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Die Ruhpolding Formation ist eine sedimentare Formation die im Alpenorogen vor allem aber in den Nordlichen Kalkalpen zu Beginn des Oberen Juras abgelagert wurde Die hochmarine Formation zeichnet sich durch ihren Kieselreichtum aus Inhaltsverzeichnis 1 Bezeichnung 2 Vorkommen 3 Stratigraphie 4 Lithologie 5 Fossilien 6 Ablagerungsbedingungen 7 Ruhpoldinger Wende 8 Alter 9 Literatur 10 EinzelnachweiseBezeichnung Bearbeiten nbsp Radiolarit der Ruhpolding Formation in der GlasenbachklammDie Ruhpolding Formation benannt nach ihrer Typlokalitat der oberbayrischen Gemeinde Ruhpolding wird auch als Ruhpoldinger Radiolarit 1 oder als Ruhpoldinger Schichten 2 bezeichnet Die Typlokalitat befindet sich sudwestlich von Ruhpolding am Gschwendbach in der Nahe von Rothelmoos Sie ist aber schlecht gewahlt da an dieser Stelle der fur den gesamten austroalpinen Raum charakteristische Rote Radiolarit ausnahmsweise fehlt und nur graue bis rote Kieselkalke zugegen sind die vom Ruhpoldinger Marmor uberlagert werden 3 Gawlik 2000 hat aus diesem Grund ein neues Typprofil am Mortlbach nordostlich von Hallein mit vollstandiger Ausbildung des Radiolarits vorgeschlagen 4 Im weiteren Sinne werden samtliche Radiolarite des Oberbajocs Calloviums Oxfordiums Kimmeridgiums und Untertithons in den Nordlichen Kalkalpen mittlerweile zur Ruhpoldinger Radiolarit Gruppe RRG zusammengefasst Vorkommen Bearbeiten nbsp Die unmittelbar unter dem Gipfel der Parseierspitze 3036 m liegenden dunklen Radiolarite der Ruhpolding Formation brachten einen drastischen Wechsel im Sedimentationsgeschehen der Nordlichen KalkalpenDie namensgebende Typlokalitat bildet Teil der Lechtal Decke des oberostalpinen Bajuvarikums Die Formation tritt von den Allgauer Alpen und den Lechtaler Alpen im Westen bis zu den Chiemgauer Alpen im Osten auf Die Ruhpolding Formation im engeren Sinne wird aber auch noch im sudlich an das Bajuvarikum anschliessenden Tirolikum angetroffen und erstreckt sich somit auch in den Ostteil der nordlichen Kalkalpen Die Ruhpoldinger Radiolarit Gruppe besitzt noch ein wesentlich weiter gespanntes Vorkommen raumlich und zeitlich und erscheint in den Karawanken und in den Sudalpen Im Unterostalpin ist sie ebenfalls anzutreffen sie liegt aber hier bereits metamorphosiert vor Beispiele sind das Unterostalpin im Rahmen des Tauernfensters und in Graubunden Ja selbst noch im penninischen Raum Piemont Zone tritt die Gruppe auf Stratigraphie Bearbeiten nbsp Steil nach Suden einfallende Schichtoberflache der Ruhpolding Formation am Eisenberg 1490 m bei RuhpoldingIm Bajuvarikum folgt die Ruhpolding Formation konkordant auf die Chiemgau Schichten kieselige hornsteinfuhrende spatige Kalke bzw in den Allgauer Alpen auf die grauen mergeligen Jungeren Allgauschichten Sie wird ihrerseits konkordant von Aptychenschichten der Ammergau Formation dichte gelbliche bis grunlich graue Mergelkalke des Tithoniums bis Berriasiums uberlagert Der Ubergang zu den Aptychenschichten mit Lamellaptychus lamellosus und Punctaptychus punctatus erfolgt graduell Im Mittelabschnitt der nordlichen Kalkalpen folgt die Oberalm Formation des Kimmeridgiums bis Berriasiums auf die Ruhpolding Formation stellenweise mit einem Basiskonglomerat meistens erfolgt der Ubergang jedoch allmahlich und zeichnet sich vorwiegend durch zunehmenden Kalkgehalt aus Im nordlichen Tirolikum so beispielsweise im Tauglboden Becken liegt die Ruhpolding Formation mit einer deutlichen Bankfuge auf den unterlagernden knolligen die Knollen bestehen aus Mangan Eisenoxid Rotkalken der Klaus Formation Die Bankfuge wird hierbei durch eine mehrere Zentimeter machtige Tonlage betont 5 Uber