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Der Ausspruch eine Schmach fur Deutschland entstammt einer Bemerkung des deutschen Kronprinzen und spateren Kaisers Friedrich III die dieser im Februar 1880 in einer nicht offentlichen Sitzung der Victoria National Invalidenstiftung dem Berliner Stadtrat und Vorsitzenden der judischen Korporation in Berlin Meyer Magnus gegenuber machte Mit diesen Worten verurteilte der Kronprinz die antisemitische Bewegung Er habe im Auslande den Auslandern gegenuber sich dieser Agitation geschamt So berichtete der preussische Abgeordnete Eugen Richter 1 uber das Wort des Kronprinzen das bei der Bekampfung des Antisemitismus oft zitiert von antisemitischer Seite hingegen als zweifelhaft oder sogar gefalscht hingestellt wurde Kaiser Friedrich III Victoria preussische Kronprinzessin 1867 Gemalde von Franz Xaver Winterhalter Inhaltsverzeichnis 1 Varianten 2 Kontext 3 Ablauf 4 Einzelnachweise 5 LiteraturVarianten BearbeitenDie genauen Worte des Kronprinzen sind nicht uberliefert Je nach Quelle wird der Ausspruch auch wiedergegeben als eine Schmach unserer Zeit eine Schmach des Jahrhunderts oder eine Schmach fur die deutsche Nation Kontext BearbeitenDer schon seit einigen Jahren schwelende Antisemitismus erhielt Ende der 1870er Jahre einen Aufschwung Massgeblich hierfur waren die Agitationen des Hofpredigers Adolf Stoecker sowie die Veroffentlichung des Artikels Unsere Aussichten durch Heinrich von Treitschke in den Preussischen Jahrbuchern woraus sich der so genannte Berliner Antisemitismusstreit entwickelte Ablauf BearbeitenDer Kronprinz Friedrich Wilhelm und seine Frau Victoria verurteilten von Anfang an die antisemitische Bewegung In einem Brief schrieb er 2 Wir schamen uns der Judenhetze die in Berlin alle Granzen des Anstands uberschreitet aber wie s scheint unter den Fittigen des Hofpfaffenthums sicher gewahrleistet ist Und die Kronprinzessin Victoria klagte 3 Die Verachtung alles Fremden jetzt auch noch der armen Juden es ist wirklich emporend Das Resultat wird nur sein dass diese Sprache u dies Gebahren Deutschland u die Deutschen recht grundlich verhasst machen wird Bereits Anfang 1880 besuchte der Kronprinz demonstrativ in voller Uniform einen Gottesdienst in der Berliner Synagoge um Stellung zur antisemitischen Bewegung zu beziehen Auf einer Sitzung der Victoria National Invalidenstiftung im Februar 1880 sprach er dann mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der Stiftung und Vorsitzenden der judischen Korporation in Berlin Meyer Magnus uber die antisemitische Bewegung und bezeichnete diese als eine Schmach fur Deutschland Im Verlauf des Jahres 1880 verscharfte sich die antisemitische Agitation und es kam zu ersten Tatlichkeiten siehe Kantorowicz Affare Mitte November 1880 veroffentlichten 75 bedeutende Wissenschaftler Unternehmer und Politiker eine Notabeln Erklarung in der sie die antisemitische Bewegung verurteilten Die Deutsche Fortschrittspartei brachte das Thema am 20 und 22 November 1880 in den Preussischen Landtag siehe Interpellation Hanel Am 14 November besuchte der Kronprinz in Wiesbaden wieder demonstrativ zusammen mit seiner Frau ein synagoges Konzert um nach Moglichkeit zu zeigen wie wir gesonnen lt sic gt sind 4 Als Reaktion auf eine antisemitische Veranstaltung am 17 Dezember 1880 in den Reichshallen in Berlin bei der Ernst Henrici gegen die Juden gehetzt hatte luden Mitglieder der Deutschen Fortschrittspartei die Wahlmanner aller Parteien fur den 12 Januar 1881 ebenfalls in die Reichshallen zu einer Versammlung ein um zu demonstrieren dass die Burger von Berlin keineswegs auf Seiten der antisemitische Bewegung standen sondern diese verurteilten