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Die Interpellation Hanel war eine Anfrage an die preussische Regierung im November 1880 Sie wurde im Preussischen Abgeordnetenhaus der zweiten Kammer des Preussischen Landtags von dem Abgeordneten Prof Albert Hanel eingebracht und von der Fraktion der Fortschrittspartei unterstutzt Die Interpellation bestand in der Frage wie sich die preussische Regierung zu den Forderungen der Antisemitenpetition stelle und ob eine Beschrankung der Rechte der Juden beabsichtigt sei Albert Hanel Gemalde von Max Liebermann 1892An die knappe Antwort der Regierung dass keine Anderung der Rechtsverhaltnisse beabsichtigt sei schloss sich eine ausgedehnte Debatte an Diese erstreckte sich uber zwei Tage wahrend denen fuhrende Mitglieder aller Fraktionen das Wort ergriffen Auch wenn nur wenige Abgeordnete die Forderungen der Antisemitenpetition offen unterstutzen wollten ausserten sich Vertreter der Konservativen und des Zentrums in antisemitischer Weise Dies wurde von den Abgeordneten der Fortschrittspartei Rudolf Virchow Eugen Richter Ludwig Loewe und der Liberalen Vereinigung Heinrich Rickert Alexander Meyer scharf zuruckgewiesen Insbesondere gelang es der Fortschrittspartei den Hofprediger Adolf Stoecker bei der Unwahrheit zu stellen er habe die Antisemitenpetition nicht unterzeichnet was dessen Glaubwurdigkeit auf Dauer schadigte Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Die Interpellation 3 Erster Tag der Debatte am Samstag den 20 November 1880 4 Zweiter Tag der Debatte am Montag den 22 November 1880 5 Nachwirkungen 6 Rezeption 7 Siehe auch 8 Literatur 9 EinzelnachweiseVorgeschichte Bearbeiten nbsp Hofprediger Adolf Stoecker auf einem Foto aus den 1880er JahrenMit der Veroffentlichung des Artikels Unsere Aussichten durch Heinrich von Treitschke in den Preussischen Jahrbuchern 1 und mit den Reden des Hofpredigers Adolf Stoecker der eine antiliberale und staatssozialistische Christlich Soziale Arbeiterpartei zu etablieren suchte erhielt der Antisemitismus der schon seit einigen Jahren geschwelt hatte ab Ende der 1870er Jahre mit der Berliner Bewegung einen Aufschwung Spielte sich die Auseinandersetzung zunachst in der Publizistik ab siehe Berliner Antisemitismusstreit so kam es im Folgenden immer mehr zu unmittelbaren Ubergriffen gegen Juden wie bei der sogenannten Kantorowicz Affare Bei dieser Affare hatten die beiden Lehrer Bernhard Forster und Carl Jungfer am 8 November 1880 die Fahrgaste einer Berliner Pferdebahn mit ihren antisemitischen Auslassungen belastigt woraus sich ein Handgemenge mit dem judischen Unternehmer Edmund Kantorowicz entwickelte Da die Antisemiten absehbar nicht darauf hoffen konnten ihre Ziele uber die Gesetzgebung durchzusetzen stellten sie vier Forderungen auf die auf administeriellem Wege umgesetzt werden sollten eine Beschrankung der Einwanderung von Juden ihr Ausschluss vom offentlichen Dienst obrigkeitlichen Stellungen insbesondere als Richter ihr Ausschluss vom Lehrerberuf und die Einfuhrung einer amtlichen Statistik der judischen Bevolkerung Hierzu wurde eine Petition aufgesetzt die mit einer Auflage von 100 000 Exemplaren zur Sammlung von Unterschriften verbreitet wurde Am 12 November 1880 veroffentlichten 75 renommierte Wissenschaftler Unternehmer und Politiker in den Zeitungen die sogenannte Notabeln Erklarung 2 in der die antisemitische Bewegung verurteilt wurde Sie war unterzeichnet unter anderem vom Oberburgermeister von Berlin Max von Forckenbeck dem Historiker Theodor Mommsen dem Naturforscher Rudolf Virchow dem Industriellen Werner Siemens und dem Politiker der