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Tauernfenster ist die geologische Bezeichnung einer Region der Zentralalpen in Osterreich in der fensterartig penninische Decken und moglicherweise auch helvetische Decken gerahmt von Gesteinen des Ostalpins zutage treten Die tektonisch tiefsten Bestandteile des Tauernfensters sind die Zentralgneiskerne umgeben von Gesteinen der sogenannten Schieferhulle Von ahnlicher Entstehung und geologischer Position sind das kleinere weiter westlich gelegene Engadiner Fenster sowie das Gargellenfenster in Vorarlberg und das Rechnitzer Fenster am Ostende der Alpen Geologische Karte des Tauernfensters Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Entstehung 3 Das Tauernfenster als penninisch helvetisches Doppelfenster 4 Wissenschaftliche Bedeutung 5 Literatur 6 EinzelnachweiseLage Bearbeiten nbsp Vereinfachte geologische Karte der Alpen Das Tauernfenster ist in der rechten Bildhalfte als grossere Exklave lila gekennzeichneter penninischer Einheiten inmitten der blau dargestellten ostalpinen Einheiten deutlich erkennbar Das Tauernfenster liegt in den osterreichischen Bundeslandern Tirol Salzburg und Karnten zwischen dem Brennerpass im Westen und der Linie Schladming Mauterndorf im Osten seine sudwestlichste Ecke liegt in Sudtirol und damit schon in Italien Es besitzt von der Sudwestecke sudlich des Brenners bis Schladming im Nordosten eine Lange von etwa 176 km und zwischen Mittersill und Matrei eine Nord Sud Erstreckung von etwa 30 km An seiner breitesten Stelle zwischen Sankt Johann im Pongau und Spittal misst es knapp 54 km Seine Gesteine bauen im Wesentlichen die Zillertaler Alpen und die namengebenden Hohen Tauern auf Entstehung BearbeitenVereinfacht dargestellt bildete der Grund des im Zeitraum Malm bis Unterkreide existierenden ehemaligen Penninischen Ozeans die Ausgangsgesteine der heute im Tauernfenster aufgeschlossenen Gesteine Im Zuge der Alpenbildung schloss sich der Ozean und seine Gesteine wurden in der Kreide und Tertiar Zeit von den Gesteinsformationen des Ostalpins deckenartig uberschoben und auf diese Weise geologisch relativ schnell in die Tiefe versenkt Aus den metamorphen kristallinen Gesteinen im Tauernfenster lasst sich eine ehemalige Uberdeckungsmachtigkeit von mehr als 10 km ableiten Die Gesteine unterlagen mehreren Metamorphosen veranderten ihren Mineralbestand entsprechend und wurden zu den heute anstehenden kristallinen Gesteinen So kann beispielsweise eine fruhe retrograde eklogitfazielle Metamorphose mit Drucken von 1 9 bis 2 2 GPa und Temperaturen von 600 bis 630 C 1 von einer spateren blauschieferfaziellen Metamorphose mit Drucken von 0 9 bis 1 0 GPa und Temperaturen von 400 bis 450 C 2 unterschieden werden beide Metamorphosen gehoren zum Typus Hochdruck Niedrigtemperatur HP LT welcher charakteristisch fur Subduktionszonen ist Nach der Versenkung erfolgte eine geologisch ebenso schnelle Wiederheraushebung der Gesteine Gegen Ende des Oligozans lagen zum ersten Mal Gesteine des Tauernfensters in grosserem Masse frei an der Erdoberflache wie sich am Auftauchen charakteristischer Schwerminerale in den Sedimenten der alpinen Molassezone ablesen lasst Die Hebung der Alpen und damit des Tauernfensters dauert heute noch an Die dabei aktiven Prozesse sind Verwitterung und Abtragung so dass das Tauernfenster sich im Laufe der Zeit in dem Masse langsam vergrossert wie die ehemals uberdeckenden Gesteine des Ostalpins abgetragen werden Das Tauernfenster als penninisch helvetisches Doppelfenster Bearbeiten nbsp Anstehende Paragneise der Venedigerdecke traditionell als Schieferhulle bzw sedimentares Deckgebirge des Zentralgneises betrachtet und dem Penninikum zugerechnet nahe der Quelle des Tauernbaches ca 20 km nordwestlich von Matrei in OsttirolVon einigen Geologen wird das Tauernfenster als Doppelfenster beschrieben in dem nicht nur penninische sondern auch helvetische Einheiten auftauchen So werden die untere Schieferhulle und die Zentralgneise dem Helvetischen System zugeordnet Grund fur diese Annahme sind Untersuchungen welche gezeigt haben dass die Schichtfolge im Tauernfenster teilweise dem europaischen Kontinentalrand in helvetischer Fazies entspricht So lassen sich die malmischen Hochstegenmarmore mit den Quintner Kalken im helvetischen