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In der Schlacht von Tours und Poitiers im Oktober 732 besiegten die Franken unter dem Kommando von Karl Martell die nach Gallien vorgestossenen muslimischen Araber und stoppten deren Vormarsch im Westen Islamische Expansion Im Arabischen wird die Schlacht auch Schlacht an der balaṭ asch schuhadaʾ بلاط الشهداء Schlacht an der Strasse der Martyrer genannt Schlacht von Tours und PoitiersTeil von Islamische ExpansionDatum 18 oder 25 Oktober 732Ort Zwischen Tours und Poitiers 46 44 5 N 0 30 2 O 46 73471 0 50069 Koordinaten 46 44 5 N 0 30 2 OAusgang Frankischer SiegKonfliktparteienFranken und Verbundete MaurenBefehlshaberKarl Martell Abd ar Rahman Truppenstarke15 000 Mann 20 000 MannVerluste1000 2 000 Toteetwa 4 000 Verwundete etwa 5 000 Toteetwa 5 000 Verwundete Nach einem heftigen Gefecht siegten die Franken die von langobardischen sachsischen und friesischen Truppen unterstutzt wurden Auch Herzog Eudo von Aquitanien ein alter Widersacher Karl Martells stand den Franken in der Schlacht zur Seite Der Heerfuhrer der Mauren und Araber Abd ar Rahman fiel wahrend des Kampfes und die Reste seines Heeres zogen sich auf die Iberische Halbinsel zuruck Die Franken hatten laut einigen Quellen damit gerechnet den Kampf am nachsten Tage fortsetzen zu mussen fanden aber am Morgen nach der Schlacht das Lager der Araber verlassen vor Karl Martell wurde wegen des Sieges spater als Retter des Abendlandes uberhoht Allerdings wurde die Schlacht in zeitgenossischen Quellen nicht als herausragendes Ereignis betrachtet sondern nur beilaufig erwahnt was die Rekonstruktion der Ablaufe sehr erschwert Das Gefecht wurde erst in der Neuzeit zu einem welthistorischen Ereignis stilisiert Die jungste Geschichtsforschung ist mehrheitlich aber wieder zuruckhaltender was die Bedeutung der Schlacht betrifft Allgemein wird die Schlacht heute als Teil der Konsolidierung der Herrschaft Karl Martells gesehen der sich in deren erster Zeit noch gegen eine Adelsopposition im Frankenreich behaupten musste Dies ist dem Umstand geschuldet dass sich die Vormachtstellung der erst spater so genannten Karolinger aufgrund der Schwache der Merowinger zunachst im Hausmeieramt etablierte Inhaltsverzeichnis 1 Ort und Datum 2 Verlauf der Schlacht 3 Bedeutung der Schlacht 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenOrt und Datum Bearbeiten nbsp Wahrscheinliches Schlachtfeld bei Poitiers nbsp Sarkophag von Karl Martell in St Denis 12 Jahrhundert Man kennt bis heute weder zweifelsfrei den genauen Ort noch das exakte Datum der Schlacht von Tours und Poitiers Was den Ort angeht lasst sich aber immerhin die Gegend zwischen den Flussen Clain und Vienne sudlich von Chatellerault vermuten hier lag auch Alt Poitiers an der alten Romerstrasse die die Araber bei ihrem Vormarsch nehmen mussten wahrend die Franken zunachst eine Stellung am Ubergang uber die Vienne beim heutigen Cenon sur Vienne bezogen haben durften Das eigentliche Schlachtfeld wird dann irgendwo zwischen diesem Ubergang und den drei Kilometer entfernten Orten Vouneuil und Moussais la Bataille zu suchen sein Heute erinnert eine Gedenkstatte mit Panoramatafeln bei Moussais an die Schlacht Als Datum der Schlacht gilt einer der Samstage im Oktober 732 wobei der 18 oder der 25 Oktober am wahrscheinlichsten sind Verlauf der Schlacht BearbeitenUber den Verlauf der Schlacht ist nicht allzu viel bekannt Doch ist uberliefert dass Karl mit seinen frankischen Truppen die ersten sieben Tage der Schlacht damit verbrachte auf Verbundete zu warten es fanden nur Geplankel statt Als dann sachsische und wenig spater auch langobardische Truppen eintrafen hatten die Araber ihre Beute bereits nach Suden gebracht Am achten Tag griffen zunachst wohl die Araber die Langobarden an Diese schlossen sich jedoch wie die Franken zu einer Phalanx zusammen und die Sachsen und Franken schlossen einen Grossteil der arabischen berittenen Bogenschutzen ein und vernichteten diese Es folgte wohl ein Gegenangriff der Verbundeten in Richtung des arabischen Lagers Die Araber sturmten ihnen entgegen und es entbrannte der Hauptakt der Schlacht Dabei fiel Abd ar Rahman im Kampf gegen Franken oder Sachsen Die Araber zogen sich ob ihres gefallenen Anfuhrers und der hohen Verluste in ihr Lager zuruck Karls Truppen brachen die Schlacht ebenfalls ab da es dammerte und sie furchteten in