Liberalen Vereinigung Heinrich Rickert Die Interpellation BearbeitenDer vollstandige Titel der Anfrage lautete Interpellation des Abgeordneten Dr Hanel betreffend die Agitation gegen die judischen Staatsburger und trug die Nummer 41 der Drucksachen Der vollstandige Text lautete 3 Seit geraumer Zeit macht sich gegen die judischen Staatsburger in Preussen eine Agitation geltend welche zu bedauerlichen Ausschreitungen und zu einer weiter greifenden Beunruhigung Anlass gegeben hat In Verfolg dieser Agitation wird eine an den Herrn Reichskanzler und Ministerprasidenten gerichtete Petition verbreitet welche die Anforderungen erhebt dass die Einwanderung auslandischer Juden wenn nicht ganzlich verhindert so doch wenigstens eingeschrankt werde dass die Juden von allen obrigkeitlichen autoritativen Stellungen ausgeschlossen werden und dass ihre Verwendung im Justizdienste namentlich als Einzelrichter eine angemessene Beschrankung finde dass der christliche Charakter der Volksschule auch wenn dieselbe von judischen Schulern besucht wird streng gewahrt bleibe und in derselben nur christliche Lehrer zugelassen werden dass in allen ubrigen Schulen aber judische Lehrer nur in besonders motivirten Ausnahmefallen zur Anstellung gelangen dass die Wiederaufnahme der amtlichen Statistik uber die judische Bevolkerung angeordnet werde In Veranlassung dessen erlaubt sich der Unterzeichnete an die Konigliche Staatsregierung die Anfrage zu richten welche Stellung nimmt dieselbe Anforderungen gegenuber ein die auf Beseitigung der vollen verfassungsmassigen Gleichberechtigung der judischen Staatsburger zielen Berlin den 13 November 1880 Dr Hanel Erster Tag der Debatte am Samstag den 20 November 1880 BearbeitenDer Vizeprasident des Preussischen Staatsministeriums Graf zu Stolberg Wernigerode sagte zu Beginn zu die Interpellation sofort zu beantworten 4 Daran schloss sich die Begrundung Albert Hanels fur seine Interpellation an Er erinnerte daran dass Otto von Bismarck beim Berliner Kongress 1878 darauf bestanden hatte dass Rumanien Bulgarien Montenegro und Serbien ihren Burgern gleiche Rechte ohne Ansehen der Religion einraumen mussten Meine Herren es ist nicht irgend welche agitatorische Versammlung gewesen nicht eine fortschrittliche Partei nicht irgend eine andere liberale Partei nicht eine verjudelte Gesellschaft allerdings wegen des Lord Beaconsfield muss ich um Nachsicht und Entschuldigung bitten sondern es war die Versammlung der Vertreter der europaischen Machte es waren die ersten Staatsmanner Europa s welche dem Grundsatze eine feierliche Anerkennung verschafften dass die volle Anerkennung der religiosen Paritat und in Folge dessen auch die volle Anerkennung der burgerlichen und staatsburgerlichen Gleichberechtigung der Juden eine so wesentliche Grundlage der europaischen Civilisation ja der staatlichen Ehre sei dass ohne die Anerkennung dieser Grundlage der Eintritt in die europaische Volkerrechtsgemeinschaft verweigert werden musse Graf zu Stolberg Wernigerode beantwortete dann die Anfrage indem er einer Beurteilung der Antisemitenpetition auswich diese sei der Regierung noch gar nicht bekannt Er bestatigte dann aber dass eine Veranderung in den Rechten der Juden nicht beabsichtigt sei Hierauf muss ich zunachst konstatiren dass eine solche Petition wie hier erwahnt ist bisher an die Staatsregierung nicht gelangt ist und dass diese daher auch nicht in der Lage war den Inhalt derselben in amtliche Erwagung zu ziehen Gleichwohl meine Herren nimmt die Staatsregierung nicht Anstand die an sie gerichtete Frage dahin zu beantworten dass die bestehende Gesetzgebung