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Hindewhu auch hindehu ndewhoo ist eine Eintonflote die von den Ba Benzele gespielt wird einem den Pygmaen zugerechneten traditionell nomadischen Volk das uberwiegend im Sudwesten der Zentralafrikanischen Republik lebt Ein Solist singt oder jodelt einzelne bedeutungslose Silben und blast in schnellem Wechsel die Flote wodurch sich eine komplex verzahnte Melodie in der Form eines Hoquetus ergibt Ebenso produziert eine Gruppe von Flotenblasern und Sangern eine schnelle Tonfolge aus grosseren Intervallen deren oberster Ton immer der Flotenton bildet Der aussergewohnliche Musik und Gesangsstil der Ba Benzele wurde 1966 erstmals auf einem Tontrager international veroffentlicht Er ist eine Form des polyphonen Gruppengesangs den die Ba Benzele Baka und Bambuti pflegen und der 2008 in die Reprasentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde 1 Eintonfloten sind in Afrika zwischen Athiopien und Sudafrika sowie in Westafrika verbreitet Mehrstimmige ineinandergreifende Tonfolgen werden auch mit anderen Blasinstrumenten und in vielen Gebieten mit Xylophonen oder gestimmten Trommeln gespielt Mutmassungen uber einen gemeinsamen Ursprung von Pygmaen und San Buschmannern stutzen sich unter anderem auf ahnliche musikalische Formen der beiden geographisch weit getrennt voneinander lebenden Volksgruppen Zu diesen Vergleichen gehoren Eintonflotenensembles die es bis in die erste Halfte des 20 Jahrhunderts auch bei den San gab Ab den 1960er Jahren gelangte die Musik der Ba Benzele in den Jazz die westliche Popmusik und die Neue Musik entweder als Klangsamples oder als Grundlage fur Kompositionen Inhaltsverzeichnis 1 Verbreitung von Eintonfloten 2 Bauform und Spielweise 3 Interkulturelle Beziehungen 4 Einflusse auf die westliche Musik 5 Diskografie 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseVerbreitung von Eintonfloten BearbeitenDer Lebensraum der einzelnen Pygmaenvolker erstreckt sich uber mehrere tropische Regenwaldgebiete Zentralafrikas Sie zeigen von den ruandischen Batwa im Sudosten bis uber die benachbarten Bangombo und Ba Benzele zu kleineren Gruppen in Kamerun und Gabun im Westen eine grosse Ahnlichkeit in ihrem mehrstimmigen Gesang obwohl sich in jungerer Zeit nicht in einem kulturellen Austausch standen Die Ba Benzele Bambenzele Bambenjele sind eine Untergruppe der Ba Mbenga die in der zentralafrikanischen Prafektur Mambere Kadei und im angrenzenden Norden der Republik Kongo am Fluss Sangha beheimatet ist Zu ihrer alten Wirtschaftsform als Jager und Sammler gehoren halbkugelformige Hutten aus Zweigen und Grasern sowie eine der nomadischen Lebensweise geschuldete Einschrankung des materiellen Besitzes Die Auswahl an eigenen Musikinstrumenten ist entsprechend bei den Ba Benzele auf die Eintonflote und Idiophone beschrankt es gibt andere Pygmaengruppen die daruber hinaus mehrere Saiteninstrumente herstellen Bei den verwandten Baka kommen beispielsweise der Mundbogen limbindi sowie die Bogenharfen ngombi und ieta vor Indem sie mit den Handen wie mit Wassertrommeln auf eine Wasseroberflache klatschen liquindi konnen Baka Frauen polyrhythmische Muster erzeugen Grosse und schwere mit Antilopenfell bespannte Rohrentrommeln aus Holz schlagen die Ba Benzele zur Begleitung von Tanzen Die schlecht transportablen Trommeln passen nicht zum Gepack nomadisierender Gruppen und durften daher eine Ubernahme der benachbarten sesshaften Bantu Bevolkerung sein Die Ba Benzele pflegen abends am