unbekanntem Terrain in einen Hinterhalt zu geraten Am Tag darauf ruckten die Verbundeten in das arabische Lager ein doch die Araber hatten es schon geraumt allerdings ihren gefallenen Anfuhrer mitsamt einigen Fahnen zuruckgelassen In der Forschung wurde traditionell angenommen bei der Schlacht sei erstmals schwer gepanzerte frankische Reiterei zum Einsatz gekommen und habe den Kampf entschieden Demgegenuber haben neuerdings Forscher wie Hugh N Kennedy betont in den altesten Berichten werde derlei nicht erwahnt im Gegenteil die zeitnahe Mozarabische Chronik siehe unten spricht davon die Langobarden und Franken hatten als Phalanx gekampft und wie ein Gletscher gewirkt was kaum auf berittene Kampfer hinweisen durfte sondern auf gepanzerte Fusstruppen in geschlossener Formation Auch die Araber kampften im 7 und 8 Jahrhundert entgegen landlaufiger Vorstellung oft zu Fuss in den grossen Feldschlachten stiegen ihre Reiter meist ab und kampften als Infanterie Ob dies auch 732 der Fall war lasst sich aufgrund der Quellenlage nicht entscheiden Festzuhalten bleibt aber dass die Annahme es habe sich um eine Schlacht zwischen berittenen Muslimen und schwerer frankischer Kavallerie gehandelt durch die altesten Quellen nicht gestutzt wird Es konnte sich also durchaus auch um ein Infanteriegefecht unter Beteiligung von Reiterei gehandelt haben Die arabische Schlachtordnung jener Zeit teilte sich in drei Linien die mit den allegorischen Namen Morgen des Hundegebells Tag der Hilfe und Abend der Erschutterung bezeichnet wurden 1 Der Ruckzug der Muslime erfolgte nachts uber den Weg der Martyrer 2 Bedeutung der Schlacht Bearbeiten nbsp Islamische Expansion bis zur Schlacht von Tours und PoitiersIslamische Expansion im Westen Rio Guadalete Toulouse Covadonga Tours und Poitiers Avignon Berre Die Schlacht muss im Zusammenhang der weiteren Kampfe zwischen Franken und Aquitaniern auf der einen Seite und Arabern auf der anderen Seite gesehen werden So gab es schon seit 719 muslimische Vorstosse uber die Pyrenaen 725 plunderten die Araber gar Autun in Burgund und die Kampfe in Gallien waren mit dem Sieg von 732 noch lange nicht beendet Im vormals westgotischen Septimanien um Narbonne hielten sich die Araber noch bis 739 bzw 759 ehe Karl Martell und nach dessen Tod im Jahr 741 sein Sohn Pippin der Jungere sie erneut mit langobardischer Hilfe von dort gewaltsam vertrieben wobei beide mit grosser Harte vorgingen In der mittelalterlichen Geschichtsschreibung wurde der Schlacht von 732 weniger Bedeutung zugeschrieben als in der Neuzeit Christliche Zeitgenossen beschrieben die Schlacht ein anonymer Verfasser aus Spanien sogenannte Mozarabische Chronik von 754 stellte dabei den Arabern die Europenses gegenuber Ab Mitte des 11 Jahrhunderts verblasste im Reich die Erinnerung an Karl Martells Sieg Marianus Scottus und Frutolf von Michelsberg war die Schlacht keinen Jahreseintrag wert 3 Edward Gibbon mass in seinem 1788 erschienenen Werk The History of the Decline and Fall of the Roman Empire der Schlacht epochale Bedeutung bei Nach Gibbon hatte es ohne den Sieg Karl Martells langst in Paris und London Moscheen gegeben und in Oxford ware statt der Bibel der Koran gelehrt worden Moderne Historiker bezweifeln dies Zum einen glaubt man dass die Araber am damals unterentwickelten und kalten Europa nordlich der Loire kein Interesse hatten Es wird vermutet dass es ihnen 732 lediglich darum ging einen Plunderungsfeldzug gegen Tours zu fuhren dessen Kloster einige Reichtumer angehauft hatte und das fur die Franken als Grabstatte des Heiligen Martin grosse symbolische Bedeutung hatte Hatte man sich hingegen dauerhaft in Gallien festsetzen wollen so hatte es zunachst gegolten eine christliche Restherrschaft im galicischen Nordwestspanien aufzulosen was den Arabern aber wegen des bergigen Gelandes nicht gelang So waren die muslimischen Heere aufgrund klimatischer Hemmnisse und eines immer langer werdenden Versorgungsweges am weiteren Vordringen gehindert und abgeschnitten Uberhaupt waren die Feldzuge der Araber mit neuzeitlicher Kriegsfuhrung nicht vergleichbar Es handelte sich meist um das rasche raubzugmassige Ausziehen einiger hundert bis tausender Soldaten durch eine dunn besiedelte Landschaft die solchen Gruppen kaum Widerstand leisten konnte Diese waren selbst im Falle militarischer Erfolge damit noch nicht in der Lage gewesen ihre