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An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung An den Christlichen Adel deutscher Nation von des Christlichen standes besserung ist eine Reformschrift Martin Luthers verfasst in fruhneuhochdeutscher Sprache im Jahr 1520 Ihre Bedeutung liegt darin dass Luther in dieser Schrift eindeutig mit der romisch katholischen Kirche brach Er bezeichnete den Papst konkret Leo X aus dem Hause Medici als Antichrist und formulierte den Grundsatz des Priestertums aller Getauften Die Zweiteilung der Christenheit in Klerus und Laien wurde damit aufgegeben Adel und Kaiser aber auch die stadtischen Magistrate und in letzter Konsequenz alle Christen wurden aufgefordert Reformen der Kirche in die Wege zu leiten Luther der kurz davor war von der Amtskirche als Haretiker ausgeschlossen zu werden agierte dabei auch als Provokateur Mit der Adelsschrift bestatigte er dass man ihn ausschliessen musste just in dem Moment in dem dies geschah 1 Titelblatt des Drucks von Melchior Lotter Wittenberg 1520Innerhalb weniger Wochen verfasst erschien die Adelsschrift am 5 August 1520 mit der relativ hohen Auflage von 4000 Exemplaren In kurzer Folge schlossen sich 14 Nachdrucke an die ausser in Wittenberg auch in Augsburg Basel Leipzig Munchen und Strassburg erschienen Die damit erreichte Breitenwirkung blieb aber kurzzeitig weil die weitere Eskalation von Luthers Konflikt mit der Amtskirche das Interesse der Zeitgenossen auf sich zog Die Zusammenfassung der Adelsschrift mit dem Traktat Von der Freiheit eines Christenmenschen und der Schrift Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche manchmal auch mit der Schrift Von den guten Werken zu einer Gruppe reformatorischer Hauptschriften stammt nicht von Luther selbst sondern wurde erst im 19 Jahrhundert vorgenommen Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Adressaten 3 Inhalt 3 1 Drei Mauern der Romanisten 3 2 Agenda fur ein zukunftiges Konzil 3 3 Reformartikel 4 Zeitgenossische Reaktionen 5 Wirkungsgeschichte 6 Werkausgaben 7 Literatur 8 EinzelnachweiseEntstehung Bearbeiten nbsp Martin Luther als Augustinereremit Lucas Cranach d A 1520 Museum of Fine Arts Houston Ein Brief Luthers an Georg Spalatin erwahnt Anfang Juni 1520 den Plan eine Schrift an den neu gewahlten Kaiser Karl V und den Adel zu verfassen Wahrend Luther an der Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation arbeitete erfuhr er Mitte Juli vom Ausgang seines Ketzerprozesses in Rom und fast gleichzeitig stellte er den Sermon von dem Neuen Testament fertig den Grunenberg druckte wahrend er die Adelsschrift an den aus Leipzig nach Wittenberg zugezogenen Drucker Melchior Lotter vergab Von einem ausseren Anlass der Adelsschrift ist nichts bekannt dagegen bildet Luthers belastende Lebenssituation in Erwartung des Ketzerurteils den Hintergrund der Abfassung Einen Impuls fur die scharfe Papstkritik der Adelsschrift verdankte Luther Ulrich von Hutten Dieser hatte 1517 ein Werk des italienischen Humanisten Lorenzo Valla publiziert in dem dieser nachwies dass die Konstantinische Schenkung eine Urkunde aus der die weltliche Macht der Papste begrundet wurde eine Falschung war Luther las Huttens Edition dieser Schrift Anfang 1520 und wurde dadurch in seinem Verdacht bestarkt dass der Papst der Antichrist sei 2 Ein weiterer zeitgeschichtlicher Hintergrund ist das Dekret Pastor aeternus gregem von 1516 mit dem das Funfte Laterankonzil die Pragmatische Sanktion von Bourges aufhob Von vielen Zeitgenossen und auch von Luther wurde es so interpretiert als seien die Beschlusse des Basler Konzils und damit die Erfolge des Konziliarismus von der papstlichen Partei ruckgangig gemacht worden Dies ist