www.wikidata.de-de.nina.az
Adolf Ludwig Wurth 16 Mai 1905 in Bonndorf 1997 war ein Anthropologe Tsiganologe Zigeunerforscher und nationalsozialistischer Rassentheoretiker an der Rassenhygienischen Forschungsstelle RHF Seine Arbeit fuhrte zu Rassegutachten welche die Grundlage des Porajmos im Dritten Reich waren Er begutachtete auch bei Deportationen Nach 1945 arbeitete er beim Statistischen Landesamt Baden Wurttemberg Adolf Wurth im Hintergrund bei einer Schadelmessung am Kopf 1938 Inhaltsverzeichnis 1 Jugend und Aufnahme des Studiums 2 Assistent bei Eugen Fischer und Promotion 3 Weg zu Ritter und der Zigeunerforschung 3 1 Bemerkungen zur Zigeunerfrage und Zigeunerforschung 1937 3 2 Wurths Erfassung von Zigeunern 1936 1938 3 3 Widerstand gegen Wurth in Schorndorf 3 4 Die Begutachtung des Hitlerattentaters Georg Elser 1939 3 5 Wurths Vorbereitung und Mitwirkung an der Maideportation 1940 4 Nach der Einberufung zur Wehrmacht 5 Nachkriegszeit 6 Veroffentlichungen Auswahl 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseJugend und Aufnahme des Studiums BearbeitenAdolf Wurth stammte aus einer Kaufmannsfamilie die in Bonndorf im Schwarzwald beheimatet war 1 Sein Abitur legte er im Marz 1925 am Berthold Gymnasium Freiburg ab 1 Anschliessend studierte er Medizin Anthropologie Ethnologie und Biologie zunachst funf Semester an der Albert Ludwigs Universitat Freiburg dann vier Semester an der Friedrich Wilhelms Universitat Berlin Durch den Tod der Eltern 1926 und 1930 musste er sein Studium unterbrechen 2 Assistent bei Eugen Fischer und Promotion Bearbeiten nbsp Eugen Fischer Mitte wahrend einer Kundgebung an der Berliner Universitat 1934 Ab 1931 arbeitete Wurth als Doktorand und Assistent bei dem Mediziner Anthropologen und Erbbiologen Eugen Fischer 2 Er wohnte in Fischers Privathaus als eine Art Nachtwachter 3 Wurth forschte in einer Arbeitsgruppe die an Problemen der Erblichkeit und Bildung von Handlinien und Fingerkuppenmustern des in Berlin Dahlem gelegenen Kaiser Wilhelm Instituts fur Anthropologie menschliche Erblehre und Eugenik Diese Forschung hatte praktische Bedeutung fur die Zwillingsdiagnostik Rassen und Vaterschaftsgutachten 4 5 Fur seine Dissertation untersuchte er menschliche Embryonen unter dem Gesichtspunkt der Entstehung der Beugefurchen der menschlichen Hohlhand 6 Der Erstkorrektor seiner Dissertation war Paul Degener 2 In seiner 1937 erfolgten Promotionsprufung wurde er auch von Fischer uber Judengesetzgebung Sterilisationsgesetzgebung und die biologische Begrundung des Fuhrerprinzips gepruft Die Prufer bescheinigten ihm dass er die nationalsozialistische Weltanschauung aus eigener Uberlegung vertreten und verteidigen konne 7 Weg zu Ritter und der Zigeunerforschung Bearbeiten nbsp Adolf Wurth mit Eva Justin beim Vermessen Bild der RHF nbsp Zigeunergenealogie der Rassenhygienischen Forschungsstelle Bild der RHF Bereits 1931 oder 1932 muss sich Wurth erstmals mit Zigeunern beschaftigt haben 2 Nach einem Gesprach mit dem Rassentheoretiker Robert Ritter und Hans Reiter dem Leiter des Reichsgesundheitsamtes ging er im August 1936 als Mitarbeiter zu Ritter nach Tubingen 3 8 1936 zog Ritters Rassenhygienische Forschungsstelle nach Berlin da das Reichsgesundheitsamt keine Aussenstellen haben wollte 3 Wurth arbeitete zu diesem Zeitpunkt schon an den wurttembergischen Zigeunerakten der Kripo in Stuttgart die sehr brauchbares Material besass 3 Diese Akten liessen sich auch genealogisch auswerten da die Standesamter und Kirchenamter in Wurttemberg Familienregister fur Nichtsesshafte gefuhrt hatten 3 Post wurde ihm aus Berlin uber die Kriminalpolizeistelle