Vor den 2500 Wahlmannern bezog sich Eugen Richter in der Schlussrede auf die Worte des Kronprinzen Es wird dermaleinst nicht das kleinste Lorbeerblatt im Ruhmeskranze unseres Kronprinzen sein dass er schon beim ersten Beginn dieser Bewegung was unser verstorbener Kollege Wulffshein mit eigenen Ohren gehort hat und auch andererseits glaubwurdig bestatigt ist dem Vorsitzenden der judischen Korporation von Berlin gegenuber erklarte dass diese Bewegung eine Schmach fur die deutsche Nation sei Sturmischer langandauernder Beifall Eugen Richter Verurtheilung der antisemitischen Bewegung durch die Wahlmanner von Berlin C Bartel 1881 online Da von antisemitischer Seite eine solche Verdammung von hochster Stelle als verfalscht oder erfunden zuruckgewiesen wurde sah sich der Kronprinz am 14 Februar 1881 veranlasst seine Ausserung zu wiederholen In einer Sitzung des Vorstandes der Victoria National Invalidenstiftung sass er zwischen dem Chef der Admiralitat von Stosch und Meyer Magnus Er erkundigte sich wie Magnus mit dem vergangenen Jahre zufrieden gewesen sei in dem sich die antisemitische Bewegung weiter ausgebreitet hatte Magnus antwortete dass es fur ihn eines der trubsten seines langen Lebens gewesen sei Wenn ihm und unzahligen seiner Glaubensgenossen inmitten dieser traurigen Bewegung ein starker Trost geblieben ware so sei es die lebendige Erinnerung an den an dieser Stelle gethanen Ausspruch des Kronprinzen dass er die Bewegung bedaure und dass sie eine Schmach fur unsere Zeit sei Mit allem Nachdruck bemerkte hierauf der Kronprinz dass er dieselbe Anschauung heut wie damals hege dass er die gedachten Bestrebungen auf das Entschiedenste missbillige und verwerfe Was sein Gefuhl dabei am meisten verletze sei die Hineintragung dieser Tendenzen in die Schule und die Horsale in die Pflanzstatten des Edlen und Guten sei dieses bose Samenkorn hineingeworfen worden Hoffentlich werde es nicht zur Reife gelangen Er vermoge es nicht zu fassen wie Manner die auf geistiger Hohe stehen oder ihrem Berufe nach stehen sollten sich hier zu Tragern und Hilfsmitteln einer in ihren Voraussetzungen und Zielen gleichmassig verwerflichen Bewegung hergeben konnten Der Kronprinz zog zur Erlauterung dieser Anschauungen eine Anzahl anerkannter Zwischenfalle der letzten Zeit herbei wobei er auf die Geschichte der Agitation und ihrer einzelnen Phasen einging Gelegentlich der Versammlungen knupfte der Kronprinz insbesondere an die in den Reichshallen stattgefundene Worte der Verurtheilung Heinrich Rickert ohne Namensnennung Antisemiten Spiegel Verlag und Druck von A W Kafemann Danzig 1890 Seite 26 27 Am folgenden Tag dem 15 Januar 1881 wurden diese Ausserungen des Kronprinzen in der National Zeitung abgedruckt Seine Schwiegermutter Queen Victoria lobte in einem Brief die Rede des lieben Fritz uber die armen schlecht behandelten Juden 5 Obwohl die Authentizitat der Aussagen von zahlreichen Zeugen bestatigt wurde fuhr der Hofprediger Adolf Stoecker fort die Richtigkeit des Zitats zu bestreiten auch wenn Eugen Richter diese 1883 noch einmal bestatigte Der Abg Eugen Richter hatte als im Abgeordnetenhause im Jahre 1883 die Richtigkeit der Mittheilung uber die Stellung des Kronprinzen zu der antisemitischen Bewegung von conservativer Seite in Zweifel gezogen war in der Sitzung vom 6 Dezember 1883 erklart dass Herr Geheimrath Magnus ihm personlich den Hergang bei der erwahnten Sitzung der National Invaliden Stiftung und die Aeusserung des Kronprinzen genau so mitgetheilt habe wie dieselben in dem erwahnten Artikel der Nat Ztg enthalten waren Heinrich Rickert ohne Namensnennung Antisemiten Spiegel Verlag und Druck von A W Kafemann Danzig 1890 Seite 28 Fussnote