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Deszendenzregeln lateinisch descendere herabsteigen nachkommen oder Abstammungsregeln auch Filiation bezeichnen in der Ethnosoziologie diejenigen sozialen Vorstellungen und Normen die vorgeben ob eine Person ihre Abstammung von beiden Elternteilen oder nur von Mutter oder Vater herleitet und wer dementsprechend zu ihrer Verwandtschaft und Vorfahrenschaft gehort In einer ethnischen Gesellschaft bestimmt die geltende Abstammungsregel die Erbfolge von Besitz und sozialen Positionen sowie die Ubertragung von Gruppenzugehorigkeiten Amtern und Privilegien von einer Generation auf die Nachste Eine Abstammungsregel orientiert sich nicht notwendigerweise an biologischer Verwandtschaft sofern sie das beansprucht muss sie aber nicht immer den Tatsachen entsprechen vor allem in Bezug auf biologische Vaterschaft siehe Kuckuckskinder und nur mundlich uberlieferte Vorfahren Generationen siehe Herkunftssagen Die sechs verbreiteten Abstammungsregeln teilen sich in zwei Gruppen 1 Unilinear einlinig Abstammung von nur einer geschlechtlichen Vorfahrenlinie mutter oder vaterseitig insgesamt 68 der weltweit 1300 Ethnien und indigenen Volker Diese Gruppe enthalt die weit verbreitete patrilineare Herleitung von den Vatern 46 und die weniger verbreitete matrilineare Herleitung von den Muttern 13 sowie die drei Abstammungskonzepte der Bilinearitat Ambilinearitat und Parallelitat bei denen die eine oder die andere Linie in unterschiedlichen sozialen Zusammenhangen eine Rolle spielt zusammen 9 Kognatisch bilateral beidseitig Herleitung von beiden Linien gleichzeitig von Mutter und Vater wie auch in modernen Gesellschaften ublich 28 Mit den jeweiligen Deszendenzregeln sind entsprechende Heiratsregeln sowie Residenzregeln zum ehelichen Wohnsitz verbunden Inhaltsverzeichnis 1 Unilineare Abstammung 1 1 patrilinear 1 2 matrilinear 1 3 bilinear 1 4 ambilinear 1 5 parallel 2 Kognatische bilaterale Abstammung 3 Kritik am Konzept der Deszendenz 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseUnilineare Abstammung BearbeitenBei einer unilinearen Abstammungsregel lateinisch einlinig leitet sich eine Person von nur einer geschlechtlichen Linie seiner Vorfahren ab entweder patrilinear von der ausschliesslich mannlichen Linie seiner Vorvater oder matrilinear von der ausschliesslich weiblichen Linie der Mutter deren Mutter und so weiter zuruckgehend Beide Linien haben eine Bedeutung bei der bilinearen zweilinigen der ambilinearen wahlbaren und der parallelen Abstammungsregel die in unterschiedlichen sozialen Zusammenhangen zur Geltung kommen Manche Ethnosoziologen ordnen dabei die ambilineare Abstammung der zweiten Hauptgruppe zu als eine Form der kognatisch bilateralen beidseitigen Abstammung 1 Unilineare Abstammungssysteme finden sich in vielen nicht staatenbildenden Gesellschaften und ethnischen Gruppen in denen es wichtige Guter aufzuteilen und zu vererben gilt vor allem Landbesitz und Vieh Deshalb entwickelten Ackerbau und Viehzuchtgesellschaften Zentralasien vorderer Orient Ostafrika weit haufiger unilinear organisierte Verwandtschaften als Jager und Sammler Wildbeuter Die sesshafte Lebensweise fordert die territoriale Identifikation und die Betonung der Gruppengemeinschaft 2 68 der 1267 im Ethnographischen Atlas 1998 erfassten Ethnien und indigenen Volker ordnen ihre Abstammung und Verwandtschaft unilinear 856 3 4 46 patrilinear 584 ausschliesslich uber die Vaterlinie 13 matrilinear 160 ausschliesslich uber die Mutterlinie 0 4 bilinear 52 doppelt uber beide Linien je eine nach sozialem Zusammenhang 0 4 ambilinear 49 eine selbst gewahlte von der Mutter oder vom Vater ubernommene gemischte Linie 0 1 parallel 11 die Mutter