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Das Kaiser Wilhelm Institut fur Anthropologie menschliche Erblehre und Eugenik KWI A wurde 1927 in Berlin Dahlem als Einrichtung der Kaiser Wilhelm Gesellschaft gegrundet und bestand bis zum Kriegsende 1945 Das Institut lieferte die wissenschaftliche Legitimation fur die nationalsozialistische Rassenpolitik und war an zahlreichen NS Staatsverbrechen beteiligt Das Institutsgebaude Ihnestrasse 22 wird heute vom Otto Suhr Institut der Freien Universitat Berlin genutzt Gebaudeansicht 2005 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Abteilungen 3 Forschungsschwerpunkte 4 Mitwirkung an NS Verbrechen 5 Finanzierung 6 Das Ende des Instituts 7 Mitarbeiter 7 1 Direktoren 7 2 Weitere wissenschaftliche Mitarbeiter 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseEntstehung BearbeitenIn der Weimarer Republik formierte sich eine breite rassenhygienische Bewegung die mit gezielter Bevolkerungspolitik eine Degeneration des deutschen Volkes abwenden wollte Schon 1922 hatten prominente Wissenschaftler die Einrichtung eines rassenkundlichen Instituts in Deutschland gefordert Adolf von Harnack der Prasident der Kaiser Wilhelm Gesellschaft unterstutzte die Einrichtung eines wissenschaftlichen Zentrums fur Anthropologie menschliche Vererbungslehre und Eugenik mit der Begrundung Deutschland musse mit Schweden den USA Frankreich und Grossbritannien gleichziehen 1 Die Einrichtung des Instituts wurde von einer breiten Koalition getragen von den Sozialdemokraten uber das katholische Zentrum bis hin zum aussersten rechten Rand des Parteienspektrums 2 Das Institut unter der Leitung von Eugen Fischer wollte eine disziplinenubergreifende Leitwissenschaft vom Menschen entwickeln und sich bewusst von politischen Eiferern und Dilettanten in der Rassenhygiene Bewegung absetzen 3 Die Berliner Richtung der deutschen Rassenhygiene ging damit auf Distanz zur volkischen Munchner Richtung die die Uberlegenheit der nordischen Rasse propagierte 4 Abteilungen BearbeitenDas Institut war zunachst in drei Abteilungen gegliedert Die Abteilung fur Anthropologie leitete Eugen Fischer die fur menschliche Erblehre der Humangenetiker Otmar von Verschuer NSDAP und die fur Eugenik Hermann Muckermann Nach der Machtubernahme der Nationalsozialisten schied Muckermann auf politischen Druck aus sein Nachfolger wurde Fritz Lenz NSDAP der die Eugenik Abteilung in Abteilung fur Rassenhygiene umbenannte In spateren Jahren veranderte sich die Struktur des Instituts mehrmals unter anderem wurden Abteilungen fur Erbpsychologie und Erbpathologie gegrundet Forschungsschwerpunkte BearbeitenInstitutsdirektor Eugen Fischer wollte die Anthropologie von der Schadelmesserei zu einer biologischen Vererbungswissenschaft weiterentwickeln Er etablierte ein Forschungsprogramm das die Kombination von Rasse und Erbe 5 untersuchen sollte Zuchtversuche an Tieren aber auch Untersuchungen von Menschen sollten den Einfluss von Erb und Umweltfaktoren klaren Ein Schwerpunkt war von Anfang an die Zwillingsforschung unter Verschuer die die Erblichkeit von zahlreichen Krankheiten aber auch von Charakterzugen wie krimineller Neigung belegen wollte Im Dritten Reich trat die Forschungsarbeit zeitweise in den Hintergrund stattdessen etablierte sich das Institut als rassenhygienische und erbbiologische Schulungsstatte Dass die Rassenforschung keine wertfreie Wissenschaft war zeigt sich in einer Rede Fischers kurz nach der Machtubernahme durch die Nationalsozialisten Was der Darwinismus nicht fertig gebracht hatte die Lehre von der Gleichheit der Menschen zu zerstoren das gelang der neuen Erblehre sagte er in seiner Funktion als Rektor der Berliner Universitat 6 Nach der Berufung Verschuers nach Frankfurt am Main im Jahr 1935 gab es keine eigenstandige Abteilung fur Erblehre mehr Die neugegrundete Abteilung fur Erbpsychologie unter Privatdozent Kurt Gottschaldt fuhrte die Zwillingsforschung unter psychologischem Schwerpunkt weiter Im Zweiten Weltkrieg formulierte Institutsdirektor Eugen Fischer mit dem Begriff der Phaenogenetik ein neues Forschungsparadigma Untersucht werden sollte wie sich aus Erbanlagen bestimmte Erbmerkmale herausbildeten 7 Nachdem Verschuer im Jahr 1942 Institutsleiter wurde nahm die medizinisch klinische