zugeschickt so dass er auch seine Promotionsurkunde auf diesem Weg erhielt 2 Wurth wurde nun Regierungsrat 9 Bemerkungen zur Zigeunerfrage und Zigeunerforschung 1937 Bearbeiten Es ist nur ein einschlagiges Referat Wurths zur Zigeunerfrage auf einer wissenschaftlichen Fachtagung bekannt Auf einer Tagung der Deutschen Gesellschaft fur Rassenforschung im September 1937 erklarte er Die Zigeunerfrage ist fur uns heute in erster Linie eine Rassenfrage So wie der nationalsozialistische Staat die Judenfrage gelost hat so wird er auch die Zigeunerfrage grundsatzlich regeln mussen Der Anfang ist ja schon gemacht In den Durchfuhrungsverordnungen der Nurnberger Gesetze zum Schutze des deutschen Blutes werden die Zigeuner den Juden hinsichtlich des Eheverbotes gleichgestellt Wurth stellte die Frage ob das was wir als Zigeuner bezeichnen nur ein Sammelbegriff fur alles herumziehende bettelnde verwahrloste und asoziale und kriminelle Gesindel sei und fugte hinzu Um diese Frage beantworten zu konnen gibt es zwei Wege Man versucht genealogisch historisch den Abstammungsnachweise fur jeden heute lebenden sog Zigeuner zu erbringen und 2 durch Anwendung anthropometrischer Methoden die Rassenkomponenten zu analysieren Mit diesen Methoden sei man in der Lage von fast samtlichen in Wurttemberg Hohenzollern Baden Hessen und in der Pfalz lebenden Zigeunern Vorfahrentafeln aufzustellen aus denen wir ersehen ob wir es mit vorwiegend reinen Zigeunern oder mit Mischlingen der verschiedenen Grade und Kombinationen zu tun haben Wurth endete Die Rassenbiologische Zigeunerforschung ist die unbedingte Voraussetzung fur eine endgultige Losung der Zigeunerfrage Die Losung dient dem grossen Ziel das Blut des deutschen Volkes vor dem Eindringen fremdrassigen Erbgutes zu schutzen und zu verhindern dass die weitverbreitete Mischlingspopulation sich immer starker vermehrt 10 11 In der zweiten gedruckten Quelle uber den Vortrag von 1937 wurde Wurth noch deutlicher Es gehe darum die Mischlingspopulation zu verkleinern ja ganz zum Verschwinden zu bringen 12 Wurth trug inhaltlich vor allem das Modell Ritters vor Er war weniger ein Theoretiker der Zigeunerforschung und Bastardbiologie als eher ein Erfassungspraktiker 13 Wurths Erfassung von Zigeunern 1936 1938 Bearbeiten In den erhaltenen Akten der Rassenhygienischen Forschungsstelle finden sich Listen mit Datum und Bearbeiter einzelner Orte 14 Die Listen fur Wurth zeigen wie in der Tabelle zusammengestellt eine intensive Erfassungsarbeit von ca 900 Personen im Zeitraum September 1936 bis September 1938 vor allem im sudwestdeutschen Raum Die erste Erfassungsarbeit Wurths im September 1936 in einem Gefangnis fand vor der Grundung der Rassenhygienischen und Kriminalbiologischen Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamtes im November 1936 statt 15 nbsp Ravensburg Mahnmal zum Gedenken an die 29 in Auschwitz ermordeten Sinti aus RavensburgDatum Ort Anzahl der Personen26 September 1936 Gefangnis 2Februar 1937 Weil i Sch 8Marz 1937 Herbertingen 2Marz 1937 Steinhofen 13Marz 1937 Lomersheim 6Marz 1937 Magstadt 8Marz 1937 Markgroningen 3Marz 1937 Mergentheim 10Marz 1937 Benningen 4Marz 1937 Buchau 5Marz 1937 Sindelfingen 73 Marz 1937 Renningen 4April 1937 Ravensburg 40Juli 1937 Freiburg 1513 Dezember 1937 Berlin Forschungsstelle 1Januar Februar 1938 Heidelberg 17Januar 1938 Mannheim 45Marz 1938 Stuttgart 89Marz 1938 Tubingen 10Marz 1938 Reutlingen 20Marz 1938 Gmund 2Marz April 1938 Gotteszell 5April 1938 Karlsruhe 8019 Mai 1938 Berlin Forschungsstelle 1Juni 1938 Heilbronn 10Juni 1938 Schorndorf 10Juni 1938 Renningen 818 Juni 1938 Nagold 320 Juni 1938 Mohringen 