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Ein Nephron von altgriechisch nefros nephros deutsch Niere fruher auch Nierenkammerchen 1 ist die funktionelle Untereinheit der Niere Das Nephron gilt als kleinste Nierenfunktionseinheit Es besteht aus dem Nierenkorperchen Malpighi Korperchen benannt nach Marcello Malpighi Corpusculum renale fruher Nierenkornchen 2 mit dem Glomerulum Nierenknauelchen in der Bowmanschen Kapsel und dem daran angeschlossenen Nierenkanalchen Tubulus 3 Das Nierenkanalchen wird in Hauptstuck proximaler Tubulus Uberleitungsstuck Intermediartubulus oder Tubulus attenuatus und Mittelstuck distaler Tubulus unterteilt Die geraden Abschnitte der Nierenkanalchen und das Uberleitungsstuck bilden eine Schlinge die als Henlesche Schleife nach Jakob Henle lat Ansa nephroni bezeichnet wird Die Henleschen Schleifen existieren nur bei Saugetieren und Vogeln Sie sind offensichtlich notwendig um einen gegenuber dem Blut hyperosmotischen Harn zu bilden denn Wirbeltiere ohne Henlesche Schleifen sind dazu nicht in der Lage Feinbau der Niere schematischDie Abbildung zeigt die verschiedenen Abschnitte des Tubulussystems Verbindungstubulus und Sammelrohr sind embryologisch anderer Herkunft und gehoren deshalb nicht zum Nephron Sie bilden aber eine funktionelle Einheit mit dem Tubulussystem des Nephrons Der distale Tubulus ist distal im Hinblick auf das Nephron Jede menschliche Niere besitzt etwa eine Million dieser morphologischen oder physiologischen Untereinheiten und damit ebenso viele Nierenkorperchen Nierenknauelchen und Nierenkanalchen Diese drei deutschen Begriffe werden heute kaum noch verwendet sie fehlen zum Beispiel auch sowohl in der 11 wie in der 19 Auflage der Brockhaus Enzyklopadie 4 Die Tubuli arbeiten trotz eines postulierten tubuloglomerularen Feedback weitgehend unabhangig von den Glomeruli 5 Inhaltsverzeichnis 1 Physiologie 2 Geschichte 3 Literatur 4 Siehe auch 5 Weblinks 6 AnmerkungenPhysiologie BearbeitenIn den Nierenkorperchen wird kontinuierlich Primarharn aus dem Blut filtriert Die Primarharnbildung heisst auch glomerulare Filtration oder filtrative Nierenfunktion Nierenleistung und lasst sich mit Hilfe der glomerularen Filtrationsrate GFR oder eingeschrankt auch mit der Kreatinin Clearance beurteilen Beide betragen bei gesunden Erwachsenen etwa 150 180 Liter am Tag 105 120 ml min Die Glomeruli filtern das Plasma weitgehend unabhangig vom arteriellen Blutdruck Eine konstante GFR wird bei arteriellen Mitteldrucken zwischen 75 und 200 mmHg erreicht durch 6 myogene Autoregulation Renin Angiotensin Aldosteron System tubuloglomerulares Feedback gefasserweiterndes Adenosin und Prostaglandine die bei Minderperfusion synthetisiert werdenAnschliessend werden in den Tubuli bestimmte Stoffe resorbiert vor allem wird Wasser ruckresorbiert reabsorbiert Wasserreabsorption aber auch sezerniert Die Tubuli regulieren den Wasserhaushalt Durch diese Konzentration entsteht aus dem Primarharn der eigentliche Harn Sekundarharn oder Endharn Die eigentliche Nierenleistung 7 besteht im aktiven Transport 8 9 der Tubuli unter Energieverbrauch im Gegensatz zur hamodynamisch erzeugten passiven Filtration der Glomeruli 10 Die aktiven Transportprozesse in den Nierenkanalchen werden eingeteilt in primar aktive sekundar aktive und tertiar aktive 11 Geschichte BearbeitenDie Theorien der Harnbereitung 12 haben eine lange Geschichte 13 Schon Leonhart Fuchs 1501 1566 beschrieb die Niere als Sieb oder Filter Auch der osterreichische Anatom Josef Hyrtl bezeichnete eine Niere als Seihe seyhe oder Sieb Erst nach Erfindung des Mikroskops um 1600 konnte man die Glomeruli von den Tubuli unterscheiden William Bowman bewies dass Tubuli und Glomeruli eine funktionelle Einheit bilden 14 Diese kleinste Nierenfunktionseinheit