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Die Nachrichtenstelle fur den Orient NfO war eine wahrend des Ersten Weltkrieges im Nahen Osten tatige Einrichtung des deutschen Generalstabs und des Auswartigen Amtes Sie war fur pro deutsche Propagandaaktivitaten in den Landern des Orients und Britisch Indiens zustandig und erfullte zugleich nachrichtendienstliche Aufgaben Sitz der Nachrichtenstelle fur den Orient Berlin Mauerstrasse 45 46Mit geringem Erfolg bemuhte sich die Nachrichtenstelle darum Soldaten islamischen Glaubens aus den franzosischen britischen und russischen Heeren zum Uberlaufen zu bewegen Kriegsgefangene islamischen Glaubens wurden auf Veranlassung der Nachrichtenstelle im sogenannten Halbmondlager bei Berlin konzentriert Hier wurden islamische Praktiken wie Essgebote oder der Ramadan ausdrucklich berucksichtigt und fur die Gefangenen die erste Moschee auf deutschem Boden errichtet Gastredner aus der Turkei versuchten die Gefangenen zu agitieren und zum Seitenwechsel zu uberreden In Kriegsgefangenenlagern wurde eine Propagandazeitung mit dem Titel El Dschihad verteilt 1 Die Nachrichtenstelle unterstutzte nationalistische und unabhangigkeitsorientierte Stromungen in den Landern des arabischen indischen und osmanischen Raumes Persiens sowie Chinas 2 um damit die deutsche Position im Nahen Osten mittleren Osten und in Transkaukasien zu starken und die Entente Machte Frankreich Grossbritannien und Russland zu schwachen Die Politisierung des Begriffs Dschihad in der islamischen Welt ist u a auf die Propagandaaktivitaten der Nachrichtenstelle zuruckzufuhren Im Umfeld der NfO kam laut Wolfgang G Schwanitz oft der Begriff Islamismus auf Dies im heutigen politischen Sinne einst durch Kaiser Wilhelm II als Kurzform fur Pan Islamismus benutzt wie ihn Max von Oppenheim vor der Palastinareise Kaiser Wilhelms II 1898 dem Monarchen als mogliche verbundete Jihad Bewegung beschrieben hat 3 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Struktur 1 1 Idee und Ausgangssituation 1 2 Organisation und Aufgaben 1 3 Personelle Struktur 1 3 1 Leitung der Nachrichtenstelle 1 3 2 Deutsche Mitarbeiter 1 3 3 Orientalische Mitarbeiter 2 Propaganda der Nachrichtenstelle 2 1 Propagandamittel 3 Publikationen 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte und Struktur BearbeitenIdee und Ausgangssituation Bearbeiten Die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Osmanischen Reich waren zu Beginn des 20 Jahrhunderts sehr gut Wahrend sich Deutschland personell und waffentechnisch an militarischen Auseinandersetzungen der osmanischen Machthaber beteiligte die deutschen Militarmissionen fur eine Modernisierung der turkischen Armee sorgten wurde mit dem prestigetrachtigen deutsch osmanischen Grossprojekt dem Bau der Bagdadbahn auch abgelegene Teile des Vielvolkerstaates erschlossen Die aufsteigende Grossmacht Deutschland versuchte damit die Osmanen als Verbundete zu gewinnen Das Osmanische Reich dagegen lag am Boden Die europaischen Machte sprachen wegen des stetigen wirtschaftlichen und politischen Niedergangs vom kranken Mann am Bosporus Die Orientalische Frage ob das Osmanische Reich fortbestehen oder als Kolonien aufgeteilt und so zerfallen wurde war ein bedeutender Aspekt in der Aussenpolitik des Imperialismus Im Juli 1914 begann der Erste Weltkrieg Der deutsche Orientalist und Diplomat Max von Oppenheim 1860 1946 