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Die Ahnenverehrung ist nicht bei allen aber bei den meisten Volkern Afrikas sudlich der Sahara ein wichtiger Bestandteil traditioneller Kultur bzw Religiositat Sie umfasst ein spirituelles Verhaltnis zu den verstorbenen Ahnen die nach traditionellen Vorstellungen auf diese Weise weiterhin am diesseitigen Leben teilhaben konnen Islamische Geistlichkeit im nordlichen Afrika ebenso wie westliche Missionare in Subsahara Afrika bekampften fur lange Zeit und teilweise bis heute das Verhaltnis von Afrikanern zu ihren Ahnen Die Ahnenverehrung vollzieht sich darum bis heute weitgehend im Verborgenen und ist selten Gegenstand eines offenen Gesprachs zumal mit westlichen Gesprachspartnern Beobachtungen und Feldstudien auslandischer wie auch einheimischer Forscher zeichnen aber gegenwartig ein in vielen Dingen ubereinstimmendes Bild das im Folgenden zusammengefasst wiedergegeben werden soll Inhaltsverzeichnis 1 Definitionen und Abgrenzung 2 Glaubensinhalte 2 1 Lebendige Ahnen 2 2 Bedeutung fur die Gemeinschaft 2 3 Ahnen als Vorbilder 2 4 Ahnen als Mittler 2 5 Erscheinungen der Ahnen 2 6 Kriterien fur den Ahnenstatus 2 7 Stufen 2 8 Kategorisierung 2 9 Formen der Ahnenverehrung 2 10 Unterschiede unter den subsaharischen Volkern 3 Konflikte mit Weltreligionen 3 1 Ahnenverehrung und Islam 3 2 Ahnenverehrung und Christentum 3 2 1 Verbindung zu vorchristlichen Ahnen 3 2 2 Die Ahnen in der christlichen Theologie 3 2 3 Die Ahnen als Thema in okumenischen Beziehungen 4 Ahnenkult auf Madagaskar 5 Siehe auch 6 Literatur 7 EinzelnachweiseDefinitionen und Abgrenzung Bearbeiten Hauptartikel Ahnenkult und Afrikanische Religionen Als Ahnenkult werden weltweit sehr viele unterschiedliche Praktiken ethnischer Religionen bezeichnet denen bestimmte Wesenselemente gemeinsam sind Dazu gehoren beispielsweise ein Glauben an Geistwesen oder ein Animismus der Respekt vor der familiaren Linie und eine starke Gruppenkohasion sowie der Ritus einer Opferhandlung Wahrend der Totenkult sich starker auf all jene Verstorbenen bezieht welche den Praktizierenden noch personlich bekannt sein konnen fokussiert sich der Ahnenkult auf meist wenige aber prominente Vorvater die zum Teil Generationen zuvor lebten Auf der Suche nach einer korrekten Bezeichnung ihrer Traditionen sprechen Afrikaner selbst heute gerne von Gemeinschaft mit den Ahnen community with the ancestors Der fruher gebrauchliche Begriff Ahnenkult ancestor worship bzw ancestor cult wird heute 2009 uberwiegend als unzutreffend abgelehnt da er fur afrikanisches Empfinden eine tendenziose die Ahnenbeziehung ablehnende Sichtweise westlicher Betrachter wiedergibt Stattdessen wird vorgeschlagen von Ahnenverehrung ancestor veneration zu sprechen Der Begriff Ahn ist ein Ehrentitel Ahnen sind dabei nicht einfach alle Vorfahren sondern nur solche die sich um die Gemeinschaft verdient gemacht haben Die Ahnen bzw ihre Verehrung haben sowohl eine soziale die Gemeinschaft stabilisierende als auch eine religiose Funktion Mittler zwischen Gottheit en und den Menschen Glaubensinhalte BearbeitenLebendige Ahnen Bearbeiten Das Verhaltnis der Afrikaner zu ihren Ahnen ist mehr als blosse Erinnerung und ihre Verehrung mehr als blosser Totenkult denn es geht nach afrikanischem Verstandnis um eine lebendige Beziehung mit einer Kommunikation in beide Richtungen Das Verhaltnis zu den Ahnen beruht auf der Uberzeugung dass die Ahnen