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Die Giessener Decke ist eine geologische Einheit des sudostlichen Rheinischen Schiefergebirges Sie stellt aufgrund ihrer Gesteinsabfolge einen Fremdkorper unter den umgebenden geologischen Einheiten dar und ist wahrend der variskischen Gebirgsbildung durch weitraumige Uberschiebung als tektonische Decke an ihre heutige Position gelangt 1 Gleichartige Gesteinseinheiten sind unter anderem im sudlichen Kellerwald und im Harz 2 sowie in Tschechien 3 aufgeschlossen Diese geologischen Einheiten sind die sonst in Mitteleuropa nur selten erhaltenen Reste der an der variskischen Kontinentkollision im Karbon beteiligten oberen Mikro oder Kontinentalplatte und stellen somit ein wichtiges Zeugnis der gebirgsbildenden Prozesse dar Die Giessener Decke in der geologischen Karte des sudostlichen Rheinischen Schiefergebirges Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Gesteine und Schichtenfolge 3 Struktur 4 Erforschungsgeschichte 5 EinzelnachweiseLage BearbeitenDas geschlossene Verbreitungsgebiet der Giessener Decke ist etwa 300 km2 gross und erstreckt sich am Westfuss des Vogelsbergs uber etwa 40 km von Braunfels uber Wetzlar und Giessen fast bis Marburg Ihr Nordteil wird im Osten von der Lahn begleitet ehe diese die Giessener Decke zwischen Giessen und Wetzlar quert und nach Westen dem Rhein zufliesst Gesteine und Schichtenfolge BearbeitenDer Gesteinsinhalt der Giessener Decke setzt sich zusammen aus gering machtigen Ton Kiesel und Alaunschiefern des Unter und Mitteldevons und Grauwacken des Oberdevons und Unterkarbons 4 Vor allem die Grauwacken des Oberdevons stehen in deutlichem Gegensatz zu den Ton und Kalksteinen die zur gleichen Zeit in den unmittelbar unter der Giessener Decke liegenden geologischen Einheiten abgelagert wurden Dieser Befund gab den ersten Anlass die Einheit der Giessener Grauwacken als ortsfremden Gesteinskorper einzustufen 5 An einigen Stellen sind an der Basis der Giessener Decke tektonische Schuppen aus Basalten erhalten die aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung als MOR Basalte angesehen werden 6 Struktur BearbeitenDie Basisuberschiebung des Deckenkorpers ist durch das Vorkommen von stark beanspruchten Kataklasiten und unter relativ niedrigen Temperaturen entstandenen Myloniten gekennzeichnet Sie liegt heute annahernd horizontal ist lokal jedoch durch spatere Faltungs und Uberschiebungsvorgange verformt Durch Erosion wurden randlich liegende Gesteinskorper von der Hauptmasse der Decke abgetrennt und liegen jetzt als Klippen vor ihr so etwa bei Braunfels und Steindorf einem Ortsteil von Wetzlar Die Gesteine innerhalb der Decke sind stellenweise eng gefaltet und von Scherzonen und Storungen durchzogen 7 Erforschungsgeschichte BearbeitenWegen der von der Umgebung abweichenden Giessener Grauwacken wurden diese seit der Aufnahme systematischer geologischer Kartierung von einigen Geologen als ortsfremde geologische Einheit interpretiert so etwa 1927 von dem in Leipzig wirkenden Geologieprofessor Franz Kossmat 5 Ihr besonderer Charakter wurde auch von anderen Geologen beschrieben die in diesem Gebiet ihre Forschungen betrieben allen voran Johannes Ahlburg und Wilhelm Kegel in der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts Diese deuteten die Abweichungen als das Produkt von schmalen unterschiedlich ausgebildeten Ablagerungsraumen die unmittelbar nebeneinander lagen 8 9 10 Zahlreiche Untersuchungen beschaftigten sich seitdem mit unterschiedlichen Einzelfragen Dabei trat die Deutung der Einheit als tektonische Decke zuruck hinter die Auffassung bei den Giessener Grauwacken handele es sich um einen speziellen doch im Wesentlichen im Zusammenhang der umgebenden Einheiten gebliebenen Ablagerungsraum Diskussionen uber die Natur der Giessener Grauwacken wurden nach 1980 wieder lebhafter durch verschiedene zusammenfassende wissenschaftliche Aufsatze nachdem jungere geologische Untersuchungen die Theorie einer ortsfremden Herkunft mit neuen Ergebnissen unterstutzten 11 7 Obwohl zahlreiche Einzelheiten wegen der schlechten Aufschlusse und der komplizierten geologischen Verhaltnisse bislang nicht geklart sind hat sich