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Turbidit ist eine in der Geologie gebrauchliche Bezeichnung fur ein Sedimentgestein das auf einen Trube oder Suspensionsstrom englisch turbidity current zuruckgeht d h auf einen lawinenartigen Transport und Ablagerungsvorgang im Meer oder in einem See In aller Regel treten Turbidite nicht einzeln auf sondern in oft mehrere 100 Meter machtigen Schichtpaketen die uberwiegend aus Feinsandstein und Tonstein bestehen Miozane Turbiditabfolge in SuditalienNamensgebend ist die Turbulenz der das Ausgangsmaterial des Turbidits transportierenden Flussigkeit Andere Sedimentgesteine entstehen beim turbulenten Fliessen anderer Medien so zum Beispiel die Ablagerungen von Lawinen Laharen und pyroklastischen Stromen Von den turbulenten Suspensionsstromen als Ablagerungsmechanismus der Turbidite sind auch andere geologische Massenbewegungen wie Schlammstrom Rutschung Schuttstrom grain flow oder Laminiten abzugrenzen Die Bedeutung der Turbidite und ihre Rolle in der Bildung von Tiefseesedimenten wird erst seit dem Beginn der Turbiditforschung ab etwa 1960 verstanden Vorher war das Auftreten von scheinbar im Flachmeer entstandenen Gesteinsfolgen und Flachmeerfossilien inmitten von nachweislich in der Tiefsee entstandenen Ablagerungen ein ungeklartes Phanomen in der Geologie Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Gesteinsausbildung 3 Vorkommen 4 Quellen 5 Literatur 6 WeblinksEntstehung BearbeitenEin Turbidit wird durch Suspensionsstrome abgelagert Diese bilden sich aus Ablagerungen uber untermeerischen Steilhangen beispielsweise an Kontinentalabhangen die durch starke Wassersattigung Stromungen oder Erschutterungen etwa durch Erdbeben instabil werden und abrutschen Durch die Rutschung und die dabei entstehenden Turbulenzen kann das ursprunglich mehr oder weniger fest zusammenhangende Ausgangsmaterial in seine Einzelbestandteile Korner und Partikel zerlegt und in der Schwebe Suspension gehalten werden so dass es mit dem am Meeresboden fliessenden Wasser weite Strecken zurucklegen kann teilweise uber mehrere 100 Kilometer Wegen der zu Beginn des Fliessens meist abtragenden Wirkung eines Suspensionsstromes haben sich insbesondere vor Flussdeltas untermeerische Canyons tief in den Kontinentalhang eingeschnitten Am Ausgang der Canyons breitet sich der Strom auf dem Meeresboden je nach Fliessenergie zunachst linear konzentriert aus um sich am Ende der Fliessstrecke zungenformig auszubreiten Wahrend des Fliessens werden die schwebenden Bestandteile nach ihrem jeweiligen Auftrieb im Suspensionsstrom sortiert zerbrechliche Komponenten wie Muschelschalen werden dabei kaum zerbrochen grosse Fremdbestandteile erfahren einen betrachtlichen Auftrieb der im Wesentlichen von ihrer Flache abhangt Beginnt das turbulente Fliessen schliesslich zu erlahmen setzen sich die schwebenden Bestandteile ab Gesteinsausbildung BearbeitenEin typischer Turbidit bildet im Aufschluss eine wenige Dezimeter bis wenige Meter machtige Gesteinsbank Kennzeichnend ist eine gradierte Schichtung innerhalb dieser Bank die mit einem breiten Spektrum von Korngrossen geringe Kornsortierung einhergeht Die Basisflache der Bank ist immer sehr scharf von der darunter liegenden Schicht abgegrenzt und oft weitspannig gewellt Unmittelbar oberhalb ihrer Basisflache besteht die Bank aus dem grobsten vertretenen Material und reprasentiert