Lagerfeuer eine ausdrucksstark gesprochene und gesungene Erzahltradition die aus einem Repertoire mythischer Uberlieferungen schopft Die Zuhorer antworten dem Vortragenden im Wechselgesang 2 Paul Schebesta beschrieb in den 1930er Jahren bei den Bambuti Pygmaen Mbuti im Distrikt Ituri im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo eine baruma genannte Panflote die aus bis zu zwolf Pfeifen bestand 3 Dies ist ungewohnlich weil Bambuti keine eigenen Musikinstrumente 4 und Pygmaen allgemein ansonsten keine Panfloten besitzen 5 Manche Pygmaen haben Trommeln von ihren bantusprachigen Nachbarn ubernommen Eine ahnliche kulturelle Ubernahme ist das Stampfen von Maniok in einem Holzmorser bei dem drei Frauen im rhythmischen Wechsel ihren Holzstossel bewegen wahrend eine weitere Frau mit einem Stock den Takt auf den Morserrand schlagt 6 Floten aus Knochen oder Pflanzenstangeln gehoren zu den altesten Musikinstrumenten und ihre Erfindung wird in den Mythen vieler Kulturen den Gottern zugeschrieben Die meisten afrikanischen Floten werden langs geblasen und haufig von Hirten oder zur Tanzbegleitung gespielt Querfloten kommen oder kamen in Zentralafrika nur selten vor etwa die dilele auch umpindo der Baluba Manner in der Demokratischen Republik Kongo mit funf Grifflochern und die odin der Eton Frauen in Kamerun ohne Griffloch Sowohl die Musiker der dilele als auch der odin konnen mit dem Flotenspiel gesprochene Sprache ubertragen Eine Eton Frau deren Musik 1967 aufgezeichnet wurde erganzte die Melodie indem sie zur odin die nur vier Tone hervorbringt die fehlenden Tone sang Hierdurch entstand wie bei den Ba Benzele mit ihrer hindewhu eine einheitliche Melodie die sich aus gesungenen und auf der Flote geblasenen Tonen zusammensetzte 7 Eine andere Querflote ohne Griffloch deren Grundton entsprechend der odin durch Offnen und Schliessen des fernen Endes mit dem Zeigefinger verandert werden kann ist die ludaya der Bagisu im Osten Ugandas Ebenfalls selten kommen Gefassfloten in Zentralafrika vor die aus einer Fruchtkapsel einer Kalebasse oder aus Ton bestehen und ausser dem Anblasloch noch ein bis funf Grifflocher besitzen Bei manchen Khoisan Gruppen im sudlichen Afrika gab es Rohrfloten Ensembles aus mehreren Eintonfloten Sie wurden zuerst 1497 von Vasco da Gama erwahnt und bis Anfang des 20 Jahrhunderts immer wieder beschrieben Jeder Musiker des Ensembles der Unterhaltungstanze begleitete blies in eine gestimmte Eintonflote und trug mit seinem Ton zur Entstehung einer Melodie bei Percival Kirby verglich die mehrstimmigen Flotenlieder der Khoisan in den 1930er Jahren mit dem Klang einer Orgel Obwohl auch in Afrika Panfloten vorkommen in Uganda die enkwanzi oder obulere hat ein einzelner Musiker der Khoisan nie mehrere gebundelte Rohrfloten gespielt Die Rohrfloten der Khoisan und andere Eintonfloten Ensembles stellen eine musikhistorisch bedeutsame Entwicklungsstufe der Panflote dar 8 Die Chopi sind eine kleine Ethnie an der sudlichen Kuste von Mosambik mit einer aussergewohnlichen eigenstandigen Musiktradition in deren Zentrum das Zusammenspiel mehrerer timbila genannter Rahmenxylophone der weiter nordlich vorkommenden valimba ahnlich steht Hugh Tracey nahm 1955 drei junge Chopi Madchen auf die mit drei Tone erzeugenden Gefassfloten aus Fruchtschalen ineinander verzahnte Tonfolgen hervorbrachten zu denen sie gelegentlich jodelartig gesungene Tone addierten Eine Aufnahme Traceys von 1963 gibt einen Tanz von acht Jungen mit Eintonfloten und Rasseln