ubertragt ihre Linie an Tochter der Vater seine an Sohnepatrilinear Bearbeiten Hauptartikel Patrilinearitat Bei der patrilinearen Abstammungsregel lateinisch in der Linie des Vaters Vaterlinie entscheidet die rein mannliche Linie der Vorfahren einer Person uber ihre Gruppenzugehorigkeit und entsprechende Rechte und Pflichten Die Abstammung und die Vererbung lauft uber den Vater dessen Vater Grossvater wiederum dessen Vater Urgrossvater und so weiter Oft wird ein Nachweis bis zu vier Vorfahrengenerationen zuruck zum Ur Urgrossvater vaterlicherseits erwartet Dabei kann es eine wichtige Rolle spielen ob die jeweilige Vaterschaft biologisch oder rechtlich Adoption bestimmt ist oder war und ob der Nachkomme einer Ehe entstammt oder einer nicht institutionalisierten Verbindung Der alleinige Bezug auf die ausschliesslich vaterliche Abstammung bedeutet zwangslaufig dass die Stammlinie nur uber Sohne fortgefuhrt werden kann eine Tochter kann ihre vaterliche Linie nicht fortsetzen weil ihre Kinder Enkel ihres Vaters zur Familie ihres Ehemanns zahlen sie fuhren dessen Linie fort und nicht die der Mutter Patrilinearitat wird auch mit agnatisch lateinisch der Hinzu Nachgeborene gleichgesetzt der Begriff kommt aus dem romischen Recht und bezeichnet Blutsverwandte die in einer ununterbrochenen mannlichen Stammlinie von einem gemeinsamen Stammvater abstammen Patrilinearitat als alleinige Abstammungsfolge findet sich weltweit bei 46 aller Ethnien und indigener Volker 1998 584 von 1267 4 Die Grundvoraussetzung fur patrilineare Verwandtschaftsbeziehungen ist die Entdeckung der menschlichen biologischen Vaterschaft die sich etwa ab 10 000 v Chr im Gefolge der Neolithischen Revolution durch Viehzucht und Ackerbau verbreitete Mit zunehmender Neolithisierung und Ausbreitung des neuen Wissens entwickelten oder ubernahmen Gesellschaften zu verschiedenen Zeiten und aus unterschiedlichen Grunden patrilinear orientierte Formen der sozialen Organisation Da es fur einen Ehemann grundsatzlich kein mit der Geburt des Kindes gleichwertiges ausseres Beweiszeichen seiner Vaterschaft gibt ahnliches Aussehen ist kein Beweis bleibt immer die Moglichkeit dass jemand anders als der Ehemann der biologische Vater ist Dieses grundlegende Problem der Patrilinearitat zeigt das 2000 Jahre alte romische Rechtssprichwort Pater semper incertus est Der Vater ist immer ungewiss er muss das Kind erst formlich als das Seine anerkennen Daraus folgte Pater est quem nuptiae demonstrant Vater ist nur wer durch die Heirat als solcher erwiesen ist Erstmals im Jahre 1926 wurde in Wien durch ein anthropologisches Gutachten ein erster wissenschaftlicher Nachweis uber die Abstammung eines Kindes von einem bestimmten Mann gefuhrt Die Grundlage fast aller patrilinear geordneten Gruppen und Gesellschaften ist deshalb eine offizielle Vaterschaftsanerkennung von ehelichen Kindern in sozialer und vor allem juristischer Hinsicht meist in den Tagen nach der Geburt Manche Gruppen erlauben dem Vater dabei grundsatzlich das Kind nicht als Eigenes anzunehmen und die Vaterschaft abzulehnen oder gar toten zu lassen Mit steigendem sozialen Status spielt die Eindeutigkeit der Abstammung eine zunehmend wichtigere Rolle entsprechend heftiger werden im Streitfall die Auseinandersetzungen bezuglich der Legitimitat von Nachkommen und ihrer Un Ehelichkeit In fast allen patrilinearen Gruppen oder Gesellschaften muss eine Ehefrau nach ihrer Heirat ihr Elternhaus verlassen und zum Wohnsitz oder Wohnort ihres Ehemannes oder seiner Familie umziehen 96 563 von 584 Ethnien 5 Die Wohnfolge Residenzregel beim Ehemann wird bezeichnet als Patrilokalitat lateinisch am Ort des Vaters oder allgemeiner als Virilokalitat am Ort des Mannes Andersherum