aber wie der katholische Kirchenhistoriker Bernward Schmidt ausfuhrt nicht ganz korrekt Das Funfte Laterankonzil habe das Rumpfkonzil von Basel gar nicht als legitim anerkannt damit waren auch die von diesem gefassten Beschlusse obsolet 3 Der Text zeigt Spuren schneller Fertigstellung so hat der Verfasser ihn nicht mehr abschliessend durchkorrigiert Am 5 August 1520 erschien die erste Auflage in Wittenberg Die 4000 Exemplare waren nach drei Tagen vergriffen Insgesamt erschienen funfzehn Auflagen in deutscher Sprache und zwei Auflagen in italienisch der evangelische Kirchenhistoriker Martin H Jung schatzt die Gesamtauflage auf 68 000 Exemplare 4 Trotz der fluchtigen Abfassung weist die Adelsschrift sprachlich stilistische Feinheiten auf wie Klimax Anaphora und Synonymenketten 5 Adressaten Bearbeiten nbsp Titelblatt der Adelsschrift Nachdruck von Valentin Schumann Leipzig 1520 Das Motiv dieses Leipziger Drucks ein bekranzter Ritter in offener Landschaft ist eine Fokussierung auf den Adelsstand als Adressaten von Luthers Schrift 6 In der Forschung ist darauf hingewiesen worden dass sich Luthers Kontakte zur Reichsritterschaft seit dem Fruhjahr 1520 intensiviert hatten ausser mit Hutten stand Luther im Kontakt mit Franz von Sickingen und Hans von Taubenheim 7 Von dieser Seite erreichten ihn Solidaritatsbekundungen doch ist die Adelsschrift nicht direkt dadurch veranlasst 8 Die Beruhrungen zwischen der Ritterschaftsbewegung und Luther und seinem Kreis waren punktuell in der Kritik an den Zustanden in Rom und am schlechten Leben der Kleriker wusste man sich einig 9 Im Blick auf die Rolle die Fursten spater bei der Durchsetzung der Reformation spielten fallt auf dass Luther in dieser fruhen Programmschrift nicht sie sondern allgemein den Adel ansprach Er widmete das Werk einem Kollegen an der Wittenberger Universitat Nikolaus von Amsdorf Dessen Familie gehorte zum landsassigen Niederadel 10 Der Niederadel konnte sich von Luthers Adelsschrift mitangesprochen fuhlen da er ja auch Obrigkeit war und Themen wie die Kleiderordnung auch ihn betrafen Aber Anknupfungspunkte bot ihm weniger die Adelsschrift als Luthers Traktat von der Freiheit eines Christenmenschen Die darin zentralen Themen Freiheit und Gewissen beruhrten direkt das Selbstverstandnis dieser Gruppe 11 Inhalt Bearbeiten nbsp Papst Leo X mit zwei Kardinalen Gemalde von Raffaelo Sanzio um 1518 1519 Uffizien Luther der sich als Monch und Doktor der Theologie vorstellt mochte wie ein Hofnarr Missstande ansprechen Dieser hatte das Privileg straflos auch scharfe Kritik vortragen zu durfen 4 Der literarisch uneinheitliche Text lasst sich in drei Hauptteile gliedern Drei Mauern welche die Romanisten um sich gezogen haben um Reformen unmoglich zu machen Agenda fur ein zukunftiges Konzil 26 oder 27 Reformartikel Romanisten ist eine von mehreren Bezeichnungen Luthers fur die Gegenpartei Er prazisierte in der Adelsschrift das seien Bapst Bischoff pfaff munch odder gelereten In diesem fruhen Stadium der Auseinandersetzung hat das Wort ebenso wie Papisten noch keine konfessionelle Bedeutung Gemeint sind nicht die einfachen Glaubigen sondern Parteiganger des Papstes wie etwa Thomas Murner der auf die Bezeichnung als Romanist auch prompt reagierte 12 Drei Mauern der Romanisten Bearbeiten Luther argumentiert im ersten Hauptteil mit dem Bild eines Mauerrings wie er fur Stadte oder Burgen seiner Zeit ublich war Zugleich spielt er auf die biblische Erzahlung von den Mauern von Jericho an die beim Schall der Posaunen einsturzten Jos 6 Mit einem dreifachen Schutzwall hatten sich die Romanisten bisher gegenuber Veranderungen abgeschirmt quasi eingemauert der geistliche Stand stehe uber dem weltlichen nur der