www.wikidata.de-de.nina.az
Die Antisemitenpetition war eine 1880 1881 von deutschen Antisemiten der Berliner Bewegung veranlasste Petition an den Reichskanzler und preussischen Ministerprasidenten Otto von Bismarck die die Rucknahme wesentlicher Gleichstellungsgesetze fur Juden verlangte Portrat Montage von um 1880 bekannten Antisemiten Mitte Otto Glagau darum im Uhrzeigersinn Adolf Konig Bernhard Forster Max Liebermann von Sonnenberg Theodor Fritsch Paul Forster und Otto BockelHauptinitiatoren waren der Leipziger Physik und Astronomieprofessor Karl Friedrich Zollner 1834 1882 und Max Liebermann von Sonnenberg Bernhard Forster Paul Forster und Ernst Henrici 1 2 Zu den Erstunterzeichnern gehorten der bekannte Berliner Hofprediger Adolf Stoecker der Chemnitzer Verleger Ernst Schmeitzner 1851 1895 sowie der Komponist und Dirigent Hans von Bulow 1830 1894 Inhaltsverzeichnis 1 Forderungen 2 Beratung im preussischen Abgeordnetenhaus 3 Unterschriftensammlung und Einreichung 4 Folgen der Petition 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseForderungen BearbeitenDie Antisemitenpetition forderte die Einschrankung der 1869 fur den Norddeutschen Bund und 1871 fur das Deutsche Reich erfolgten verfassungsrechtlichen Gleichstellung der Juden Begrundet wurde dies durch die angebliche wirtschaftliche Ausbeutung und vorgebliche soziale wie rassenmassige Zersetzung des deutschen Volkskorpers durch die Juden Daher musse ihr Vordringen in gesellschaftliche Schlusselpositionen verhindert werden Gefordert wurden im Einzelnen Entfernung von Juden aus dem Staatsdienst und dem Heer Zuruckdrangung in der Justiz dabei speziell der Ausschluss vom Richteramt Verbot der Anstellung judischer Lehrer an Volksschulen nur in Ausnahmen ihre Zulassung an hoheren Schulen und Hochschulen Wiederaufnahme der amtlichen Statistik uber die judische Bevolkerung Einschrankung der Einwanderung von Juden aus Osterreich Ungarn und Russland Beratung im preussischen Abgeordnetenhaus BearbeitenAuf Antrag des linksliberalen Abgeordneten Albert Hanel wurde die Antisemitenpetition am 22 und 24 November 1880 im preussischen Abgeordnetenhaus debattiert Anders als erhofft verurteilte die Regierung die Petition nicht Sie erklarte nur dass sie am Rechtszustand der Gleichberechtigung der religiosen Bekenntnisse in staatsburgerlicher Hinsicht nichts andern wolle Damit blieb sie auf dem Rechtsboden der preussischen Verfassung und des Bundesgesetzes von 1869 Eine Stellungnahme zur antisemitischen Verwaltungspraxis vermied sie ebenso wie eine Stellungnahme zur Agitation der Antisemiten Ausser den Linksliberalen verurteilte keine andere im Abgeordnetenhaus vertretene Fraktion die antisemitische Kampagne Sie verteidigten zwar uberwiegend die rechtliche Judenemanzipation fuhrten die Agitation aber auf ein angebliches Fehlverhalten der Juden selber zuruck Der Mehrheit der Zentrumsfraktion kamen Stoeckers Angriffe auf die Juden sogar gelegen Ludwig Windthorst Fuhrer der Zentrumspartei der sich uber die verhangnisvollen Folgen des politischen Antisemitismus fur Deutschlands Innenpolitik und fur die Lage der katholischen Minderheit im Klaren war konnte nur fur seine eigene Person sprechen als er das Vorgehen gegen die Juden wie es in dieser Petition geschah laut missbilligte Der Fuhrer der Konservativen Ernst von Heydebrand sprach in scharfen Worten gegen die Juden Die Freikonservativen wollten den Linksliberalen nicht beistehen und die Nationalliberalen verhielten sich reserviert 3 Nur Eugen Richter damals Fuhrer der Fortschrittspartei wandte sich direkt gegen Stoecker und warf ihm als Mitinitiator der Petition vor 4 Das ist gerade das besonders Perfide an der ganzen Bewegung dass wahrend die Socialisten sich bloss kehren gegen die