wieder den sie ublicherweise am Ende der Erntezeit nachts fern von den Erwachsenen auffuhrten 9 Auf ahnliche Art erreichen Ensembles mit Einton Instrumenten Tonfolgen uber mehrere Oktaven im sudanesisch athiopischen Grenzgebiet Die dortigen Berta spielen an Festtagen ein Orchester aus zwolf waza genannten Eintontrompeten die aus mehreren Kalebassen zusammengesetzt sind In einem anderen Orchester spielen die Berta 16 Bambuslangsfloten bulhu An dessen Stelle tritt bei den benachbarten Gumuz ein Ensemble aus zehn holzernen Langsfloten kome die von einer grossen zweifelligen Fasstrommel begleitet werden Bei den Ingessana verwendet die Musikgruppe funf bis sieben unterschiedlich lange Bambusfloten bal 10 Die Maji im Sudwesten Athiopiens verwenden Einton Bambusfloten gelegentlich zusammen mit Panfloten und ahmen Blasinstrumente nach indem sie ihre Hande vor dem Mund entsprechend formen In Verbindung mit einem jodelahnlichen Gesang entsteht eine mehrstimmige Musik mit einem starken Bezug zur Polyphonie der zentralafrikanischen Pygmaen Den sudanesisch athiopischen Einton Blasinstrumentenensembles entspricht das aus 13 Holztrompeten mbaya bestehende Orchester der Dakpa einer Untergruppe der Banda in der zentralafrikanischen Prafektur Ouaka Die zwischen 26 und 170 Zentimeter langen Eintontrompeten werden langs und teilweise quer angeblasen Die Trompeten werden nach rituellen Vorgaben hergestellt und stehen kulturell mit Ahnenverehrung und Initiationsriten in Verbindung Die Mbre eine andere Untergruppe der Banda kennen ein Ensemble aus sechs Eintonfloten Kerbfloten ngala und einem eisernen Schellenpaar Fruher verkundete dieses Flotenensemble den Verlauf von Kriegszugen 11 Zu den allgemeinen Charakteristika mehrstimmiger afrikanischer Ensembles mit Blasinstrumenten und Gesangsstimmen gehoren Sie sind entweder nur mit Floten oder nur mit Trompeten besetzt selten werden unterschiedliche Blasinstrumentengattungen zusammen gespielt und in manchen Fallen erganzen Trommeln oder Idiophone den Rhythmus Die meisten Blasinstrumente bringen nur einen einzelnen Ton hervor Der Tonumfang des gesamten Orchesters betragt mindestens eine Oktave und kann bis uber drei Oktaven umfassen bei einer ublicherweise pentatonischen oder heptatonischen Tonfolge Die Blasinstrumente der oberen Oktaven folgen der vorgegebenen Melodielinie und bilden keine eigenstandige Melodie Diese Ensembles unterscheiden sich nicht nur musikalisch sondern auch in ihrer sozialen Stellung von den zeremoniellen Hoforchestern mit Trompeten und Querhornern weil sie nicht wie jene an den Herrscherhausern auftreten Die Hoforchester mit Langtrompeten etwa der kakaki ubernehmen reprasentative Aufgaben fur den Herrscher und haben sich im islamischen Kulturkreis sudlich der Sahara verbreitet Daneben existierten zwischen West und Ostafrika ahnliche afrikanische Reprasentationsorchester mit Elfenbeintrompeten Im Palast des christlichen Kabaka von Buganda im heutigen Uganda trat unter anderem das Floten Ensemble abalere ba Kabaka mit sechs Floten endere unterschiedlicher Grosse und vier Trommeln auf dessen Zusammensetzung vermutlich eine Ubernahme der muslimischen Hoforchester darstellte 12 Die Floten Gesangsgruppen sind dagegen eher in hierarchisch wenig gegliederten Gesellschaften anzutreffen ihre Mitglieder gehoren nicht zwangslaufig zu einer Klasse von Berufsmusikern und sie dienen meist der Unterhaltung In Gebieten mit christlicher oder islamischer Missionierung wurden sie an den Rand gedrangt