Papst durfe die Bibel auslegen nur der Papst durfe ein Konzil einberufen und habe zusatzlich das Recht die Beschlusse eines Konzils zu bestatigen bzw deren Bestatigung zu verweigern Luthers Vorhaben ist es die drei Mauern zu Fall zu bringen Die erste Mauer wird beseitigt durch den Grundsatz des Priestertums aller Getauften Dan alle Christen seyn wahrhafftigs geystlichs stands szo werden wir allesampt durch die tauff zu priestern geweyhet wie St Peter i Pet ii sagt 13 Daraus folgt die Niederlegung der 2 Mauer alle Getauften konnen die Bibel auslegen und der 3 Mauer weltliche christliche Obrigkeiten haben das Recht Konzilien einzuberufen Nach dem katholischen Kirchenhistoriker Thomas Prugl war Luther im Kontext der Adelsschrift weniger von Antiklerikalismus Kritik am Messopfer oder am Sakrament der Priesterweihe motiviert hier sei es ihm vor allem um das Finanzgebaren der Kurie gegangen und Luther habe den weltlichen Obrigkeiten mogliche Skrupel nehmen wollen in die Privilegien des geistlichen Standes einzugreifen 14 Luther fuhrte Argumente aus der Bibel aber auch aus der Kirchen und Theologiegeschichte an Wie schon bei der Leipziger Disputation machte er geltend dass Papste mehrfach geirrt hatten das Erste Konzil von Nicaa sei im Jahr 325 nicht vom Papst sondern vom Kaiser einberufen worden 15 Eine besondere Rolle in Luthers Argumentation spielt der Kanon Si papa des Decretum Gratiani Ein Papst konne von niemandem aufgrund moralisch schlechten Handelns und schlechter Lebensweise gerichtet werden wohl aber falls er eine Haresie vertrete nisi a fide devius Dann war er prinzipiell absetzbar Luther zitierte zwar den Kanon Si papa unterschlug aber diese Haresieklausel Gegen die Auslegungstradition verstand er den Kanon als eine Art Blankoscheck papstlicher Immunitat und lehnte ihn vehement als Teufelswerk ab 16 Agenda fur ein zukunftiges Konzil Bearbeiten Luthers Reformideen stellen sich in eine lange Tradition Er knupfte an die Gravamina der deutschen Nation an die seit Mitte des 15 Jahrhunderts immer wieder vorgetragen wurden 17 und prasentierte sich dem Leser mit dieser Schrift als Konziliarist Hatte er wahrend der Leipziger Disputation 1519 Kritik am Konstanzer Konzil geaussert so stellte er seine Zweifel an der Richtigkeit von Konzilsentscheidungen in der Adelsschrift zuruck und erwartete von einem kunftigen Konzil Losungen der drangenden Probleme Luther schlug vor den papstlichen Verwaltungsapparat stark zu reduzieren und besonders den Abfluss von Geldern aus Deutschland nach Rom zu unterbinden Bei der zu Luthers Zeit weit verbreiteten Uberzeugung keine Nation werde durch das papstliche Finanzgebaren so belastet wie die deutsche handelte es sich nach Prugl allerdings um einen Phantomschmerz Frankreich habe den grossten Teil des papstlichen Geldbedarfs gedeckt an zweiter Stelle Spanien und dann erst das Reich Fur Frankreich und Spanien habe sich das aber durch Lobbyarbeit am papstlichen Hof in gewisser Weise wieder bezahlt gemacht wahrend deutsche Lobbyisten dort kaum in Erscheinung traten So verfestigte sich der Eindruck von Rom ausgenutzt zu werden 18 Einerseits wurde der Papst von Luther als Antichrist identifiziert andererseits hielt Luther ein Papstamt weiterhin fur moglich wenn der Papst sich vor allem als Beter verstunde 19 Reformartikel Bearbeiten Wie das Basler Konzil forderte Luther die ersatzlose Streichung der Annaten die eine wesentliche Finanzquelle der papstlichen Hofhaltung darstellten Die papstliche Besetzung kirchlicher Amter im deutschen Gebiet mit auswartigen Klerikern die ihre Aufgaben vor Ort nicht wahrnahmen solle beendet werden Bischofe sollten nicht mehr von Rom bestatigt werden Nach dem Vorbild der Alten Kirche 20 