die Gleichberechtigung der religiosen Bekenntnisse in staatsburgerlichen Beziehung ausspricht und dass das Staatsministerium nicht beabsichtigt eine Aenderung dieses Rechtszustandes eintreten zu lassen Bravo auf allen Seiten des Hauses Auf Wunsch sowohl der Rechten als auch der Linken wurde danach die Debatte eroffnet Als erster Redner sprach Dr Reichensperger Olpe von der Zentrumspartei Er stimmte zu dass die Rechte der Juden nicht beschrankt werden sollten auch nicht auf dem Verwaltungswege bestritt aber dass die Antisemitenpetition verurteilt werden musste Hinter dem Berliner Kongress von 1878 stecke etwas anderes Denn in meinen Augen ist diese Thatsache nur ein Beweis dafur welch unermessliche internationale Macht bereits jene kleinste Minoritat in allen Landern davongetragen hat Sehr richtig rechts und im Centrum Nach dem Abgeordneten Seyffarth sprach der Konservative Dr von Heydebrand und der Lasa Er bestritt antisemitisch zu sein und sprach sich dafur aus die Rechte der Juden zu achten Er machte dann allerdings die Juden fur die antisemitische Bewegung verantwortlich Wir hoffen und erwarten dass es in dem gesunden Sinn des einsichtsvolleren Theils unserer judischen Mitburger gelingen werde diese Beschwerden die hervorgehen aus der grossen Masse des christlichen Volkes durch etwas taktvolleres Verhalten und etwas grossere Massigung in dem Gebrauch ihrer Rechte die Spitze abzubrechen Als Nachstes ergriff Rudolf Virchow das Wort Er beklagte die Antwort der Staatsregierung mit den Worten Nun meine Herren wenn ich die Antwort welche die Konigliche Staatsregierung gegeben hat als eine korrekte bezeichnet habe so kann ich doch nicht leugnen dass sie im Ganzen wohl etwas warmer hatte sein konnen Sie war korrekt aber kuhl bis ans Herz hinan Ihm folgte der Abgeordnete Arthur Hobrecht und dann der Fuhrer des Zentrums Ludwig Windthorst der betonte dass er nicht fur seine Fraktion argumentiere sondern personlich Er sprach sich auch dafur aus die Rechte der Juden nicht zu schmalern Es wurde eine Fortsetzung der Debatte beschlossen Zweiter Tag der Debatte am Montag den 22 November 1880 Bearbeiten nbsp Eugen Richter FotoDie Debatte wurde von Alexander Meyer wiedereroffnet Er wies darauf hin dass die von den Antisemiten behauptete Masseneinwanderung von Juden eine Schimare sei Danach erhielt Julius Bachem von der Zentrumspartei das Wort Er behauptete dass es beispielsweise in Berlin einen fortschrittlich judischen Terrorismus gebe Dann bediente er diverse antisemitische Klischees Ich erkenne eine Judenfrage als vorhanden an in doppelter Bedeutung in sozialpolitischer wirthschaftlicher und sittlich religioser Es ist nun ferner eine ebenso unbestreitbare Thatsache dass seit einigen Dezennien insbesondere in dem letzten Dezennium eine ungeheure Verschiebung des mobilen und immobilen Besitzes zu Gunsten der Juden eingetreten ist Dies sei teilweise mit bedenklichen und verwerflichen Mitteln geschehen Juden sind die Haupttrager des Borsengeschafts dessen sehr gefahrliche Auswuchse unserm Verkehrsminister das geflugelte Wort von dem Giftbaume Borse eingegeben haben Es gehort in diese Betrachtung auch das internationale Getreidegeschaft das gleichfalls wesentlich in judischen Handen sich befindet und dem wir so oft und in diesem Augenblick wieder die bedenkliche Manipulation kunstlicher Vertheuerung des Brotes des armen Mannes hauptsachlich verdanken Sehr richtig rechts Eugen Richter antwortete darauf in einer nach Ansicht der Allgemeinen Zeitung des Judentums ausfuhrlichen und glanzenden Rede 5 Er wies die pauschalen Verdachtigungen der Juden zuruck 6 Das sind