ist das Nephron Das Glomerulum wird von der doppelwandigen Bowman Kapsel umhullt William Bowman 1816 1892 behauptete noch 1842 die glomerularen Kapillargefasse scheiden Wasser aus welches die von den Tubuli sezernierten Stoffe wegspule 15 16 Bowman vermutete dass die Nierentatigkeit eine sekretorische Leistung sei 17 Klare Vorstellungen uber die Arbeitsweise der Glomeruli renis und der Tubuli renales 18 bei der Harnbereitung hatte zuerst ebenfalls 1842 Carl Friedrich Wilhelm Ludwig 19 Nach seiner noch heute im Wesentlichen gultigen mechanischen Theorie findet die physikalische Filtration des Plasmas in den Glomeruli statt Anschliessend komme es zur Ruckdiffusion von Wasser durch eine Endosmose im Tubulus 20 Die tubulare Resorbierung auch von harnpflichtigen Stoffen wurde erst 1917 von Arthur Robertson Cushny erkannt 21 Heute spricht man von der passiven das heisst ohne Energieverbrauch glomerularen Filtration und der aktiven das heisst mit Energieverbrauch tubularen Ruckresorption Schon Franz Volhard hat diese moderne mechanisch physikalische Filtrationstheorie abgelehnt 22 Auch Leopold Lichtwitz hat 1934 sogar die Moglichkeit von Filtration und Ultrafiltration in den Glomeruli fur unmoglich gehalten weil er sich den passiven Durchgang der harnfahigen Stoffe durch die Schlitzmembranen in den Podozyten nahezu ohne Energieverbrauch nicht vorstellen konnte 23 Das neurohumoral geregelte und medikamentos modulierte Zusammenspiel von Physik und Chemie bei Gesundheit und Krankheit von Mensch und Wirbeltier in den Podozyten und in den einzelnen Tubulusabschnitten in Bezug auf die einzelnen harnpflichtigen und harnfahigen Substanzen ist jedoch auch heute noch nicht abschliessend geklart Noch um 1978 wurde die GFR definiert als Filtrationsgrosse der Malpighi schen Korperchen in der Niere 24 ohne auf den fundamentalen Unterschied zwischen glomerularer Filtration und tubularer Resorption abzustellen Das Wort Nephron wurde von Emil Ponfick gepragt 25 Als Erster hat der hollandische Anatom Frederik Ruysch die kleinen Ballchen neben den Tubuli als Glomerula bezeichnet weil sie wie Garnballe aussehen 26 Nach Lorenzo Bellini wurden die Tubuli benannt Tubuli uriniferi sive Bellini Literatur BearbeitenLuigi Belloni Die Eroberung des Nephrons In Berliner Medizinische Wochenschrift 16 1965 S 92 100 Karl Julius Ullrich Klaus Hierholzer Normale und pathologische Funktionen des Nierentubulus Verlag Hans Huber Bern Stuttgart 1965 DNB 458762938 John W Boylan Peter Deetjen Kurt Kramer Niere und Wasserhaushalt Urban amp Schwarzenberg Munchen Berlin Wien 1970 ISBN 3 541 04911 1 Ulrich Kuhlmann u a Hrsg Nephrologie 6 Auflage Georg Thieme Verlag Stuttgart New York 2015 ISBN 978 3 13 700206 2 Siehe auch BearbeitenNiereninsuffizienz Nephridium Sequenzielle Nephronblockade Nephrotisches Syndrom Nephritis Nephrose Nephrosklerose Nephropathie Nephrogene systemische Fibrose Nephronophthise NephrotoxinWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Nephron Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Nephron Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenAnmerkungen Bearbeiten Hans Lullies Physiologie I Vegetative Physiologie Reihe Medizin von heute Heft 1 Tropon Werke Koln Mulheim 1958 S 170 Dietrich Wilhelm Heinrich Busch Johann Friedrich Dieffenbach E Horn Johann Christian Jungken Heinrich Friedrich Link Johannes Muller Emil Osann Hrsg Encyclopadisches Worterbuch der medicinischen Wissenschaften 25 Band Verlag von Veit et Comp Berlin 1841 Nachdruck Musketier Verlag Bremen 2023 ISBN 978 3 9853 3696 8 S 260 Karl Julius Ullrich Klaus Hierholzer Hrsg Normale und pathologische Funktionen des Nierentubulus Verlag Hans Huber Bern 1965 466 Seiten Alle diese drei deutschen diminutiven Begriffe Nierenkorperchen Nierenknauelchen