nach ihrem Hinscheiden aus diesem Leben nicht vollig tot sind sondern in unsichtbarer Weise weiterexistieren mit ihren Nachfahren Verbindung halten und ihr Leben beeinflussen konnen Der christliche Religionsphilosoph John S Mbiti pragte fur die unlangst Verstorbenen den Begriff der living dead Lebend Toten Die eines naturlichen Todes gestorbenen und ordnungsgemass bestatteten Lebend Toten bei Mbiti konnen sich sowohl gegenuber den Menschen mitteilen als auch die Sprache der jenseitigen Geistwesen und Gottes verstehen 1 Mbiti zufolge stellen die Verstorbenen mit den Lebenden und den noch Ungeborenen eine der drei Zustandsebenen des Menschen dar Die mit der Initiation erwachsen gewordenen Menschen sind verpflichtet zu heiraten und fur Nachwuchs zu sorgen weil nur so die Lebenden als Bindeglied zwischen dem Tod und dem Leben fungieren und damit das Weiterbestehen der Gemeinschaft sichern konnen Bedeutung fur die Gemeinschaft Bearbeiten Verwurzelt zu sein sein Woher zu kennen in einer bestimmten Tradition zu stehen ist fur Afrikaner von grundlegender Bedeutung Die Ahnen verkorpern die eigene Herkunft und Identitat Grundlegend fur das afrikanische Lebensgefuhl ist u a die grosse Bedeutung der Gemeinschaft Mtu ni watu dieses Sprichwort aus dem Swahili ubersetzt Mbiti frei mit I am because we are Ich bin weil wir sind Traditionell definiert der Afrikaner seine Identitat und Personlichkeit nicht aus seinen individuellen Leistungen sondern aus seiner Stellung in der Gemeinschaft im Stamm in der Sippe bzw in der Grossfamilie Diese Gemeinschaft besteht jedoch nicht nur aus den Lebenden sondern aus den Lebenden ihren Ahnen und den Noch nicht Geborenen Die Verehrung der Ahnen bzw des Urahns durch die Nachkommen hat dabei gemeinschaftsstiftende und starkende Kraft Ahnen sind der gemeinsame Bezugspunkt und sie verkorpern in ihrer Vorbildfunktion die gemeinsamen Werte die die Gemeinschaft zusammenhalten Ahnen als Vorbilder Bearbeiten Ahnen erfullen nicht zuletzt eine wichtige Vorbildfunktion die Rolle moralischer Vorbilder worin sie den christlichen Heiligen nahekommen Mit dem Beispiel ihres Lebens setzen sie den Rahmen fur Falsch und Richtig in der Gemeinschaft in der sie verehrt werden Man kann auch umgekehrt davon sprechen dass eine Gemeinschaft mit der Verehrung eines Ahns die Werte und Massstabe deutlich macht die in ihr gelten sollen Darin kommt ein stark traditionsorientiertes Denken in afrikanischen Gemeinschaften zum Ausdruck Ahnen als Mittler Bearbeiten Kennzeichnend fur traditionelle afrikanische Gesellschaften ist die Mittlerschaft In vielen wichtigen Angelegenheiten des Lebens spricht man nicht fur sich selbst sondern durch einen Mittler oder Sprecher etwa bei den Verhandlungen zwischen den Familien die einer Heirat vorausgehen Erst recht wenn man sich an eine hohergestellte Personlichkeit wie an einen Hauptling oder Konig wendet gilt es gar als unschicklich diesen direkt anzusprechen man tut dies durch eine Mittelsperson selbst wenn man sich in Seh und Horweite des Adressaten befindet Bei der Frage ob die hochste Gottheit the Supreme Being in der afrikanischen Religion fur den gewohnlichen Glaubigen zuganglich sei ergibt sich kein einheitliches Bild Weit verbreitet ist jedoch die Vorstellung dass auch diese Gottheit nur uber Mittler angegangen werden solle Ahnen werden als diejenigen angesehen die nach ihrem Tod einen Status erreicht haben in dem sie dem Gottlichen naher als