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Die stille Messe Missa lecta auch Stillmesse oder Lesemesse war bis zur Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils faktisch die Normal oder Grundform der heiligen Messe 1 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Ablauf und Gestaltung 3 Die Leonianischen Gebete 4 Liturgiereform im 20 Jahrhundert 5 Literatur 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie Grundform der feierlichen heiligen Messe war im Hochmittelalter das levitierte Hochamt das ausgehend von der fruhen romischen Papstliturgie auch die Messfeiern an Bischofs und Klosterkirchen wie auch die pfarrliche Liturgie gepragt hatte Die starke Zunahme der Privat und Nebenmessen in den grossen Abteien des Mittelalters brachte hier eine allmahliche Veranderung gefordert auch durch die Praxis der Romischen Kurie und von Bettelorden wie Augustiner und Franziskaner Das Zeremoniell der feierlichen offentlichen Messe wurde an die Situation des einzeln und nicht offentlich zelebrierenden Priesters angepasst zumal nicht selten in einer Kirche gleichzeitig mehrere Priester an verschiedenen Altaren Beimessen zelebrierten Der Gesang bei der Messfeier wurde auf mittelstarkes Sprechen zuruckgenommen die Privatmesse wurde zur Lesemesse und zur stillen Messe Wegen der grosseren Haufigkeit der Einzelzelebrationen im Vergleich zum Hochamt und zur Konventsmesse wurde die missa lecta zur neuen Grundform der romischen Messe Durch ein vom Generalminister des Franziskanerordens Haymo von Faversham 1243 vorgelegtes Missale Indutus planeta wurde dieser Messtyp fast uberall verbreitet und er fand seinen Niederschlag in dem 1498 1502 veroffentlichten Ordo missae secundum consuetudinem Sanctae Romanae Ecclesiae des papstlichen Zeremonienmeisters Johannes Burckard Der Ordo servandus per sacerdotem in celebratione Missae sine cantu et ministris Ordnung einzuhalten vom Priester bei der Feier der heiligen Messe ohne Gesang und Diener Burckards wurde zur Grundlage des Missale Romanum des im Auftrag des Konzils von Trient unter Papst Pius V 1570 erschienenen verbindlichen Messbuchs fur die ganze Kirche des romischen Ritus Diese Missa lecta weil sine cantu ohne Gesang blieb ohne wesentliche Anderungen bestimmend bis zur 1963 beschlossenen Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils In diesem Messordo einer reinen Klerusliturgie spielen die Mitwirkung der Gemeinde genauso wenig eine Rolle wie die Gesange des Chores und auch die Funktionen assistierender Kleriker erscheinen als Zutat zu einer im Grunde stillen Messe des einzelnen Priesters Die Grundform der stillen Messe bekam sonntagliches Hausrecht auch am Hochaltar der Pfarrkirchen was ihr anfangs verwehrt war 2 Ablauf und Gestaltung Bearbeiten Hauptartikel Gliederung der tridentinischen Messe im Artikel Tridentinische Messe Der Priester hatte fur den gultigen Vollzug alle Elemente dieses Ablaufs in der vom Proprium des jeweiligen Tages vorgesehenen Form lateinisch vollstandig zu sprechen in der Regel leise submissa voce oder secreto Blosses Lesen reichte nicht aus gefordert war ein dem Zelebranten selbst noch horbares Sprechen mit bewegten Lippen 3 Er las wie es dennoch volkstumlich hiess die Messe mit dem Rucken zum Volk Bei den Akklamationen wandte er sich an den Ministranten seltener an die Gemeinde Eine Homilie war nicht Bestandteil der Messfeier Mancherorts war es ublich dass er wenigstens den Text des Evangeliums nach dem lateinischen Sprechen der Gemeinde in der Muttersprache vortrug Auch der Schlusssegen wurde in der Regel vernehmbar an die Gemeinde gespendet