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Die Liberale Vereinigung gelegentlich auch als Sezession bezeichnet war eine liberale Partei wahrend des Deutschen Kaiserreichs die 1880 aus einer Abspaltung des linken Flugels der Nationalliberalen Partei hervorgegangen war und 1884 mit der Deutschen Fortschrittspartei zur Deutschen Freisinnigen Partei fusionierte Spater knupfte die 1893 gegrundete Freisinnige Vereinigung an ihre Tradition an Die Fuhrer der Secessionisten aus Die Gartenlaube 1880 oben Ludwig Bamberger links Franz August Schenk von Stauffenberg rechts Heinrich Rickert unten Max von Forckenbeck Inhaltsverzeichnis 1 Abspaltung von den Nationalliberalen 2 Organisation der Sezessionisten 3 Zusammengehen mit den Fortschrittlichen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseAbspaltung von den Nationalliberalen BearbeitenDie nationalliberale Reichstagsfraktion war durch eine bunte Meinungs und Interessenvielfalt ihrer Mitglieder gekennzeichnet Sie bildete ein Sammelbecken fur Liberale aus den preussischen Provinzen und den suddeutschen Landern und vereinte sowohl Manchesterliberale als auch Schutzzollner Bereits 1875 merkte Friedrich Kapp Mitglied des Zentralwahlkomitees der Nationalliberalen Partei kritisch an dass die nationalliberale Partei ein solches Sammelsurium aller moglichen zum Teil unvereinbaren Bestrebungen Ansichten und Ziele ist dass sie aus dem Leim gehen muss 1 Vor diesem Hintergrund kam es innerhalb der nationalliberalen Reichstagsfraktion zu einem schleichenden Entfremdungsprozess zwischen dem vergleichsweise gut vernetzten linken Flugel um Eduard Lasker Max von Forckenbeck und Ludwig Bamberger einerseits und dem zahlenmassig anwachsenden aber ohne zentralen Fuhrer auftretenden rechten Flugel 2 Die Anhanger des linken Flugels gelangten immer mehr zu der Uberzeugung dass die Parteifuhrung um Rudolf von Bennigsen und Johannes Miquel die Nationalliberalen zu sehr an die Politik des Reichskanzlers Otto von Bismarck gebunden hatten Erste Meinungsunterschiede innerhalb der nationalliberalen Partei waren bereits 1878 wahrend der Beratungen uber das Sozialistengesetz deutlich geworden Die innerparteilichen Differenzen vertieften sich als der linke Flugel die Gesetze des Kulturkampfs gegen die katholische Kirche starker begrenzen und den Militaretat lediglich fur eine Legislaturperiode und nicht wie in Gestalt des Septennats fur sieben Jahre bewilligen wollte Diese Streitfragen fuhrten letztlich auch deshalb zur Spaltung der Nationalliberalen Partei und zur Grundung der Liberalen Vereinigung weil die starker rechts orientierte Parteifuhrung die Schutzzollpolitik unterstutzte Der neu gegrundeten Partei trat uberwiegend der linksliberale Flugel bei Massgeblich fur den Abfall der auch Sezession bezeichneten Liberalen Vereinigung war die Uberzeugung dass bei einer fortdauernden Unterstutzung der konservativen Politik Bismarcks wie sie die Nationalliberalen seit 1878 betrieben grundlegende liberale Prinzipien verletzt oder sogar ganz geopfert wurden Die Sezessionisten forderten daher die Ruckkehr zum Freihandel Innenpolitisch strebte man entgegen Bismarcks Absichten eine allmahliche Parlamentarisierung des konstitutionellen Systems im Sinne einer konsequenten Gewaltenteilung an und trat fur die Wahrung der Staatssouveranitat gegenuber der Kirche ein Mit diesen Forderungen baumten sich die Sezessionisten gegen die von den Nationalliberalen vollzogene konservative Wende von 1878 79 im Zuge des von Bismarck mit Hilfe der Junker Pfaffen und Ultramontanen kurz aller Reichsfeinde gewonnenen Sieg es noch einmal kurzfristig aber langfristig vergeblich auf 3 Organisation der Sezessionisten BearbeitenDie Liberale Vereinigung war eine klassische Honoratiorenpartei und dadurch organisatorisch schlecht auf das beginnende Zeitalter der Massenpolitisierung eingestellt Die Partei bestand im Wesentlichen aus den Abgeordneten der Reichstagsfraktion einigen hauptstadtischen Notabeln und personlichen Vertrauensmannern in den Wahlkreisen Die Zahl der sezessionistischen Ortsvereine blieb relativ gering schatzungsweise gab es 1884 deren 50 im