die Ruhpolding Formation legt sich dann die Tauglboden Formation des Kimmeridgiums und Untertithons Gelegentlich kann die Ruhpolding Formation auch bis auf die Adnet Formation oder den Vilser Kalk heruntergreifen Im Sillenkopf Becken des sudlichen Tirolikums wird die Ruhpolding Formation von der Strubberg Formation unter und von der zur Tauglboden Formation zeitgleichen Sillenkopf Formation uberlagert Lithologie BearbeitenLithologisch besteht die durchschnittlich um die 50 Meter Variationsbreite 5 bis 100 Meter machtig werdende Ruhpolding Formation aus schwarz grunen und roten Radiolariten Kieselkalken kieseligen Mergeln und kieselhaltigen Tonen 6 Sie ist im Wesentlichen aus Radiolarienschlick hervorgegangen Der Schlick verfestigte sich zu einer gleichmassig feingeschichteten und gebanderten Chertformation die aus Hornstein Kieselkalk und Kieselschieferlagen aufgebaut wird Die einzelnen kieseligen Lagen werden meist von hauchdunnen Tonlagen abgetrennt Die daraus resultierende Zyklizitat ist womoglich mit Milankovic Zyklen in Verbindung zu bringen Eine mogliche diagenetisch bedingte Absonderung als Erklarung der Banderung kann durch zyklenubergreifende Rutschungsstrukturen ausgeschlossen werden Die Farbung des feinkornigen sehr harten splittrig bis muschelig brechenden und witterungsfesten Gesteins ist vorwiegend rot aber auch grunlich hellgraue bis schwarze Farbtone Schwarzer Radiolarit sind anzutreffen Die Rotfarbung durch Hamatit geht auf die vollstandige Oxidation der enthaltenen Eisenverbindungen durch sauerstoffreiches Tiefenwasser zuruck Verhaltnis Fe3 Fe2 gt 1 Bei den grunlichen Radiolariten ist das Verhaltnis Fe3 Fe2 lt 1 gebunden an die Minerale Serizit und Chlorit Der FeO Anteil ist sehr hoch ferner durfte Pyrit bei der Farbgebung eine Rolle spielen Im Dunnschliff lasst sich erkennen dass sich die kieselige Grundmasse aus diagenetisch umgewandelten maximal 0 1 mm grossen Radiolarienskeletten zusammensetzt Das chemisch nahezu aus 100 SiO2 bestehende Chertgestein wird von teils netzartig organisierten Spalten und Risssystemen durchzogen die sekundar mit Kalzit auskristallisierten Diese Bruchsysteme wurden durch spater auftretende tektonische Spannungen verursacht Mafische Tuffitlagen sind an der Basis der Ruhpolding Formation recht haufig anzutreffen Fossilien BearbeitenDie Ruhpolding Formation besteht vorwiegend aus Mikrofossilien Radiolarien Makrofossilien sind mit Ausnahme von schlecht erhaltenen Aptychen Crinoiden wie Saccocoma Nadelresten und Filamenten extrem rar Benthonische Foraminiferen treten nur selten auf und planktonische Foraminiferen fehlen vollkommen 7 Von den enorm vielfaltigen Radiolarien seien einige Taxa herausgegriffen Entactinaria Saturnalidae Acanthocircus Nassellaria Amphipyndacidae Triversus Nassellaria Archaeodictyomitridae Archaeodictyomitra apiarium Archaeodictyomitra minoensis Archaeodictyomitra mitra und Archaeodictyomitra rigida Nassellaria Bagotidae Droltus galerus Nassellaria Canoptidae Cinguloturris carpatica Nassellaria Eucyrtidiellidae Eucyrtidiellum nodosum Eucyrtidiellum ptyctum Nassellaria Eucyrtidiidae Cyrtocapsa Stichocapsa naradaniensis und Stichocapsa trachyostraca Nassellaria Hsuidae Hsuum brevicostatum Nassellaria Parvicingulidae Dictyomitrella Parvicingula dhimenaensis Nassellaria Sethocapsidae Gongylothorax favosus Nassellaria Williriedellidae Williriedellum carpathicum Nassellaria Tricolocapsa funatoensis Spumellaria Angulobracchiidae Angulobracchia ParonaellaAblagerungsbedingungen BearbeitenDie Ruhpolding Formation ist eindeutig hochmarinen Ursprungs und im pelagischen Bereich abgesetzt worden erkennbar an recht seltenen Ammoniten und Belemnitenfunden wie beispielsweise