und Nierenkanalchen neben den veralteten Begriffen Nierenkammerchen und Nierenkornchen finden sich nicht in den modernen nephrologischen Lehrbuchern kaum in den einschlagigen medizinischen Worterbuchern und auch nicht im 228 seitigen Sachverzeichnis am Ende des dreiteiligen Nierenbandes im Handbuch der inneren Medizin 5 Auflage 8 Band 3 Teil Springer Verlag Berlin Heidelberg New York 1968 ISBN 3 540 04152 4 Quellen fur Nierenkanalchen Johannes Sobotta Hellmut Becher Atlas der Anatomie des Menschen 16 Auflage 2 Teil Verlag Urban amp Schwarzenberg Berlin Munchen 1965 S 190 Hier werden die Begriffe Harnkanalchen und Nierenkanalchen beide fur die Tubuli gebraucht In der 17 Auflage fehlen entsprechende Erlauterungen Alfred Benninghoff Kurt Goerttler Lehrbuch der Anatomie des Menschen 11 Auflage Verlag Urban amp Schwarzenberg Munchen Wien Baltimore 1977 Band 2 ISBN 3 541 00251 4 S 250 253 Peter Reuter Springer Klinisches Worterbuch 2007 2008 Heidelberg 2007 ISBN 978 3 540 34601 2 S 1294 Hermann Rabl Ruckhard beschrieb 1888 in Band XIV der zweiten Auflage der Real Encyclopadie der gesammten Heilkunde Digitalisat auf den Seiten 368 bis 371 ausfuhrlich die Struktur der Harncanalchen Tubuli uriniferi sive Bellini Quellen fur Nierenknauelchen Joseph Julius Czermak Uber die Nierenknauelchen Isis 1836 S 783 Medicinische Jahrbucher des kaiserlich koniglichen osterreichischen Staates 32 Band Wien 1840 S 557 Theodor Fahr Harnorgane Mannliche Geschlechtsorgane 1 Teil Verlag von Julius Springer Berlin 1925 ISBN 978 3 7091 3039 1 S 17 Dieter Vaitl Hrsg Essentielle Hypertonie Springer Verlag Berlin Heidelberg 1982 ISBN 978 3 540 10975 4 S 41 Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde 35 Band Verlag von Julius Springer Berlin 1929 S 471 Kenneth A Anderson Hrsg Springer Lexikon Pflege 2 Auflage 2 Band Springer Verlag Berlin Heidelberg 2002 ISBN 978 3 662 01100 3 S 384 DOI 10 1007 978 3 662 01099 0 Rheinische Post online NRW Wissenschaftspreis fur Kolner Nierenexperten 3 Mai 2018 Heiner Fangerau Stefan Schulz Thorsten Noack Irmgard Muller Medizinische Terminologie 6 Auflage Lehmanns Media Berlin 2017 ISBN 978 3 86541 934 7 S 69 Quellen fur Nierenkorperchen Gunter Thiele Handlexikon der Medizin Verlag Urban amp Schwarzenberg Munchen Wien Baltimore ohne Jahr Teil III L R S 1734 Willibald Pschyrembel Klinisches Worterbuch 268 Auflage Verlag Walter de Gruyter Berlin Boston 2020 ISBN 978 3 11 068325 7 S 1230 mit Verweisung auf das Malpighi Korperchen Duden Das Worterbuch medizinischer Fachausdrucke 4 Auflage Bibliographisches Institut Mannheim Wien Zurich 1985 ISBN 3 411 02426 7 S 482 mit Verweisung auf die Corpuscula renis Im massgeblichen sechsbandigen Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete werden die Nierenkorperchen und die Nierenkanalchen nicht aber die Nierenknauelchen definiert letztere werden kurz als Nierenknauel bezeichnet Quelle Gunter Thiele Heinz Walter Hrsg Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete Verlag Urban amp Schwarzenberg Loseblattsammlung 1966 1977 5 Ordner Membra R Zellen Adenom Munchen Berlin Wien 1973 ISBN 3 541 84005 6 S N 94 Die Nierenkanalchen werden mitunter auch als Harnkanalchen Quelle Hans Lullies Physiologie I Vegetative Physiologie Reihe Medizin von heute Heft 1 Tropon Werke Koln Mulheim 1958 S 170 beschrieben weil in ihnen der Primarharn zum Sekundarharn oder Endharn Urin Harn konzentriert wird analog werden die Nierenknauelchen als Filterkorperchen erklart Alfred Benninghoff und Kurt Goerttler definierten in der 11 Auflage ihres Lehrbuches der Anatomie des Menschen Das Nierenkorperchen Glomerulus Glomerulum falsch als Nierenknauelchen Quelle Verlag Urban amp Schwarzenberg Munchen Wien Baltimore 1977 ISBN 3 541 00251 4 S 251 K H Gertz Die Anpassung der