gesamten Reichsgebiet 4 Sie bestanden vor allem in den grossen Handels und Seestadten Nord und Ostdeutschlands Soziologisch gesehen waren die Sezessionisten durchweg burgerlich bis grossburgerlich ausgerichtet Zu ihren tragenden Schichten zahlten insbesondere freihandlerische Wirtschafts und liberale Bildungskreise wahrend ihre Bedeutung im Kleinburgertum und bei der Arbeiterschaft eher gering war denn diese Gruppen befurworteten in der Regel die Schutzzolle Da die parteitragenden grossburgerlichen Schichten in weiten Teilen organisationsunwillig waren blieben die Sezessionisten Offiziere ohne Unteroffiziere und darum haufig ohne Mannschaft so Nipperdey 5 Dennoch schien die neue Partei anfanglich Erfolg zu haben stellte sie doch nach der Reichstagswahl 1881 immerhin 46 Reichstagsabgeordnete ebenso viele wie die Nationalliberalen von denen sie sich abgespalten hatte In der kurzen Zeit ihres Bestehens hat die Liberale Vereinigung nur Ansatze zentraler Institutionen entwickelt Zunachst setzte man ein funfkopfiges Exekutivkomitee ein dem die Abgeordneten Heinrich Rickert und Gustav Lipke sowie den Nichtparlamentariern Friedrich Kapp Albert Groning und Theodor Wilhelm Lesse angehorten Dieses Komitee richtete unter anderem ein Buro fur Wahlangelegenheiten ein leitete die Herausgabe einer Korrespondenzschrift in die Wege leitete und sammelte das dazu notwendige Geld ein Bald darauf wurde erganzend zur parlamentarischen Vertretung ein Wahlverein der Liberalen als Organisation fur die Anhanger im Land gegrundet Die Verbindung der fuhrenden Abgeordneten und Berliner Notabeln mit den zum Teil im Wahlverein organisierten Mitgliedern wurde durch Parteitage aufrechterhalten zu denen die wichtigsten Leute der Wahlkreise eingeladen wurden Nipperdey zufolge hatte der Parteitag weniger den Charakter einer Institution als vielmehr einer Besprechung mit den Freunden im Lande 6 Im Wesentlichen hat er die lediglich die Beschlusse der fraktionellen Fuhrung legitimiert so etwa 1882 eine programmatische Erklarung en bloc angenommen und einen geschaftsfuhrenden Ausschuss eingesetzt um den Organisationsaufbau der Partei weiter voranzutreiben Die Organisation der zentralen Korperschaften war nicht klar festgelegt In der Praxis bildeten die fuhrenden Abgeordneten die Mitglieder des geschaftsfuhrenden Ausschusses und der Fraktionsvorstande die Parteifuhrung zu der im von Einzelfall noch andere Personen hinzugezogen wurden Beispielsweise wurde ein von Heinrich Rickert und Eduard Lasker 1881 entworfener Wahlaufruf von Ludwig Bamberger Max von Forckenbeck Franz von Stauffenberg und Friedrich Kapp unterzeichnet Weitere fuhrende Kopfe der Partei waren unter anderen Karl Baumbach Georg von Bunsen Theodor Mommsen Karl Schrader Georg von Siemens Friedrich Witte und der junge Theodor Barth In der Reichstagsfraktion liess man sich gegenseitig viel Freiheit zum Beispiel trat Eduard Lasker fast allein fur das 1883 verabschiedete Krankenkassengesetz ein was jedoch die Einheit keineswegs gefahrdete Zusammengehen mit den Fortschrittlichen BearbeitenAuf langere Sicht strebten die Sezessionisten die Grundung einer neuen liberalen Sammlungspartei an die nach dem Vorbild der britischen Liberal Party in Zukunft womoglich nach der Machtubernahme des Kronprinzen Friedrich eine Regierung stellen sollte Der Wunsch nach der Vereinigung aller Liberalen kam bereits in der schriftlichen Austrittserklarung der sezessionistischen Reichstagsabgeordneten aus der Fraktion der Nationalliberalen zum Ausdruck Mit Sorgfalt darauf bedacht die Tur fur die Ruckkehr zu den Nationalliberalen nicht zuzuschlagen forderten die Sezessionisten das einige Zusammengehen der liberalen Partei in den wesentlichen Fragen das Aufhoren verwirrender und aufreibender Kampfe verschiedener liberaler Fraktionen 7 Die Plane uber eine gesamtliberale Partei scheiterten jedoch endgultig als sich die Nationalliberalen mit ihrer Heidelberger Erklarung von 1884 unmissverstandlich hinter die Politik Bismarcks stellten Zudem schloss der wirtschaftspolitische Standpunkt der Sezessionisten eine Vereinigung mit den Nationalliberalen aus Auch die