die noch Lebenden sind und in beide Richtungen vermitteln konnen Auch darin sind sie den Heiligen etwa im katholischen Verstandnis ahnlich Die Anliegen der Glaubigen werden uber die Ahnen der Gottheit ubermittelt wobei auch unter den Lebenden dies nicht irgendjemandem obliegt sondern den jeweiligen Oberhauptern stellvertretend fur ihre Gemeinschaft dem Konig oder Hauptling fur das Volk dem Altesten fur die Sippe oder die Grossfamilie Umgekehrt bilden die Ahnen gewissermassen den Kanal fur die gottliche Lebenskraft Life force Force vitale die die Glaubigen erreichen soll und fur diese absolut lebenswichtig ist in einer Welt in der sie sich von Geistern Hexen und anderen spirituellen Kraften bedroht sehen die die letzte Ursache auch fur Krankheiten Hunger Unwetter usw bilden Ein gutes Verhaltnis zu den Ahnen ist daher lebensnotwendig und wird nicht zufallig immer wieder als das Herzstuck traditioneller Religiositat angesehen Erscheinungen der Ahnen Bearbeiten Ahnen haben nach traditioneller Auffassung eine grosse Bandbreite von Moglichkeiten mit den Lebenden Verbindung aufzunehmen und ihnen ihren Willen bekannt zu machen Dazu gehoren supranaturale Erscheinungen ebenso wie die Interpretation naturlicher Ereignisse Afrikaner berichten von Erscheinungen in denen ein Ahn zu ihnen gesprochen und sie z B zurechtgewiesen oder ihnen einen bestimmten Auftrag erteilt habe etwa sein Grab besser zu pflegen Daneben werden Erscheinungen von Schlangen haufig als Begegnung mit einem Ahn gedeutet auch Kalamitaten die Afrikaner im Leben treffen konnen wie Krankheit Trockenheit Unwetter usw werden haufig als Strafe der Ahnen fur eigenes Fehlverhalten gedeutet vor allem wenn sie langer anhalten und nicht durch gewohnliche Gebete zum Verschwinden gebracht werden konnen Diese Deutungen zeigen dass das Wirken der Ahnen ambivalent gesehen wird hilfreich in Krisenzeiten aber auch strafend wo Normen der Gemeinschaft verletzt werden und diese darum in Gefahr gerat Alles in allem wird das Wirken der Ahnen daher uberwiegend positiv gesehen d h gemeinschaftsstiftend und erhaltend Kriterien fur den Ahnenstatus Bearbeiten Nicht jeder Vorfahre ist ein Ahn Ahn ist ein Ehrentitel der nur bestimmten Vorfahren nach bestimmten Kriterien zuerkannt wird vergleichbar mit der christlichen Heiligsprechung Als Kriterien gelten ein vorbildliches Leben Ehe und Nachwuchs ein hohes Alter erreicht zu haben und eines naturlichen Todes gestorben zu sein Ausgeschlossen werden hiermit v a Suizidtote aber auch durch bestimmte Krankheiten Verstorbene deren Krankheit als Strafe fur Fehlverhalten angesehen werden kann z B AIDS Akzeptabel ist hingegen der fruhe Tod im Einsatz fur die Gemeinschaft etwa in einem Verteidigungskrieg eine wichtige Stellung in der Gemeinschaft schon zu Lebzeiten Auf Grund dieser Kriterien kann man davon sprechen dass der Ahnenstatus in gewisser Weise eine Verlangerung der Position bilden kann die der Verstorbene zu Lebzeiten innehatte Dies gilt jedoch nicht wenn das erste Kriterium verletzt wurde Afrikaner weisen in diesem Zusammenhang immer wieder darauf hin dass z B Idi Amin wegen seiner Verbrechen in Uganda heute nicht als Ahn verehrt wird Als Ahnen werden in aller Regel Manner verehrt die ja schon in der Gemeinschaft der Lebenden in aller Regel die dominierende Stellung innehaben wobei von einzelnen Volkern auch die Moglichkeit berichtet wird dass Frauen und sogar Kinder den Ahnenstatus erlangen