Die Glaubigen schwiegen oder beteten leise oder auch gemeinsam den Rosenkranz oder eine Messandacht die meditativ assoziativ das Geschehen am Altar begleitete Bei der Singmesse meist an Sonntagen und an hohen Feiertagen wurden gemeinsam Lieder gesungen in denen textlich die Zeit im Kirchenjahr und die Thematik des Messopfers anklang etwa die verbreitete Deutsche Messe von Franz Schubert 4 Wahrend der Wandlung angekundigt durch ein Schellenzeichen herrschte Stille Die Leonianischen Gebete BearbeitenAm Ende jeder stillen Messe mussten nach dem Segen und dem Schlussevangelium die von Papst Leo XIII verfassten und 1884 vorgeschriebenen Leonianischen Gebete gesprochen werden Es handelt sich um drei Ave Maria das Salve Regina ein Gebet um die Bekehrung der Sunder und die Freiheit und Erhohung der Kirche das Gebet an den Heiligen Erzengel Michael und eine dreimalige Anrufung des Allerheiligsten Herzens Jesu Der Priester kniete dazu vor den Stufen des Altars und verrichtete die Gebete mit den Anwesenden in der Volkssprache 5 TextLatein Oremus Deus refugium nostrum et virtus populum ad te clamantem propitius respice et intercedente gloriosa et immaculata Virgine Dei Genitrice Maria cum beato Ioseph eius Sponso ac beatis Apostolis tuis Petro et Paulo et omnibus Sanctis quas pro conversione peccatorum pro libertate et exaltatione sanctae Matris Ecclesiae preces effundimus misericors et benignus exaudi Per eundem Christum Dominum nostrum Amen Deutsch Lasset uns beten Gott unsre Zuflucht und Starke sieh gnadig an das Flehen Deines Volkes und erhore in Deiner Barmherzigkeit und Gute auf die Furbitte der glorreichen und unbefleckten Jungfrau Maria ihres Brautigams des hl Joseph Deiner hll Apostel Petrus und Paulus und aller Heiligen die Gebete die wir fur die Bekehrung der Sunder fur die Freiheit und Erhohung unserer heiligen Mutter der Kirche flehentlich verrichten Durch ihn Christus unsern Herrn Amen Latein Sancte Michael Archangele defende nos in proelio contra nequitiam et insidias diaboli esto praesidium Imperet illi Deus supplices deprecamur tuque princeps militiae coelestis satanam aliosque spiritus malignos qui ad perditionem animarum pervagantur in mundo divina virtute in infernum detrude Amen Deutsch Heiliger Erzengel Michael verteidige uns im Kampfe gegen die Bosheit und die Nachstellung des Teufels sei unser Schutz Gott gebiete ihm so bitten wir flehentlich du aber Furst der himmlischen Heerscharen stosse den Satan und die andern bosen Geister die in der Welt umhergehen um die Seelen zu verderben durch die Kraft Gottes in die Holle Amen 6 Nach 1960 war diese Vorschrift nicht mehr verbindlich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil sind die Gebete im Ordinarium der Messe nicht mehr enthalten Dies wurde angeordnet in der Instruktion Inter Oecumenici Papst Pauls VI vom 26 September 1964 7 Liturgiereform im 20 Jahrhundert BearbeitenAb der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts wurde es im deutschen Sprachraum mehr und mehr ublich dass die Glaubigen die Gebetstexte in Volksmessbuchern wie dem Schott mitlasen oder dass ein Vorbeter die wichtigsten Gebete und Lesungen parallel zur lateinischen Rezitation durch den Priester in der Muttersprache vortrug Zu Beginn des 20 Jahrhunderts nahm die Liturgische Bewegung die Anregung Papst Pius X auf der die tatige Teilnahme der Glaubigen an den hochheiligen Mysterien und am offentlichen feierlichen Gebet der Kirche Participatio actuosa als erste und unentbehrliche Quelle des christlichen Geistes bezeichnet hatte 8 Zwischen etwa 1920 und 1950 entwickelten sich Ubergangsformen