solle ein Bischof von zwei Nachbarbischofen oder dem Erzbischof bestatigt werden Weltliche Rechtsfalle sollten nicht mehr in Rom verhandelt werden Die reservatio pectoralis solle abgeschafft werden Sie ermoglichte es dem Papst einem Bewerber die diesem bereits zugesagte Pfrunde wieder zu nehmen und sie einem Mitbewerber zu verleihen der dafur mehr bezahlte 21 Die casus reservati sollten abgeschafft werden Im Busssakrament blieb der Erlass bestimmter Kirchenstrafen dem Papst oder den Bischofen vorbehalten reserviert Der papstliche Hof solle sich nicht mehr der Reprasentation sondern dem Studium und dem Gebet widmen Die Eide die Bischofe dem Papst leisten mussten Bulle Significasti 22 sollten aufgehoben werden Der Papst solle keine Oberhoheit uber den Kaiser mehr haben ausser ihn zu salben und zu kronen die Demutsgesten des Kaisers gegenuber dem Papst sollten unterbleiben Luther lehnt das Kapitel Solite 23 ab mit dem die Uberordnung des Papstes uber den Kaiser begrundet wurde In diesem Zusammenhang brandmarkte Luther die Konstantinische Schenkung als Luge Der Papst solle nicht Lehnsherr der Konigreiche Neapel und Sizilien sein nbsp Majolika Teller Darstellung Leos X der bei einer Prozession getragen wird um 1516 Victoria and Albert Museum Der Personenkult um den Papst solle beendet werden Der Papst solle sich nicht mehr die Fusse kussen lassen wie Gregor VII das im Dictatus Papae gefordert hatte Er konne selbst reiten oder fahren statt sich in einer Sanfte wie ein abgot herumtragen zu lassen Die Wallfahrt nach Rom solle abgeschafft oder eingeschrankt werden Mindestens sollte ein Pilger vor der Abreise die Erlaubnis seines Ortspfarrers einholen Das Pilgern sei keine bedeutende religiose Handlung sondern eine ganz unbedeutende mit bedenklichen Folgen Man sagt wer das erste mal gen Rom gaht der sucht einen schalck zum andern mal fynd er yhn zum dritten bringt er yhn mit erausz Pilger gaben ihr Vermogen auf der Reise aus und liessen ihre Angehorigen Not leiden Das Klosterwesen solle reformiert und Kloster zusammengelegt werden um ihren Unterhalt zu sichern Der ursprungliche Zweck von Klostern sei gewesen als Schulen zu dienen Dan was sein stifft und kloster anders geweszen den Christliche schulenn darynnen man leret schrifft unnd zucht nach Christlicher weysze unnd leut auff ertzog zu regieren unnd predigen Der Pflichtzolibat der Pfarrer solle aufgehoben werden damit wurde vielen einfachen Priestern die mit Frau und Kindern lebten geholfen Dass Kleriker verheiratet waren sei in der Alten Kirche ublich gewesen und in der griechischen Kirche weiterhin der Fall Die Ortsgemeinde solle ein Gemeindeglied als Pfarrer oder Bischof selbst auswahlen und einsetzen Ordensleute sollen ihren Beichtvater selbst wahlen konnen Seelenmessen sollten reformiert werden Die Strafen des kanonischen Rechts sollen abgeschafft werden besonders das Interdikt Die Zahl kirchlicher Feiertage solle reduziert werden am besten ware es die Marien und Heiligenfeste abzuschaffen oder sie auf den Sonntag zu verlegen Eine papstliche Dispensation vor der Eheschliessung bei bestimmten Verwandtschaftsgraden oder Patenbeziehungen der Brautleute soll nicht mehr erforderlich sein Die Dispens der in Rom teuer erkauft werde konne jeder Ortspfarrer erteilen Die Einhaltung der Fastenzeiten solle freiwillig sein nbsp Wallfahrt zur Schonen Madonna von Regensburg Michael Ostendorfer um 1520 Kunstsammlung Veste Coburg Die Wunderblutkirche in Wilsnack die Kapelle des Heiligen Blutes im mecklenburgischen Sternberg der Heilige Rock zu Trier die Marienheiligtumer von Grimmenthal und Regensburg seien Teufelsspuk Das zeige schon die ekstatische Frommigkeit der Menschen die dort massenhaft zusammenstromten