oder sind verschwunden falls sie nicht wie bei den Pygmaen eine neuerliche Wertschatzung als zu erhaltendes Kulturerbe erfahren 13 Bauform und Spielweise BearbeitenDie hindewhu ist eine randgeblasene gedackte Langsflote Sie besteht aus einer sieben bis acht Zentimeter langen Rohre die aus einem Blattstiel eines Papaya Baumes angefertigt wird 14 Das untere Ende der Rohre ist durch den naturlichen Knoten des Stangels geschlossen Der Spieler umfasst die Flote mit einer Hand und blast uber die als Anblasoffnung dienende rechtwinklig abgeschnittene obere Kante Hierzu halt er die Unterlippe in der Nahe der oberen Kante an die Rohre und blast in einem schragen Winkel daruber hinweg Auch wenn dies nur einen unveranderlichen Ton ergibt wurde laut Simha Arom 1966 die hindewhu nie als Signalpfeife sondern stets nur als Musikinstrument verwendet Das Wort hindewhu hat eine onomatopoetische Herkunft es bezeichnet eigentlich nicht die Flote sondern ahmt das Klangbild nach das aus der Abfolge von Flotenton und gesungener Note entsteht 15 nbsp Eine Baka Frau mit ihren Kindern im Kongo Jedes Mitglied der Gemeinschaft macht Musik und gibt diese Tradition weiter Die Flote gehort zu den kurzlebigen Musikinstrumenten der Ba Benzele die bei Bedarf mit einem Messer frisch geschnitten und nach Gebrauch weggeworfen werden Ahnlich verwenden sie auf Wanderungen einen gefallten und am Boden liegenden Baumstamm gegen den sie mit Stocken schlagen als einfache Form einer Schlitztrommel Die hindewhu kann solo oder in einer Gruppe mit und ohne begleitenden Chor gespielt werden Ein einzelner Ba Benzele blast die hindewhu zur Verstandigung wenn er sich als Jager im Wald einem anderen Jager oder seinem Clan im Lager mitteilen will Hierfur stehen abgesprochene Tonfolgen zur Verfugung durch die etwa der Jager mitteilt dass er mit seinem Pfeil ein besonders grosses Tier erlegt hat 16 Wenn der Jager erfolgreich von der Jagd zuruckgekehrt ist erzahlt er die Flote blasend die Neuigkeiten den im Lager zuruckgebliebenen Frauen und alten Mannern Die Frauen antworten darauf mit Flote und Gesang Bei der Musizierweise mit Flote und Gesang erzeugt die Flote einen oberen Bordunton an den sich die gesungene Melodie annahert Ublich sind im schnellen Wechsel die Intervalle Oktave Sexte Quinte und Quarte Die sich zur Form eines Hoquetus uberlagernden gesungenen und durch Jodel hervorgebrachten Tone bilden bei mehreren Floten und einem gemischten Chor unabhangige Melodielinien die sich zu einem polyphonen Gesamtklang fugen Alle Sanger und Flotenspieler tragen ihre Melodielinien mit eigenen Anfangs und Endpunkten vor Polyphoner Gesang mit Jodel kommt ausser bei Pygmaen und San gelegentlich auch in einigen anderen Gebieten in Afrika vor beispielsweise bei Dreschliedern die Hugh Tracey in den 1930er Jahren bei den Shona in Simbabwe aufnahm Gerhard Kubik erwahnt eigene Tonaufnahmen die er 1962 bei den Wagogo in Zentraltansania machte Bei ihrer Musik die sich deutlich von derjenigen der umgebenden Ethnien unterscheidet entsteht ein melodischer Zusammenklang aus der Kombination des Lamellophons ilimba mit der Spiessgeige izeze ahnlich der goge jedoch meistens mit zwei bis vier Saiten durch ein sogenanntes Uberspringverfahren Hierbei lasst die zweite Stimme einen Ton aus und produziert jeweils den ubernachsten Ton der ersten Stimme wodurch sich eine Abfolge von Quarten und Quinten ergibt 17 Bei bestimmten Liedern der Baka Pygmaen werden vier funktionell unterschiedliche Melodiestimmen identifiziert