transtubularen Resorption an die glomerulare Filtrationsrate In Karl Julius Ullrich Klaus Hierholzer Hrsg Normale und pathologische Funktionen des Nierentubulus Verlag Hans Huber Bern 1965 S 141 145 Rudiger Kohling Jurgen Hescheler Erwin Josef Speckmann Hrsg Physiologie 6 Auflage Verlag Urban amp Fischer 2013 Kapitel 11 3 Accessed July 4 2021 https search ebscohost com login aspx direct true amp db nlebk amp AN 974155 amp site ehost live Max Burger Einfuhrung in die innere Medizin Sammelwerk Der Kliniker Verlag Walter de Gruyter Berlin 1952 S 241 Heinz Valtin Funktion der Niere Schattauer Stuttgart New York 1978 ISBN 3 7945 0556 5 S 35 Zitat die Resorption muss wenigstens teilweise aktiv sein Anderer Ansicht Die tubulare Ruckresorption ist ein passiver Mechanismus der die gesamte Tubuluslange betrifft wenn auch ohne Begrundung sind Markus Daschner und P Cochat Pharmakotherapie bei Niereninsuffizienz In Karl Scharer Otto Mehls Hrsg Padiatrische Nephrologie Springer Verlag Berlin Heidelberg 2002 ISBN 978 3 642 62621 0 S 467 Ernst Piet h er Leumann Nierenfunktionsprufungen In Karl Scharer Otto Mehls Hrsg Padiatrische Nephrologie Springer Verlag Berlin Heidelberg 2002 ISBN 978 3 642 62621 0 S 22 Claas Wesseler Physiologie Band 1 3 Auflage Medi Learn Marburg 2009 ISBN 978 3 938802 58 8 S 3 7 So die Kapiteluberschrift im Inhaltsverzeichnis auf Seite 1 in Franz Volhard Die doppelseitigen hamatogenen Nierenerkrankungen In Gustav von Bergmann Rudolf Staehelin Hrsg Handbuch der inneren Medizin 2 Auflage Verlag von Julius Springer Berlin Heidelberg 1931 Band 6 erster Teil Seiten V und 1 Johanna Bleker Die Geschichte der Nierenkrankheiten Boehringer Mannheim Mannheim 1972 Johanna Bleker Die Geschichte der Nierenkrankheiten Boehringer Mannheim 1972 S 104 Heinz Valtin Funktion der Niere 1 Auflage Schattauer Verlag Stuttgart New York 1978 ISBN 3 7945 0556 5 S 6 William Bowman On the structure and use of the malpighian bodies of the kidney and observations on the circulation through that gland Philosophical Transactions of the Royal Society London 132 S 57 1842 Johanna Bleker Die Geschichte der Nierenkrankheiten Boehringer Mannheim 1972 S 104 Diese beiden lateinischen Bezeichnungen finden sich bei Gunter Thiele Heinz Walter Hrsg Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete Verlag Urban amp Schwarzenberg Loseblattsammlung 1966 1977 5 Ordner Membra R Zellen Adenom Munchen Berlin Wien 1973 ISBN 3 541 84005 6 S N 94 f Carl Friedrich Wilhelm Ludwig Nieren und Harnbereitung In Rudolf Wagner Hrsg Handworterbuch der Physiologie mit Rucksicht auf physiologische Pathologie Vieweg Braunschweig 1844 H Straub K Beckmann Allgemeine Pathologie des Wasser und Salzstoffwechsels und der Harnbereitung In Lehrbuch der inneren Medizin 4 Auflage 2 Band Verlag von Julius Springer Berlin 1939 S 8 Arthur Robertson Cushny The Secretion of the Urine Longmans Green and Company London 1917 W Kaiser Die halleschen Ordinationsjahre von Franz Volhard 1872 1950 In Hans Erhard Bock Karl Heinz Hildebrand Hans Joachim Sarre Hrsg Franz Volhard Erinnerungen Schattauer Verlag Stuttgart 1982 ISBN 3 7845 0898 X S 212 Leopold Lichtwitz Die Praxis der Nierenkrankheiten 3 Auflage Verlag von Julius Springer Berlin 1934 ISBN 978 3 642 49413 0 S 17 Firma Sandoz AG Lexikon medizinischer Abkurzungen 1 Auflage Nurnberg 1978 S 23 identisch bis zur letzten 8 Auflage 1991 S 101 Martin Staemmler Hrsg Eduard Kaufmann Lehrbuch der speziellen pathologischen Anatomie Fur Studierende und Arzte 11 und 12 Auflage II Band 1 Teil Verlag Walter de Gruyter Berlin 1957 doi 10 1515 9783111443546 fm Hans Schadewaldt Die Geschichte des Urins in der Medizin In Carmen Thomas Ein ganz besonderer Saft Urin Bertelsmann Koln 1993 S 102 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