ubergab aus diesem Anlass im Oktober dem Auswartigen Amt ein Memorandum mit dem Titel Denkschrift betreffend die Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde Darin schrieb er In erster Linie haben wir gegenwartig an unsere Selbstverteidigung zu denken den Islam fur uns auszunutzen und diesen jetzt nach Kraften zu starken Die Perfidie unserer Gegner gibt uns zudem das Recht zu jedem Mittel zu greifen das zu einer Revolutionierung der feindlichen Lander fuhren kann 4 Max von Oppenheim Oktober 1914 Oppenheim hatte als deutscher Diplomat und Amateur Archaologe im arabischen Raum viel Erfahrung gesammelt und galt als aussenpolitischer Experte fur das Osmanische Reich Er sah grosses Potential in der Moglichkeit unter den Muslimen einen Heiligen Krieg Djihad arab جهاد gegen die Entente Machte Frankreich Grossbritannien und Russland zu entfachen um so die eigene Kriegssituation zu verbessern Oppenheim sah propagandistische Massnahmen sowie ein Vorgehen des deutschen Heeres im Osmanischen Reich als notwendige Vorbedingungen einer Revolutionierung an Fur die Koordination dieser Vorhaben regte er die Grundung einer Nachrichtenstelle die sich aus Orientalisten arabischen oder turkischen Muttersprachlern und ausgebildeten Lektoren zusammensetzen wurde und angepasste wahrheitsgetreue Kriegsberichte Aufrufe etc erarbeiten und verschicken sollte 5 Die Denkschrift Oppenheims gelangte uber den Unterstaatssekretar Arthur Zimmermann bis zu Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg und Kaiser Wilhelm II Wahrend der Kaiser dem viel daran gelegen war die Osmanen als Verbundete zu gewinnen den Plan wohlwollend betrachtete herrschten im Auswartigen Amt geteilte Meinungen Insbesondere der liberale Diplomat und Orientexperte Friedrich Rosen ein Gegenspieler Oppenheims warnte eindringlich davor religiosen Fanatismus zu schuren 6 Da allerdings der Generalstab unter Helmuth von Moltke die Plane entschieden forderte erfolgte im November die Grundung der Nachrichtenstelle fur den Orient durch das Auswartige Amt und die Sektion Politik im Stellvertretenden Generalstab 7 Diese stand unter der Leitung des Diplomaten Rudolf Nadolny der seit dem Kriegseintritt des Osmanischen Reiches auf Seiten der Mittelmachte am 3 November fur die Zusammenarbeit der NfO mit dem Militar zustandig war Finanzielle Mittel fur die NfO wurden aus dem allgemeinen Propagandahaushalt des Auswartigen Amtes zur Verfugung gestellt Die monatliche Grundfinanzierung betrug 5 000 die durch einen eisernen Reservefonds fur aussergewohnliche Aufgaben auf 8 000 erhoht wurde Diese Summe reichte bei weitem nicht aus weshalb Oppenheim Mittel aus seinem Privatvermogen beisteuerte Die deutsche Zentrale der NfO war zunachst in funf Raumen des Berliner Reichskolonialamtes untergebracht Die Erweiterung der Aufgabenbereiche machte jedoch einen Umzug in die Tauentzienstrasse 19a bald erforderlich Zu Kriegsende wurden 32 Raume von der NfO genutzt 8 Organisation und Aufgaben Bearbeiten nbsp Erster Weltkrieg im Weiteren Mittleren Osten beteiligte Staaten Entente und Alliierte Mittelmachte neutrale StaatenDie Propaganda unter den Muslimen Russlands der Franzosischen Kolonien und des Britischen Empire zugunsten der deutschen Kriegfuhrung war die zentrale Aufgabe der NfO Dieser Bereich war in folgende vier Bereiche aufgeteilt Propaganda an den Fronten Propaganda unter muslimischen Kriegsgefangenen