motangole enthalt einen Text ngue wa lembo bedeutet die Mutter des Liedes osese ist eine Stimme unterhalb und diyei bedeutet Jodel 18 Dieselbe Flote ist auch von den Bayaka Pygmaen Babinga in der Prafektur Lobaye bekannt 1962 nahm Charles Duvelle dort im Wald nahe Mongoumba an der Grenze zum Kongo zwei junge Manner mit als mombeke bezeichneten Eintonfloten aus Papaya Stangeln auf die mit Jodelgesang und in Begleitung eines dritten Musikers der eine Bambus Nasenflote spielte ein Lied uber eine erfolgreiche Elefantenjagd vortrugen 19 Interkulturelle Beziehungen BearbeitenIm Zuge der Kulturkreislehre wurde ab Anfang des 20 Jahrhunderts uber eine Verwandtschaft zwischen zentralafrikanischen Pygmaen und den im sudlichen Afrika lebenden San Buschmanner diskutiert Seither werden auf unterschiedlichen Kriterien beruhende Theorien geaussert wonach beide Volksgruppen eigenen Kulturarealen zuzurechnen oder kulturell eng verwandt seien Musikethnologen haben die musikalischen Ausdrucksformen zu einem stabilen Kulturelement erklart anhand dessen sich interethnische Beziehungen herausfinden lassen Um die Mitte des 20 Jahrhunderts wurde Afrika von einigen Forschern allen voran Alan P Merriam African Music Continuity and Change in African Cultures 1959 in verschiedene musikalische Zonen aufgeteilt Alan Lomax 1962 verknupfte Sozialstrukturen mit Gesangsformen in seiner Cantometrics genannten Vergleichsstudie der weltweiten Vokalstile und sortierte danach Pygmaen und San in dasselbe Musikareal 20 Der Abgleich von Einzeluntersuchungen ergab dass die fur beide Volksgruppen eine bedeutende Rolle im Alltag spielende Musik bei den Pygmaen insgesamt variationsreicher ist Ein mehrstimmiger Gesang mit kurzen Phrasen und bedeutungslosen Silben ein gleichformiger Fluss allmahlich variierender Tonfolgen Ansatze zur harmonischen Melodiebildung und komplexe Rhythmusmuster sind bei beiden vorhanden Ebenso setzen Pygmaen und San Falsett Jodeln und Formen von Hoquetus ein Ein wesentliches Merkmal des polyphonen Gesangs beider Volksgruppen ist dass die Stimmen aller Teilnehmer gleichberechtigt egalitar sind im Unterschied zum Wechsel zwischen Vorsanger und Chor mit naheliegendem Analogieschluss auf die Gesellschaftssysteme die gelegentlich romantisierend beschrieben wurden 21 Beide besitzen oder besassen gedackte Eintonfloten jedoch keine Panfloten und wenn dann als Ubernahme sesshafter Nachbarvolker 22 Einen kulturellen Austausch durch tatsachliche Begegnungen uber die grosse geographische Distanz scheint es dennoch nie gegeben zu haben Ungeachtet der gemeinsamen musikalischen Ausdrucksformen entwickelte sich nach Gerhard Kubik die Mehrstimmigkeit bei den Pygmaen und den San auf einer ganzlich unterschiedlichen Ausgangsbasis Die Pygmaen waren vermutlich von Gesangstechniken wie dem Jodeln angeregt wahrend die San musiktheoretische Erkenntnisse mit dem Musikbogen sammelten Durch Teilung der Saite mit einer Stimmschlinge erhielten sie zunachst zwei Grundtone und daruber durch gezielte Verstarkung von Teiltonen mit dem Mundraum eine naturliche Reihe von Partialtonen 17 Victor Grauer 2006 der in den 1960er Jahren am Cantometrics Projekt von Alan Lomax mitwirkte halt aufgrund von genetischen Untersuchungen Pygmaen und San fur die wahrscheinlich ursprungliche Bevolkerung Afrikas und leitet aus dieser gemeinsamen Wurzel grundsatzliche kulturelle Gemeinsamkeiten ab Der musikalische Pygmaen Buschmanner Stil konnte sich demnach unter der afrikanischen Urbevolkerung um 77 000 