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Als Furstenreformation wird eine Form der Reformation im Heiligen Romischen Reich verstanden deren Trager die Reichsfursten waren Durch Kirchenvisitationen und Kirchenordnungen erreichten sie eine evangelische Pragung der Bevolkerung ihres Territoriums und wirkten vereinheitlichend und burokratisierend auf das jeweilige Kirchenwesen ein Der Croy Teppich von 1554 1556 zeigt die sowohl dynastische als auch konfessionelle Verbundenheit der Herrscherhauser von Sachsen und Pommern Pommersches Landesmuseum Greifswald Inhaltsverzeichnis 1 Forschungsgeschichte 2 Entwicklung 3 Literatur 4 AnmerkungenForschungsgeschichte BearbeitenDie Reformationsgeschichtsschreibung sah im ausgehenden 19 und fruhen 20 Jahrhundert die Fursten als die legitimen Partner der Reformatoren bei der Umsetzung reformatorischer Veranderungen in den Territorien In der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts galt das Forschungsinteresse aber vorwiegend den verschiedenen Formen einer Reformation von unten besonders in den Stadten die Reformation kann sogar insgesamt als stadtisches Ereignis charakterisiert werden 1 Peter Blickle unterscheidet die Furstenreformation von der in der Fruhphase bis zum Bauernkrieg von 1525 vorherrschenden Gemeindereformation die er noch einmal in eine landlich bauerliche und stadtisch burgerliche Reformation differenziert Der Begriff Furstenreformation ist in der Reformationsgeschichtsschreibung negativ konnotiert Eike Wolgast weist allerdings darauf hin dass sich die Reformation in Deutschland ohne die Unterstutzung der Fursten nicht hatte durchsetzen konnen 2 Entwicklung Bearbeiten nbsp Wurttembergische Kirchenordnung von 1536 nbsp Philipp Melanchthon Unterricht der Visitatorn an die Pfarherrn in Hertzog Heinrichs zu Sachsen Furstenthum Gleicher form der Visitation im Kurfurstenthum gestellet Wittenberg 1539Die Niederlage des Gemeinen Mannes im Deutschen Bauernkrieg bedeutete auch eine Niederlage vieler Versuche reformatorische Veranderungen auf kommunaler Basis einzufuhren Das Jahr 1525 bildet daher eine Zasur in der Reformationsgeschichte Widerstandiges Handeln der einfachen Bevolkerung wurde nun von den Herren als Hochverrat interpretiert Altglaubige bzw kaiserliche Interpretationen sahen den Bauernkrieg durch Martin Luther und seine neuen Lehren mit verursacht Die Reformatoren verwahrten sich dagegen sie verurteilten ausnahmslos den Widerstand gegen die Obrigkeit als Verrat am Evangelium 3 Der Speyerer Reichstagsabschied von 1526 enthielt eine Klausel die es jedem Stand erlaubte das Wormser Edikt bis zu einem kunftigen Konzil oder einer Nationalversammlung so zu handhaben wie ein jeder solches gegen Gott und kayserl Majestat hoffet und vertraut zu verantworten Dies war eine mehrdeutige Kompromissformel 4 Altglaubige Stande konnten verfahren wie bisher neuglaubige Stande konnten sich auf den biblischen Grundsatz berufen man musse Gott mehr gehorchen als den Menschen 5 Generell war der Reichsabschied auch fur personlich der Lehre Luthers langst zuneigende Fursten das Startsignal um im eigenen Territorium den Bekenntnisstand der Bevolkerung in einer organisierten Weise zu andern 6 Die Landesherren mussten zur Reformation positiv oder negativ Position beziehen entschieden sie sich dagegen waren sie trotz reformatorischer Bestrebungen an der Basis in der Lage relevante Bevolkerungsgruppen ihres Territoriums im altglaubigen Lager zu halten Wolgast formuliert daher pointiert Die Entscheidung uber die Einfuhrung der Reformation uber die Anderung des territorialen Konfessionsstatus trifft der Landesherr das Prinzip des cuius regio eius religio pragt die konfessionelle Entwicklung im Reich schon von Beginn der Reformation an 7 Die Fursten begrundeten die Einfuhrung der Reformation damit dass es ihre Aufgabe als Obrigkeit sei fur das Wohl der Untertanen zu sorgen dazu gehore auch die Kirchen und Gottesdienstordnung In ihrem Selbstverstandnis war es ihre oberste Pflicht den Untertanen eine gute Zukunft zu erschliessen und mit gutem Beispiel voranzugehen eine friedliche und sichere Existenz die Gottes Wohlgefallen hatte 8 Die Wittenberger Reformatoren lieferten ihnen die Argumente indem sie die furstlichen Laien als Notbischofe anerkannten und zwar theoretisch Gewissensfreiheit in Glaubensfragen forderten aber praktisch jede abweichende Glaubensausserung als Gotteslasterung definierten die der Landesherr bestrafen solle 9 Kirchenvisitationen durch Kommissionen von Beamten und Geistlichen und Kirchenordnungen waren die wichtigsten Mittel mit denen die Landesherren die Reformation in ihren Territorien einfuhrten Modellhaft war die Entwicklung in Kursachsen unter Kurfurst Johann dem Bestandigen der von 1525 bis 1532 regierte Mit dem Unterricht der Visitatoren verfasste Philipp Melanchthon ein Kompendium das den kursachsischen Visitatoren seit 1528 als