Propaganda in den Kolonien der Entente Propaganda in den verbundeten Landern und dem Deutschen ReichDie NfO war ihrem Status nach aber weder eine Behorde noch ein privates Unternehmen Ihre geheime Zusammenarbeit mit dem Auswartigen Amt und dem Generalstab verliehen ihr aber einen halbamtlichen Charakter In der Organisation ahnelte sie einer universitaren Fakultat Neben der Leitung existierte eine Kanzlei sowie eine Pressestelle Daneben gab es sechs Abteilungen die juristische turkische persische arabische indische und russische Angelegenheiten bearbeiteten Ausserdem waren die Redaktionen der Gefangenenzeitung und des Neuen Orients den Abteilungen gleichgestellt Die gesamte Organisation oblag dem Leiter der Einrichtung in den Anfangsjahren somit Max von Oppenheim Um die Nahe zur muslimischen Bevolkerung zu vergrossern und die Arbeiten zu erleichtern waren in den betreffenden Abteilungen jeweils auch Muttersprachler angestellt Als eine der ersten Tatigkeiten der NfO wurden die zu Kriegsbeginn in Berlin anwesenden Orientalen in Komitees zusammengefasst aus denen sich nationale Organisationen fur die Volker des Nahen Ostens bildeten So entstanden etwa das Indian Independance Committee das Persische Komitee in Berlin und das Komitee fur die Unabhangigkeit Georgiens Diese Organisationen standen in standigem Kontakt zur NfO Oppenheim regte daruber hinaus die Grundung eines georgischen und eines tatarischen Stipendienfonds der Deutsch Georgischen Gesellschaft sowie den Aufbau einer Deutsch Persischen Gesellschaft an 9 Die NfO verfugte uber verschiedene Tochterorganisationen darunter die sogenannte Nachrichtensaal Organisation an der deutschen Botschaft in Konstantinopel die die Vertretung der Nachrichtenstelle im Osmanischen Reich darstellte Im Verlauf des Ersten Weltkriegs wurden zahlreiche Nachrichtensale Verbindungsburos der NfO in der gesamten Region gegrundet etwa in Tiflis Mossul Damaskus und Jerusalem Fur die Koordination zwischen Berlin und den Stellen im Orient war die deutsche Botschaft verantwortlich So fanden taglich mehrsprachige Berichte des deutschen Generalstabs den Weg bis tief in den Nahen Osten 10 Zur Verbreitung von propagandistischen Publikationen verfugte die Nachrichtenstelle uber eine eigene Vertriebsstelle in Zurich und stand in enger Verbindung zu einigen Buchhandlungen in Lausanne Amsterdam Den Haag und Stockholm Auf diese Weise sollte die deutsche Kriegspropaganda auch im neutralen Ausland Beachtung finden 11 Neben der eigentlichen Propagandatatigkeit ging die NfO auch anderen Aufgaben nach So war die Pflege personlicher Kontakte zu orientalischen Kreisen im Deutschen Reich der osmanischen Regierung und dem neutralen Ausland von grosser Bedeutung Ausserdem wurde in Berlin ein den Orient betreffendes Zeitungsarchiv gegrundet dass vor allem dem Auswartigen Amt zur Verfugung stand und anderen amtlichen Stellen Auskunfte erteilen konnte Zu diesem Zweck beobachtete die NfO die orientalische europaische und amerikanische Presse und gab periodische Ubersichten der russischen tatarischen kaukasischen turkischen persischen und indischen Presse heraus Diese Pressespiegel erleichterten die Arbeit der deutschen Diplomatie und des Generalstabs Die NfO betatigte sich daruber hinaus als offizielle Zensurstelle von auf den Orient bezogene Schriften Filmen und sogar Briefen fur das Auswartige Amt und den Generalstab Ebenso