betrachtet ordnen sich fast alle patri lokalen Clans oder Ethnien patri linear Um die Moglichkeit auszuschliessen dass das Kind eines Ehepaars von einem anderen Mann stammt entwickeln patrilineare Kulturen viele und einschneidende soziale Vorschriften fur das geschlechtliche Zusammenleben Beschrankte Ausgehmoglichkeiten Verhullungsvorschriften und die harte Bestrafung im Falle des Fremdgehens sollen Ehefrauen von anderen Sexualkontakten fernhalten Betroffen von solchen Regeln sind aber direkt oder indirekt auch alle unverheirateten Frauen im empfangnisfahigen Alter Daraus entwickelt sich eine Geschlechterhierarchie bei der Frauen aus dem offentlichen Raum verdrangt werden bis hin zur Geschlechtertrennung beim familiaren Essen In patrilinear geordneten Gesellschaften ist der Vater fur den sozialen Status seiner anerkannten Kinder verantwortlich er beansprucht auch ihre Reprasentation nach aussen und die Verfugungsgewalt uber sie In Ehen kann dies nicht nur gemeinsame Kinder betreffen sondern auch seine Kinder von anderen fruheren Frauen sowie die nicht von ihm abstammenden fruheren Kinder seiner Ehefrau en Diese verwandtschaftliche Trennung spielt auch bei Eheschliessungen eine Rolle insbesondere bei der Kreuzcousinenheirat bei der ein Kind der Vaterschwester oder des Mutterbruders geheiratet werden darf Patrilineare Clans und Gesellschaften organisieren sich fast immer nach dem Prinzip der mannlichen Senioritat Der erstgeborene oder alteste Sohn steht uber seinen Geschwistern auch uber alteren Schwestern Der Grund fur die Bevorzugung des altesten Sohnes liegt in der langeren Einflussmoglichkeit durch den Vater in patrilinearen Gesellschaften wird der alteste Sohn gewohnheitsmassig in die Fertigkeiten und den Beruf des Vaters eingearbeitet und hat dadurch den Vorteil der langsten Einarbeitungszeit Der alteste Sohn steht mit seinem Erstgeburtsrecht oder Altestenrecht auch in der Erbfolge an erster Stelle in matrilinearen Clans die letztgeborene Tochter In Kulturen mit einem patrilinearen Abstammungsverstandnis wird die Zeugungskraft des Mannes Vaters oft bedeutungsmassig uberhoht beispielsweise durch die Wunschvorstellung des Spermas als mannlichen Samen obwohl es nicht keimfahig und deshalb nicht mit Pflanzensamen vergleichbar ist Fur alle monotheistischen Religionen Eingottglaube und auch fur andere ist die patrilineare Abstammung ihrer Gottheiten und Geistwesen ihrer Propheten oder ihrer Priester von entscheidender Bedeutung im Christentum angefangen beim Stammvater Abraham bis hin zu der Vorstellung eines Gottvaters mit seinem Sohn Gottes matrilinear Bearbeiten Hauptartikel Matrilinearitat Bei der matrilinearen Abstammungsregel lateinisch in der Linie der Mutter Mutterlinie entscheidet die rein weibliche Linie der Vorfahren einer Person uber ihre Gruppenzugehorigkeit und entsprechende Rechte und Pflichten die Abstammung lauft uber die Mutter deren Mutter Grossmutter wiederum deren Mutter Urgrossmutter und so weiter uterine Deszendenz Nachkommen aus der Gebarmutter Dabei besteht die biologische Verwandtschaft immer zweifelsfrei wie es im romischen Rechtssprichwort Mater semper certa est festgehalten wird Die Mutter ist immer sicher Mutter ist die Frau die das Kind geboren hat steht seit 1998 auch wortlich im deutschen Burgerlichen Gesetzbuch im 1591 Fur eine Geburt gibt es fast immer Augenzeugen im Unterschied zum mannlichen Zeugungsvorgang Mittlerweile ist aus der biologischen Genetik bekannt dass eine Mutter auch die Eizellen ihrer Tochter im Rahmen der embryonalen Entwicklung in ihrer eigenen Gebarmutter entstehen lasst somit also die Grundlage fur die Nachfolgegeneration selber hervorbringt wahrend das Sperma eines Mannes von ihm selbst