konnen Stufen Bearbeiten Ahnen die erst relativ kurze Zeit verstorben und noch in personlicher Erinnerung bei den Lebenden sind werden personlich angerufen und haufig im eigenen Garten bestattet um ihnen moglichst nahe zu sein Ihnen wird v a schutzende Vollmacht zugeschrieben daher auch die Bezeichnung Schutzahnen Tutelary Ancestors Ahnen deren Leben so weit zuruckliegt dass die Nachfahren sich ihrer nicht mehr personlich erinnern werden pauschal und anonym angerufen Sie sind den Lebenden schon weiter entruckt und sind dafur der ebenso weit entruckten Gottheit umso naher Ihnen wird daher besonders die Mittlervollmacht zwischen Gott und den Lebenden zugeschrieben weshalb sie auch als Mittler Ahnen Mediator Ancestors bezeichnet werden Nur einzelne besonders herausragende Fuhrungspersonlichkeiten des Gemeinschaftsverbandes werden auch dann wenn sie sich jenseits des personlichen Erinnerungsvermogens befinden individuell und namentlich in Erinnerung gehalten wobei sie in der Erinnerung legendenhafte Zuge annehmen Sie werden zu Urtypen beispielhaften gemeinschaftsdienlichen Verhaltens Dies gilt besonders fur die Figur eines gemeinsamen Urahns eines Grunderahns Founding Ancestor auf den sich gewohnlich jede Gemeinschaft Stamm Grossfamilie bezieht Haufig wird auch ein Gott selbst bzw das Hochste Wesen als der Urahn oder Great Ancestor d h der Ursprung allen Lebens bezeichnet Kategorisierung Bearbeiten Nicht nur aufgrund der Vielfalt der Praktiken quer uber den Kontinent sondern auch aufgrund ihres Bildungsstands aussern sich Afrikaner widerspruchlich wenn es um die Frage geht wovon genau bei Ahnen und deren Verehrung gesprochen wird Wahrend gewohnliche Glaubige Ahnen als eine von ihnen etwa in Visionen erfahrene Realitat schildern sprechen akademische Theologen gelegentlich von den Ahnen auch als einem Symbol Zeichen einer Metapher Nurnberger oder einem Mythos Bediako Formen der Ahnenverehrung Bearbeiten Hieruber sind Aussagen besonders schwierig da wie schon erwahnt sich die Verehrung der Ahnen weitgehend im Verborgenen abspielt Ahnen konnen sich uberall aufhalten sie bevorzugen aber besondere Orte Das konnen Busche kleine Waldstucke Bergspitzen Hohlen oder Friedhofe sein Orte an denen Afrikaner rituellen Kontakt mit ihren Ahnen suchen Ahnenschreine befinden sich ausserhalb des Hauses im Garten meist in der freien Natur Diese Orte konnen sich mussen sich aber nicht in der unmittelbaren Umgebung der Begrabnisstatte des Betreffenden befinden Vor dem Schrein werden die Ahnen namentlich angesprochen nachdem die lebende Person Gaben dargebracht hat hierzu gehort vor allem das Trankopfer Libation Diese sind weniger als Opfergaben zu verstehen denn als Eroffnung einer Kommunikation und als ein Teilen der Guter mit den Ahnen mit denen man sich in lebendiger Verbindung befindet und die zur Gemeinschaft gehoren Einige afrikanische Theologen legen heute Wert darauf dass diese letztlich nicht fur die Ahnen sondern durch sie als Mittler fur das hochste Wesen die Gottheit bestimmt seien In diesem Sinne betonen afrikanische Theologen heute dass Ahnen nicht angebetet sondern verehrt werden venerated not worshipped d h sie werden nicht selbst als gottliche Wesen angesehen denen Anbetung zuteilwerden soll Freilich wird auch eingeraumt dass die Grenze fliessend ist und in einzelnen Fallen auch uberschritten wird Riten fur die Ahnen konnen allein oder gemeinschaftlich unter Verwendung eines Priesters