eben die schlimmsten Wendungen der Rede die nirgend wo an Thatsachen anknupfen Oho die ganz allgemeine Verdachtigungen des judischen Charakters enthalten Unruhe die immer blos davon sprechen ein wesentlicher ein starkerer Theil der judischen als der christlichen Bevolkerung giebt sich jenem Laster hin sucht in jeder Weise zu unterdrucken durch Betrug und unrechte Mittel zu Reichthum zu gelangen Wo ist die Statistik die das nachweist Rufe rechts Hier hier Im Gegentheil die Kriminalstatistik ist fur die Judenschaft durchaus gunstig Widerspruch rechts Politisch werde die Hetze gegen die Juden auch als Mittel gegen die Liberalen eingesetzt Der Abgeordnete Bachem spricht ja selbst von der judischen fortschrittlichen Presse und dergleichen Weil man die Liberalen in ihren Grundsatzen nicht bekampfen kann Widerspruch ohnmachtig dagegen ist in den grossen Stadten darum wird der Racenhass zu Hulfe gerufen nicht bloss um das Judenthum zu bekampfen sondern es ist die verzweifelte Anstrengung der konservativen Bestrebungen um sich uber Wasser zu halten hat man zu solchen Mitteln greifen mussen nicht blos um die Juden zu bekampfen sondern um den Liberalismus anzugreifen Meine Herren das ist der eigentliche Kern der Sache Sehr wahr Es sei nun notwendig die antisemitische Bewegung ans Tageslicht zu bringen und zu attackieren Meine Herren es war gerade Zeit gegenuber einer Bewegung die sich zu organisiren anfing die offentliche Meinung aufmerksam zu machen was dort im Lande vorgeht Meine Herren das Abgeordnetenhaus soll das Gewissen der Nation vertreten an dieses appelliren wir gegenuber jener im Dunkeln schleichenden Bewegung Unruhe Die Interpellation das war die Leuchtkugel die aufstieg um alle Minirarbeiter zu kennzeichenen vor dem Volke die jetzt thatig sind jene Bewegung wachzurufen Meine Herren jetzt ist die Aufmerksamkeit im Lande darauf gelenkt jetzt sind die Krafte wachgerufen jetzt sind sie aus der Offensive in die Defensive geworfen Widerspruch Er wandte sich dann der eigentlichen antisemitischen Bewegung unter dem Hofprediger Stoecker zu die er so kennzeichnete Meine Herren ich bin bekannt als einer der die sozialdemokratische Bewegung von Anfang an und in allen Stadien aufs heftigste und entschiedenste bekampft hat das muss ich aber sagen in meinen Augen ist jene christlich soziale Bewegung viel verderblicher viel gefahrlicher als die sozialdemokratische Ruf rechts Fur Sie Diese sei ebenso sozialistisch wie die Sozialdemokraten werde aber von den Behorden im Gegensatz zu diesen sehr nachsichtig behandelt Meine Herren die Sozialdemokraten sind ausgewiesen und wenn sie sich in Hamburg ansiedeln werden sie weiter ausgewiesen bis sie ubers Meer wandern Die Trager der christlich sozialen Bewegung bleiben wahrend dies den Kleinen geschieht in Ansehen und Wurden im Kreise der Machtigen Meine Herren das Gemeinsame dieser beiden Bewegungen ist das dass sie uberall den Staat voranstellen sie sagen in ihren Flugschriften sie liegen hier vor mir in ihren Wahlaufrufen fur Herrn Stoecker die Gesetzgebung ist schuld dass Ihr Arbeiter mit Weib und Kind am Hungertuche nagt Meine Herren ich weiss wohl dass Herr Stoecker in seinen Reden dem Privateigenthum einen grosseren Spielraum lasst als die Sozialdemokraten aber es tritt dies in der Gesammtheit seiner Darstellung mehr zuruck Es ist der Staat die Organisation der Arbeit durch den Staat die Verantwortlichkeit durch den Staat die er anruft die den Leuten helfen soll es ist der Staat dem er Schuld giebt die Zustande herbeigefuhrt zu haben in denen wir uns befinden Meine Herren in den Reden finden Sie nichts von jenem