wirtschaftlich Besitzenden hier der Racenhass genahrt wird also etwas was der Einzelne nicht andern kann und was nur damit beendigt werden kann dass er entweder todtgeschlagen oder uber die Grenze geschafft wird Unterschriftensammlung und Einreichung BearbeitenDie Unterschriftensammlung fur die Petition sollte nach dem Willen ihrer Initiatoren in ganz Deutschland erfolgen und den Charakter eines Plebiszits erhalten 5 Zwischen August 1880 und April 1881 hatten die Antisemiten fur ihre Petition im gesamten Reichsgebiet nach ihren eigenen Angaben 267 000 Unterschriften gesammelt tatsachlich waren es wohl weniger allerdings mindestens 225 000 Die Initiatoren der Petition verfugten uber keine parteipolitischen Organisationen und konnten sich bei der Werbung fur ihr Anliegen zunachst lediglich auf einzelne Agitatoren stutzen Es gelang jedoch dank der akademischen Wirksamkeit einiger Universitatsprofessoren wie Heinrich von Treitschke in der Antisemitismusdebatte viele Studenten zu aktivieren und fur die Agitation zugunsten der Petition zu gewinnen Eine ahnliche Wirkung entfaltete die antisemitische Agitation des popularen Hofpredigers Adolf Stoecker Einflussreich war auch das Buch von Wilhelm Marr Der Sieg des Judenthums uber das Germanenthum das 1879 zwolf Auflagen erlebte was Marr zur Grundung seiner Antisemitenliga bewog Seit Oktober 1880 bildeten sich an vielen Universitaten Ausschusse zur Vorbereitung dieses sogenannten Plebiszits Aus diesen Ausschussen bildeten sich die Vereine deutscher Studenten so zu Beginn des Jahres 1881 in Berlin Halle und Breslau 5 Den Initiatoren kam die unklare Haltung der Regierung und der Parteien zugute so dass man in landlich konservativ gepragten Regionen Preussens erfolgreich suggerieren konnte der Inhalt der Petition sei im Sinne der Regierungspolitik Wahrend die Verbreitung der Petition in Ostelbien von konservativen Honoratioren unterstutzt wurde blieben Unterstutzung und Resonanz in Nord West und Suddeutschland gering Regionale Verteilung der Unterschriften Schlesien 54 000 davon 5 000 in Breslau Brandenburg und Berlin 38 000 davon 15 000 in Berlin Westfalen 27 000 Rheinprovinz 20 000 Wurttemberg Baden und Hohenzollern 7 000 Bayern 9 000Diese Zahlen legten die Petenten selbst vor wahrscheinlich mussen sie nach unten korrigiert werden Angaben zu weiteren Stadten Bundesstaaten und preussischen Provinzen sind nicht bekannt Uber die soziale Herkunft der Unterzeichner konnen keine gesicherten Angaben gemacht werden Es ist lediglich bekannt dass 4 000 Studenten d h 19 aller Studierenden unterzeichnet hatten Stoecker unterzeichnete die Petition obwohl er dies in der Debatte des preussischen Abgeordnetenhauses bestritten hatte Treitschke hingegen nicht 6 Folgen der Petition BearbeitenIm Zusammenhang mit der Agitation fur die Antisemitenpetition kam es in Neustettin zu gewaltsamen Ausschreitungen Am 18 Februar 1881 wenige Tage nach zwei Reden Ernst Henricis vom 13 und 14 Februar brannte die Synagoge der Stadt nieder und es kam zu judenfeindlichen Krawallen 1883 wurde ein Prozess gegen mehrere stadtische Juden eingeleitet denen man Brandstiftung an der eigenen Synagoge zur Last legte Gegen die Petition veroffentlichten im Jahre 1880 auf Anregung des Berliner Oberburgermeisters Max von Forckenbeck 75 Reprasentanten des deutschen Geisteslebens eine Notabeln Erklarung Theodor Mommsen Johann Gustav Droysen Rudolf von Gneist Rudolf Virchow und andere protestierten darin gegen die Wiederbelebung eines alten Wahns 7 Am 13 April 1881 wurde die Antisemitenpetition mit den in 26 Banden zusammengefassten Unterschriftenlisten im Reichskanzleramt eingereicht Bismarck der die antisemitische Bewegung zur Schwachung der Liberalen zeitweise instrumentalisiert