z B ein Konglomerat oder einen Grobsandstein Nach oben hin nimmt die Korngrosse ab und die Bank geht in einen Feinsand oder Siltstein uber Diese Gradierung ist manchmal erst am Gesteins Dunnschliff unter dem Mikroskop zu erkennen Als oberste Lage eines vollstandig ausgebildeten Turbidits ist meist eine mehr oder weniger machtige Lage aus sehr feinkornigem Material z B Tonstein ausgebildet in der Spuren von bodenlebenden Meeresbewohnern erhalten sein konnen Dieses Material reprasentiert die feinen Schwebeteilchen die sich ganz allmahlich wahrend des Zeitraumes zwischen zwei Suspensionsstromereignissen am Meeresboden abgesetzt haben Man spricht hierbei auch vom Hintergrundsediment weil diese Sedimentation permanent im Hintergrund im Ablagerungsraum ablief Turbidite treten in den meisten Fallen nicht einzeln auf sondern als Teil von ganzen Turbiditserien die viele hunderte Meter machtig sein konnen nbsp Vollstandige Bouma Sequenz in devonischem Sandstein Becke Oese Rheinisches Schiefergebirge Die charakteristische Abfolge von grobem Korn an der Basis zu feinkornigem Sediment im oberen Teil eines Turbidits wird in funf Abschnitte unterteilt und nach dem Wissenschaftler Arnold H Bouma als Bouma Sequenz bezeichnet Unterschieden werden die von unten nach oben mit Buchstaben bezeichneten funf typischen Abschnitte einer Turbiditschicht 1 E pelagische Lage oft mit Spurenfossilien Ichnofauna D obere horizontal geschichtete Lage Silt Ton C Lage mit Stromungsrippeln oft Auftreten von convolute bedding Feinsand Silt B untere horizontal geschichtete Lage Sand Feinsand A gradierte Lage mit dem grobsten Korn an der Basis Geroll Kies Sand Untergeordnet treten in Turbiditen weitere charakteristische Merkmale auf die auf die Art der Entstehung zuruckgehen Haufig ist die Basis der Gesteinsbank mit den Negativformen von Abdrucken in der unterlagernden Gesteinsschicht ubersat die auf hupfende rollende und schleifende Bewegung von grosseren Bestandteilen des Suspensionsstroms zuruckgehen Diese Hupf Schleif und Rollmarken werden im deutschsprachigen Raum oft mit ihren englischen Bezeichnungen verwendet bounce mark drag mark roll mark Neben diesen Abdrucken sind an der Basis eines Turbidits oft Strukturen wie Rippelmarke Tellerstrukturen Fliessmarken flute cast oder Kolkmarken zu sehen die durch das Fliessen des Suspensionsstromes uber den Ozean oder Seeboden entstanden sind Alle diese Merkmale konnen einen Anhaltspunkt fur die Fliessrichtung geben 2 Durch das Losen von bereits leicht verfestigten Schichten aus dem Untergrund im Fliessweg des Suspensionsstromes und ihrer Aufwickelung wahrend des Transports kann eine Wickelschichtung entstehen convolute bedding Manchmal werden schon weitgehend verfestigte Schichten des Untergrunds vom Suspensionsstrom verschoben gestaucht oder aufgenommen so dass grosse teilweise noch zusammenhangende oder zerbrochene Bruchstucke von Fremdgesteinen Olistholith in die Normalfolge eines Turbidits eingebettet sind 3 Turbidite konnen aufgrund ihrer Entstehung sehr verschiedene Erscheinungsformen besitzen Das Gestein spiegelt auf den ersten Blick vor allem die an seiner Entstehung beteiligten Ausgangssedimente wider so etwa Tonschlamm Kalkschlamm oder Sandablagerungen Ausserdem konnen die das Gestein aufbauenden Sedimentpartikel sich in der Korngrosse stark unterscheiden Zusatzlich transportieren die verursachenden