Forschung einen grosseren Stellenwert ein Mitwirkung an NS Verbrechen Bearbeiten nbsp Gedenktafel zur Erinnerung an die NS VerbrechenDas Kaiser Wilhelm Institut fur Anthropologie menschliche Erblehre und Eugenik stellte sich nach einer Selbstgleichschaltung 8 in den Dienst des NS Regimes Auf politischen Druck rettete sich Eugen Fischer in einen Formelkompromiss indem er die Juden in Deutschland zwar nicht als minderwertig aber als andersartig bezeichnete weshalb sie als volksfremde Elemente abzusondern seien 9 Das Institut lieferte die wissenschaftliche Legitimitatsgrundlage fur die Erbgesundheits und Rassenpolitik des nationalsozialistischen Staates 10 Fischer und seine Institutskollegen verteidigten die Grundsatze der NS Rassenpolitik auf internationalen Konferenzen und trugen damit dazu bei den aussenpolitischen Druck auf das NS Regime zu vermindern Als Gutachter nahmen die Institutsmitarbeiter an der Erfassung und Aussonderung von Juden Sinti und Roma Rheinlandbastarden Fremdvolkischen und Erbkranken teil was fur die Betroffenen haufig die Zwangssterilisierung oder die Einweisung in ein Konzentrationslager bedeutete Auch an Planungen im Rahmen des Generalplans Ost und eines beabsichtigten Kolonialreichs im Norden Afrikas war das Institut beteiligt Die Wissenschaftler des Instituts griffen in ihren anthropologischen Untersuchungen auf Menschen zuruck denen das Recht uber den eigenen Korper abgesprochen wurde etwa KZ Haftlinge Kriegsgefangene und Minderjahrige Anfang 1943 arbeitete Josef Mengele der in Frankfurt am Main bei Verschuer promoviert hatte am Institut mit Wahrend seiner Tatigkeit als Lagerarzt im Konzentrationslager Auschwitz sendete Mengele Blutproben und Leichenteile zur Untersuchung nach Dahlem 11 Eine Gedenktafel am Eingang des Institutsgebaudes Ihnestrasse 22 heute Sitz des Otto Suhr Instituts fur Politikwissenschaft der Freien Universitat Berlin erinnert an die Verstrickung des Kaiser Wilhelm Instituts in die NS Verbrechen Die Behauptung auf der Tafel wonach Mengeles Zwillingsforschung in Auschwitz im Institut geplant wurde lasst sich jedoch nach der neueren Forschung in dieser Form nicht aufrechterhalten Mit dem Kaiser Wilhelm Institut fur Hirnforschung in Berlin Buch gab es seit 1933 eine enge Zusammenarbeit insbesondere in der Mutations und Strahlen Forschung die in diesem Institut eine selbstandige Abteilung unter der Leitung von Nikolai Wladimirowitsch Timofejew Ressowski besass 12 Finanzierung BearbeitenDas Institut wurde vor allem durch staatliche Stellen finanziert Wahrend das Institut in der Weimarer Republik immer wieder Finanzierungsengpasse hatte sorgten die Nationalsozialisten fur eine intensive Forderung der Rassenforschung Grosszugige Finanzierung erfuhr das Institut von der US amerikanischen Rockefeller Stiftung von 1932 bis 1935 fur die Zwillingsforschung von Otmar von Verschuer 13 Das Ende des Instituts BearbeitenDas Institut wurde 1943 kriegsbedingt nach Beetz Mark und Rottmannshagen bei Stavenhagen sowie nach Lubbecke teilverlagert In den letzten Monaten trug es einen neuen Namen Zum 70 Geburtstag des Institutsgrunders wurde das Forschungszentrum im Juni 1944 in Eugen Fischer Institut umbenannt 1945 wurde das Institut weiter von Berlin Dahlem nach Solz bei Bebra verlagert Nach Kriegsende 1945 wurde das Institut nicht weitergefuhrt Nur die in Berlin verbliebene Abteilung fur experimentelle Erbpathologie wurde 1953 als Max Planck Institut fur vergleichende Erbbiologie und Erbpathologie in die Max Planck Gesellschaft ubernommen Im Jahr 1964 entstand hieraus das Max Planck Institut fur molekulare Genetik Zahlreiche Wissenschaftler konnten ihre Karrieren in der Bundesrepublik Deutschland fortsetzen Verschuer erhielt 1951 eine Professur fur Humangenetik in Munster die er bis zu seiner Emeritierung 1965 innehatte Der Dahlemer Kreis ehemaliger Institutsmitarbeiter ubte einen entscheidenden Einfluss auf die Humangenetik und Anthropologie im Nachkriegsdeutschland aus 14 Mitarbeiter BearbeitenDirektoren Bearbeiten 1927 1942 Eugen Fischer 1943 1967 Auswartiges Wissenschaftliches Mitglied der Kaiser Wilhelm Gesellschaft 1942 1948 Otmar von Verschuer zuvor 1934 1935 Wissenschaftliches Mitglied 1935 1942 Auswartiges Wissenschaftliches Mitglied der Kaiser Wilhelm