vollzogen werden In Gabun verwenden Anhanger des Bwiti Kults Teile der Pflanze Tabernanthe iboga um in einem traumartigen Rauschzustand mit den Ahnen Kontakt aufzunehmen Unterschiede unter den subsaharischen Volkern Bearbeiten Auch wenn es keine Studie zur Gesamtheit der Volker Afrikas sudlich der Sahara gibt eine solche ware viel zu umfangreich so zeigen Feldstudien zu einzelnen Volkern dass nicht alle sudlich der Sahara die Tradition der Ahnenverehrung bzw kommunikation kennen Unterschiede konnen selbst innerhalb desselben Stammes ausgemacht werden Das grosste Volk fur das die Ahnen ohne Bedeutung sind stellen wohl die Massai in Ostafrika dar Afrikanische Theologen stimmen jedoch darin uberein dass fur die Mehrheit der Volker sudlich der Sahara die Ahnen von grosser Bedeutung sind Unter diesen kann man entsprechend der Zahl der Berichte und des Umfangs der theologischen Auseinandersetzung mit dieser Tradition zwei Schwerpunkte ausmachen Ghana und die dort beheimatete Akan Kultur und Ostafrika Im sudlichen Afrika gibt es den Nyau Kult der Chewa Konflikte mit Weltreligionen BearbeitenAhnenverehrung und Islam Bearbeiten Im Anfangsstadium der Islamisierung kann es ubergangsweise noch Opfer an die Ahnen geben dagegen ist in vollstandig islamisierten Gesellschaften der Ahnenkult von Kollektivritualen der neuen Religion abgelost worden Opfergaben werden nun nach islamischem Verstandnis als freiwillige Spenden Sadaqa uminterpretiert und aus dem Zusammenhang mit der Ahnenverehrung herausgelost Der Ahnenkult ubt einen zu dominierenden Einfluss auf das Alltagsleben aus als dass er sich mit der umfassenden Rolle des Islam vertragen konnte An die Stelle der Ahnenverehrung treten nun Heiligenkulte die zuvor in Subsahara Afrika nicht gebrauchlich waren 2 Vgl Islam in Afrika Ahnenverehrung und Christentum Bearbeiten Westliche Missionare haben zunachst die Ahnenverehrung in Afrika entschieden bekampft da sie hierin das Herzstuck traditioneller Frommigkeit erkannten die durch das Christentum ersetzt werden sollte Die Ahnen wurden hierbei als Rivalen Christi gesehen des einzigen Mittlers zu Gott Auch auf die in manchen Fallen bedrohlichen Erscheinungen der Ahnen wurde immer wieder verwiesen Etwa seit der Zeit der Erlangung der Unabhangigkeit durch die meisten Staaten Afrikas um 1960 findet aber auch in der afrikanischen Christenheit eine Neubesinnung auf afrikanische Werte statt In diesem Zuge bemuht man sich auch die Ahnen in einem neuen Licht zu sehen und in ein christliches Weltbild zu integrieren Es ist wahrscheinlich dass die Sicht der Ahnen dabei auch Veranderungen erfahrt und die ursprunglich vorchristliche Ahnenverehrung in gewisser Weise christlich vereinnahmt wird Dies ist schon deshalb fast unausweichlich da die Gemeinschaft mit den Ahnen traditionell an eine Blutsverwandtschaft gebunden ist christliche Gemeinschaft diese jedoch ubersteigt So ist es unter afrikanischen Christen heute durchaus moglich von Ahnen im spirituellen Sinne zu sprechen etwa wenn der ghanaische Philosoph Joseph Boakye Danquah einer der Vater der ghanaischen Unabhangigkeit den deutschen Missionar Johann Gottlieb Christaller als seinen Ahn bezeichnet Die Bemuhungen um eine Integration der Ahnenverehrung in ein christliches Weltbild sind freilich auch in Afrika umstritten und werden in evangelikalen Kreisen als Synkretismus abgelehnt Gegner wie Befurworter der Ahnenverehrung stellen heute ubereinstimmend