Suspensionsstrome in vielen Fallen neben Ton Silt und Sand Bruchstucke von Fossilien wie Muschelschalen oder Pflanzenreste welche durch ihre zum Teil deutlich hervorstechende Grosse und Form das Aussehen des Gesteins bestimmen Bis auf diese Lagen von weit transportierten meist dem Flachmeer entstammenden Schalen oder Pflanzenresten sind Turbidite arm an Fossilien Im Gestein lassen sich oft Mikrofossilien bestimmen die der Tiefsee zuzuordnen sind Einzelne Turbidite lassen sich oft uber weite Strecken verfolgen Der Gesteinskorper ist als mehr oder weniger lang gestreckter zungenformiger Korper ausgebildet der zusammen mit zahlreichen anderen sich uberlappenden Turbiditen einen grossen Gesteinskorper ausbilden kann Anhand der Position des Ablagerungsortes gegenuber dem Ursprungsort des Materials die sich oft von der Ausbildung des Turbidits und der Schichtungsabfolge ableiten lasst werden Turbidite in zwei Endglieder unterschieden Proximaler Turbidit Gestein eines Suspensionstromes am Ausgang eines Unterwassercanyons noch nahe dem Beginn der Ablagerung Aufgrund der hohen Fliessgeschwindigkeit sind die Einzelkomponenten relativ gross Einzelturbidite besitzen meist eine erosive Basis und sind nicht bis zum Vorkommen feinkornigsten pelagischen Materials ausgebildet Haufig tritt eine inverse Gradierung an der Basis auf Distaler Turbidit Gestein auslaufender Suspensionstrome in grosserer Entfernung zum Ursprungsort ohne Gradierung mit scharfen Basiskontakten und geschichteten Feinschutt oder Feinsandlagen Vorkommen BearbeitenGesteine die aus Turbiditen bestehen kommen in der ganzen Welt und in Gesteinen fast jeden Alters vor Aufgrund ihrer Entstehung treten sie gehauft in Regionen auf die wie etwa Flussdeltas eine hohe Sedimentzufuhr aufweisen Auch am Rand der Kontinentalschelfe oder an Tiefseerinnen die einen grossen Hohenunterschied zwischen der Lage des Ausgangssediments und dem Ozeanboden aufweisen werden Turbidite in immer wiederkehrender Folge bevorzugt abgelagert Die Turbiditfolgen werden vor allem mit Sedimentablagerungen bei Gebirgsbildungen in Verbindung gebracht Fur Gesteinsfolgen aus Turbiditen mit eingeschalteten Tiefseeablagerungen hat sich in der Geologie der Begriff Flysch eingeburgert 4 Turbidite treten auch in nichtmarinen Gewassern auf Man findet sie z B an den Einmundungen von Fliessgewassern in Teichen und Seen Quellen Bearbeiten Hohl 1985 S 663 Hohl 1985 S 130f Richter 1986 S 342 Hohl 1985 S 178 S 598 Literatur BearbeitenHans Fuchtbauer Sedimente und Sedimentgesteine 4 neubearbeite Auflage Schweizerbart sche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 1988 ISBN 3 510 65138 3 Rudolf Hohl Hrsg Die Entwicklungsgeschichte der Erde 6 Auflage Werner Dausien Verlag Hanau 1985 ISBN 3 7684 6526 8 Dieter Richter Allgemeine Geologie 3 Auflage de Gruyter Verlag Berlin New York 1985 ISBN 3 11 010416 4 Weblinks BearbeitenStefan Odegard Sedimentology of the Gres d Annot Formation The definition of sediment gravity flows and its subordinated currents and flows turbidity current fluidised sediment flow grain flow debris flow and the widely used terminology turbidite Diplomarbeit Technische Universitat Clausthal 2000 englisch Introduction to deepwater system sediments and their classification University of South Carolina Sequence Stratigraphy Web englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Turbidit amp oldid 228568463