bis 102 000 Jahren v u Z entwickelt haben Durch spater eindringende Bantuvolker wurden laut Grauer viele Pygmaen und San getotet andere assimiliert und die Verbleibenden hatten sich in entlegene Gebiete zuruckgezogen wo sie den Kern ihrer kulturellen Identitat bewahrten 23 Grauer findet als Vertreter der Out of Africa Theorie ausserhalb Afrikas Beispiele fur rein vokale und rein instrumentale Hoquetus artige Formen von denen einige besonders starke Ahnlichkeit mit dem Floten Gesangsstil der Ba Benzele zeigen Hierzu gehort ein Ensemble von vier Panflotenspielerinnen in Russland an der ukrainischen Grenze nahe der Stadt Brjansk das Olga Velitchkina dort 1996 aufzeichnete Der Stil dieser nur von Frauen gespielten archaischen Panflote kugikly mit funf Pfeifen unterscheidet sich deutlich von jeder anderen europaischen Volksmusiktradition und Velitchkina vergleicht ihn mit der Musik der Ba Benzele 24 Ein Hoquetus artiges Panflotenspiel ist auch von der zu den Salomonen gehorenden Pazifikinsel Malaita bekannt Das auf Malaita lebende Volk der Are are pflegt daruber hinaus ein Gesangsduet dessen Melodieformen ahnlich ineinander verzahnt sind englisch interlocking Der hindewhu Stil mit einzelnen Floten wird vor allem mit einem Stil der Musik Neuguineas verglichen Die Huli im sudlichen Bergland von Papua Neuguinea verfugen wie die afrikanischen Pygmaen uber eine tonale Sprache die in eine Wechselbeziehung zu Melodieinstrumenten treten kann Wie bei den Ba Benzele singt ein Huli und blast abwechselnd eine Rohrflote Ausserdem praktizieren die Huli ein kollektives Jodeln 25 Andere Forscher haben Grauers These dass sich alle Hoquetus artigen instrumentalen und vokalen Formen in Afrika monogenetisch aus dem Floten Gesangs Ensemble der Pygmaen entwickelt hatten widersprochen Peter Cooke verweist auf die zahlreichen Ensembles mit Trommeln in ganz Afrika die polyrhythmische und melodische Muster produzieren etwa den Kreis aus 12 bis 15 prazise gestimmten holzernen Trommeln entenga die am Hof des Herrschers von Buganda gespielt wurden und unmoglich auf eine vokale Tradition zuruckzufuhren seien 26 Einflusse auf die westliche Musik BearbeitenDer polyphone Gesang der zentralafrikanischen Pygmaen und im Besonderen der hindewhu Stil dienen seit den 1970er Jahren als Inspirationsquelle im Jazz in der Popmusik und in der Minimal Music 1973 veroffentlichte Herbie Hancock das Stuck Watermelon Man auf seinem Album Head Hunters im Fusionstil Darin ahmt der Perkussionist Bill Summers zur Eroffnung auf einer Bierflasche den Ton einer hindewhu nach und erganzt diesen nach dem Vorbild der Ba Benzele mit einer Jodelstimme Summers folgte offensichtlich dem ersten Stuck auf der von Simha Arom und Taurelle Genevieve 1966 aufgenommenen LP mit Ba Benzele Musik Von dieser Aufnahme des Watermelon Man abgeleitet ist das mit Hall verfremdete Sample das Madonna auf dem Album Bedtime Stories von 1994 dem Stuck Sanctuary unterlegte 27 Beeinflusst vom Jodelgesang der Pygmaen ist die Komposition The Peacocks des Jazzpianisten Jimmy Rowles von 1974 die zu einem Jazzstandard wurde Auf die Intervalle der drei Tone des Eroffnungsmotivs Quinte kleine Terz und Septime folgt eine in Sprungen abfallende pentatonische Tonreihe die den echoartig wiederholten Jodeltonen aus Zentralafrika nahekommt Auf seinem Album Sol Do Meio Dia bringt der Gitarrist und Komponist Egberto Gismonti 1977 die Klange eben jener von Arom und Taurelle aufgenommenen hindewhu Musik mit sich echoartig uberlagernden