222 Juni 1938 Tubingen 4Juni Juli 1938 Gefangnisse Horb Rottweil Schwabisch Hall Esslingen am Neckar Tettnang 17Juni Juli 1938 Magstadt 9Juli 1938 Singen 11Juli 1938 Ravensburg 35Juli 1938 Welzheim 91 Juli 1938 Weil i Sch 518 Juli 1938 Engen 130 Juni 1938 Sindelfingen 1Juli 1938 Friedrichshafen Spaltenstein 13Juli August 1938 Landstrasse in Oberschwaben und Nordbaden 247August 1938 Herbolzheim 9August 1938 Freiburg 1313 August 1938 Rastatt 814 August 1938 Muggensturm 1016 August 1938 Karlsruhe 7125 August 1938 Nendingen 19 September 1938 Berlin Forschungsstelle 2Die Mergentheimer Untersuchung im Marz 1937 ist nachweislich mit der Aktion Arbeitsscheu Reich Mitte Juni 1938 verbunden bei der mindestens 200 mannliche arbeitsfahige Personen Asoziale pro Kriminalpolizeileitstelle festgenommen und in einem KZ inhaftiert werden sollten Diese Aktion umfasste als Zielgruppe auch Zigeuner und nach Zigeunerart umherziehende Personen 16 Sie uberschnitt sich zwar zeitlich mit Wurths Erhebungen jedoch lagen zwischen der Untersuchung eines Mergentheimer Sinto im Marz 1937 und seiner Verschleppung im Juni 1938 fast 15 Monate Spater wurde diese zeitliche Lucke enger Einer der in Wurttemberg im Juni 1938 Verhafteten und in das Konzentrationslager Dachau Verschleppten war also nachweislich bereits im Jahr zuvor am 21 Marz 1937 in Bad Mergentheim von Wurth untersucht worden Ihn hatte das Wurttembergische Landjagerkorps in Mergentheim schon am 20 Januar 1937 nach der Aufforderung der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart zur Meldung von Zigeunerfamilien nach Stuttgart gemeldet 17 Wenige Wochen nach der Untersuchung des Mergentheimer Sinto im Marz 1937 durch Wurth meldete ihn am 2 Juni 1937 auch die Mergentheimer Stadtpolizei nach Stuttgart und zwar dieses Mal aufgrund der Aufforderung der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart zur Meldung von jenischen Sippen allerdings ist er in dieser zweiten Meldung als Zigeuner bezeichnet 18 Erst uber ein Jahr spater am 17 Juni 1938 wurde der Mergentheimer Sinto von der Stadtpolizei verhaftet 19 Er ist im Zugangsbuch des KZ Dachau eingetragen worden am 27 Juni 1938 unter der Nr 17635 20 War also die zeitliche Lucke zwischen der Untersuchung des Mergentheimer Sinto durch Wurth im Marz 1937 und der polizeilichen Aktion Arbeitsscheu Reich im Juni 1938 mit 15 Monaten ziemlich gross so schloss sie sich im Sommer 1938 bei der sogenannten Kettenabschiebung von Sinti aus Nordbaden in Richtung Bayern 21 Am 6 August 1938 untersuchte Wurth Sinti die im nordbadischen Treschklingen arbeiteten und kaum eine Woche spater am 10 August wurden die Sinti von dort durch die Polizei Richtung Bayern weggeschafft 22 Hinter dem Eintrag Landstrasse von Juli bis August 1938 in den Arbeitsberichten von Wurth steht im Folgenden also die Erfassung von 247 namentlich genannten Personen in zahlreichen kleinen Ortschaften vor allem in Oberschwaben und Nordbaden Besonders fur die nordbadischen Orte Babstadt Daisbach Rappenau Treschklingen und Zimmerhof lasst sich dabei ein engster zeitlicher Zusammenhang der Untersuchung durch Wurth mit der polizeilichen Kettenabschiebung erweisen In Nordbaden begleitete Wurth offenbar nicht nur polizeiliche Razzien sondern er wusste wahrscheinlich uber die bevorstehende Kettenabschiebung Bescheid und untersuchte auf deren Termin hin Nutzte er die damit verbundene polizeiliche Uberwachung der Sinti zu seinen Untersuchungen aus oder nannte er sogar der Polizei die aufgrund seiner Untersuchungen zu deportierenden Sinti als Zigeuner oder Zigeunermischlinge Die Orte der Landstrasse sind bzw waren Asch Babstadt