fest dass die Ahnenverehrung nicht nur uberlebt hat trotz gegenteiliger Bemuhungen westlicher Missionare sondern dass sogar ein Wiedererstarken beobachtet werden kann Vor allem in Krisenzeiten scheinen Menschen wieder vermehrt Halt bei den Ahnen zu suchen Dabei ist die Ahnenverehrung in der Regel dort am starksten wo Menschen in einer gewachsenen landlichen Gemeinschaft verwurzelt sind All dies gilt auch fur Christen Afrikanische Theologen wie Mbiti klagen daruber dass das Christentum lediglich einen Sonntagskult darstelle bei dem man sonntags die Kirche besuche die Woche uber jedoch der Ahnenverehrung und anderen vorchristlichen Praktiken nachgehe Verbindung zu vorchristlichen Ahnen Bearbeiten Wie bereits dargestellt ist fur viele Afrikaner die Verbindung zu den Ahnen lebenswichtig Fur christianisierte Afrikaner ist die Vorstellung dass die eigenen Ahnen in der Holle sind und eine Verbindung zu ihnen nicht moglich ist weil sie keine Christen waren unertraglich Hier kommt die Frage der Gerechtigkeit Gottes ins Spiel wie kann er die Ahnen bestrafen die vor dem Eintreffen der Missionare noch gar keine Moglichkeit hatten das Wort Gottes zu horen Christliche Theologie sucht hier nach einem Ausweg eine solche Gemeinschaft auch mit ungetauften Ahnen zu denken Vielfach wird auf 1 Petrus 4 6 verwiesen nach dem das Evangelium auch den Toten verkundet wird bzw wurde und auf den Abschnitt im 2 Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses der davon spricht dass Jesus ins Reich der Toten hinab gestiegen sei Die Ahnen in der christlichen Theologie Bearbeiten Afrikanische Theologen beklagen heute den westlichen Charakter des Christentums wie er von den Missionaren zu ihnen gebracht wurde und wie er ihrer Meinung nach bis heute einen Fremdkorper in Afrika darstellt Westliche und sogar oft noch antik hellenistische Denkmuster und Sprachregelungen werden als den Afrikanern fremd und unverstandlich kritisiert Das heutige Bemuhen vieler afrikanischer Theologen zielt daher auf eine Inkulturation oder Indigenisierung des Christentums Das bedeutet dass sie nach Anknupfungspunkten in ihren eigenen afrikanischen Traditionen suchen Da die Beziehung zu den Ahnen eine zentrale Stellung im traditionellen Weltbild der Afrikaner einnimmt ist es nicht verwunderlich dass auch in diesem Bereich nach Anknupfungspunkten gesucht wird Diese finden sich vor allem auf dem Gebiet der Christologie wo heute Titel aus der Ahnentradition gesucht werden die die Bedeutung Jesu fur Afrikaner verstandlich ausdrucken sollen Proto Ahn Bruder Ahn aber auch Ahnentitel einheimischer Sprachen wie etwa das in der ghanaischen Akan Kultur gebrauchliche Nana ursprunglich fur den Grossvater gebraucht Umstritten ist dabei ob die Sicht Jesu als besonderer Ahn das Ende aller anderen Ahnenbeziehungen oder verehrung bedeutet oder ob man auch als Christ weiterhin eine ehrende Beziehung zu den gewohnlichen Ahnen unterhalten kann In der Ekklesiologie ist fur afrikanische Christen wichtig dass auch die Ahnen mit den Lebenden in kirchlicher Gemeinschaft verbunden sind Der Abschnitt im 3 Artikel des apostolischen Glaubensbekenntnisses der von der Gemeinschaft der Heiligen spricht bekommt darum besondere Bedeutung Umstritten ist ob hierzu auch Ahnen vor dem Eintreffen der Missionare gehoren die also ungetauft starben aber in ihrem Leben vorbildlich und fur die Gemeinschaft wichtig waren Die Eucharistie wird als die Feier angesehen