Satz Hilf Dir selbst so wird Gott Dir helfen Sie finden in den Reden nichts von dem Satz Jeder ist seines Gluckes Schmied nichts finden Sie dort von der Macht der Liebe insbesondere der christlichen Liebe die dem Andern helfen soll Ausdrucklich geisselte Eugen Richter die personlichen Angriffe Stoeckers auf Gerson Bleichroder Meine Herren so personlich ist noch kein Sozialist aufgetreten Dort wird gehetzt gegen die Borse in jeder Weise wird Stimmung gemacht nach dieser Richtung Es wird sogar in der Rede den Sozialdemokraten vorgeworfen nicht genug gehetzt zu haben Herr Stoecker sagt Warum machen die Sozialdemokraten bloss die Meister und Fabrikanten fur ihre Nothlage verantwortlich warum nicht die Borse Die Borse ist schuld aber die wird nicht angegriffen So stachelt er sie also noch auf nach der Richtung wo sie nach seiner Meinung noch nicht genug gethan haben Dann sagte er die letzte Konsequenz der antisemitischen Bewegung voraus Meine Herren Die ganze Bewegung hat einen durchaus ahnlichen Charakter in Bezug auf das letzte Ziel in Bezug auf die Methode wie die sozialistische Zuruf Das ist es worauf es ankommt Die kleinen graduellen Unterschiede treten vollstandig zuruck das ist gerade das besonders perfide an der ganzen Bewegung dass wahrend die Sozialisten sich bloss kehren gegen die wirthschaftlich Besitzenden hier der Racenhass genahrt wird also etwas was der einzelne nicht andern kann und was nur damit beendigt werden kann dass er entweder todtgeschlagen oder uber die Grenze geschafft wird Richter wies darauf hin dass fuhrende Antisemiten von den Sozialdemokraten ubergetreten seien Herr Korner war noch in diesem Fruhjahr der von allen sozialistischen Abgeordneten empfohlene Gegenkandidat meines Kollegen Virchow Finn war bei der letzten Reichstagswahl der sozialistische Gegenkandidat des Kollegen Mendel Jetzt sehen wir die Herren mit Herrn Stoecker zusammen sie haben sich in derselben Sitzung gefunden Herr Stoecker begrusst sie und freut sich dass sie sich bei ihm einfanden und hofft dass wenn auch Unterschiede bestanden sie doch zusammengehorten Wir koniglich preussische Sozialdemokraten so nennen sich die Herren Die Sympathisanten der antisemitischen Bewegung sollten die Folgen ihres Tuns bedenken Damals waren auch sogenannte konservative Stimmen hier laut hort hort links im Jahre 1865 Die konservative Partei drohte uns mit dem Tritt der Arbeiterbataillone wie man heute von den Christlich Sozialen in Berlin spricht Da war es mein Freund Schulze Delitzsch der Wagener gegenubertrat indem er an jenes Gleichniss von der Sphinx erinnerte und sagte Im Menschen wohnen zwei Naturen eine gottliche und eine thierische hutet euch die Bestie im Menschen wach zu rufen sie wird mit ihren Lowenklauen diejenigen zuerst zerfleischen die das zu unternehmen wagen Das sage ich Ihnen auch huten Sie sich Christlich Soziale draussen die Bestie wilder Leidenschaft in Volksmassen wach zu rufen Vor der Geistlichkeit werden sie nicht stehen bleiben mit den Herren werden sie sehr bald fertig werden Unruhe und Bewegung Deshalb musse die Regierung nun Stellung beziehen wie Eugen Richter in seinen abschliessenden Worten ausfuhrte Eben um der Regierung eine Gelegenheit zu bieten sich daruber auszusprechen wie sie dazu steht einschliesslich des Reichskanzlers das ist der Grund weshalb wir die Interpellation gestellt haben und wir freuen uns des Erfolges und wunschen dass im ganzen Lande von nun an eine kraftige Reaktion diese antisemitische Bewegung niederschlagt die wahrlich nicht zur Ehre und zur Zier unseres Landes gereicht Bravo links Zischen rechts Auf Eugen Richter