Daisbach Dettlingen Guglingen Hattingen Kirchheim Markgroningen Markund Nendingen Neuenheim bei Heidelberg Oberndorf Rappenau Rippoldsau Treschklingen Trossingen Tuningen Tuttlingen Villingendorf Vollingen Wildes Ried am Federsee oder bei Winterstettendorf Wutzach vermutlich Bad Wurzach und Zimmerhof zwischen Bad Rappenau und Heinsheim Ein weiteres Beispiel fur das Schicksal der von Wurth Erfassten sind Mitglieder einer Sintifamilie die er am 12 und 13 April 1938 in Karlsruhe genealogisch und rassenkundlich erfasste Sie wurden am 16 Mai 1940 aus Mainz deportiert im Sammellager wiederum von ihm begutachtet und von der Polizei ins Generalgouvernement weiterdeportiert Die beiden Urgrosseltern starben 1942 in den Konzentrationslagern Dachau und Ravensbruck Drei Enkel wurden im Mai 1943 ins Zigeunerfamilienlager Auschwitz eingeliefert wo zwei dem Volkermord zum Opfer fielen 23 Widerstand gegen Wurth in Schorndorf Bearbeiten Als Wurth am 2 April 1938 in Schorndorf eintraf wehrte sich Anton Guttenberger entschieden gegen die vorgesehenen Untersuchungen seiner Familie In einer Meldung an den Schorndorfer Burgermeister heisst es Guttenberger weigert sich sich untersuchen zu lassen mit folgender Begrundung Er und seine Familie seien keine Zigeuner auch wenn sie Zigeuner waren liessen sie sich nicht rassenkundlich untersuchen da es hierfur kein Gesetz gebe Dr Wurth erklart dass seine weiteren Untersuchungen in Wurttemberg durch die Weigerung des Guttenberger in Frage gestellt seien da auch andere Zigeuner in anderen Orten sich auf das Beispiel des Guttenbergers berufen werden 24 Wurth erschien im Juli 1938 erneut in Schorndorf und erfasste 9 Mitglieder der Familie Anton Guttenberger war nicht darunter 25 1939 mussten die Familienmitglieder eine Erklarung unterschreiben Es ist mir heute eroffnet worden dass ich meinen Wohnsitz oder jeweiligen Aufenthaltsort ohne Genehmigung nicht verlassen darf widrigenfalls werde ich wegen Verstosses gegen Ziff 1 des Erl des Reichssicherheitshauptamtes vom 17 10 1939 in ein Konzentrationslager eingewiesen 26 27 Die Weigerung Anton Guttenbergers konnte die Deportation nicht verhindern Als Zigeunermischlinge eingestuft wurden er und seine Familie im Marz 1943 nach Auschwitz deportiert wo die meisten Angehorigen ermordet wurden 24 28 An die Familie erinnern seit Oktober 2008 Stolpersteine vor dem ehemaligen Wohnhaus 29 Die Begutachtung des Hitlerattentaters Georg Elser 1939 Bearbeiten Ritter arbeitete schon 1936 eng mit Arthur Nebe zusammen bei Besprechungen war Wurth oft anwesend 30 Nebe war seit 1937 der Chef des Reichskriminalpolizeiamtes Amt V des Reichssicherheitshauptamtes Nebe benotigte Ritters kriminalbiologische Kompetenz und Ritter Nebes nationalsozialistische Protektion 30 Auf Auftrag Nebes untersuchte Wurth Georg Elser der am 8 November 1939 ein Attentat auf Adolf Hitler verubt hatte Nebe habe nach Angaben von Wurth vermutet Elser sei ein Zigeuner Wurth uberbrachte gemeinsam mit Eva Justin personlich die Nachricht dass Elser kein Zigeuner sei 30 Wurths Vorbereitung und Mitwirkung an der Maideportation 1940 Bearbeiten nbsp Deportation Mai 1940 Sinti unter Polizeibewachung in der Festung Hohenasperg Bild der RHF nbsp Deportation Mai 1940 Sinti werden von der Polizei durchs Dorf Richtung Bahnhof gefuhrt Bild der RHF nbsp Deportation Mai 1940 Zug ins Generalgouvernement Bild der RHF Nach dem Uberfall auf Polen fand am 21 September 1939 in Berlin eine Leiterkonferenz des RSHA uber die kunftige Rassenpolitik statt 31 Bei dieser oder anderen Besprechungen des Herbstes 1939 im RSHA war u a Wurth als Vertreter des RHF beteiligt Auf Anregung