ortliche Vorherrschaft mittelfristig zu sichern wie sich zur selben Zeit in Kleinasien zeigte Aufgrund des Charakters der damaligen muslimischen Expansion als Politik der Nadelstiche und Raubzuge der arabische Begriff hierfur Razzia hat sich in veranderter Bedeutung bis heute erhalten mutet die Bedeutung der Ereignisse von 732 eher gering an Zum anderen waren wohl die Abwehrkampfe von Byzanz die zur selben Zeit in Kleinasien und am Mittelmeer stattfanden weitaus bedeutender als die von abendlandischen Historikern zum welthistorischen Sieg hochstilisierte Schlacht von Tours und Poitiers Vermutlich war die arabische Niederlage vor Konstantinopel im Jahr 718 entscheidend der Fall des Byzantinischen Reiches hatte weitaus weiterreichende Folgen gehabt als ein arabischer Sieg uber die Franken Wahrend Byzanz das fur Europa als ein Schutzschild fungierte sich jahrhundertelang koordinierter und organisierter Angriffe zu Land und zur See erwehren musste die in kurzen Abstanden aufeinander folgten und hinter denen das Schwergewicht des Kalifats stand hatte das Frankenreich nicht viel mehr als von der iberischen Halbinsel sporadisch ausgehende Plunderungszuge abzuwehren Andererseits ist die Schlacht auch bei Muslimen in der spateren Uberlieferung als die Schlacht der Millionen Tranen in Erinnerung geblieben unter anderem aufgrund des Todes des fahigen Heerfuhrers Abd ar Rahman Es gibt bei Muslimen bis heute die Vorstellung dass es damals beinahe gelungen ware das christliche Abendland komplett zu uberrennen diese Annahme beruht allerdings ihrerseits nicht zuletzt auf der neuzeitlichen Rezeption der Ereignisse in Europa Diese veranderte Wahrnehmung hatte zeithistorische Grunde Zum einen gefiel es den Schriftstellern der Aufklarung und der Romantik die Nationen des Westens als Retter des Abendlandes zu portratieren Zum anderen fiel es den damaligen Historikern nicht ein dem nach Gibbons bahnbrechendem Werk The History of the Decline and Fall of the Roman Empire damals als dekadent und bedeutungslos geschmahten Byzanz eine tragende Rolle im Abwehrkampf gegen die muslimische Bedrohung zuzugestehen so dass man die Sicht auf Karl Martell als Retter des Abendlandes gern rezipierte und ausschmuckte In einer Phoenix Doku Reihe zum Thema Kontrafaktische Geschichte erortern die Historiker Alexander Demandt und Johannes Dillinger sowie der Islamwissenschaftler Peter Heine und die Mediavistin Claudia Garnier in der Sendung Was ware wenn der Islam Europa erobert hatte 4 vor dem Hintergrund von Reenactment Szenen der Schlacht deren historische Bedeutung Literatur BearbeitenPaul Fouracre The Age of Charles Martel Longman Harlow 2000 ISBN 0 582 06476 7 Pierre Guichard Al Andalus Acht Jahrhunderte muslimischer Zivilisation in Spanien Wasmuth Tubingen 2005 ISBN 3 8030 4028 0 Hugh N Kennedy The Early Arab Conquests Da Capo Press Philadelphia 2007 ISBN 978 0 306 81585 0 Ulrich Nonn 1 Poitiers Schlacht von In Lexikon des Mittelalters LexMA Band 7 LexMA Verlag Munchen 1995 ISBN 3 7608 8907 7 Sp 44 Ulrich Nonn Die Schlacht bei Poitiers 732 Probleme historischer Urteilsbildung In Rudolf Schieffer Hrsg Beitrage zur Geschichte des Regnum Francorum Referate beim Wissenschaftlichen Colloquium zum 75 Geburtstag von Eugen Ewig am 28 Mai 1988 Beihefte der Francia 22 Sigmaringen 1990 ISBN 3 7995 7322 4 S 37 56 online im Munchener Digitalisierungszentrum Annalena Staudte Lauber Carlus princeps regionem Burgundie sagaciter penetravit Zur Schlacht von Tours und Poitiers und dem Eingreifen Karl Martells in Burgund In Jorg Jarnut Ulrich Nonn Michael Richter Hrsg Karl Martell in seiner Zeit Beihefte der Francia 37 Sigmaringen 1994 ISBN 3 7995 7337 2 S 79 100 online im Munchener Digitalisierungszentrum Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Schlacht von Tours und Poitiers Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Medieval Sourcebook Arabs Franks and the Battle of Tours 732 Three Accounts englisch Medieval Sourcebook Anon Arab Chronicler The Battle of Poitiers 732 englisch Anmerkungen Bearbeiten Nikolai Sergejewitsch Galitzin Allgemeine Kriegsgeschichte aller Volker und Zeiten II Abteilung Allgemeine Kriegsgeschichte des Mittelalters Erster Band Von 476 bis zur Erfindung des Pulvers 1350 T Kay Kassel 1880 S 41 Digitalisat in der Google Buchsuche Karlheinz Gless Das Pferd im 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