Bereich vergleichen Zum ersten Mal von einem helvetischen Faziesraum im Tauernfenster sprach Otto Thiele 1970 3 Eine tektonische Zuordnung zum helvetischen Bereich und damit die Definition des Tauernfensters als penninisch helvetisches Doppelfenster forderte 1986 Bernd Lammerer 4 Auch in neueren Publikationen findet sich diese Ansicht So ist die Arbeitsgruppe um Stefan M Schmid der Ansicht dass die Untere Schieferhulle des Tauernfensters ebenso wie die Zentralgneise zum Sub Penninikum gehort das tektonisch stark deformierte Reste des europaischen Kontinentalrandes enthalt also nicht dem eigentlichen Penninischen Ozean entstammt 5 Ebenso ist Othmar Adrian Pfiffner in seiner 2009 erschienenen Geologie der Alpen fur eine Zuordnung gewisser Anteile der Schichtenfolge des Tauernfensters zum Helvetikum 6 Wissenschaftliche Bedeutung BearbeitenDie Existenz des Tauernfensters war in der geologischen Erforschungsgeschichte der Alpen ein wichtiger Meilenstein zum Verstandnis des Gebirgsbaus Fruhe Kartierungsarbeiten wurden 1853 von Marko Vincenc Lipold und seinen Assistenten Dionys Stur und Carl Ferdinand Peters unternommen die von anderen Geologen in den nachsten Jahren der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts fortgefuhrt wurden 7 In den nachfolgenden Arbeiten der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts wurden die Alpen eingehend geologisch untersucht und die heute noch gultige Gliederung der Grosseinheiten des Sudalpins Ostalpins Penninikums und Helvetikums wurde aufgestellt Das Tauernfenster wurde dem Penninikum zugerechnet und sein geologischer Bau in den wesentlichen Zugen erforscht Zahlreiche Arbeiten zur Geochemie und Isotopen Geologie erschienen ab dem Beginn der 1970er Jahre und seit etwa 1980 wurden die Vorgange der alpidischen Gebirgsbildung plattentektonisch gedeutet Pierre Marie Termier hatte 1903 die Theorie vorgebracht dass die Westalpen in der Ostschweiz unter den Ostalpen verschwinden und in den Hohen Tauern in einem tektonischen Fenster wieder zu Tage traten Diese Aussage loste eine jahrzehntelangen Geologenstreit zwischen Fixisten und Mobilisten aus Heute ist klar dass die Theorie von Termier der Wahrheit entspricht die Gesteine des Ostalpins sind mindestens 150 km uber den gesamten Bereich des Tauernfensters hinweggeschoben worden Literatur BearbeitenHarald Rost Zur Geologie Petrographie und Tektonik des Pennins der Matreier Zone und des Altkristallins Erlangen 1989 Diplomarbeit Universitat Erlangen pdf Version S M Schmid B Fugenschuh E Kissling und R Schuster Tectonic map and overtall architecture of the Alpine orogen In Eclogae geologicae Helvetiae Band 97 Birkhauser Verlag 2004 ISSN 0012 9402 S 93 117 pdf Version Reinhard Schonenberg Joachim Neugebauer Einfuhrung in die Geologie Europas 4 Auflage Verlag Rombach Freiburg 1981 ISBN 3 7930 0914 9 Alexander Tollmann Ostalpensynthese Deuticke Wien 1963 Karl Krainer Nationalpark Hohe Tauern GEOLOGIE Wissenschaftliche Schriften 2 Auflage Universitatsverlag Carinthia Klagenfurt 2005 ISBN 3 85378 585 9 S 23 75 Einzelnachweise Bearbeiten G Hoschek Thermobarometry of metasediments and metabasites from the Eclogite zone of the Hohe Tauern Eastern Alps Austria In Lithos Band 59 2001 S 127 150 R Zimmermann et al Eocene high pressure metamorphism in the Penninic units of the Tauern Window Eastern Alps evidence from Ar Ar dating and petrological investigations In Contrib Mineral Petrol Band 117 1994 S 175 186 Otto Thiele Zur Stratigraphie und Tektonik der Schieferhulle der westlichen Hohen Tauern In Verhandlungen der Geologischen Bundes Anstalt Wien 1970 S 230 244 Digitalisat PDF 584 kB abgerufen am 19 August 2018 Bernd Lammerer Das Autochthon im westlichen Tauernfenster In Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt Band 129 Wien 1986 S 51 67 PDF Datei Schmid et al 2004 S 108 O Adrian Pfiffner Geologie der Alpen Haupt Verlag Bern 2009 ISBN 978 3 8252 8416 9 S 47 Harald Rost Teil B Erforschungsgeschichte In Zur Geologie Petrographie und Tektonik des Pennins der Matreier Zone und des Altkristallins zwischen Purschbach und Grossklausenbach Durreck Gruppe Ahrntal Sudtirol 1989 abgerufen am 1 Dezember 2009 47 12 5 Koordinaten 47 0 N 12 30 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tauernfenster amp oldid 223806854