erzeugt wird nicht von seinem Vater von ihm wurde nur die Befahigung zur Erzeugung von Sperma geerbt Matrilinearitat als alleinige Abstammungsfolge findet sich weltweit bei 13 aller Ethnien und indigener Volker 1998 160 von 1267 4 Bei einem Drittel aller matrilinearen Gesellschaften bleibt eine Ehefrau nach ihrer Heirat bei ihrer Familie wohnen und der Ehemann wechselt zum Wohnsitz seiner Ehefrau ihrer Mutter oder ihrer Familie Diese eheliche Wohnfolge Residenzregel bei der Ehefrau wird als Matrilokalitat latein am Ort der Mutter oder allgemeiner als Uxorilokalitat am Ort der Ehefrau bezeichnet Nur 18 aller matrilinearen Ethnien haben eine patrilokale virilokale Wohnfolgeregel beim Ehemann seinem Vater oder seiner Familie Andersherum betrachtet ordnen sich fast alle vorgefundenen matrilokalen uxorilokalen Ethnien matrilinear 5 Es gibt andere Abstammungsregeln siehe unten Bilinearitat nach denen sich ein Teil der Gesellschaft matrilinear und ein anderer patrilinear ordnet Die Frauen wohnen matrilokal die Manner patrilokal oder es besteht ein Zusammenschluss von Clans die jeweils fur sich eine eigene Wohnfolgeregel befolgen Der Bezug auf die ausschliesslich mutterliche Abstammung bedeutet zwangslaufig dass die Linie nur uber die Tochter fortgefuhrt werden kann denn die Kinder eines Sohnes Enkel werden ja zur Linie der jeweiligen Mutter der Kinder gerechnet und setzen deren Linie fort Diese verwandtschaftliche Trennung spielt auch bei Eheschliessungen eine Rolle insbesondere bei der Kreuzcousinenheirat bei der ein Kind des Mutterbruders oder der Vaterschwester geheiratet werden darf Die Ubertragung der Mitgliedschaft einer Mutter in sozialen Gruppen und die Weitergabe ihres Eigentums Erbschaft und ihrer sozialen Positionen und Amter findet folglich nur uber ihre weiblichen Nachkommen statt Dabei erfolgt die Abfolge fast ausschliesslich nach dem Prinzip der weiblichen Ultimagenitur latein die Letztgeborene Die zuletzt geborene jungste Tochter tritt die Nachfolge ihrer Mutter an und erbt auch den ganzen Familienbesitz im Gegensatz zum erstgeborenen Sohn in patrilinearen Gesellschaften Fast 40 aller matrilinearen Ethnien 62 von 160 5 pflegen das Avunkulat latein Mutterbruder Ein Bruder der leiblichen Mutter Oheim ubernimmt die Rolle der sozialen Vaterschaft fur die Kinder seiner Schwester und vererbt ihnen auch sein Eigentum Haufig liegt beim Mutterbruder auch die Autoritat 6 Der Ehemann oder der biologische Vater spielt bei der Erziehung und Entwicklung der Kinder keine oder nur eine untergeordnete Rolle und hat keinerlei Verfugungsgewalt uber sie Die leiblichen Kinder des Mutterbruders wiederum gehoren zur Linie ihrer jeweiligen Mutter nicht zu seiner Linie beziehungsweise seiner Schwester deren Kinder er betreut Auch matrilineare Kulturen beziehen sich auf nur mundlich uberlieferte Vorfahrengenerationen die aber vermutlich immer eine biologische Abstammung uber eine alte mutterliche Linie zur Grundlage haben Es kam immer wieder vor dass Tochter mit anderen zusammen auswanderten um neue Siedlungen zu begrunden Nach vielen Generationen verlor sich der Kontakt zur ursprunglichen Verwandtschaft aber die Abstammungszusammenhange wurden weiterhin mundlich weitergegeben Im Unterschied dazu ist es fur patrilinear orientierte Kulturen wegen der fehlenden ausseren Beweiszeichen von Vaterschaft relativ einfach sich auf eine beliebige nur mundlich uberlieferte Vorfahrengeneration zu beziehen um daraus abgeleitete Gruppenzugehorigkeiten zu konstruieren Beispiele finden sich in der christlichen Bibel Siehe auch Irokesen Trobriander Liste matrilinearer Gesellschaften im Artikel Matriarchat bilinear Bearbeiten Die bilineare Abstammungsregel lateinisch zweilinig