die Auffassung als tektonische Decke fur diese geologische Einheit mittlerweile etabliert Dem folgt auch die Darstellung in amtlichen Karten Da die Giessener Grauwacke im Hangenden gleichalter aber faziell unterschiedlicher pelagischer Gesteine lagert wird sie als Erosionsrest einer aus sudlicher Richtung uberschobenen Decke interpretiert 12 Mit Bezug auf die Giessener Decke wird auch fur weitere Teile des sudostlichen Rheinischen Schiefergebirges sowie die mit ihnen in Verbindung gebrachten Einheiten des sudlichen Kellerwalds und des Harzes eine ortsfremde Herkunft angenommen 2 Von der Giessener Decke abgesetzt werden dabei die nordwestlich im Gladenbacher Bergland gelegenen allochthonen Einheiten geringerer Ausdehnung die Steinhorn bzw Lohra Decke als Teile der Frankenbach Verschuppungszone sowie die langgestreckte Horre Decke die durch Abwesenheit vulkanischer Gesteine gekennzeichnet sind Aufgrund des Verteilungsmusters der datierten Zirkon Alter in ihren Sedimenten wird auch diesen Einheiten nach dem bevorzugten plattentektonischen Modell ein Armorica Terran zugeordnet beziehungsweise ein Gondwana zugehoriges Hinterland vor der Kollision mit Laurussia 13 Einzelnachweise Bearbeiten Roland Walter u a Geologie von Mitteleuropa 5 Auflage Schweizerbarth sche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 1992 ISBN 3 510 65149 9 S 179 a b H Huckriede K Wemmer H Ahrendt Palaeogeography and tectonic structure of allochthonous units in the German part of the Rheno Hercynian Belt Central European Variscides In International Journal of Earth Sciences Band 93 Nr 3 Juni 2004 S 414 431 doi 10 1007 s00531 004 0397 4 Jiri Kalvoda u a Tectonostratigraphic development of the Devonian and Carboniferous in the Brunovistulian terrane Czech Republic In M Aretz H G Herbig Hrsg Carboniferous Conference Cologne From Platform to Basin Kolner Forum fur Geologie und Palaontologie Band 15 Koln 2006 ISBN 3 934027 18 0 S 53 54 muni cz Wolfgang Dorr Stratigraphie Stoffbestand und Fazies der Giessener Grauwacke ostliches Rheinisches Schiefergebirge Geologische Abhandlungen Hessen Band 91 Wiesbaden 1990 DNB 910500126 a b F Kossmat Gliederung des varistischen Gebirgsbaus In Abhandlungen der Sachsischen Geologischen Landes Anstalt Heft 1 Leipzig 1927 39 S J Grosser W Dorr MOR Basalte im ostlichen Rheinischen Schiefergebirge In Neues Jahrbuch fur Geologie und Palaontologie Monatshefte Band 12 1986 S 705 722 a b M Birkelbach u a Die geologische Entwicklung der ostlichen Lahnmulde Exkursion April 1988 In Jahresberichte und Mitteilungen des Oberrheinischen Geologischen Vereins Band 70 Stuttgart 1988 S 43 74 J Ahlburg Uber die Verbreitung des Silurs Hercyns und Rheinischen Devons und ihre Beziehungen zum geologischen Bau im ostlichen Rheinischen Gebirge In Jahrbuch der Preussischen Geologischen Landesanstalt Band 40 Heft 1 Berlin 1921 S 1 82 W Kegel Abriss der Geologie der Lahnmulde Erlauterungen zu einer von Johannes AHLBURG hinterlassenen Ubersichtskarte und Profildarstellung der Lahnmulde Abhandlungen der Preussischen Geologischen Landesanstalt Neue Folge Heft 86 Berlin 1922 DNB 580347923 W Kegel Geologie der Dillmulde In Abhandlungen der Preussischen Geologischen Landesanstalt Neue Folge Heft 160 Berlin 1934 48 S W Engel u a Nappe Tectonics in the Southeastern Part of the Rheinisches Schiefergebirge In H Martin F W Eder Hrsg Intracontinental Fold Belts Heidelberg 1983 S 267 287 Geologische Ubersichtskarte 1 200 000 Blatt CC 5510 Siegen Bundesanstalt fur Geowissenschaften und Rohstoffe Hannover Beschreibung abgerufen am 11 Januar 2016 Katja Eckelmann Heinz Dieter Nesbor Peter Konigshof Ulf Linnemann Mandy Hofmann Jan Michael Lange Anja Sagawe Plate interactions of Laurussia and Gondwana during the formation of Pangaea Constraints from U Pb LA SF ICP MS detrital zircon ages of Devonian and Early Carboniferous siliciclastics of the Rhenohercynian zone Central European Variscides In Gondwana Research Band 25 Nr 4 Mai 2014 S 1484 1500 doi 10 1016 j gr 2013 05 018 auch als PDF senckenberg de 50 580621 8 587189 Koordinaten 50 34 50 2 N 8 35 13 9 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Giessener Decke amp oldid 221815109