 4 Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben massgebliche Bestandteile dieses Regelwerkes als Landesrecht erhalten 5 Insbesondere die Regelungen zur Selbstverwaltung bilden noch heute die inhaltliche Grundlage fur die Gemeindeordnungen der einzelnen Bundeslander 6 Heutiger Zustand BearbeitenVerfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung Bearbeiten Hauptartikel Selbstverwaltungsgarantie Art 28 Abs 2 S 1 GG gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie gibt den Gemeinden die Zustandigkeit fur alle Aufgaben die im gemeindlichen Zusammenleben wurzeln Diese Zustandigkeitsvermutung erubrigt einzelne spezielle Kompetenztitel Gemeinden sind in der ortlichen Ebene allzustandig Universalitatsprinzip sie haben ein Aufgabenfindungsrecht Andere kommunale Gebietskorperschaften insbesondere Landkreise kennen keine umfassende Zustandigkeit ihre Aufgaben werden daher im Einzelnen zugewiesen Die Gemeinde im Staatsaufbau Bearbeiten Die kommunale Selbstverwaltung fuhrt zu einer staatlichen Dezentralisierung Trotz deren Bezeichnung als vertikaler Foderalismus fuhrt sie nicht zu einer staatsrechtlichen Dreiteilung Bund Lander Gemeinden da die Gemeinden als Selbstverwaltungskorperschaften Teil der Exekutive sind Man spricht wegen der rechtlichen Verselbstandigung von der hierarchischen Verwaltung auch von mittelbarer Landesverwaltung Aus diesem Grund ist der Gemeinderat auch nicht Parlament sondern Verwaltungsgremium Die Aufgaben der Gemeinde Bearbeiten Zur Ausgestaltung der Selbstverwaltung der Gemeinden haben die Bundeslander Gemeindeordnungen und Landkreis bzw Kreisordnungen erlassen Diese orientieren sich regelmassig an der fruheren einheitlichen Deutschen Gemeindeordnung DGO Im praktischen Verwaltungsvollzug nehmen die Gebietskorperschaften vielfach neben ihren eigenen Selbstverwaltungsaufgaben auch ubertragene staatliche Aufgaben wahr Einige Gemeindeordnungen haben diese historisch uberkommene dualistische Aufgabenstruktur eigene staatliche Aufgaben wegen der darin zum Ausdruck kommenden Distanzierung zum Staat nicht ubernommen Nach dem sogenannten Weinheimer Entwurf von 1948 folgen sie stattdessen einem monistischen Verstandnis und unterscheiden die umfassend verstandenen eigenen Aufgaben in weisungsfreie und Weisungsaufgaben Ob ausser der abweichenden Terminologie hiermit wesentliche Unterschiede verbunden sind ist zweifelhaft Es werden eigene bzw freiwillige Beispiel Theater Sportanlagen pflichtige bzw weisungsfreie Pflichtaufgaben Beispiel Schulen Friedhofe Gemeinderatswahlen und Auftragsangelegenheiten bzw Pflichtaufgaben nach Weisung Beispiel Bauaufsicht Meldeverwaltung Gefahrenabwehr unterschieden Freiwillige und pflichtige Aufgaben fallen unter die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden Auftragsangelegenheiten sind dagegen ursprungliche Aufgaben des Bundes oder der Lander die den Gemeinden von diesen zur Ausfuhrung ubertragen wurden Freiwillige Aufgaben kann die Gemeinde nach Belieben ubernehmen und regeln Pflichtaufgaben muss sie dagegen erledigen die Ausgestaltung bleibt aber ihr uberlassen Allerdings ist auch die Gemeinde als Teil der offentlichen Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden Art 20 Abs 3 GG Um dies zu gewahrleisten gibt es die Rechtsaufsicht des Landes Weisungsangelegenheiten mussen dagegen gemass den Weisungen der ubergeordneten Behorden ausgefuhrt werden Hier gibt es deshalb eine umfassende Fachaufsicht Probleme der kommunalen Selbstverwaltung Bearbeiten In der Verwaltungspraxis der Bundeslander ist die Tendenz erkennbar Aufgaben durch Gesetz hochzuzonen das heisst den Kommunen zu entziehen Das Bundesverfassungsgericht hat hier in standiger Rechtsprechung eine Grenze gezogen und festgelegt dass bei den Gebietskorperschaften ein Kernbereich eigener Kompetenzen verbleiben muss Hierzu zahlen Gebietshoheit Satzungshoheit Finanzhoheit Abgabenhoheit Personalhoheit Organisationshoheit Planungshoheit und DaseinsvorsorgeAndererseits werden Gemeinden auch neue Aufgaben ubertragen Viele Gemeinden sind unter anderem durch zusatzliche Pflicht und Auftragsangelegenheiten ohne ausreichende Kostendeckung durch Bund und Lander finanziell handlungsunfahig geworden und konnen deshalb die Moglichkeiten der kommunalen Selbstverwaltung faktisch nur noch eingeschrankt nutzen Im Rahmen der Foderalismusreform wurde