hatte ignorierte sie Der Vizeprasident des Preussischen Staatsministeriums Graf Otto zu Stolberg Wernigerode erklarte im Reichstag dass die Regierung an der Gleichberechtigung der religiosen Bekenntnisse in staatsburgerlicher Hinsicht nichts zu andern gedenke Rudolf Virchow einer der Gegner der Antisemiten nannte diese Antwort korrekt aber kuhl bis ans Herz hinan 8 Fur die Antisemiten war die Petition dennoch ein Teilerfolg Ihnen war es gelungen breite offentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und etwa eine Viertelmillion Unterzeichner zu werben Preussen betrieb ab 1884 eine gezielte Ausweisungspolitik im Sinne der Petition In den folgenden beiden Jahren wurden 10 000 judische Polen und 25 000 weitere Polen ausgewiesen Rechtsgrundlage dafur war das Blutrecht ius sanguinis das 1842 in Preussen eingefuhrt worden war Die Ausgewiesenen konnten dadurch nicht die preussische und deutsche Staatsburgerschaft erlangen sondern blieben Auslander unter Sonderrecht 9 Dies ermutigte die Initiatoren zu Parteigrundungen die wahrend der starken antisemitischen Stimmungen und Kampagnen in der wilhelminischen Gesellschaft der 1890er Jahre einige Wahlerfolge erzielten Die Inhalte der Antisemitenpetition bildeten den Kern der jeweiligen Parteiprogramme in Bezug auf die Judenfrage Literatur BearbeitenDavid Hamann Ein Billett von Brody uber Berlin nach New York Organisierte Solidaritat deutscher Juden fur osteuropaische judische Transmigrant innen 1881 82 Europaisch judische Studien Bd 67 Berlin Boston 2023 S 76 240 ISBN 978 3 11 106362 1 Ernest Hamburger Juden im offentlichen Leben Deutschlands Regierungsmitglieder Beamte und Parlamentarier in der monarchischen Zeit 1848 1918 J C B Mohr Paul Siebeck Tubingen 1968 Kurt Wawrzinek Die Entstehung der deutschen Antisemitenparteien 1873 1890 Berlin 1927 Thomas Weidemann Politischer Antisemitismus im deutschen Kaiserreich Der Reichstagsabgeordnete Max Liebermann von Sonnenberg und der nordhessische Wahlkreis Fritzlar Homberg Ziegenhain Aus Hartwig Bambey Hrsg Heimatvertriebene Nachbarn Beitrage zur Geschichte der Juden im Kreis Ziegenhain Schwalmstadt 1993 S 113 184 Weblinks BearbeitenDie Antisemitenpetition Deutsches Historisches Museum Antisemitenpetition 1880 1881 Deutsche Geschichte in Dokumenten und Bildern PDF Einzelnachweise Bearbeiten Norbert Kampe Studenten und Judenfrage im Deutschen Kaiserreich 2014 ISBN 978 3 525 35738 5 S 23 doi 10 13109 9783666357381 23 Uffa Jensen Gebildete Doppelganger Vandenhoeck amp Ruprecht 2005 ISBN 3 525 35148 8 S 272 digitale sammlungen de Die parlamentarische Behandlung der Antisemitenpetition In Ernest Hamburger Juden im offentlichen Leben Deutschlands Regierungsmitglieder Beamte und Parlamentarier in der monarchischen Zeit 1848 1918 J C B Mohr Paul Siebeck Tubingen 1968 Seiten 134 136 Walter Bohlich Der Berliner Antisemitismusstreit S 255f a b Werner Jochmann Struktur und Funktion des Antisemitismus 1878 bis 1914 S 113 in Herbert A Strauss Norbert Campe Hrsg Antisemitismus Von der Judenfeindschaft zum Holocaust Campus Verlag Frankfurt 1985 ISBN 3 593 33464 X Karlheinz Weissmann Der nationale Sozialismus Ideologie und Bewegung 1890 1933 Herbig 1998 S 80 Die Liste der Unterzeichner aus der Nationalzeitung Berlin 14 November 1880 ist abgedruckt in Hans Liebeschutz Das Judentum im deutschen Geschichtsbild von Hegel bis Max Weber J C B Mohr Paul Siebeck Tubingen 1967 S 341f Franz Goerlich Hrsg Die Judenfrage im preussischen Abgeordnetenhause Wortlicher Abdruck der stenographischen Berichte vom 20 und 22 November 1880 Breslau 1880 Tobias Jaecker Judenemanzipation und Antisemitismus im 19 Jahrhundert Marz 2002 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Antisemitenpetition amp oldid 238240018