verfassungspolitische Idee des Gesamtliberalismus hatte zunehmend an Gewicht verloren Stattdessen freundeten sich die fuhrenden Politiker der Liberalen Vereinigung allmahlich mit der Idee an eine Fusion mit der Fortschrittspartei zu verwirklichen Wahrend Ludwig Bamberger und Max von Forckenbeck diesbezuglichen Planen zunachst noch reserviert gegenuberstanden weil sie furchteten die mittlere Position der Sezessionisten im deutschen Liberalismus einzubussen und zudem den autokratischen Fuhrungsstil des fortschrittlichen Parteifuhrers Eugen Richter scheuten traten Heinrich Rickert und Georg von Bunsen lebhaft fur ein Zusammengehen ein Es gelang ihnen schliesslich in einer Sitzung des Fraktionsvorstands auch die Zogernden fur eine Fusion zu gewinnen Bereits im Januar 1884 hatten Franz von Stauffenberg und Eugen Richter die Fusionsverhandlungen aufgenommen im Marz desselben Jahres bildeten beide Parteien im Reichstag eine Fraktionsgemeinschaft die insgesamt 100 Abgeordnete umfasste und bald darauf wurde noch vor Reichstagswahl vom Oktober 1884 die Fusion formal vollzogen Bei der Wahl busste die neue deutsche Freisinnige Partei ein Drittel ihrer Mandate ein und kehrte mit nur noch 64 Abgeordneten in den Reichstag zuruck Die Freisinnigen erkannten nun dass der Gesamtliberalismus in Deutschland nur dann als massgeblicher politischer Faktor vorstellbar war wenn er auch die Nationalliberalen einschloss Diese Losung so wunschenswert sie auch erscheinen mochte scheiterte allerdings an der damaligen politischen Ausrichtung der unterschiedlichen Fraktionen denn die Restfraktion der Nationalliberalen Partei war weit rechts und die aus der Fortschrittspartei stammenden Mitglieder der Freisinnigen Partei waren weit links angesiedelt Ein Zusammengehen aller liberalen Abgeordneten unter ein gemeinsames Dach stellte sich als unmoglich dar Bismarck war es damit gelungen nicht nur die Nationalliberalen fur seine konservative Regierung einzunehmen sondern auch die liberale Bewegung insgesamt im Reichstag entscheidend und nachhaltig zu schwachen Er trug damit entscheidend dazu bei dass eine liberale Regierung im deutschen Reich verhindert und gleichzeitig die liberale Opposition im Reichstag entscheidend geschwacht wurde Literatur BearbeitenHans Fenske Deutsche Parteiengeschichte Von den Anfangen bis zur Gegenwart Schoningh Paderborn 1994 ISBN 3 506 99464 6 S 113 120 Wolther von Kieseritzky Liberalismus und Sozialstaat Liberale Politik in Deutschland zwischen Machtstaat und Arbeiterbewegung 1878 1893 Bohlau Verlag Koln Wien 2002 Industrielle Welt Bd 62 ISBN 3 412 07601 5 Heinz Edgar Matthes Die Spaltung der Nationalliberalen Partei und die Entwicklung des Linksliberalismus bis zur Auflosung der Deutsch Freisinnigen Partei 1878 1893 Ein Beitrag zur Geschichte der Krise des deutschen politischen Liberalismus Diss phil Kiel 1953 Ms Thomas Nipperdey Deutsche Geschichte 1866 1918 Bd 2 Machtstaat vor der Demokratie Beck Munchen 1998 ISBN 3 406 44038 X S 327 412 Thomas Nipperdey Die Organisation der Deutschen Parteien vor 1918 Droste Dusseldorf 1961 S 182 f 204 ff Walter Tormin Geschichte der deutschen Parteien seit 1848 Kohlhammer Stuttgart 1967 S 89 Hans Peter Ullmann Das deutsche Kaiserreich 1871 1918 Suhrkamp Frankfurt 1995 S 75 Hans Ulrich Wehler Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd 3 Von der deutschen Doppelrevolution bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Beck Munchen 1995 ISBN 3 406 32263 8 S 872 f Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Liberale Vereinigung Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Eintrag zur Liberalen Vereinigung beim Deutschen historischen MuseumEinzelnachweise Bearbeiten Zit n Wehler 1995 S 869 Ansgar Lauterbach Zwischen Reform und Opposition Zum politischen Selbstverstandnis von National und Fortschrittsliberalen in der Ara Bismarck In Jahrbuch zur Liberalismus Forschung Band 19 2007 S 9 30 hier S 14 f Wehler 1995 S 872 Matthes 1953 S 182 Nipperdey 1961 S 183 Nipperdey 1961 S 205 Zit n Tormin 1967 S 89 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Liberale Vereinigung amp oldid 234022291