wurde die Korrespondenz der muslimischen Kriegsgefangenen einer Zensur unterzogen 12 Daneben nahm die Nachrichtenstelle auf die deutsche Presse Einfluss um bei dieser eine uberlegtere Wortwahl im Kontext Islam und Osmanisches Reich zu erzielen 13 Personelle Struktur Bearbeiten Die Nachrichtenstelle setzte sich zunachst aus einigen schon langst mit Oppenheim irgendwie verbundenen Personen zusammen 14 Diese arbeiteten auf moglichst kollegialer Basis freiwillig und teilweise sogar unentgeltlich zusammen Je weiter der Krieg fortschritt desto starker wurde der institutionelle Charakter der NfO Im Jahr 1915 waren 15 deutsche und 20 orientalische Mitarbeiter in der Nachrichtenstelle beschaftigt 15 Ausserdem gab es elf gelegentliche Ubersetzer und elf sonstige Angestellte Im Jahr 1918 bestand das Gesamtpersonal aus 59 Personen inklusive einiger Kanzleidiener und Boten Die deutschen Mitarbeiter waren uberwiegend Orientalisten Diplomaten oder Journalisten Leitung der Nachrichtenstelle Bearbeiten Zeitraum Leiter der NfONovember 1914 Marz 1915 Max von Oppenheim 1860 1946 Marz 1915 Februar 1916 Karl Emil Schabinger von Schowingen 1877 1967 Februar 1916 November 1918 Eugen Mittwoch 1876 1942 Im Marz 1915 wurde Max von Oppenheim der Grunder und Initiator der Nachrichtenstelle zur deutschen Botschaft nach Konstantinopel berufen Aus diesem Grund ernannte er seinen Mitarbeiter Karl Emil Schabinger Freiherr von Schowingen fur unbestimmte Zeit zu seinem Vertreter Schabinger war Diplomat und Jurist hatte allerdings bereits wahrend seines Studiums starkes Interesse an Orientalistik entwickelt und bei Martin Hartmann Persisch und Turkisch gelernt Bis zur Grundung der Nachrichtenstelle war Schabinger an der kaiserlichen Gesandtschaft in Tanger Marokko als Dolmetscher tatig gewesen Mit der Ubernahme der Leitung der NfO wurde ihm der Titel Konsul verliehen Schabinger blieb bis zum 22 Februar 1916 im Amt bevor er vom Auswartigen Amt an das deutsche Generalkonsulat nach Jerusalem versetzt wurde Seine Nachfolge trat Eugen Mittwoch an Mittwoch wurde nicht mehr halboffiziell von Oppenheim selbst ernannt sondern vom Auswartigen Amt beauftragt Mittwoch war Professor fur Islamwissenschaften und leitete die NfO bis zu ihrer Auflosung bei Kriegsende In den 1920er Jahren engagierte sich Mittwoch der gleichzeitig ein bedeutender judischer Gelehrter war fur den Aufbau einer judischen Heimstatt in Palastina 1924 baute er als Gastprofessor der Hebraischen Universitat in Jerusalem den dortigen Lehrstuhl fur Semitistik auf Er war einer der ersten Deutschen die fliessend Iwrith sprachen Nach seiner Emigration nach London Ende der 1930er Jahre arbeitete er zusammen mit Ernst Jakch fur die Nahostabteilung des Britischen Informationsministeriums Deutsche Mitarbeiter Bearbeiten Unter den deutschen Mitarbeitern waren die einflussreichen Orientalisten Martin Hartmann Helmuth von Glasenapp und Willy Spatz Martin Hartmann lehrte seit 1887 Arabisch am Orientalischen Seminar in Berlin und setzte sich als Mitbegrunder der Deutschen Gesellschaft fur Islamkunde fur die Anerkennung der Islamkunde als eigenstandige wissenschaftliche Disziplin ein Die Gesellschaft gab die Welt des Islams als Vereinsorgan heraus Fur seine Berufung in die Nachrichtenstelle hatte sich sein ehemaliger Schuler Karl Emil Schabinger von Schowingen eingesetzt 16 Zu den weiteren Mitarbeitern zahlten der aus der Schweiz