Floten von Xingu Indianern im brasilianischen Regenwald zusammen um nach seinen Worten auf dem Plattencover den Klang des Urwalds musikalisch zu vermitteln Ein Stuck mit dem Titel Ba Benzele ist auf der LP Fourth World Vol 1 Possible Musics 1979 von Jon Hassell und Brian Eno enthalten Der Komponist Hassell bringt in diesem Stuck dasselbe Ausgangsmaterial der Ba Benzele mit den Sounds von Synthesizern zu einer elektronisch klingenden Weltmusik zusammen 28 Im Unterschied zu den bisher genannten Ubernahmen betrachtete die Gruppe Zap Mama die hindewhu Klange nicht lediglich als Rohmaterial zur Verwendung in eigenen Musikstucken sondern als musikalische Werke Auf ihrer CD Adventures in Afropea 1993 adaptierten sie ein mehrstimmiges Lied mit Gesang und Floten der Arom Taurelle LP von 1966 fur einen achtstimmigen Chor Die im Kongo geborene Sangerin Marie Daulne Leiterin von Zap Mama studierte in Antwerpen Musik und erlernte spater an ihrem Geburtsort von Pygmaen deren Gesangstechnik Das Lied Babanzele dieser CD ist eine sorgfaltige Anverwandlung der mehrschichtigen Gesangsstimmen Flotentone und dem unterlegten Handeklatschen Ein biographischer Hintergrund ermoglichte auch dem in Kamerun geborenen Musiker und Schriftsteller Francis Bebey ein genaueres Verstandnis der hindewhu Musik die er in einem 1969 zunachst auf Franzosisch erschienenen Werk uber afrikanische Musik zum Ausdruck brachte englische Ausgabe 1975 African Music A Peoples Art Ab den 1980er Jahren setzte er neben Lamellophonen auch aus Bambus gefertigte Nachbildungen der hindewhu in seiner Musik ein Die Lamellophone gehorchen teilweise ahnlichen Kompositionsprinzipien wie die Floten manchmal tragen sie auch schlicht zum exotischen Klangbild eines Popsongs mit E Bass und Perkussion bei 29 Patrick Bebey 1964 der Sohn Francis Bebeys spielt Klavier Lamellophon und hindewhu 30 Mit der Komposition Timba fur Streichquartett und hindewhu war er 2010 auf Konzerttournee in Deutschland 31 Timba wurde mit drei weiteren Kompositionen von Patrick Bebey vom GermanPops Orchestra unter dem Dirigenten Bernd Ruf eingespielt und ist auf der CD African Symphony I Teme 2010 enthalten Der ungarische Komponist Gyorgy Ligeti ein Vertreter der Minimal Music ist seit den 1980er Jahren als er bei seiner Beschaftigung mit der afrikanischen Musik zuerst die Langtrompeten Ensembles der zentralafrikanischen Banda Linda und spater der Baka Pygmaen kennenlernte vor allem fur eine Musik der sich langsam entwickelnden komplexen rhythmischen Strukturen bekannt 32 Ligeti verfasste das Vorwort zu Simha Aroms Hauptwerk African Polyphony and Polyrhythm Musical Structure and Methodology 1991 und war daruber hinaus an afrikanischer Xylophonmusik interessiert 33 Diskografie BearbeitenThe Music of the Ba Benzele Pygmies Feldaufnahmen von Simha Arom und Genevieve Taurelle Barenreiter Musicaphon BM 30 L 2303 Erschienen 1966 erste Aufnahme mit hindewhu Musik der Ba Benzele Literatur BearbeitenSteven Feld Pygmy POP A Genealogy of Schizophonic Mimesis In Yearbook for Traditional Music Vol 28 1996 S 1 35 Charlotte J Frisbie Anthropological and Ethnomusicological Implications of a Comparative Analysis of Bushmen and African Pygmy Music In Ethnology Vol 10 No 3 Juli 1971 S 265 290 Jos Gansemans Barbara Schmidt Wrenger Musikgeschichte in Bildern Zentralafrika Band 1 Musikethnologie Lieferung 9 Deutscher Verlag fur Musik Leipzig 1986 Victor A Grauer Echoes of our Forgotten Ancestors In The World of Music Vol 48 No 2 Echoes of Our Forgotten