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Tektonische Decken Uberschiebungs oder Schubdecken sind ausgedehnte flache oder gewellte Gesteinskorper in Faltengebirgen die als Allochthon das heisst als transportiertes ortsfremdes Material auf dem Autochthon das heisst auf dem am ursprunglichen Platz seiner Bildung befindlichen Gesteinsverband liegen Dabei konnen mehrere solcher Decken ubereinander gestapelt sein und zusammen ein Deckensystem oder einen Deckenkomplex bilden Wenn ein Faltengebirge grossteils aus solchen Decken bzw Deckenkomplexen aufgebaut ist spricht man in der Geologie auch von einem Deckengebirge Schematische Darstellung der Elemente eines Deckensystems grau Deckeweiss Autochthon Inhaltsverzeichnis 1 Aufbau 2 Geschichte der Deckentheorie 3 Ursachen der Deckenbildung 4 Hydrogeologie 5 Beispiele 6 Siehe auch 7 Literatur 8 EinzelnachweiseAufbau BearbeitenDie verschobenen Gesteinskorper konnen von ihrem Ursprungsgebiet der Deckenwurzel bis zu ihrem vorderen Rand der Deckenstirn viele Kilometer bis mehrere hundert Kilometer bewegt worden sein Die stratigraphisch tiefsten d h altesten Gesteine innerhalb einer einzelnen Decke werden bisweilen als Deckenkerne angesprochen 1 insbesondere wenn sie aus kristallinem Grundgebirge bestehen 2 Sie befinden sich in der Regel an bzw nahe der Unterseite der Basis oder Sohle einer Decke Decken von denen angenommen wird dass sie unter Mitwirkung der Schwerkraft auf gering geneigten Flachen abgeglitten sind werden als Gleitdecken bezeichnet In Faltengebirgen sind oft mehrere jeweils durch flach einfallende Verwerfungen voneinander getrennte Decken ubereinander gestapelt und bilden ein Deckensystem Aufgrund ihrer Natur als ortsfremde Gesteinskorper werden Decken auch als allochthon vom Bildungsort entfernte darunter liegende nicht verschobene Krustenbereiche hingegen als autochthon vor Ort liegend bezeichnet Parautochthone Decken sind im Vergleich zu ihrem Ursprungsort nur uber kurze Entfernungen verschoben Geschichte der Deckentheorie Bearbeiten nbsp Verrucano des Glarner Deckenkomplexes Helvetische Decken uberlagert am Ausbiss der Glarner Hauptuberschiebung an den Tschingelhornern oberjurassischen Kalkstein des allgemein als par autochthon geltenden Infrahelvetikums Entdeckt wurde die Rolle von Uberschiebungen in den Alpen am Beispiel der auffalligen Glarner Hauptuberschiebung siehe dort zur ausfuhrlichen Geschichte Zunachst setzte sich durch Arnold Escher von der Linth und Albert Heim eine Interpretation als Faltungsphanomen durch Glarner Doppelfalte obwohl schon Roderick Murchison 1848 bei einem Besuch bei Escher von Linth eine Uberschiebung vertrat wobei er aus Beobachtungen in Schottland schopfte Heim lieferte sich mit dem Vertreter der Deckentheorie August Rothpletz eine heftige Auseinandersetzung in den 1890er Jahren Erkenntnisse zur Unterstutzung der Deckentheorie von Marcel Alexandre Bertrand 1884 die dieser in den Ardennen gewann und die von den Alpengeologen als rein theoretisch Traumerei betrachtet wurde da er nicht vor Ort in den Alpen geforscht hatte spielten bei den Alpengeologen zunachst keine Rolle ebenso wenig wie die von Archibald Geikie in Schottland 1883 3 Zwar hatte der grosse osterreichische Geologe des 19 Jahrhunderts Eduard Suess bereits 1883 die Glarner Doppelfalte als Uberschiebung neu interpretiert 4 aber erst Untersuchungen von Hans Schardt 1893 und besonders Maurice Lugeon in der Westschweiz fuhrten zu einem Umdenken auch bei Albert Heim um 1902 5 Einer der Wendepunkte zur Anerkennung der Deckentheorie war der Internationale Geologenkongress in Wien 1903 4 Den endgultigen Durchbruch erfuhr sie auf der Tagung der Geologischen Vereinigung in Innsbruck 1912 an der auch der nunmehr 81 jahrige Eduard Suess teilnahm 6 Zuvor hatten Untersuchungen unter anderem von Otto Ampferer 1901 Karwendel Uberschiebung Pierre Marie Termier 1904 Ubertragung auf die Ostalpen eine weit grossere Verbreitung des Uberschiebungsphanomens in den Alpen ergeben die sogar fur ganze Teile der Alpen kennzeichnend war Verknupfungen mit der Bewegung von Platten Nordafrika machte in den Alpen 1915 Emile Argand der sich in den 1920er Jahren auch zur Kontinentalverschiebungstheorie bekannte Ursachen der Deckenbildung BearbeitenUrsache einer Deckenbildung ist starker seitlicher Druck auf schon vorhandene Wolbungen der Erdkruste der meist auf