auch dulinear duolateral wird aus beiden elterlichen Linien gebildet und lasst jeweils unterschiedliche Gruppenzugehorigkeiten entstehen So werden bestimmte soziale Zusammenhange wie beispielsweise das Vererben von Besitz patri linear geordnet andere entlang der matri linearen Mutterlinie Die weltweite Verbreitung der bilinearen Abstammungsregel betragt 4 52 von 1267 Ethnien und indigenen Volkern 4 Ein praktisches Beispiel Das kleine Volk der Ngaing in Papua Neuguinea folgt der doppelten Abstammung In einem Dorf haben die patrilinearen Abstammungsgruppen Patri Lineages eine Tiefe von 3 bis 5 Vorfahrengenerationen und bilden Patri Clans welche die Grundeinheit der Siedlung ausmachen Uber sie werden die Regeln der Exogamie wichtig fur Heiraten Landrechte wichtig fur Gartenbau und Jagd und Ritualrechte wichtig fur Mannerkult Zeremonien weitergegeben und vererbt Ahnlich organisiert sind die parallel zu den Mannern berechtigten matrilinearen Abstammungsgruppen Matri Lineages die das Totemrecht auf sich vereinen und Geistwesen Schutzgeisterfunktionen ausuben Die Gruppen leben im Siedlungsgebiet verstreut denn sie befolgen die eheliche Wohnfolgeregel der Patri Lokalitat Der Wohnsitz eines verheirateten Paares wird beim Ehemann eingerichtet der bei seinem Vater wohnt Versammlungen zu gemeinsamen Aktivitaten finden nicht statt Ein weiteres Volk mit bilinearer Abstammungsregel sind die brasilianischen Canela vergleiche auch das gesellschaftliche Dualsystem mit zwei Moieties Im gesamten Judentum wird die Zugehorigkeit zur Einzelfamilie patrilinear uber die Vaterlinie geordnet im konservativen und im orthodoxen Judentum ist allerdings die Mutter entscheidend fur die Zugehorigkeit zur judischen Religion Jude oder Judin ist wer Kind einer judischen Mutter ist 7 Auch im Staat Israel gilt amtlich als Jude oder Judin wessen Vorfahrinnen bis zu vier Generationen zuruck Judinnen waren also in rein mutterlicher Linie aufsteigend bis zur eigenen Ururgrossmutter ambilinear Bearbeiten Bei der ambilinearen Abstammungsregel lateinisch ambi von zwei Seiten auch optative gewahlte kann das Kind eines Ehepaares frei wahlen ob es sich auf seine Mutter mit ihrer Linie oder auf seinen Vater mit seiner Linie beziehen will Dadurch konnen gemischte Generationenabfolgen zustande kommen wie Vater Mutter Mutter Vater entsprechend der personlichen Vorliebe des Kindes oder ausgerichtet am relativen Reichtum und Einfluss der jeweiligen Elternfamilien Nach der Wahl ubernimmt das Kind die komplette bisherige gemischte Linie des Elternteils diese kann nicht nachtraglich verandert werden Das Kind bezieht sich also auf nur eine Linie unilinear die aber generationsweise aus einer Mutter oder einem Vater aufgebaut ist Wird eine Linie von keinem Nachkommen gewahlt vererbt sie sich nicht weiter und endet einfach ohne dass dies praktische Auswirkungen hat Ambilinearitat ist weit verbreitet in Polynesien so bei den Maori in Neuseeland kommt aber auch auf den Kontinenten vor so bei den Yoruba in Nigeria Die weltweite Verbreitung der ambilinearen Abstammungsregel betragt 4 1998 49 von 1267 Ethnien und indigenen Volkern 4 parallel Bearbeiten Bei der parallelen Abstammungsregel lateinisch neben bei einander werden zwei geschlechtlich getrennte Linien gefuhrt Der Vater ubertragt seine Linie und soziale Position auf die Sohne die Mutter ubertragt ihre matrilineare Linie und Position auf die Tochter Jede Person bezieht sich dadurch auf nur eine Vorfahrenlinie Tochter auf die ihrer Mutter Sohne auf die ihres Vaters Diese ungewohnliche Regel findet sich vor allem im sudamerikanischen Amazonasbecken wo insgesamt mehr als 150 indigene Volker gezahlt werden Die weltweite Verbreitung der parallelen Abstammungsregel