in der Christus der Ahn und entscheidende Mittler die Lebenskraft Gottes an die Glaubigen weitergibt und diese mit ihnen teilt bzw unter den Mitgliedern der Kirche geteilt wird Die Ahnen als Thema in okumenischen Beziehungen Bearbeiten Das Verhaltnis zu den Ahnen ist heute eines der am meisten umstrittenen Themen innerhalb der weltweiten Christenheit Dies wurde nicht zuletzt auf der Vollversammlung des Okumenischen Rats der Kirchen 1991 in Canberra Australien deutlich Der Vortrag der koreanischen Theologin Chung Hyun Kyung bei dem diese die Geister der Ahnen beschwor loste sturmische Reaktionen zustimmende wie ablehnende aus Wahrend die einen den Vortrag einen heiligen Moment nannten sprachen andere v a Orthodoxe aber auch Protestanten von Synkretismus und drohten mit ihrem Austritt Afrikanische Christen und Kirchen weisen heute auf das steigende Gewicht ihres Kontinents hin in dem das Christentum am starksten wachst wahrend es in Europa an Mitgliederzahl und Bedeutung abnimmt Mit neuem Selbstbewusstsein bringen Afrikaner daher ihre Themen in internationalen kirchlichen Organisationen ein Dazu gehort nicht zuletzt auch das Verhaltnis zu den Ahnen das sie einer Neubewertung unterzogen sehen wollen Als Folge hat z B der Lutherische Weltbund im Fruhjahr 2006 drei Studiengruppen eingesetzt 1 Spiritualismus Eine Herausforderung an die Kirchen in Europa 2 Ahnen Geister und Heilung in Afrika und Asien Eine Herausforderung an die Kirchen 3 Spiritismus Herausforderungen fur die Kirche in Lateinamerika Ahnenkult auf Madagaskar BearbeitenUnter den vielen Volksgruppen in Madagaskar gibt es trotz einer nominellen Christianisierung von etwa 90 Prozent sehr unterschiedliche Umgangsformen mit Ahnen bei denen diese zum Teil nicht verehrt sondern verhatschelt werden Die Merina offnen im Winter die Grabhauser und wickeln im Rahmen eines Festes die Leichentucher neu bei den Mahafaly werden die Rinderherden der Toten geschlachtet damit deren Geister vor den Ahnen den Status des Verstorbenen bekraftigen konnen die Sakalava baden die Gebeine bestimmter Ahnen alle funf Jahre in einem heiligen Fluss die Vezo bestatten ihre Angehorigen auf Toteninseln wo sie in zwei Wochen des Jahres ausgiebig gefeiert werden um Segen fur Heilung und Fischfang zu erwirken 3 Viele foko glauben dass die Menschen nach ihrem Tod als Razana weiterleben also als Teil der Raza der Familie der Toten Die Madagassen glauben zwar an einen Schopfergott oder hochsten Gott mit unterschiedlichem Namen darunter Andriamanitra und Zanahary aber die Menschen konnen sich nicht direkt durch Gebet an ihn wenden Dies ist Aufgabe der Ahnen Ahnlich wie die Heiligen im Katholizismus erfullen sie eine wichtige Mittlerrolle zwischen den Lebenden und Gott Anders als im Katholizismus wird aber die soziale Eigenstandigkeit der Ahnen von vielen Madegassen akzeptiert So kann eine von Ahnen besessene Person moglicherweise zum eigenen Schaden anderen Personen helfen ein zur Bekampfung von Krankheiten beschworener Geist kann zugleich schwere charakterliche Mangel haben Vereinbarungen Geschaftsbeziehungen und sogar Verlobungen mit Geistern sind moglicher Bestandteil des Alltags wobei eine solche Verlobung nicht ausschliesst dass man zudem auch noch einen lebenden Partner hat Jedes Ereignis kann sowohl durch weltliche wie auch spirituelle Ursachen ausgelost werden sodass zur Erklarung oft auch gar nicht auf die Ahnenwelt zuruckgegriffen werden muss 