antwortete Adolf Stoecker in einer Rede in der er seinen Antisemitismus offen aussprach Die Frage wurzelt in der Religion in der Race im Staatsrecht aber in ihrer Erscheinung und staatsmannisch kann sie ja gar nicht anders aufgefasst werden ist sie eine sozial ethische Frage von grosser nationaler Bedeutung Darin besteht sie dass eine halbe Million judischer Mitburger einem andern Stamme angehorend in ihrer Religion von uns verschieden in ihrem Denken Fuhlen Wollen mit der deutschen Art nicht immer eins in unserem Volke eine Stellung einnimmt welche ihrem Zahlenverhaltniss durchaus nicht entspricht Ausgerustet mit einer starken Kapitalkraft auch mit vielem Talent druckt dieser Bevolkerungstheil auf unser offentliches Leben nicht bloss im Handel und Gewerbe sondern ebenso in Kommunalangelegenheiten in Schulsachen ja zuweilen in den kirchlichen Dingen selbst Hort hort rechts Widerspruch links Stoecker behauptete nicht die Antisemitenpetition unterschrieben zu haben Der Fortschrittler Dr Langerhans erbat eine moglichst schnelle Erstellung der stenografischen Mitschrift um diese Behauptung festzuhalten Anschliessend widersprach der Fortschrittler Ludwig Loewe verschiedenen Behauptungen die Adolf Stoecker aufgestellt hatte so anhand einer seiner Broschuren dass dieser anders als in der Sitzung behauptet einen Rassen Antisemitismus vertrete nachdem er also in jener Versammlung die ich citirt habe gesagt hat dass die Judenfrage keine Racenfrage sei dass wenn sie eine Racenfrage ware sie nur durch Todtschlag beendet und ausgetragen werden konne sagt Herr Hofprediger Stoecker in der Broschure das moderne Judenthum in seinem zweiten Vortrag auf Seite 38 auf diesem Boden des Kampfes steht Race gegen Race Hort Hort links Ja meine Herren kann man entschiedener ausdrucken naturlich nicht in einer logischen Folgerung nicht so dass der Staatsanwalt gezwungen ist einzuschreiten ich sage kann man klarer feststellen dass man aufgefordert hat zu Mord und Todtschlag Lachen rechts Ein Antrag auf Schluss der Debatte wurde abgelehnt Der Konservative Jordan von Krocher der die Fortschrittspartei attackierte und Adolf Stoecker unterstutzte erhielt das Wort Sie haben damit erreicht dass Sie eine Propaganda fur unsere Petition gemacht haben wie wir sie uns wirklich schoner nicht hatten malen konnen Sie haben damit erreicht dass die Judenfrage hier in sachlicher Weise hat erortert werden konnen dass der Abgeordnete Stoecker Gelegenheit hatte seine Prinzipien in dieser Angelegenheit auseinanderzusetzen Das ist eigentlich das Ganze weiter haben Sie ja nichts erreicht Wiederum wurde ein Schluss der Debatte abgelehnt Auf von Krocher antwortete Heinrich Rickert Er forderte Stoecker auf seine Behauptung zu belegen der vierte Theil der Manner welche die bekannte Erklarung gegen die Judenhetze unterschrieben haben gehoren zu denjenigen welche Theil genommen haben an dem Hexentanz um das goldene Kalb Auf ihn folgte der Konservative Strosser der wiederum Stoecker unterstutzte mit Behauptungen wie Meine Herren im Gegentheil jetzt wo die volle Emanzipation eingetreten ist sehen wir die schlimmen Krafte des Judenthums in einem Masse auf dem offentlichen Felde dass die besseren immer schweigend davor zurucktreten und den schlimmen das Feld lassen Beweis dafur diese Brutalitat der Presse gegen alles was den Christen heilig und theuer ist Ein Antrag auf Vertagung scheiterte Nach einer kurzen Bemerkung von Eugen Richter ergriffen noch einmal Rudolf Virchow und dann der Freiherr von Minnigerode das Wort Mit kurzen Bemerkungen von Virchow Franz Bachem Dr Langerhans Strosser Stoecker Dirichlet