der RHF sei aus praktischen Erwagungen die Deportation ins Fruhjahr 1940 verschoben worden 32 Ab Oktober 1939 wurde vom Reichskriminalpolizeiamt eine Zigeunererfassung d h Listen zusammengestellt die die Deportation ermoglichen sollte 33 Den Anlass und Vorwand zu der am 16 Mai 1940 begonnenen Deportation von reichsweit ca 2500 Sinti und Roma von der Westgrenze boten rassistische Vorstellungen u a der Verdacht auf Spionage 34 Der Angriff auf Frankreich begann am 10 Mai 1940 In der Nacht vom 15 auf den 16 Mai 1940 wurden auch in Rheinhessen Hessen und der Pfalz ca 500 Sinti und Roma von der Polizei verhaftet und uber das Sammellager Festung Hohenasperg ins Generalgouvernement deportiert 35 Wurth untersuchte in einem der reichsweit drei Sammellager der Maideportation die Familien mit Kindern Neugeborenen und hochbetagten Greisen auf Grundlage der Karteien der Rassenhygienischen Forschungsstelle Das Erscheinen Wurths am 18 Mai in der Haftanstalt Hohenasperg war laut Polizeibericht notig geworden weil der Polizeileitstelle in Frankfurt die ortspolizeilichen Listen nicht vorlagen die zu evakuierende Grenzzone war kurzfristig erweitert worden Das Reichskriminalpolizeiamt Berlin wurde durch ein dringendes Staatsgesprach verstandigt und um einen Sachverstandigen gebeten Wurth sagte sein Kommen zu Nach Angaben von Dr Wirth sic liegen die ortspolizeilichen Listen noch in Berlin Ihm selbst war uberhaupt nicht bekannt dass aus dem Bereich der Leitstelle Frankfurt a M Zigeuner fur eine Umsiedlung in Frage kamen Er ging sofort an die Begutachtung der von der Kripostelle Darmstadt eingelieferten Zigeuner Zu diesem Zweck hatte er seine Kartei fur die Kripostelle Darmstadt mitgebracht 36 37 Die Kripostelle Darmstadt war Frankfurt und Mainz ubergeordnet Nur 22 Personen wurden von Wurth als Nicht Zigeuner eingestuft und nach Hause geschickt 35 Nach dem Bericht der Polizei uber die Deportation hatte er anfanglich noch weitere Personen beanstandet da aber der Adam Muller mit einer Z verheiratet ist und er keinesfalls in der Lage ist seine deutschblutige Abstammung nachzuweisen wurde er auch als Z M bezeichnet und evakuiert 36 Wurth konnte nach eigenen Angaben in einem Interview in den 80er Jahren auch organisatorische Details der Deportation verbessern etwa dass die Deportierten sich im Hof statt in Zellen aufhalten durften oder die Reihenfolge in der das Verladen Wurth in den Zug zu erfolgen hatte 38 Im Deportationsbericht der Polizei wurden solche Verbesserungen die einen reibungslosen Ablauf ermoglichen sollten detailliert diskutiert Wurth gab zu seiner Entlastung in den 80er Jahren an dass ihm ein die Deportation begleitender Polizist nach 1945 erzahlte habe die Sinti hatten auf offener Strecke im Generalgouvernement aussteigen mussen und seien also nicht ins KZ eingewiesen worden 39 Die Zigeuner hatten am Hohenasperg unterschreiben mussen dass sie nach Deutschland nicht zuruckkehren wurden Naturlich so Wurth seien spater einzelne Sinti im Reichsgebiet aufgetaucht 39 Richtig ist dass etwa 490 Personen 40 bei Jedrzejew zunachst ausgesetzt dann zur Zwangsarbeit in Steinbruchen beim Strassenbau und in der Rustungsindustrie gepresst und schliesslich im Ghetto von Radom interniert wurden wo 1942 eine Typhusepidemie grassierte der viele zum Opfer fielen 41 Dass Wurth von einzelnen im Reichsgebiet aufgegriffenen Zigeunern erfahren konnte belegt die enge Vernetzung der Zigeunerexperten aus dem Reichsgesundheitsamt mit Polizei und RSHA 42 Rosa Wiegand die im Mai 1940 aus Worms uber den Hohenasberg deportiert wurde fluchtete in Polen wurde 1941 in Wiesbaden erneut verhaftet und ins KZ Ravensbruck eingeliefert 43 Nach der Einberufung zur Wehrmacht BearbeitenWurth wurde nach eigenen Angaben eingezogen und als Fahrer und Schreibkraft bei der Waffenstillstandskommission im franzosischen Bourges eingesetzt Bis fast zum Kriegsende sei er in Frankreich geblieben 44 1941 sollten alle Zigeuner aus der Wehrmacht entlassen werden Wurth fand die getroffene Reglung unzureichend und bemuhte sich wahrend eines Urlaubes um eine bessere Losung mit der zustandigen Stelle Die Betroffenen sollten sich so Wurth ursprunglich freiwillig melden Er klarte die Oberste Heeresleitung dann auf dass verdachtige Personen uber das Reichskriminalpolizeiamt an das Reichsgesundheitsamt zu melden seien wo wir Forschungsstelle alles Material uber Zigeuner haben 39 Nach Auskunft Wurths scheiterte ein Antrag Ritters ihn UK d h unabkommlich zu stellen Ritter habe den Fehler gemacht einen SS Fuhrer um eine positive Beurteilung des Gesuchs zu bitten die Wehrmacht habe darauf verschnupft reagiert Die SS soll die Zigeunerforschung selbst machen 39 Wurth war nach eigenen Angaben das letzte Mal 1942 in der Rassenhygienischen Forschungsstelle die zu diesem Zeitpunkt eine Verlagerung nach Mecklenburg diskutierte Wurth schlug die Anstalt im wurttembergischen Winnenden vor 45 Nachkriegszeit BearbeitenWurth war nach dem Krieg bis zu seiner Pensionierung beim Statistischen Landesamt Baden Wurttemberg als Beamter beschaftigt 46 Sein Kontakt zu Ritter ist mindestens bis in das Jahr 1947 belegt 47 Das erste Strafverfahren wegen Mordes gegen ihn und Sophie Ehrhardt wurde von der Staatsanwaltschaft Koln 1961 eroffnet und 1963 eingestellt 48 Das zweite Strafverfahren wiederum gegen Wurth und Ehrhardt wurde 1986 eingestellt 49 Um 1983 gab er dem wissenschaftshistorisch arbeitenden Genetiker Benno Muller Hill in seiner Privatwohnung ein langeres Interview das dieser in dem Buch Todliche Wissenschaft veroffentlichte Darin ausserte sich Wurth uber seine Arbeit fur die Rassenhygienische Forschungsstelle leugnete aber den Zusammenhang zwischen Erfassungsarbeit und Einweisungen in Konzentrationslager 50 In der Literatur etwa ab 1990 uber die NS Zigeunerforschung wird Wurths Beitrag zum Volkermord an Sinti und Roma ebenso kritisch dargestellt wie in lokalgeschichtlichen Arbeiten zur Verfolgung von Sinti und Roma Auch in der fur den Deutschen Bundestag erstellten Analyse uber Antiziganismus und Porajmos 2009 wird er ausdrucklich als einer der Mitverantwortlichen der NS Zigeunerverfolgung genannt der uber Leben und Tod entschieden hat 51 Veroffentlichungen Auswahl BearbeitenDie Entstehung der Beugefurchen der menschlichen Hohlhand Medizinische Dissertation Berlin 1937 auch in Zeitschrift fur Morphologie und Anthropologie Band 36 1937 Nr 2 S 187 214 Bemerkungen zur Zigeunerfrage und Zigeunerforschung in Deutschland In Anthropologischer Anzeiger Stuttgart August 1938 Die Zigeuner und Zigeunermischlingsfrage in Deutschland In Offentlicher Gesundheits Dienst Teil A 1939 40 S 36 Literatur BearbeitenJoachim S Hohmann Robert Ritter und die Erben der Kriminalbiologie Zigeunerforschung im Nationalsozialismus Peter Lang Frankfurt am Main 1991 ISBN 978 3 631 43984 5 Arno Huth Verfolgung der Sinti Roma und Jenischen im landlichen Raum des Kraichgaus des Neckartales des Elztales und des Baulandes Eine Dokumentation Herausgegeben von der KZ Gedenkstatte Neckarelz e V Eigendruck Mosbach Neckarelz 2009 Martin Luchterhandt Der Weg nach Birkenau Entstehung und Verlauf der nationalsozialistischen Verfolgung der Zigeuner Lubeck 2000 Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft fur Polizeigeschichte e V Bd 4 Benno Muller Hill