Hibolites semisulcatus Munster Bei welcher Wassertiefe die Sedimentation letztendlich erfolgte ist nach wie vor umstritten Aktuogeologisch bilden sich Radiolarienschlamme unterhalb der Kompensationstiefe fur Kalzit engl calcite compensation depth oder CCD in einer Wassertiefe von 4000 bis 5000 Meter Zu berucksichtigen hierbei ist jedoch dass die CCD im Oberjura wesentlich hoher lag wahrscheinlich zwischen 2000 und 3000 Meter Das Aufbluhen der Radiolarien kann durch Vulkanismus und oder durch Anderungen in der Wasserzirkulation ausgelost worden sein Die benotigte Kieselsaure wurde neben vulkanischem Eintrag moglicherweise auch mit kaltem Auftriebswasser angeliefert 8 Indirekt darf somit auch auf weitreichende innerozeanische Veranderungen in den raumlichen Gegebenheiten des damaligen Tethysraumes geschlossen werden Ruhpoldinger Wende Bearbeiten Hauptartikel Ruhpoldinger Wende nbsp Die 2643 Meter hohe Zimba Das dunkle Band unmittelbar unter dem Gipfel aus Aptychenkalk der Ammergau Formation besteht aus der Ruhpolding Formation Die Sedimentation der Radiolarite der Ruhpolding Formation bedeutet einen jahen und drastischen Einschnitt im Sedimentationsgeschehen der Nordlichen Kalkalpen welcher als Ruhpoldinger Wende bezeichnet wird Diese Anderung des Sedimentationscharakters war nicht vorubergehender Natur Mit dem Auftreten der Radiolarite und spater der Aptychen Schichten breiteten sich Sedimente aus die sich von den unter und mitteljurassischen deutlich und bleibend unterschieden Vorausgegangen war eine rasche Abnahme der Sedimentationsraten und Machtigkeiten im Dogger So hauften sich in der oberen Klaus Formation die Omissionsflachen 9 und die Sedimentation wurde generell langsamer und luckenhafter Das Verhungern der Sedimentation war wahrscheinlich durch eine kontinuierliche Absinkbewegung bedingt Wahrend der Ruhpoldinger Wende wurde das vorhandene Meeresbodenrelief tektonisch akzentuiert und einzelne Schwellenbereiche stiegen bis in die Zone des Flachwassers auf In diesen angehobenen Schwellen kam die auf tiefere Beckenbereiche beschrankte Ruhpolding Formation ubrigens nicht zur Ablagerung sondern es wurden hier weiterhin Rotkalke sedimentiert beispielsweise der Agathakalk ein Cephalopodenkalk der Tiefseeschwellenfazies aus dem Oxfordium bis Kimmeridgium oder der Hasslberg Kalk ein toniger Flaserkalk aus dem Tithonium Erst spater mit einsetzender Sedimentation der Aptychen Schichten der Ammergau Formation wurden die tektonisch bedingten Gegensatze dann wieder langsam ausgeglichen Die Ruhpoldinger Wende wird neben tektonischen Bewegungen auch durch vulkaniklastische Ablagerungen Tuffite charakterisiert 10 die zum basischen oberjurassischen Magmenpuls zu rechnen sind Mit der Ruhpoldinger Wende nimmt auch die Haufigkeit von Sedimentkorpern zu deren Bildung durch Erdbeben ausgelost wurde wie Turbidite Fluxoturbidite Schlammstrom Brekzien grain flows Schlammfalten und Gleitpakete Auch Olistholithen sind anzutreffen Hierher gehoren die hellbraunen allodapischen Kalke des Barmsteins mit Eingleitungen des Hallstatter Faziesbereichs die Sonnwendbrekzie des Sonnwendgebirges sowie die Tauglboden und die Strubberg Formation Die meisten der durch tektonische Bewegungen verursachten Massenbewegungen fallen entweder in die Zeit kurz vor oder kurz nach der Ruhpoldinger Wende Ein gutes Beispiel fur wahrend der Wende erfolgte Massenbewegungen ist die Grubhorndlbrekzie eine Megabrekzie mit einem 300 Meter grossen Kalkblock die an einer Nord Sud streichenden Verwerfung in westliche Richtung abglitt und sich im Becken mit der Ruhpolding Formation verzahnte 11 Die allmahlich erfolgende Verdrangung des Radiolarienschlamms der Ruhpolding Formation durch Coccolithenschlamm der uberlagernden Aptychenschichten lasst sich entweder auf eine weitere Vertiefung zuruckfuhren und oder kann durch ein Aufbluhen des kalkhaltigen Nannoplanktons erklart werden Alter BearbeitenDie Ruhpolding Formation im engeren Sinne wurde im Oberen Oxfordium abgelagert d h vor rund 157 bis 155 Millionen Jahren BP Diese biostratigraphische Altersangabe Maximalalter beruht auf Ammonitenfunden in der obersten Klaus Formation 12 Mittlerweile wird jedoch allgemein die Diachronizitat der Ruhpolding Formation anerkannt Eine neuere Untersuchung von Wegener Suzuki amp Gawlick 2003 fand anhand der Radiolarienstratigraphie ein Alter von Mittlerem Oxfordium bis Unteres Kimmeridgium fur den oberen Roten Radiolarit d h 159 bis 154 Millionen Jahre 13 Fur die Ruhpoldinger Radiolarit Gruppe geben Suzuki amp Gawlick 2003a ein Alter von Bajocium bis Untertithon an 14 d h den Zeitraum von 171 bis 147 Millionen Jahren Literatur BearbeitenH R Grunau Radiolarian Cherts and Associated Rocks in Space and Time In Eclogae Geol Helv Band 58 Basel 1965 S 157 208 M Gwinner Geologie der Alpen Schweizerbarth Stuttgart 1971 H G Reading Sedimentary Environments and Facies Blackwell Scientific Publications Ltd Oxford 1978 ISBN 0 632 01223 4 Einzelnachweise Bearbeiten R E Garrison und A G Fischer Deep water limestones and radiolarites of the Alpine Jurassic In Soc Econ Paleontol Mineral Spec Publ Band 14 Tulsa 1969 S 20 56 F Trauth Die fazielle Ausbildung und Gliederung des Oberjura in den nordlichen Ostalpen In Verh Geol Bundesanst Jg 1948 Wien 1950 S 145 218 E Steiger und T Steiger New radiolaria from the Ruhpoldinger Marmor of Urschlau Late Jurassic Chiemgau Alps Bavaria In Abh Geol Bundesanst Band 50 Wien 1994 S 453 466 H J Gawlick Die Radiolaritbecken in den Nordlichen Kalkalpen hoher Mittel Jura Ober Jura In Mitteilungen Gesellschaft Geologie Bergbaustudenten Osterreich Band 44 Wien 2000 S 97 156 L Krystyn Stratigraphie Fauna und Fazies der Klaus Schichten Dogger Oxford in den ostlichen Nordalpen Osterreich In Verh Geol Bundesanst Wien 1971 S 486 509 H J Gawlick und W Frisch The Middle to Late Jurassic carbonate clastic radiolarite flysch sediments in the Northern Calcareous Alps sedimentology basin evolution and tectonics an overview In Neues Jahrb Geol Palaontol Abh Band 230 Stuttgart 2003 S 163 213 V Diersche Die Radiolarite des Ober Jura im Mittelabschnitt der Nordlichen Kalkalpen In Geotekt Forsch E Schweizerbart Stuttgart 1980 S 1 217 3 Taf 45 Abb 1 Tab V Diersche Die Radiolarite des Oberjura in den Nordlichen Kalkalpen zwischen Salzach und Tiroler Ache In Diss Techn Univ Berlin Omission auf mineralienatlas de abgerufen am 7 September 2020 W Schlager und M Schlager Clastic Sediments associated with radiolarites Tauglboden Schichten Upper Jurassic Eastern Alps In Sedimentology Band 20 Amsterdam 1973 S 65 89 Hugo Ortner Michaela Ustaszewski und Martin Rittner Late Jurassic tectonics and sedimentation breccias in the Unken syncline central Northern Calcareous Alps In Swiss J Geosci 2008 S 1 17 doi 10 1007 s00015 008 1282 0 J Wendt Stratigraphie und Palaogeographie des Roten Jurakalkes im Sonnwendgebirge Tirol Osterreich In N Jb Geol Pal Stuttgart 1969 S 132 219 238 E Wegener H Suzuki und H J Gawlick Zur stratigraphischen Einstufung von Kieselsedimenten sudostlich des Plassen Nordliche Kalkalpen Osterreich In Jb Geol B A Band 143 Nr 2 2003 S 323 335 H Suzuki und H J Gawlick Die jurassischen Radiolarienzonen der nordlichen Kalkalpen In J T Weidinger H Lobitzer und I Spitzbart Hrsg Beitrage zur Geologie des Salzkammerguts 2003 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ruhpolding Formation amp oldid 226782234