Es sei nicht notig zu solchen Gnadenorten zu pilgern denn alles Wichtige gebe es in der eigenen Pfarrkirche Hie findt man tauff sacrament predigt und deinen nehsten Bettelei sollte abgeschafft werden Jede Stadt sollte die Armen unter ihrer Bevolkerung versorgen und fremde Bettler auch Pilger und Monche abweisen Dazu musste ermittelt werden wer Not leidet und Hilfe braucht Bettelorden konnten ohne die Einnahmen der Bettelei zwar nicht so grosse Kirchen und Kloster errichten Luther halt das aber auch nicht fur notig Wer arm wil sein solt nit reich sein wil er aber reich sein so greiff er mit der hand an den pflug und suchs yhm selbs ausz der erden Es sollten keine Messen mehr gestiftet werden Doch raumt Luther ein dass das Messelesen vielen Klerikern den Lebensunterhalt sichere Hier sei eine grundliche Reform und Neuordnung notig Aus frommen Stiftungen wurden sogenannte Altaristen bezahlt die fur das Seelenheil der Stifter Stillmessen lasen Der evangelische Kirchenhistoriker Karl Heinz zur Muhlen bezeichnet sie als ein Priesterproletariat das zum schlechten Ruf der Kirche beitrug zumal sich manch ein Inhaber einer Pfrunde als Pfarrer von einem Altaristen vertreten liess 24 Ablassbriefe und Ahnliches sollte es gar nicht mehr geben Die Papste hatten der Christenheit sehr geschadet unter anderem seien sie die Hauptschuldigen am Konflikt mit den Hussiten Man habe Hus das zugesagte freie Geleit gebrochen mit der Begrundung dass man dieses einem Ketzer nicht halten musse Ketzer sollten durch Argumente und nicht durch Verbrennen uberwunden werden Bei den Universitaten sieht Luther Reformbedarf Von den Werken des Aristoteles solle man die Logik Poetik und Rhetorik weiter unterrichten aber die Dominanz des Aristotelismus im Lehrplan der Universitaten solle aufhoren Unter den Fakultaten greift Luther die Juristen und die Theologen heraus das geistliche Recht und besonders die Dekretalen sollen abgetan werden das weltliche Recht sei zwar reformbedurftig aber weit besser In der Theologie soll die Scholastik ersetzt werden durch das Studium der Bibel Das Heilige Romische Reich deutscher Nation musse reorganisiert werden da der Kaiser gegenuber dem Papst auf wesentliche Machtbefugnisse verzichte Ein ganzes Bundel von Reformideen widmet sich dem gesellschaftlichen Leben Luxus bei Kleidung und Mahlzeiten solle unterbunden werden ebenso das Zinsgeschaft Die wirtschaftliche Dominanz der Fugger solle beendet werden Die stadtischen Obrigkeiten sollten die Frauenhauser schliessen Zeitgenossische Reaktionen BearbeitenDie ersten Reaktionen auf An den christlichen Adel kamen aus Luthers klosterlichem Umfeld Der provokante Ton schockierte Johannes Lang nannte das Buch eine Kriegstrompete 25 Gegenuber Lang und Wenzeslaus Linck erlauterte Luther Mitte August brieflich dass er die Schrift in prophetischer Radikalitat verfasst habe ohne Rucksichten zu nehmen 26 Literarische Entgegnungen von Luthers Gegnern folgten bald nach der Veroffentlichung der Adelsschrift zuerst durch Johannes Eck bald darauf auch durch Thomas Murner und Hieronymus Emser Eck war gerade mit der Verbreitung der Bulle Exsurge Domine im Reich befasst als er von der Adelsschrift erfuhr Er reagierte schnell und relativ pauschal auf Luthers Kirchenkritik Seine Antwort die er Anfang Oktober 1520 bei Martin Landsberg in Leipzig drucken liess griff sich schon im Titel Luthers Anklage heraus das Konzil zu Konstanz habe Hus das Geleit gebrochen Des heiligen Konzils zu Konstanz Entschuldigung dass ihnen Bruder Martin Luther mit Unwahrheit aufgelegt sie haben Johannes Hus und Hieronymus von Prag wider Geleit und Eid verbrannt 27 Luthers Vorwurf sei eine Beleidigung fur den deutschen Adel der das Konzil seinerzeit