Todliche Wissenschaft Reinbek 1988 darin ein Gesprachsprotokoll zwischen Muller Hill und Wurth S 152 157 Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 596 16048 8 Romani Rose Walter Weiss Sinti und Roma im Dritten Reich Gottingen 1991 Michael Zimmermann Rassenutopie und Genozid Die nationalsozialistische Vernichtungspolitik gegen Sinti und Roma Hamburg 1996Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Adolf Wurth im Katalog der Deutschen NationalbibliothekEinzelnachweise Bearbeiten a b Hohmann 1991 S 275 a b c d e Hohmann 1991 S 276 a b c d e Muller Hill S 152 Reinhard Rurup Wolfgang Schieder Doris Kaufmann Susanne Heim 2006 Geschichte der Kaiser Wilhelm Gesellschaft im Nationalsozialismus Wallstein Verlag 2006 S 206 Binut Massin Rasse als Beruf In Hans Walter Schmuhl Rassenforschung an Kaiser Wilhelm Instituten vor und nach 1933 2003 S 209 Titel der Dissertation Die Entstehung der Beugefurchen der menschlichen Hohlhand Hohmann 1991 S 277 Ernst Klee Deutsche Medizin im Dritten Reich Karrieren vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 10 039310 4 S 128 Hohmann 1991 S 279 Wurth 1937 Bemerkungen zur Zigeunerfrage und Zigeunerforschung in Deutschland Nach Hohmann 1991 S 277 279 Vgl Adolf Wurth in Anthropologischer Anzeiger vom August 1938 Die Zigeuner und Zigeunermischlingsfrage in Deutschland In Offentlicher Gesundheits Dienst Teil A 1939 40 S 36 Nach Hohmann 1991 S 277 279 Wertung von Hohmann 1991 S 277 Bundesarchiv Bestand R 165 38 Grundungsdatum siehe Arnulf Scriba Ausgrenzung und Verfolgung von Sinti und Roma Abgerufen am 27 April 2015 Wolfgang Ayass Ein Gebot der nationalen Arbeitsdisziplin Die Aktion Arbeitsscheu Reich In Beitrage zur nationalsozialistischen Gesundheits und Sozialpolitik Bd 6 Berlin 1988 S 43 74 PDF Ayass Darstellung ist im regionalen Teil leider ohne Angaben zu Wurttemberg Die Meldung erfolgte vermutlich aufgrund der Ausschreibung im Nachrichtenblatt der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart vom 18 Januar 1937 Nr 858 siehe BArch Berlin R 165 112 Blatt 19 und 20 Diese zweite Meldung geschah offensichtlich aufgrund der Ausschreibung im Nachrichtenblatt der Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart vom 14 oder 19 Mai 1937 Nr 902 s BArch Berlin R 165 112 Blatt 4 5 und 7 Grundlage der Verhaftung war hochstwahrscheinlich der Erlass des Reichskriminalpolizeiamtes in Berlin vom 1 Juni 1938 Az RKPA Nr 6001 295 38 Vorbeugende Verbrechensbekampfung durch die Polizei Auskunft aus dem Bestand des Internationalen Suchdienstes in Bad Arolsen Die im Staatsarchiv in Ludwigsburg erhaltene Akte des Entschadigungsverfahrens aus dem Landesamt fur Wiedergutmachung Stuttgart enthalt weitere Dokumente mit Aussagen des Uberlebenden und weiterer Beteiligter Zu den Kettenabschiebungen von der Westgrenze des Reichsgebiets im August 1938 siehe Martin Luchterhandt Der Weg nach Birkenau Entstehung und Verlauf der nationalsozialistischen Verfolgung der Zigeuner Lubeck 2000 Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft fur Polizeigeschichte e V Bd 4 Siehe Arno Huth 2009 S 41f Zusammenstellung der Arbeitsliste Wurth der Deportationsliste Mainz und der Totenbucher von Auschwitz Siehe auch Krausnick Abfahrt Karlsruhe Anmerkung Z5377 Z5376 Z5942 a b Uwe Jens Wandel Die Schorndorfer Familie Guttenberger In Heimatblatter Jahrbuch fur Schorndorf und Umgebung Bd 7 1989 studienkreis widerstand 1933 45 de Memento vom 7 Januar 2004 im Internet Archive Bundesarchiv Bestand R 165 38 Arbeitsliste Wurths Eroffnungsbescheinigung PDF Abgerufen am 27 April 2015 englisch A Memorial for a Sinti Family Learning from History