grossraumige Plattentektonik zuruckgeht Wenn ein Stuck der Erdkruste siehe Lithosphare von sehr starker tektonischer Einengung betroffen ist kann es auf einer flach ansteigenden festeren Unterlage zu einer horizontalen Uberschiebung uber andere benachbarte Gesteins oder Gebirgskorper kommen Im Detail ist der Mechanismus der Deckenbildung nicht vollig geklart Bei der Uberschiebung der im Vergleich zu ihrer Ausdehnung sehr dunnen Gesteinspakete spielt ein erhohter Porenwasserdruck eine Rolle durch den die Decke gleichsam nach oben gedruckt und ihr Widerstand auf der Gleitflache stark verringert wird Auch das Vorhandensein von nachgiebigen Schichten wie Salzlagern Mergeln oder Tonsteinen unterstutzt die Bildung von Deckenbahnen 7 Hydrogeologie BearbeitenWie Schichten in einer ungestorten sedimentaren Abfolge bilden auch tektonische Decken Gesteinsstapel deren Aufbau Auswirkungen auf die lokale Hydrogeologie hat So finden sich Quellaustritte an Ausbissen von Uberschiebungsflachen wenn an diesen ein tektonischer Kontakt zwischen einem grundwasserstauenden und einem grundwasserleitenden Gestein besteht Ein Beispiel hierfur liefern die Quellen an der Sudostseite des Engadiner Fensters bei Scuol im Schweizer Kanton Graubunden wo noch innerhalb des Penninikums grundwasserleitende Bundnerschiefer Kluftgrundwasserleiter von grundwasserstauenden Deckeneinheiten Zone von Ramosch Roz Champatsch Zone und Tasna Decke uberfahren sind 8 Beispiele BearbeitenIn den Alpen bestehen grosse Teile des Gebirges aus weit uberschobenen Deckensystemen So sind die Decken der Nordlichen Kalkalpen der Grauwackenzone und begleitende Gesteine mindestens 150 km uber ihr Unterlager uberschoben worden wahrscheinlich jedoch mehr als 1000 km 9 Auch die Gesteine des Penninikums und des Helvetikums in der Schweiz in Frankreich und in Osterreich sind als Decken transportiert worden jedoch uber geringere Entfernungen 10 Deckentransport fand unter anderem auch im Apennin in den Karpaten und den anderen Gebirgen der alpidischen Orogenese wie dem Himalaya statt Auch aus alteren Gebirgen den Rumpfgebirgen sind Decken bekannt so aus dem kaledonischen Gebirge in Schottland und Norwegen oder dem variskischen Gebirge Beispiel das Moldanubikum des Bohmischen Massivs oder die Giessener Decke im Rheinischen Schiefergebirge Siehe auch BearbeitenFenster Geologie Klippe Geologie DeckentrennerLiteratur BearbeitenGerhard H Eisbacher Einfuhrung in die Tektonik 1 Auflage Ferdinand Enke Verlag Stuttgart 1991 ISBN 3 432 99251 3 S 57 ff Dieter Richter Allgemeine Geologie 3 Auflage de Gruyter Verlag Berlin New York 1985 ISBN 3 11 010416 4 S 233 ff Einzelnachweise Bearbeiten Stefan Lienert Red Geologie und Geotope im Kanton Schwyz Berichte der Schwyzerischen Naturforschenden Gesellschaft Bd 14 2003 online S 119 Glossar vgl Rudolf Staub Der Bau der Alpen Versuch einer Synthese A Francke A G Bern 1924 archive org Geikie selbst referierte in der Auflage seines Geologielehrbuchs von 1893 nur die Theorie von Heim a b Alexander Tollmann Die Bedeutung von Eduard Suess fur die Deckenlehre In Mitteilungen der Osterreichischen Geologischen Gesellschaft Bd 74 75 1981 S 27 40 zobodat at PDF 1 1 MB Rudolf Trumpy The Glarus Nappes A Controversy of a Century Ago In D W Mueller J A McKenzie H Weissert Hrsg Controversies in Modern Geology Academic Press London 1991 S 385 404 Helmut W Flugel Wegener Ampferer Schwinner Ein Beitrag zur Geschichte der Geologie in Osterreich In Mitteilungen der Osterreichischen Geologischen Gesellschaft Bd 73 1980 S 237 254 zobodat at PDF 1 3 MB Bruce B Hanshaw E An Zen Osmotic equilibrium and overthrust faulting Geological Society of America Bulletin Bd 76 Nr 12 1965 S 1379 1385 doi 10 1130 0016 7606 1965 76 1379 OEAOF 2 0 CO 2 Pius Bissig Die CO2 reichen Mineralquellen von Scuol Tarasp Unterengadin Kt GR Bulletin fur angewandte Geologie Bd 9 Nr 2 2004 S 39 47 doi 10 5169 seals 224995 Reinhard Schonenberg Joachim Neugebauer Einfuhrung in die Geologie Europas 4 Auflage Verlag Rombach Freiburg 1981 ISBN 3 7930 0914 9 S 194 Stefan M Schmid Bernhard Fugenschuh Eduard Kissling Ralf Schuster Tectonic map and overall architecture of the Alpine orogen Eclogae geologicae Helvetiae Bd 97 2004 S 93 117 doi 10 1007 s00015 004 1113 x Normdaten Sachbegriff GND 4240519 1 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tektonische Decke amp oldid 231623000