dominiert habe In seiner masslosen Ruhmsucht versuche Luther die kirchliche Ordnung zu zerstoren Das aber ware fur den angeredeten Adel sehr nachteilig denn er nutze ja die kirchlichen Institutionen um seine eigenen Kinder zu versorgen 28 Thomas Murner setzte sich detaillierter mit der Adelsschrift auseinander Seine antilutherischen Schriften veroffentlichte er anonym ein Konzept das fur ihn freilich nicht aufgehen sollte und ihn selbst seit dem Fruhjahr 1521 zur Zielscheibe prolutherischer Polemik machte Anonym zu schreiben hiess wie es Lazarus Spengler als Parteiganger Luthers nach der Leipziger Disputation eindrucksvoll vorgemacht hatte die Meinung der Bevolkerungsmehrheit in Worte zu fassen Das wollte auch Murner Als Anonymus schrieb er betont massvoll quasi unparteiisch gab sich als Angehoriger des geistlichen Standes zu erkennen und trat an um das durch Luther beschadigte Vertrauen zwischen Priestern und Laien wiederherzustellen 29 Um Weihnachten 1520 ging Murners Gegenschrift in Strassburg in den Druck An den grossmachtigsten und durchlauchtigsten Adel deutscher Nation dass sie den christlichen Glauben beschutzen wider den Zerstorer des Glaubens Christi Martin Luther 30 Wie Luther widmete Murner sein Werk dem Kaiser Er raumte ein dass Luthers Kritik Teilwahrheiten enthalte Die Lehre vom Priestertum aller Getauften sei hochst gefahrlich denn damit hebe Luther die Standeordnung auf Das konne nicht im Interesse des Adels sein Murner hatte den Anspruch Luther auf dessen eigenem Feld der Bibelauslegung zu widerlegen 31 Im Januar 1521 hatte der Sekretar und Hofkaplan Georgs von Sachsen Hieronymus Emser seine Entgegnung Luthers fertiggestellt Sie wurde ebenfalls von Landsberg in Leipzig gedruckt An den Stier zu Wittenberg 32 Emser verfasste eine Art Kommentar zur Adelsschrift deren Reformpunkte er der Reihe nach abarbeitete Schwerpunkte sind die Widerlegung der These vom Priestertum aller Getauften die Begrundung des Papsttums und des Weihepriestertums sowie der Unterscheidung von geistlicher und weltlicher Gewalt Das papstliche Lehramt sei unverzichtbar die Beseitigung von Missstanden in der Kirche sei Aufgabe eines Konzils Luther wolle nicht reformieren sondern die Kirche zerstoren Er habe vor selbst Bischof der haretischen Bohmen zu werden 31 Just als Luther seine Adelsschrift in den Druck gab musste Ulrich von Hutten aus Mainz fliehen wo ihm als Verfasser antiromischer Pamphlete ein Strafverfahren drohte Franz von Sickingen gewahrte ihm im September 1520 auf der Ebernburg bei Kreuznach Asyl Von hier aus verfolgten Hutten und Sickingen Luthers Auftreten auf dem Reichstag im nahen Worms Als potentielle Fuhrer einer nationalen Opposition wurden die beiden von der kaiserlichen Diplomatie kontaktiert Hutten trat gegen ein Jahresgehalt formell in kaiserlichen Dienst den er aber nach dem Wormser Edikt quittierte Nach einem Pfaffenkrieg im Raubritterstil auf eigene Faust schloss er sich wieder an Sickingen an und deutete die Trierer Fehde als Schlag gegen kirchliche Tyrannei und Vorbereitung einer Reichsreform Sickingens Niederlage machte solche Plane gegenstandslos Der schwerkranke Hutten floh in die Schweiz wo er starb 33 Luther hatte seit September 1520 die antiromische Radikalisierung Huttens beobachtet eine Distanzierung von Huttens Gewaltoption erfolgte erst verzogert vor dem 16 Januar 1521 in einem verlorenen Brief Luthers an Hutten Die Adelsschrift ist in dieser Hinsicht uneindeutig es gibt sowohl Empfehlungen der Gewaltlosigkeit wie auch eine Befurwortung handgreifliche r Massnahmen 34 Wirkungsgeschichte BearbeitenDer evangelische Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann bezeichnet die Adelsschrift als Manifest der