abgerufen am 27 April 2015 englisch Die Deportation der Familie Guttenberger begann am 15 Marz 1943 von Schorndorf nach Stuttgart und ist u a uber eine Kostenabrechnung der Polizei belegt Online PDF 23 kB in englischer Ubersetzung Stolpersteine gegen das Vergessen Vor dem Haus Rommelgasse 8 Namen erinnern an Graueltaten der Nazis Eine Aktion der NaturFreunde In aufstieg Zeitschrift der NaturFreunde Wurttemberg 4 2008 a b c Muller Hill S 153 Rose 2003 S 90 Zimmermann 1996 S 169 Interview Wurth mit Muller Hill 1988 S 153 Hans Joachim Dohring 1959 Die Motive der Zigeuner Deportation vom Mai 1940 In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 1959 4 PDF 5 5MB S 428 Gibt unkritisch eine Schutzbehauptung Ritters aus dem Strafverfahren gegen Ritter wieder STA Frankfurt M 55 3 Js 5582 48 Ritter behauptet er sei nie uber Zigeuner betreffende Massnahmen Einweisungen in Konzentrationslager usw unterrichtet worden habe jedoch von dem Befehl zu einer Umsiedlung der Zigeuner nach Polen im Winter 1939 40 gehort und sei gegen dieses Vorhaben angegangen was nicht ohne Erfolg geblieben sei Die Darstellung seines Mitarbeiters Wurth widersprach hier seinem ehemaligen Chef nicht nur sondern sprach von einer direkten personlichen Beteiligung an der Planung mit Einfluss auf den Zeitpunkt der Deportation Die von Heydrich im Protokoll der Sitzung angegebene Zahl von 30 000 Zigeunern im Reichsgebiet spricht ebenfalls fur eine Beteiligung die gleiche Zahl wird von Ritter erst 1941 veroffentlicht Dohring ebd S 426 Hans Joachim Doring 1962 Die Zigeuner im Nationalsozialistischen Staat Darin enthalten auch die Richtlinien fur die Umsiedlung von Zigeunern Erster Transport aus der westlichen und nordwestlichen Grenzzone vom 27 4 1940 Online auf home balcab ch Dohring 1959 diskutiert die einzelnen Grunde a b Hedwig Bruchert Nationalsozialistischer Rassenwahn PDF Abgerufen am 27 April 2015 a b Polizeibericht uber die Deportation HHStA Abt 407 863 nach Hartmut Bohrer Die Deportation der Familie Lehmann PDF Abgerufen am 27 April 2015 Auch Zimmermann 1996 S 45 erlautert Wurths Arbeit in dem Sammellager Muller Hill S 153f a b c d Muller Hill S 154 Die Zahl setzt sich aufgrund einer Zusammenstellung der Rassenhygienischen Forschungsstelle von Mitte 1940 wie folgt zusammen Baden 150 Saarpfalz 160 Hessen 180 Zeitgleich wurden aus Koln 600 Dusseldorf 330 Hanover Braunschweig 130 Weser 30 nordlich von Hanover 750 zusammen also 2330 Sinti und Roma deportiert Dokument ist wiedergegeben in Arnold Die NS Zigeunerverfolgung Ihre Ausdeutung und Ausbeutung S 32 Sauer 2004 S 304 Polizeiliche Meldungen von Einzelpersonen erreichten auch die Rassenhygienischen Forschungsstelle der Bestand des Bundesarchivs R 165 205 ist dafur ein Beispiel Rose Weiss 1991 S 49 Muller Hill S 154 Achtung Ort Prufen Muller Hill S 155 Dies ist insofern von Bedeutung als die Verlagerung der Akten und der Sammlung der Forschungsstelle tatsachlich nach Wurttemberg erfolgte Hohmann 1991 S 280 Muller Hill S 156 Bausteine Sinti und Roma Arnold Die NS Zigeunerverfolgung Ihre Ausdeutung und Ausbeutung S 95f Muller Hill S 152 157 Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages Hrsg 2009 Antiziganismus und Porajmos PDF Memento vom 16 September 2011 im Internet Archive Normdaten Person GND 127685693 lobid OGND AKS VIAF 74882605 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Wurth AdolfALTERNATIVNAMEN Wurth Adolf LudwigKURZBESCHREIBUNG deutscher Anthropologe und TsiganologeGEBURTSDATUM 16 Mai 1905GEBURTSORT BonndorfSTERBEDATUM 1997 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Adolf Wurth Mediziner amp oldid 239187874