betragt unter 1 1998 11 von 1267 Ethnien und indigenen Volkern 4 Kognatische bilaterale Abstammung BearbeitenBei der kognatischen lateinisch mitgeboren oder bilateralen Abstammungsregel bi zwei lateralis seitig sind beide Elternteile fur die Herleitung der Abstammung einer Person von gleicher Bedeutung Mutter und Vater sowie deren Mutter und Vater Eine Person gilt als Nachkomme all ihrer Vorfahren ohne Hervorhebung einer der beiden Linien So werden alle acht Urgrosseltern als Vorfahren und Angehorige der eigenen Familie angesehen Kinder gehoren immer zu den beiden Familien ihrer Elternteile und die Erbfolge lauft gleichberechtigt uber beide Linien Die Verwandtschaftsbezeichnungen in bilateralen Kulturen unterscheiden meist nicht zwischen Verwandten der vater und der mutterlichen Seite patrilateral oder matrilateral und entsprechen damit dem ethnosoziologischen Eskimo System wie auch die deutschen Verwandtschaftsnamen Die gleichwertige Zuordnung zu den Vorfahren beider Linien fuhrt dazu dass nicht sehr viele Generationen erinnert werden konnen ausserdem wird die Anzahl der Seitenverwandten sehr gross kollaterale Verwandtschaft Daraus folgt dass zwar die Angehorigen der Eltern Grosseltern und vielleicht Urgrosseltern Generation bekannt sind aber im Unterschied zu unilinearen Kulturen werden selten mehr als funf Generationen einer Ahnenliste namentlich erinnert Die bilaterale Abstammungsregel findet sich bei Gruppen und Gesellschaften deren sozialer Zusammenhalt nicht hauptsachlich auf dauerhaften und zusammenwohnenden Abstammungsgruppen Lineages Clans oder auf einem Verwandtschaftsnetz Kindred aufbaut wie auch in hochindustrialisierten Gesellschaften in denen die kindzentrierte Kleinfamilie die kleinste soziale Einheit bildet Die weltweite Verbreitung der kognatisch bilateralen Abstammungsregel betragt 28 1998 349 von 1267 Ethnien und indigenen Volkern 4 sie ist auch im grossten Teil der westlichen Welt die Regel Kritik am Konzept der Deszendenz BearbeitenDie osterreichische Sozialanthropologin Gabriele Rasuly Paleczek merkt an In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen dass es zahlreiche Gesellschaften gibt in denen die Deszendenz keine besondere oder uberhaupt keine Rolle spielt Der Begriff Deszendenz selbst hat in der Ethnologie je nach der theoretischen Ausrichtung einer recht unterschiedliche Bedeutung und Verwendung gefunden wobei er oft auch nicht klar von anderen Begriffen abgegrenzt wurde 8 Die deutsche Ethnologin Gabriele Herzog Schroder wies in ihrer Doktorarbeit von 1999 darauf hin dass die Grundidee der Deszendenz Abstammung in ihren Auspragungen Matrilinearitat und Patrilinearitat aus einer Zeit stamme als die Anthropologie von Mutmassungen uber die Evolution der Beziehungen zwischen den Geschlechtern beherrscht wurde Die Sozialstruktur einer Gesellschaft sei nicht zwingend von einem Abstammungsmodell abhangig 9 Siehe auch BearbeitenHeiratsregeln Endogamie Exogamie Eheliche Wohnfolgeregeln Residenz InzuchtkoeffizientLiteratur BearbeitenHarold W Scheffler Filiation and Affiliation Westview Press Michigan 2001 ISBN 978 0 8133 3761 6 englisch Leseprobe in der Google Buchsuche Wolfgang Kraus Zum Begriff der Deszendenz Ein selektiver Uberblick In Anthropos Band 92 1997 S 139 163 doi 10 2307 40465363 Alan Barnard Anthony Good Research Practices in the Study of Kinship Academic Press London 1984 ISBN 0 12 078980 9 englisch Roger Keesing Kin Groups and Social Structure Holt Rinehart and Winston New York 1975 ISBN 0 03 012846 3 englisch Neuauflage 2005 Weblinks BearbeitenGabriele Rasuly Paleczek Verwandtschaftsbeziehungen als wesentlicher Aspekt der Bildung sozialer Gruppen Abstammung Deszendenz als wesentliche Kategorie