Hobrecht Richter Virchow Rickert Stoecker Loewe und noch einmal Virchow lief die Debatte aus Nachwirkungen Bearbeiten nbsp Verkehrte Welt Eugen Richter halt dem Hofprediger Adolf Stoecker eine Predigt Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen wider Deinen Nachsten Aus Berliner Wespen 8 Juni 1881 Die Interpellation Hanel war ein wichtiger Schritt die antisemitische Bewegung in die Defensive zu drangen In der Reichstagswahl von 1881 wurden ihre Kandidaten in allen sechs Berliner Wahlkreisen von der Fortschrittspartei vernichtend geschlagen Das gespannte Verhaltnis Adolf Stoeckers zur Wahrheit machte sich in der Debatte zum ersten Mal fur die breite Offentlichkeit bemerkbar und setzte sich fort Eugen Richter urteilte uber Stoecker nach den Wahlen 7 Ich muss in der That sagen diese beiden Stellen bezeichnen das Verfahren des Herrn Stoecker in einer Weise dass es mir ausserhalb des Hauses gar nicht schwer fallen wurde das mit einem kurzen Wort zu bezeichnen Ich kann mich parlamentarisch nur dahin ausdrucken dass der Herr Abgeordnete Stoecker noch nicht in ganz wunschenswerther Weise skrupulos bei der Darstellung thatsachlicher Verhaltnisse verfahren ist Grosse Heiterkeit links Die Forderungen der Antisemitenpetition wurden von der Regierung Otto von Bismarcks insbesondere dem preussischen Innenminister Robert Viktor von Puttkamer allerdings dennoch stillschweigend aufgenommen Ab 1884 kam es zu Beschrankungen der Zuwanderung von Juden nach Preussen Wahrend der Polenausweisungen von 1885 86 wurden auch verhaltnismassig viele polnische Juden etwa 10 000 von insgesamt 35 000 des Landes verwiesen Ebenso wurde bei der folgenden Volkszahlung eine gesonderte Statistik fur die Juden eingefuhrt Schwerer zu greifen sind Behinderungen bei der Beforderung und Einstellung von Richtern und Lehrern 1896 wurde mit dem Assessorenparagraphen versucht einer Diskriminierung nicht allein von Juden sondern allgemein von nicht adligen Bewerbern eine rechtliche Grundlage zu geben 8 Rezeption BearbeitenAus Anlass des Todes von Albert Hanel wurdigte die Zeitschrift des Central Vereins deutscher Staatsburger judischen Glaubens im Jahre 1918 seinen Einsatz und den seiner Parteigenossen bei der Interpellation Hanel 9 Sie bezog sich dabei auf einen Artikel vom 1 Juni 1918 in der Freisinnigen Zeitung Siehe auch BearbeitenGeschichte der Juden in Deutschland Geschichte des Konigreichs Preussen Schmach fur Deutschland Literatur BearbeitenDie Judenfrage vor dem Preussischen Landtage 1880 Print Die Judenfrage Verhandlungen des Preussischen Abgeordnetenhauses uber die Interpellation des Abgeordneten Dr Hanel am 20 und 22 November 1880 Separatabdruck der Amtlichen Stenographischen Berichte des Hauses der Abgeordneten W Moeser Hofbuchhandlung Berlin 1880Einzelnachweise Bearbeiten Unsere Aussichten Preussische Jahrbucher 1879 Online PDF 1 2 MB http germanhistorydocs ghi dc org sub document cfm document id 1803 amp language german Die Judenfrage vor dem Preussischen Landtage Berlin 1880 1 Die Judenfrage vor dem Preussischen Landtage Berlin 1880 2 3 Allgemeine Zeitung des Judentums 1880 Heft 51 21 Dezember 1880 S 805 Die Judenfrage vor dem Preussischen Landtage Berlin 1880 Seite 55 66 4 5 Reichstagsprotokolle 1881 82 1 5 Legislaturperiode 27 Sitzung 17 Januar 1882 Eugen Richter Politisches ABC Buch 9 Auflage Verlag Fortschritt AG Berlin 1898 Artikel Assessorenparagraph 6 Zeitschrift des Centralvereins Deutscher Staatsburger Judischen Glaubens 1895 1922 H 9 1 September 1918 S 351 353 7 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Interpellation Hanel amp oldid 231979948