von der stillen Messe zu starkerer Beteiligung des Volkes Es entstanden die verschiedenen Formen der Gemeinschaftsmesse Wegbereitend war unter anderem der Klosterneuburger Chorherr und Liturgiereformer Pius Parsch Die Sonntagsmesse wurde nun zunehmend als Betsingmesse gefeiert bei der neben dem Evangelium auch die Epistel Lesung aus dem Neuen Testament auf Deutsch vorgetragen und unter anderem auch das Glaubensbekenntnis laut gebetet wurden je nach Brauch der Pfarrgemeinde auch andere Messgebete Der Priester hingegen las weiterhin alle diese Teile der Messe gleichzeitig leise auf Latein Mit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils wurden die Unterscheidungen zwischen Singmesse und Hochamt weitgehend aufgehoben Grundform ist seitdem die Missa cum populo Messe mit dem Volk Gemeindemesse Dennoch ist die Messe ohne Volk Missa sine populo mit nur einem Glaubigen zur Assistenz des Priesters auch weiterhin Teil des Romischen Messbuches in der aktuellen deutschen Ausgabe wurde sie jedoch nicht aufgenommen und ihre Legitimitat wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil und vom nachkonziliaren Lehramt bestatigt 9 Papst Benedikt XVI empfahl 2007 im nachsynodalen Schreiben Sacramentum caritatis den Priestern taglich die heilige Messe zu zelebrieren auch wenn es keine Teilnahme von Glaubigen geben sollte 10 Mit dem Motu proprio Summorum Pontificum Benedikts XVI von 2007 uber den Gebrauch des Missale Romanum von 1962 konnten auch wieder an Wochentagen stille Messen gefeiert werden seit dem Motu proprio Traditionis custodes 2021 von Papst Franziskus jedoch nur noch in eingeschrankter Haufigkeit und nicht in den Pfarrkirchen Literatur BearbeitenJosef Andreas Jungmann Von der hauslichen Eucharistiefeier zur stillen Messe In ders Missarum Sollemnia Eine genetische Erklarung der romischen Messe Band I 5 Aufl Herder Wien Freiburg Basel 1962 S 279 306 Einzelnachweise Bearbeiten Andreas Heinz Missa 9 M lecta In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 7 Herder Freiburg im Breisgau 1998 Sp 282 Josef Andreas Jungmann Missarum Sollemnia Eine genetische Erklarung der romischen Messe Band I 5 Aufl Herder Wien Freiburg Basel 1962 S 301 Josef Andreas Jungmann Missarum Sollemnia Eine genetische Erklarung der romischen Messe Band I 5 Auflage Herder Wien Freiburg Basel 1962 S 301 vgl insgesamt S 268 306 Hans Bernhard Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral Pustet Regensburg 1989 ISBN 3 7917 1200 4 Gottesdienst der Kirche Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4 S 214f Missale Romanum 1962 XVI 2 Vgl Thomas Labonte Die Sammlung Kirchenlied 1938 Entstehung Korpusanalyse Rezeption Francke Verlag Tubingen 2008 ISBN 978 3 7720 8251 1 S 6f Anton Thaler Leonianische Gebete In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 6 Herder Freiburg im Breisgau 1997 Sp 836 Lateinischer Text und deutsche Ubersetzung aus Das vollstandige Messbuch lateinisch und deutsch herausgegeben von den Benediktinern der Erzabtei Beuron Verlag Herder Freiburg 1958 Inter Oecumenici 48 j Die Leoninischen Gebete werden abgeschafft Motu proprio Tra le sollecitudini vom 22 November 1903 SC 57 2 2 Jedem Priester bleibt die Freiheit einzeln zu zelebrieren jedoch nicht zur selben Zeit in derselben Kirche wahrend einer Konzelebration und nicht am Grundonnerstag Helmut Hoping Mein Leib fur euch gegeben Geschichte und Theologie der Eucharistie 1 Auflage Verlag Herder Freiburg im Breisgau 2015 ISBN 978 3 451 34259 2 S 350 Sacramentum caritatis Nr 80 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stille Messe amp oldid 227143955