Reformation hier und nicht schon mit dem Thesenanschlag von 1517 sei von Luther ein Entwurf zur Neugestaltung von Kirche und Gesellschaft vorgelegt worden Allerdings war diese Schrift des Jahres 1520 nicht so etwas wie die Blaupause fur den spateren Aufbau evangelisch lutherischer Kirchen Die Adelsschrift biete in ihrer Offenheit und Unbestimmtheit Anknupfungspunkte fur unterschiedliche Reformationstypen stadtische oder bauerliche Gemeindereformationen Ratsreformationen ritterschaftliche Reformationen territorialfurstliche und Konigsreformationen in Skandinavien oder England 1 Der Grundsatz vom Priestertum aller Getauften habe im Spektrum der evangelischen Kirchen immer wieder Neuaufbruche angeregt Beispiele Synodalverfassung Frauenordination und bleibe zugleich ein Storfaktor im okumenischen Gesprach mit romisch katholischen Theologen 1 Als die BILD Zeitung nach der Wahl Benedikts XVI am 20 April 2005 titelte Wir sind Papst stellte Robert Leicht fest dass damit unbewusst Luthers Adelsschrift zitiert werde denn was aus der Taufe gekrochen ist das kann sich ruhmen dass es schon zum Priester Bischof oder Papst geweihet sei 35 Werkausgaben BearbeitenAn den Christlichen Adel deutscher Nation von des Christlichen standes besserung WA Band 6 S 404 469 An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung In Martin Luther Deutsch Deutsche Studienausgabe Band 3 Christ und Welt Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2016 ISBN 978 3 374 02882 5 Literatur BearbeitenAlbrecht Beutel Uta Wiggermann Luther Reformatorische Hauptschriften des Jahres 1520 Studienreihe Luther Band 12 Luther Verlag Bielefeld 2017 ISBN 978 3 7858 0712 5 Martin H Jung Luthers Aufruf An den christlichen Adel 1520 und seine Folgen In Olga Weckenbrock Hrsg Ritterschaft und Reformation Der niedere Adel im Mitteleuropa des 16 und 17 Jahrhunderts Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2018 ISBN 978 3 647 57067 9 S 57 74 Thomas Kaufmann An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung Kommentare zu Schriften Luthers Band 3 Mohr Siebeck Tubingen 2014 ISBN 978 3 16 152678 7 Rezension durch Albrecht Beutel ThLZ Thomas Kaufmann Luthers kopernikanische Wende In FAZ 27 Oktober 2013 Thomas Prugl Papstkritik und Romentfremdung Martin Luther und die spatmittelalterliche reformatio generalis In Christian Danz Jan Heiner Tuck Hrsg Martin Luther im Widerstreit der Konfessionen Historische und theologische Perspektiven Herder Freiburg Basel Wien 2017 ISBN 978 3 451 37652 8 S 56 75 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Thomas Kaufmann Luthers kopernikanische Wende In FAZ 27 Oktober 2013 Martin H Jung Luthers Aufruf An den christlichen Adel 1520 und seine Folgen Gottingen 2018 S 65 66 Bernward Schmidt Die Konzilien und der Papst Von Pisa 1409 bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil Herder Freiburg Basel Wien 2013 S 131 156 f a b Martin H Jung Luthers Aufruf An den christlichen Adel 1520 und seine Folgen Gottingen 2018 S 58 Herbert Walz Martin Luther In Stephan Fussel Hrsg Deutsche Dichter der fruhen Neuzeit 1450 1600 Ihr Leben und Werk Berlin 2013 S 332 f Thomas Kaufmann Der Anfang der Reformation Studien zur Kontextualitat der Theologie Publizistik und Inszenierung Luthers und der reformatorischen Bewegung 2 durchgesehene und korrigierte Auflage Mohr Tubingen 2018 ISBN 3 16 156327 1 S 519 Thomas Kaufmann An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung Tubingen 2014 S 12 13 Thomas Kaufmann An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung Tubingen 2014 S 14 Luise Schorn Schutte Geschichte Europas in der Fruhen Neuzeit Grundzuge einer Epoche 1500 1789 Schoningh 3 Auflage Paderborn 2019 S 213 Christoph Volkmar