der Gruppenbildung PDF 1 9 MB Nicht mehr online verfugbar In Einfuhrung in die Formen der sozialen Organisation Teil 2 5 Institut fur Kultur und Sozialanthropologie Universitat Wien 2011 S 37 41 und 45 63 archiviert vom Original am 21 Oktober 2013 abgerufen am 13 Marz 2020 58 Seiten 33 90 Unterlagen zu ihrer Vorlesung im Sommersemester 2011 Hans Rudolf Wicker 4 Matri Patrilinearitat und die soziale Evolution 5 Mannerwelten Frauenwelten PDF 387 kB 47 Seiten In Leitfaden fur die Einfuhrungsvorlesung in Sozialanthropologie 1995 2012 Institut fur Sozialanthropologie Universitat Bern 31 Juli 2012 S 27 35 abgerufen am 13 Marz 2020 Vorlesungsskript Wicker ist emeritierter Professor fur Ethnologie Dieter Steiner Begriffsvokabular der Residenz und Deszendenzregeln In Soziales im engeren Sinne Eigene Webseite Zurich 1998 abgerufen am 13 Marz 2020 Steiner ist emeritierter Professor fur Humanokologie Dennis O Neil Kinship An Introduction to Descent Systems and Family Organization Behavioral Sciences Department Palomar College San Marcos California 2013 umfangreiches Studientutorial zu verschiedenen Abstammungs und Familiensystemen gute Schaubilder Brian Schwimmer Systems of Descent In Tutorial Kinship and Social Organization Department of Anthropology University of Manitoba Kanada 2003 abgerufen am 13 Marz 2020 englisch umfangreiches Verwandtschaftstutorial mit Schaubildern Einzelnachweise Bearbeiten a b Anmerkung In diesem Wikipedia Artikel wird die folgende Unterteilung der Deszendenzregeln rules of descent benutzt Frank Robert Vivelo Handbuch der Kulturanthropologie Eine grundlegende Einfuhrung Klett Cotta Stuttgart 1981 ISBN 978 3 12 938320 9 S 222 223 erstveroffentlicht USA 1978 Zitiert in Gabriele Rasuly Paleczek Diverse Klassifizierungen der Deszendenzformen In Einfuhrung in die Formen der sozialen Organisation Teil 2 5 PDF 1 9 MB Nicht mehr online verfugbar Vorlesungsskript Institut fur Kultur und Sozialanthropologie Universitat Wien 2011 S 52 archiviert vom Original am 21 Oktober 2013 abgerufen am 13 Marz 2020 58 Seiten 33 90 Hans Rudolf Wicker Deszendenz In Leitfaden fur die Einfuhrungsvorlesung in Sozialanthropologie 1995 2012 PDF 387 kB Vorlesungsskript Institut fur Sozialanthropologie Universitat Bern 31 Juli 2012 S 11 12 hier S 12 abgerufen am 13 Marz 2020 47 Seiten hier S 12 Unilineare Deszendenz stellt eine Eingrenzung auf die vaterliche patrilineare bzw agnatische oder mutterliche matrilineare Linie dar In akzentuierter Form findet sich unilineare Abstammung in vielen Gesellschaften in denen es wichtige Guter Land Vieh aufzuteilen und zu vererben gilt Agrargesellschaften z B China und Japan oder Viehzuchtgesellschaften Zentralasien vorderer Orient Ostafrika brachten deshalb unilinear organisierte Verwandtschaften weit haufiger hervor als Wildbeuter Die sesshafte Lebensweise fordert die territoriale Identifikation und die Betonung der Gruppeneinheit und solidaritat Patrilinear organisiert sind zum Beispiel die Nuer im sudlichen Sudan Evans Pritchard 1940 und die Tallensi von Ghana Fortes 1945 Matrilinear organisiert sind etwa die Nayar in Sudindien Navajo Trobriander Irokesen Tonga Munduruku Ende 2012 waren im Ethnographic Atlas weltweit genau 1300 Ethnien erfasst von denen oft nur Stichproben ausgewertet wurden beispielsweise im internationalen HRAF Projekt Begrundet wurde der Ethnographic Atlas Anfang der 1950er vom US amerikanischen Anthropologen George P Murdock 1897 1985 zur standardisierten Daten Erfassung samtlicher Ethnien weltweit a b c d e f g J Patrick Gray Ethnographic Atlas Codebook In World Cultures Band 10 Nr 1 1998 S 86 136 hier S 104 Tabelle 43 Descent Major Type englisch PDF 2 4 MB 52 Seiten ohne Seitenzahlen eine der wenigen