Anleitung diente Im Kontext des Augsburger Reichstags 1530 bemuhte sich Johann vergeblich um die kaiserliche Anerkennung dieses Vorgehens 10 Nachdem Hessen mit der Homberger Synode 1526 zunachst eine eigenstandige starker kongregationalistische Entwicklung eingeschlagen hatte folgte Landgraf Philipp von Hessen dann dem kursachsischen Modell mit eigenen Akzentsetzungen 11 Auch Braunschweig Luneburg ahmte das Vorbild Kursachsens nach Dagegen wurden in Brandenburg Ansbach die Landstande in einen langeren Prozess reformatorischer Umgestaltung einbezogen und auf diese Weise die Massnahmen des Landesherrn abgesichert 12 In bislang nominell altglaubigen Territorien wurde nach einem Herrscherwechsel die Annahme der Reformation vom neuen Landesherrn durchgesetzt so in Wurttemberg nach der Ruckkehr Herzog Ulrichs 1534 in der Mark Brandenburg nach einer mehrjahrigen Vorbereitungsphase durch Joachim II 1539 und im Herzogtum Sachsen vergleichsweise abrupt nach Herrschaftsantritt Heinrichs des Frommen 1536 In Braunschweig Wolfenbuttel beanspruchte der Schmalkaldische Bund nach dem militarischen Sieg uber Herzog Heinrich II 1542 das ius reformandi fur sich und fuhrte Kirchenvisitationen durch 13 Ein drittes Modell von Furstenreformation bezeichnet Wolgast als Spatreformation das Musterbeispiel ist die Kurpfalz Unter einem nominell altglaubigen aber in Konfessionsfragen neutralen bzw nicht interessierten Landesherrn verfiel die Struktur der romischen Kirche uber einen langeren Zeitraum Die Einfuhrung der Reformation erfolgte dann anlasslich eines Herrscherwechsels und die Abfolge mehrerer Herrscher unterschiedlicher Konfession hatte dann jedes Mal den Wechsel des Bekenntnisstands fur alle Untertanen zur Folge 14 Zur weiteren Entwicklung nach dem Augsburger Reichs und Religionsfrieden 1555 siehe Hauptartikel Landesherrliches KirchenregimentLiteratur BearbeitenArmin Kohnle Susan Richter Hrsg Herrschaft und Glaubenswechsel Die Furstenreformation im Reich und in Europa in 28 Biographien Universitatsverlag Winter Heidelberg 2016 Peter Blickle Gemeindereformation Die Menschen des 16 Jahrhunderts auf dem Weg zum Heil Oldenbourg Munchen 1987 Ernst Schubert Furstenreformation Die Realitat hinter einem Vereinbarungsbegriff In Enno Bunz Stefan Rhein Gunther Wartenberg Hrsg Glaube und Macht Theologie Politik und Kunst im Jahrhundert der Reformation Schriften der Stiftung Luthergedenkstatten in Sachsen Anhalt Band 5 EVA Leipzig 2005 S 23 47 Heiko A Oberman Stadtreformation und Furstenreformation In Lewis W Spitz Hrsg Humanismus und Reformation als kulturelle Krafte in der deutschen Geschichte Veroffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin Band 51 De Gruyter Berlin New York 1981 S 80 103 Eike Wolgast Formen landesfurstlicher Reformation in Deutschland Kursachsen Wurttemberg Brandenburg Kurpfalz In Leif Grane Kai Horby Hrsg Die danische Reformation vor ihrem internationalen Hintergrund Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1990 S 57 90 Anmerkungen Bearbeiten Arthur G Dickens The German reformation was an urban event zustimmend zitiert bei Bernd Moeller Deutschland im Zeitalter der Reformation Deutsche Geschichte Band 4 4 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1999 S 83 Eike Wolgast Formen landesfurstlicher Reformation in Deutschland Kursachsen Wurttemberg Brandenburg Kurpfalz Gottingen 1990 S 57 Peter Blickle Gemeindereformation Die Menschen des 16 Jahrhunderts auf dem Weg zum Heil Munchen 1987 S 212 Armin Kohnle Reichstag und Reformation Gutersloh 2001 S 271 Armin Kohnle Reichstag und Reformation Gutersloh 2001 S 361 Eike Wolgast Formen landesfurstlicher Reformation in Deutschland Kursachsen Wurttemberg Brandenburg Kurpfalz Gottingen 1990 S 58 und 67 Eike Wolgast Formen landesfurstlicher Reformation in Deutschland Kursachsen Wurttemberg Brandenburg Kurpfalz Gottingen 1990 S 60 Susan Richter Einfuhrung Die Macher des Wandels Fursten als Reformatoren und Reformer In Armin Kohnle Susan Richter Hrsg Herrschaft und Glaubenswechsel Die Furstenreformation im Reich und in Europa in 28 Biographien Heidelberg 2016 S 13 27 hier S 16 Online Eike Wolgast Formen landesfurstlicher Reformation in Deutschland Kursachsen Wurttemberg Brandenburg Kurpfalz Gottingen 1990 S 65 Heinz Scheible Melanchthon Vermittler der Reformation Beck Munchen 2016 S 129 Thomas Kaufmann Geschichte der Reformation in Deutschland Suhrkamp Berlin 2016 S 517 Eike Wolgast Formen landesfurstlicher Reformation in Deutschland Kursachsen Wurttemberg Brandenburg Kurpfalz Gottingen 1990 S 73 Eike Wolgast Formen landesfurstlicher Reformation in Deutschland Kursachsen Wurttemberg Brandenburg Kurpfalz Gottingen 1990 S 78 80 Eike Wolgast Formen landesfurstlicher Reformation in Deutschland Kursachsen Wurttemberg Brandenburg Kurpfalz Gottingen 1990 S 81 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Furstenreformation amp oldid 232696274