GesellschaftWeitere wissenschaftliche Mitarbeiter Bearbeiten 1927 1929 Lothar Loeffler 1931 1945 Wolfgang Abel 1933 1935 Wolfgang Lehmann 1934 1936 Johann Schaeuble 1934 1945 Fritz Lenz 1935 1939 Horst Geyer 1941 1945 Hans Nachtsheim 1941 1945 Karin Magnussen 1942 1943 Siegfried Liebau 1945 Lieselotte BlockLiteratur BearbeitenNiels C Losch Rasse als Konstrukt Leben und Werk Eugen Fischers Europaische Hochschulschriften Europaischer Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 1997 ISBN 3 631 31746 8 Hans Peter Kroner Von der Rassenhygiene zur Humangenetik Das Kaiser Wilhelm Institut fur Anthropologie menschliche Erblehre und Eugenik nach dem Kriege Medizin in Geschichte und Kultur Band 20 Gustav Fischer Stuttgart u a 1998 ISBN 3 437 21228 1 zugleich Habilitationsschrift Westfalische Wilhelms Universitat Munster 1995 Peter Weingart Jurgen Kroll Kurt Bayertz Rasse Blut und Gene Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft Band 1022 3 Auflage Suhrkamp Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 518 28622 6 Carola Sachse Benoit Massin Biowissenschaftliche Forschung an Kaiser Wilhelm Instituten und die Verbrechen des NS Regimes Informationen uber den gegenwartigen Wissensstand Preprint Nr 3 zur Buchreihe Geschichte der Kaiser Wilhelm Gesellschaft im Nationalsozialismus Berlin 2000 PDF 200 KB Katrin Weigmann In the name of science The role of biologists in Nazi atrocities lessons for today s scientists In EMBO Reports 2001 2 10 S 871 875 online Achim Trunk Zweihundert Blutproben aus Auschwitz Ein Forschungsvorhaben zwischen Anthropologie und Biochemie 1943 1945 Preprint Nr 12 zur Buchreihe Geschichte der Kaiser Wilhelm Gesellschaft im Nationalsozialismus Berlin 2003 PDF 605 KB Carola Sachse Hrsg Die Verbindung nach Auschwitz Biowissenschaften und Menschenversuche an Kaiser Wilhelm Instituten Dokumentation eines Symposiums Geschichte der Kaiser Wilhelm Gesellschaft im Nationalsozialismus Band 6 Wallstein Verlag Gottingen 2003 ISBN 3 89244 699 7 Hans Walter Schmuhl Grenzuberschreitungen Das Kaiser Wilhelm Institut fur Anthropologie menschliche Erblehre und Eugenik 1927 1945 Geschichte der Kaiser Wilhelm Gesellschaft im Nationalsozialismus Band 9 Wallstein Verlag Gottingen 2004 ISBN 3 89244 799 3 Eckart Henning Marion Kazemi Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser Wilhelm Max Planck Gesellschaft zur Forderung der Wissenschaften 1911 2011 Daten und Quellen Berlin 2016 2 Teilbande Teilband 1 Institute und Forschungsstellen A L PDF 75 MB S 76 90 Chronologie des Instituts Weblinks BearbeitenArtikel von Manuela Bauche auf zeitgeschichte online de 16 Februar 2021 Ihnestrasse 22 Das Kaiser Wilhelm Institut fur Anthropologie menschliche Erblehre und Eugenik KWI A Website des Ausstellungsprojekts Manufacturing Race 2014 Ernst Klee Augen aus Auschwitz zeit de 27 Januar 2000 Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste Kaiser Wilhelm Institut fur AnthropologieEinzelnachweise Bearbeiten Niels C Losch Rasse als Konstrukt Leben und Werk Eugen Fischers Europaischer Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 1999 S 172 Hans Walter Schmuhl Grenzuberschreitungen Das Kaiser Wilhelm Institut fur Anthropologie menschliche Erblehre und Eugenik 1927 1945 Wallstein Gottingen 2005 S 13 Weingart et al Rasse Blut und Gene Suhrkamp Frankfurt am Main 1992 S 245 Schmuhl 2005 S 197 Losch 1997 S 192 Eugen Fischer Der Begriff des volkischen Staates biologisch betrachtet Berlin 1933 S 7 Losch 1997 S 373 Schmuhl 2005 S 13 Schmuhl 2005 S 176 Schmuhl 2005 S 531 Schmuhl 2005 S 405 Heidrun Kaupen Haas Die Planer im Sachverstandigenbeirat fur Bevolkerungs und Rassenpolitik In 23 Deutscher Soziologentag 1986 VS Verlag fur Sozialwissenschaften 1987 doi 10 1007 978 3 322 83517 8 177 S 754 759 Benno Muller Hill Das Blut von Auschwitz und das Schweigen der Gelehrten In Doris Kaufmann Hrsg Geschichte der Kaiser Wilhelm Gesellschaft im Nationalsozialismus Wallstein Verlag Gottingen S 190 Schmuhl 2005 S 530 52 448888888889 13 2775 Koordinaten 52 26 56 N 13 16 39 O Normdaten Korperschaft GND 6007251 9 lobid OGND AKS LCCN no99064072 VIAF 121792530 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kaiser Wilhelm Institut fur Anthropologie menschliche Erblehre und Eugenik amp oldid 236449352