das Grundgesetz geandert Gemeinden durfen durch Bundesrecht keine zusatzlichen Aufgaben auferlegt werden Neufassung des Art 84 Abs 1 und des Art 85 Abs 1 GG Edzard Schmidt Jortzig in den 1980er Jahren Lehrstuhlinhaber fur Offentliches Recht an der Universitat Kiel beklagte schon damals Aufgaben des Staates Bundesrepublik wurden auf den oberen Ebenen erfunden anschliessend aber samt Finanzierung auf die unteren Ebenen heruntergedruckt 7 Der achte Senat des Bundesverwaltungsgerichts urteilte am 31 Januar 2013 uber die Kreisumlage es ist unzulassig die notwendigen Kosten der Landkreise fur ihre Aufgabenerfullung auf die Gemeinden wegzudrucken Es muss fur die Gemeinden eine absolut geschutzte finanzielle Mindestausstattung geben 8 Rechtsquellen in den Landesverfassungen BearbeitenBaden Wurttemberg Art 71 LV Bd Wtt Bayern Art 11 Abs 2 in Verbindung mit Art 83 LV Bay Brandenburg Art 97 LV Brandenburg Bremen Art 144 BremVerf Hessen Art 137 HV Mecklenburg Vorpommern Art 72 Verf M V Niedersachsen Art 57 NV Nordrhein Westfalen Art 78 LV NRW Rheinland Pfalz Art 49 und Art 50 LV Rh Pf Saarland Art 118 SVerf Sachsen Art 84 SachsVerf Sachsen Anhalt Art 2 Abs 3 und Art 87 LV Sachsen Anhalt Schleswig Holstein Art 46 Abs 1 und 2 LV Schl H Thuringen Art 91 Abs 1 und 2 ThurVerfIn den Landern Berlin und Hamburg besteht der Staat nur aus einer einzigen Kommune Eine kommunale Selbstverwaltungsgarantie gibt es dort daher nicht Siehe auch BearbeitenKommunale Aufgabenstruktur Gemeindeordnungen in Deutschland Offentliche Verwaltung Deutscher Stadtetag Deutscher Stadte und Gemeindebund Deutscher LandkreistagLiteratur BearbeitenEvamaria Engel Die deutsche Stadt im Mittelalter Albatros Munchen 1993 ISBN 3 491 96135 1 Markus Thiel Die preussische Stadteordnung von 1808 In Speyerer Arbeitshefte Band 123 Deutsche Hochschule fur Verwaltungswissenschaften 1999 ISSN 0179 2318 DNB 959026053 Gisela Florstedt Borowski Kommunale Entscheidungsverlaufe im Spannungsfeld zwischen Vertretungskorperschaft und Verwaltung Frankfurt M 1995 ISBN 3 631 48806 8 pol wiss Diss Gottingen 1994 Christopher A Schmidt Unmittelbare Gemeindedemokratie im mittel und suddeutschen Raum der Weimarer Republik Eine Untersuchung von Verfahren und Praxis Nomos Baden Baden 2007 ISBN 978 3 8329 2607 6 zugleich jur Diss Hannover 2006 Jan H Witte Unmittelbare Gemeindedemokratie der Weimarer Republik Verfahren und Anwendungsausmass in den norddeutschen Landern Nomos Baden Baden 1997 ISBN 3 7890 4809 7 zugleich jur Diss Hannover 1996 Hans Uwe Erichsen Richard Weiss Kommunale Selbstverwaltung und staatliche Organisationsvorgaben Carl Heymanns Koln 1999 ISBN 3 452 23231 X Alfons Gern Deutsches Kommunalrecht 3 Auflage Nomos Baden Baden 2003 ISBN 3 8329 0127 2 Heinrich Heffter Die deutsche Selbstverwaltung im 19 Jahrhundert Geschichte der Ideen und Institutionen 2 Auflage Koehler Stuttgart 1969 DNB 456933859 Volker Mayer Kommunale Selbstverwaltung in den ostdeutschen Landern PCO Bayreuth 2001 ISBN 3 931319 87 3 zugl Dissertation an der Universitat Bayreuth Weblinks BearbeitenBVerfGE 79 127 Rastede Entscheidung Version mit allen Anderungen bis 2002 TU Berlin WebserverEinzelnachweise Bearbeiten Roger Sablonier Das Dorf im Ubergang vom Hoch zum Spatmittelalter In Hans Fenske Werner Rosener Lothar Zotz Hrsg Institutionen Kultur und Gesellschaft im Mittelalter Festschrift fur Josef Fleckenstein Sigmaringen 1984 S 727 745 Gunter Puttner Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis Band 1 Grundlagen und Kommunalverfassung Springer Verlag 2013 S 90 ff vgl DGO von 1935 1 Satz 2 ff vgl DGO von 1935 23 Ursprungliche Fassung der DGO mit rot markierter Einleitung uber Fortgeltung als Landesrecht gemass Art 123 GG vom 23 Mai 1949 In verfassungen de Abgerufen am 22 November 2022 Tobias Faber Gesellschaftsrechtliche Bindungen fur Aufsichtsratsmitglieder von kommunalen Eigengesellschaften im Spannungsfeld zum hessischen Kommunalverfassungsrecht Lang Verlag 2010 S 30 Jasper von Altenbockum FAZ Warum Deutschland immer wieder uber seine Verhaltnisse lebt faz net F vom 12 Juni 2022 Interview mit Hans Gunter Henneke Hauptgeschaftsfuhrer des Deutschen Landkreistags und Mitglied des Stabilitatsbeirats www bverwg de Urteil vom 31 01 2013 BVerwG 8 C 1 12Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kommunale Selbstverwaltung Deutschland amp oldid 228362096