Anlasslich eines Verleumdungsprozesses gegen die Freie Zeitung im Jahre 1885 wurde Stoecker dann allerdings gerichtlich bescheinigt Auf Grund dieses Ergebnisses der Beweisaufnahme ist als erwiesen angenommen dass Seine kaiserliche Hoheit wenn auch nicht wortlich so doch in einer dem Wesentlichen gleichbedeutenden Weise das von dem Angeklagten behauptete Urtheil in Betreff der antisemitischen Bewegung gefallt habe Heinrich Rickert ohne Namensnennung Antisemiten Spiegel Verlag und Druck von A W Kafemann Danzig 1890 Seite 28 Hartnackig hielt Stoecker an seiner Behauptung fest und erklarte in der Sitzung des Preussischen Abgeordnetenhauses vom 31 Marz 1890 Ich muss dagegen protestiren dass der Hr Abg Rickert einen hohen Mund der langst geschlossen ist hier wieder reden lasst Die Aeusserung dieses hohen Mundes ist niemals konstatirt Rufe links Jawohl Widerspruch rechts Heinrich Rickert ohne Namensnennung Antisemiten Spiegel Verlag und Druck von A W Kafemann Danzig 1890 Seite 25 Die Legende hier seien dem Kronprinzen Worte in den Mund gelegt worden hatte sich um die Zeit in antisemitischen Kreisen bereits fest etabliert Ganz ahnlich zog auch der sozialdemokratische Parteihistoriker Franz Mehring die Worte in Zweifel und stellte den Kronprinzen als von judischen Hintermannern gesteuert hin die Ausdrucksweise anhochen bedeutet mit Hochrufen feiern wahrend gerieben eine Variante zum heute gebrauchlicheren Wort gerissen ist Aber offentlich verleugnete Bismarck die antisemitische Agitation nicht liess sich vielmehr unter dankender Erwiderung von ihr anhochen und erkannte gar nicht dass die feurigsten Huldigungen der armseligen Spektakelmacher ihm die wachsende Erbitterung der judischen Hochfinanz nicht aufwiegen konnten Diese geriebene Klasse begann ihn zu kitzeln wo er am empfindlichsten war Sie plagte den Kronprinzen der von seinem liebevollen Vater uberaus knapp gehalten auf ihr Wohlwollen angewiesen war so hart und so lange bis er etwas von der Schande des Jahrhunderts murmelte oder gemurmelt haben sollte denn sicher ist dieses Wort das die ganze kapitalistische Presse fortan als die herrlichste Blute menschlichen Geistes gegen den antisemitischen Schutzpatron ausspielte niemals festgestellt worden Franz Mehring Geschichte der deutschen Sozialdemokratie 5 Ausgabe Band 4 Dietz Stuttgart 1913 Seite 189 online Einzelnachweise Bearbeiten Eugen Richter Politisches ABC Buch 9 Auflage Verlag Fortschritt Aktiengesellschaft Berlin 1898 Artikel Antisemiten Seite 17 online Zitiert nach John C G Rohl Wilhelm II Die Jugend des Kaisers 1859 1888 Beck Munchen 1993 S 415 Zitiert nach John C G Rohl Wilhelm II Die Jugend des Kaisers 1859 1888 Beck Munchen 1993 S 414 Zitiert nach John C G Rohl Wilhelm II Die Jugend des Kaisers 1859 1888 Beck Munchen 1993 S 415 Zitiert nach John C G Rohl Wilhelm II Die Jugend des Kaisers 1859 1888 Beck Munchen 1993 S 416 Literatur BearbeitenEugen Richter ohne Namensnennung Zeuge Stocker ein Zeitbild aus dem Jahre 1885 die Prozessverhandlungen wegen Beleidigung des Hofpredigers Stocker vor der II Strafkammer des Landgerichts Berlin I am 9 10 13 und 16 Juni 1885 Verlag Fortschritt Aktiengesellschaft Berlin 1885 online Leopold Auerbach Das Judenthum und seine Bekenner Verlag von Sigmar Mehring Berlin 1890 online Heinrich Rickert ohne Namensnennung Antisemiten Spiegel Verlag und Druck von A W Kafemann Danzig 1890 online Eugen Richter Politisches ABC Buch 9 Auflage Verlag Fortschritt Aktiengesellschaft Berlin 1898 online Franz Mehring Geschichte der deutschen Sozialdemokratie 5 Ausgabe Band 4 Dietz Stuttgart 1913 online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schmach fur Deutschland amp oldid 225611084