Ancestors 2006 S 5 58Weblinks BearbeitenAka Peoples Music Indigenous Africa Hindewhu Flute voice Youtube Video Mbuti Peoples Music Indigenous Africa Hindewhu Youtube VideoEinzelnachweise Bearbeiten Polyphonic singing of the Aka Pygmies of Central Africa UNESCO Jos Gansemans Barbara Schmidt Wrenger 1986 S 180 Paul Schebesta 78 Pygmy Music and Ceremonial In Man Vol 57 April 1957 S 62 f Charlotte J Frisbie 1971 S 279 Victor A Grauer 2006 S 21 Jos Gansemans Barbara Schmidt Wrenger 1986 S 174 Jos Gansemans Barbara Schmidt Wrenger 1986 S 152 154 Percival R Kirby The Reed Flute Ensembles of South Africa A Study in South African Native Music In The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland Vol 63 Juli Dezember 1933 S 313 388 hier S 317 384 Southern Mozambique Portuguese East Africa 1943 49 54 55 57 63 Chopi Gitonga Ronga Tswa Tsonga Sena Nyungwe Ndau Aufnahmen von Hugh Tracey SWP Records International Library of African Music 2003 SWP 021 Titel 1 2 25 Sudan I Music of the Blue Nile Province The Gumuz Tribe Produziert von Robert Gottlieb CD der UNESCO Collection Barenreiter Musicaphon BM 30 SL 2312 1986 Jos Gansemans Barbara Schmidt Wrenger 1986 S 172 Peter Cooke East Africa An Introduction In Ruth M Stone Hrsg Garland Encyclopedia of World Music Volume 1 Africa Routledge New York 1997 S 601 Roger Blench Reconstructing African music history methods and results 2004 S 6 11 Hindewhu In Stanley Sadie Hrsg The New Grove Dictionary of Musical Instruments Macmillan Press London 1984 Bd 2 S 222 Simha Arom Genevieve Taurelle Begleittext zur LP The Music of the Ba Benzele Pygmies 1966 nach Steven Feld 1996 S 5 Jos Gansemans Barbara Schmidt Wrenger 1986 S 176 178 a b Gerhard Kubik Mehrstimmigkeit B Mehrstimmigkeit im subsaharanischen Afrika III Die Interdependenz afrikanischer Mehrstimmigkeitsformen und Tonsysteme In Ludwig Finscher Hrsg Die Musik in Geschichte und Gegenwart Zweite Ausgabe Sachteil Band 5 Kassel Meiningen Barenreiter Metzler Kassel u a 1996 ISBN 3 7618 1106 3 Sp 1775 1779 Online Ausgabe fur Vollzugriff Abonnement erforderlich Peter R Cooke Polyphony II 4 Africa In Stanley Sadie Hrsg The New Grove Dictionary of Music and Musicians Vol 20 Macmillan Publishers London 2001 S 81 f Erstveroffentlicht 1962 von Charles Duvelle als LP bei Ocora Radio France wiederveroffentlicht als CD Centralafrique Pygmees Babinga Bagandou Bofi Isongo Prophet 08 1999 Titel 2 Charlotte J Frisbie 1971 S 267 Peter Cooke Michelle Kisliuk Pygmy Music In Stanley Sadie Hrsg The New Grove Dictionary of Music and Musicians Vol 20 Macmillan Publishers London 2001 S 638 Charlotte J Frisbie 1971 S 283 f Victor A Grauer 2006 S 9 Olga Velitchkina The role of movement in Russian panpipe playing EOL Ethnomusicology OnLine 1996 Kapitel Introduction dort Horprobe Video 1 Victor A Grauer 2006 S 19 21 Peter Cooke Response to Echoes of Our Forgotten Anchestors In The World of Music Vol 48 No 2 Echoes of Our Forgotten Ancestors 2006 S 97 Steven Feld 1996 S 4 f Steven Feld 1996 S 8 f 17 f Steven Feld 1996 S 20 22 Patrick Bebey Memento vom 1 August 2014 im Internet Archive womad org White Man Sleeps Afrikanische Werke fur Streichquartett Memento vom 5 Marz 2016 im Internet Archive Frankfurter Allgemeine Feuilleton 2010 Steven Andrew Taylor Ligeti Africa and Polyrhythm In The World of Music 45 2 2003 S 83 94 hier S 83 Kofi Agawu The Challenge of African Art Music In Musiques Contemporaines Vol 21 N 2 2011 S 49 64 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