Was hatte der Niederadel in Mitteldeutschland durch die Reformation zu verlieren In Werner Greiling Armin Kohnle Uwe Schirmer Hrsg Negative Implikationen der Reformation Gesellschaftliche Transformationsprozesse 1470 1620 Bohlau Koln Weimar Wien 2015 S 373 400 hier S 374 Alexander Jendorff Heroen oder Verrater des Gotteswortes Eine kkritische Bestandsaufnahme des Verhaltnisses zwischen Reformationsgeschichte und Adelsgeschichte In Christopher Spehr Hrsg Lutherjahrbuch 82 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2015 S 106 147 hier S 123 Bent Jorgensen Konfessionelle Selbst und Fremdbezeichnungen Zur Terminologie der Religionsparteien im 16 Jahrhundert Akademie Verlag Berlin 2014 S 68 f WA 6 407 13f 22f Thomas Prugl Papstkritik und Romentfremdung Freiburg et al 2017 S 61 Martin H Jung Luthers Aufruf An den christlichen Adel 1520 und seine Folgen Gottingen 2018 S 60 Thomas Prugl Papstkritik und Romentfremdung Freiburg et al 2017 S 61 64 Thomas Prugl Papstkritik und Romentfremdung Freiburg et al 2017 S 60 Vgl Eike Wolgast Gravamina nationis germanicae In Theologische Realenzyklopadie TRE Band 14 de Gruyter Berlin New York 1985 ISBN 3 11 008583 6 S 131 134 abgerufen uber De Gruyter Online Thomas Prugl Papstkritik und Romentfremdung Freiburg et al 2017 S 73 74 Martin H Jung Luthers Aufruf An den christlichen Adel 1520 und seine Folgen Gottingen 2018 S 61 Tatsachlich ein Beschluss der Synode von Sardica 343 aber als Beschluss von Nizaa ins kanonische Recht ubernommen Karl Heinz zur Muhlen Reformation und Gegenreformation Band 1 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1999 S 15 Bulle Significasti Corpus Iuris Canonici Dekretalen Gregors IX lib 1 tit 6 cap 4 Dekretalen Gregors IX lib 1 tit 33 cap 6 Karl Heinz zur Muhlen Reformation und Gegenreformation Band 1 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1999 S 14 Thomas Kaufmann An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung Tubingen 2014 S 7 Thomas Kaufmann An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung Tubingen 2014 S 10 Des heilgen Concilij tzu Costentz der heylgen Christenheit vnd hochlob lichen keyssers Sigmunds vn d auch des Teutzschen Adels entschuldigung das in bruder Martin Luder mit vnwarheit auffgelegt Sie ha ben Joannem Huss vnd Hieronymu m von Prag wider Babstliche Christ lich Keyserlich geleidt vnd eydt vorbrandt Johan von Eck Doctor Adolf Laube Flugschriften gegen die Reformation 1518 1524 Akademie Verlag Berlin 1997 S 24 abgerufen durch Verlag Walter de Gruyter Thomas Kaufmann Der Anfang der Reformation Mohr Siebeck 2 Auflage Tubingen 2018 S 378 386 An den Grossmechtigsten und Durchluchtigsten adel tutscher nation das sye den christlichen glauben beschirmen wyder den zerstorer des glaubens christi Martinum luther einen verfierer der einfeltigen christen a b Adolf Laube Flugschriften gegen die Reformation 1518 1524 Akademie Verlag Berlin 1997 S 25 abgerufen durch Verlag Walter de Gruyter An den stier zu Vuittenberg Stephan Skalweit Hutten Ulrich von 1488 1523 In Theologische Realenzyklopadie TRE Band 15 de Gruyter Berlin New York 1986 ISBN 3 11 008585 2 S 747 752 hier S 750f abgerufen uber De Gruyter Online Thomas Kaufmann An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung Tubingen 2014 S 14 Anm 73 Robert Leicht Wir sind Papst Aber wir haben keinen Der Protestant und die Sichtbarkeit seiner Kirche In Zeitschrift fur Theologie und Kirche 103 2 Juni 2006 S 306 318 hier S 306 nbsp Dieser Artikel wurde am 4 Februar 2021 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Normdaten Werk GND 4629022 9 lobid OGND AKS LCCN n2003075700 VIAF 178762835 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung amp oldid 235897366