3 Wenn einer Familie oder Person Ungluck zustosst kann ein Totenwendungsfest Famadihana stattfinden um die Ahnengeister zu besanftigen Der Tote wird aus dem Grab geholt es wird gefeiert er wird mit neuen Leichentuchern Rohseide eingekleidet und wieder begraben Mittelsmanner sind die sogenannten Ombiasy eine Art Schamane oder witchdoctor welche nach einer langen Ausbildung in mundlich uberlieferten Traditionen Meister in Heilpflanzenkunde sind Oft wird ein Famadihana veranstaltet um die Ubertretung eines Fady Tabuvorschrift wiedergutzumachen Der Ombiasy analysiert die Gegebenheiten innerhalb der Gemeinschaft und erklart Angewohnheiten Platze Personen Tiere Pflanzen zum Tabu In der Regel gewinnt der Fady besonders dadurch an Kraft dass er mit der Ahnenverehrung und den Toten Razana unmittelbar verknupft wird Das Totenwendungsfest ist der wichtigste Ritus im madagassischen Ahnenkult Der Ombiasy entscheidet ob und wann dies notwendig ist indem er einen spirituellen Kontakt mit den Razana Toten aufnimmt Das Famadihana wurde von den Kolonialherren teilweise verboten da sich die Familien stark verschuldeten Es hat eine gewisse Ahnlichkeit mit dem mexikanischen Totenkult in dem auf dem Grab gefeiert getanzt und gegessen wird Die vom Fady Betroffenen zahlen fur Ritual Musiker und Essen in dem Umfang wie es der Ombiasy fur angemessen halt 4 5 Eine Antwort christlicher Geistlicher auf die Ahnenverehrung liegt im Exorzismus sowie in Predigten dass die einzigen Geister Gott und der Teufel seien die Toten seien bei Jesus 3 Siehe auch BearbeitenNyau Geheimbund mit Ahnenkult in Sudostafrika Totenbeschworung Totenorakel Afrikanische Kosmogonie Erschaffung der Urahnen und der Umwelt Literatur BearbeitenKwame Bediako Biblical Christologies in the Context of African Traditional Religions In Vinay Samuel Chris Sugden Hrsg Sharing Jesus in the Two Thirds World Evangelical Christologies from the contexts of poverty powerlessness and religious pluralism The papers of the First Conference of Evangelical Mission Theologians from Two Thirds World Bangkok Thailand March 22 25 1982 Eerdmans Grand Rapids MI 1983 S 81 121 Benezet Bujo Afrikanische Theologie in ihrem gesellschaftlichen Kontext Patmos Dusseldorf 1986 ISBN 3 491 77654 6 Theologie interkulturell 1 Emile Durkheim Elementare Formen des religiosen Lebens Suhrkamp Frankfurt 1994 ISBN 3 518 06417 7 Sylvester Kahakwa Theology of Ancestors from African Perspective In Africa Theological Journal Bd 30 Nr 3 2007 ISSN 0856 0048 S 195 216 acton co ke PDF 112 kB John S Mbiti Afrikanische Religion und Weltanschauung de Gruyter Berlin 1974 ISBN 3 11 002498 5 De Gruyter Studienbuch Charles Nyamiti Christ as our Ancestor Christology from an african Perspective Mambo Press Gweru 1984 Mambo occasional papers Missio pastoral serie 11 ZDB ID 2525582 4 Einzelnachweise Bearbeiten Christopher I Ejizu African Traditional Religions and the Promotion of Community Living in Africa africaworld net J Spencer Trimingham The Influence of Islam upon Africa Longman London New York 2 Auflage 1980 S 74 82 a b c Michael Stuhrenberg und Pascal Maltre Die Macht aus den Grabern In Geo 04 1997 S 46 70 Religion in Madagascar Memento des Originals vom 15 Juni 2006 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot atheism about com Englischer Bericht Text uber den Fady Madagascar Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ahnenverehrung in Afrika amp oldid 234351715