Auswertungen aller damaligen 1267 Ethnien Zitat 584 Patrilineal 160 Matrilineal 52 Duolateral bilinear 49 Ambilineal 11 Quasi lineages parallel 349 bilateral 45 Mixed 17 Missing data von damals weltweit erfassten 1267 Ethnien Prozente 46 1 patrilinear 12 6 matrilinear 4 1 duolateral bilinear 3 9 ambilinear 0 9 parallel Quasi Linien 27 6 bilateral kognatisch 3 6 gemischt 1 6 fehlende Daten a b c Hans Rudolf Wicker Postmaritale Wohnregeln In Leitfaden fur die Einfuhrungsvorlesung in Sozialanthropologie 1995 2012 PDF 387 kB Vorlesungsskript Institut fur Sozialanthropologie Universitat Bern 31 Juli 2012 S 13 14 abgerufen am 13 Marz 2020 47 Seiten Wicker ist emeritierter Professor fur Ethnologie Die Zahlen aus der Tabelle auf S 14 589 patrilineare Ethnien 46 ihr Wohnsitz nach der Heirat Residenzregel 563 95 6 wohnen viri patri lokal beim Ehemann dessen Vater Familie Abstammungsgruppe Lineage oder Clan 0 25 0 4 2 wohnen vor allem neo lokal am neuen Ort 00 1 0 0 2 wohnt matri lokal bei der Mutter der Ehefrau 164 matrilineare Ethnien 13 ihr ehelicher Wohnsitz nach der Heirat 62 37 8 wohnen avunku lokal beim Bruder der Mutter der Ehefrau 53 32 3 wohnen uxori matri lokal bei der Ehefrau oder ihrer Mutter 30 18 3 wohnen viri patri lokal beim Ehemann oder seinem Vater 19 11 6 wohnen vor allem nato lokal getrennt am Geburtsort verbleibend oder neo lokal Karl Lenz Marina Adler Einfuhrung in die sozialwissenschaftliche Geschlechterforschung Band 1 Geschlechterverhaltnisse Beltz Juventa Weinheim u a 2010 ISBN 978 3 7799 2301 5 S 68 Seitenvorschau in der Google Buchsuche Ruth Zeifert Identitatsdilemma Wenn der Vater Jude ist und die Mutter nicht In Judische Allgemeine 17 August 2006 abgerufen am 24 Marz 2018 Kopie in haGalil com Zeifert arbeitete 2006 an einem Promotionsvorhaben zu deutschen Kindern judischer Vater Judisch ist wer Kind einer judischen Mutter ist Das Religionsgesetz die Halacha ist da eindeutig Allein auf die Mutter kommt es an Herkunft und Glauben des Vaters sind irrelevant Deshalb gelten Menschen mit judischem Vater und nichtjudischer Mutter Vater Juden nach einem 1995 von Andreas Burnier gepragten Begriff nicht als ihresgleichen Selbst das Reformjudentum halt sich an diese Regel Gabriele Rasuly Paleczek Bedeutung der Abstammung In Einfuhrung in die Formen der sozialen Organisation Teil 2 5 PDF 1 9 MB Nicht mehr online verfugbar Vorlesungsskript Institut fur Kultur und Sozialanthropologie Universitat Wien 2011 S 46 archiviert vom Original am 21 Oktober 2013 abgerufen am 13 Marz 2020 58 Seiten 33 90 Gabriele Herzog Schroder Okoyoma Die Krebsjagerinnen Vom Leben der Yanomami Frauen in Sudvenezuela Doktorarbeit Freie Universitat Berlin 1999 2 durchgesehene Auflage Lit Munster 2003 ISBN 3 8258 5082 X S 61 Seitenvorschau in der Google Buchsuche Zitat Die Grundidee der Deszendenz in ihren Auspragungen von Patrilinearitat und Matrilinearitat entstammen einer Zeit als die Anthropologie von Mutmassungen uber die Evolution der Beziehungen zwischen den Geschlechtern beherrscht wurde In den 60er und 70er Jahren mehrten sich die Belege dafur dass die Ubertragung des Deszendenzmodells das britische Sozialanthropologen fur afrikanische Gesellschaften weiterentwickelt hatten auf andere Gesellschaften wie beispielsweise diejenigen des Hochlands von Papua Neuguinea nicht ubertragbar sind vgl Barnes 1962 Langness 1964 Lepervanche 1967 68 Damit war die Uberzeugung erschuttert dass die Sozialstruktur von der Deszendenzform zwingend abhangig sei Dagegen entwickelten sich neuere Vorstellungen nach denen sich Gesellschaften uber symbolische Idiome strukturieren konnen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Deszendenzregeln amp oldid 235142675 bilateral