stammende Journalist Max Rudolf Kaufmann ab 1952 in Bonn Leiter des Orientreferats von Inter Nationes der uber Kontakte zur Presse im Deutschen Reich und dem neutralen Ausland verfugte sowie Nahum Goldmann der spatere Prasident des judischen Weltkongresses der damals als Autor deutscher Propagandaschriften arbeitete Kaufmanns Vater betrieb in Zurich eine Tarnfirma den Orientverlag die Propagandaschriften der Nachrichtenstelle aus der neutralen Schweiz heraus vertrieb 17 Der Schweizer Kaufmann war 1916 in der Turkei verhaftet und nach Deutschland abgeschoben worden weil er Informationen uber den desolaten Zustand der turkischen Truppen an der Kaukasusfront nach Berlin weitergeleitet hatte 18 Er gehorte in Istanbul zum Kreis der Korrespondenten der liberalen Frankfurter Zeitung unter der Fuhrung von Paul Weitz der ein wichtiger Informant der Reichsregierung zu Ereignissen im Balkan und in Nahost war und gleichzeitig ein scharfer interner Kritiker des jungturkischen Regimes und Augenzeuge des Volkermordes an den Armeniern Anatoliens Der junge Orientalist Helmuth von Glasenapp hatte sich zu Kriegsbeginn freiwillig fur den Militardienst gemeldet musste jedoch wegen einer Verletzung nur wenige Wochen spater von der Front zuruckkehren Um dennoch wie er sich wunschte einer kriegswichtigen Beschaftigung nachgehen zu konnen wandte er sich an den personlichen Bekannten seines Vaters Otto Georg Bogislaf von Glasenapp den liberalen Staatssekretar des Kolonialamtes Wilhelm Solf Solf verwies den jungen Glasenapp an Max von Oppenheim der zu diesem Zeitpunkt die NfO grundete Wegen seiner Kenntnisse der Indologie nahm Oppenheim ihn in seinen Mitarbeiterstab auf Glasenapp war in der Nachrichtenstelle fur die Umsetzung der Propaganda in Britisch Indien zustandig und verfugte uber gute Beziehungen zum indischen Nationalkongress Gleichzeitig gehorten die orientalischen Kriegsgefangenen zu seinem Aufgabenfeld So verfasste er die deutschen Texte fur die Gefangenenzeitung 19 Eine Verbindung zwischen den deutschen Mitarbeitern der NfO bestand uber das Seminar fur Orientalische Sprachen in Berlin Diese renommierte akademische Einrichtung brachte viele bedeutende Orientalisten hervor und sorgte fur eine uberdurchschnittlich gute Sprachausbildung zahlreicher deutscher Diplomaten und Kolonialbeamter Das Seminar hatte in der Bildungslandschaft eine Sonderstellung inne und wurde vom Deutschen Reich gemeinsam mit dem Konigreich Preussen betrieben Die finanziellen Mittel stammten aus dem Etat des Auswartigen Amtes Das Seminar fur orientalische Sprachen war im Kaiserreich eine Kaderschmiede fur die deutsche Diplomatie im Osmanischen Reich und somit fur die NfO von herausragender Bedeutung Orientalische Mitarbeiter Bearbeiten nbsp Salih as Sarif at Tunisi Mitarbeiter der Nachrichtenstelle fur den OrientDie rund 20 orientalischen Mitarbeiter der Nachrichtenstelle versuchten durch eine Hinwendung zum Deutschen Reich das sich in der Region einer gewissen Beliebtheit erfreute ihre eigenen Interessen besser zu verfolgen Dies bedeutete eine Gratwanderung zwischen Patriotismus und Unabhangigkeitsstreben einerseits und Kollaboration andererseits Die Leitung der NfO blieb daher stets misstrauisch und uberwachte die Tatigkeit dieser Mitarbeitergruppe sehr genau Die Nachrichtenstelle versuchte ihrerseits auf verschiedenen Wegen muslimische Mitarbeiter anzuwerben Einige kamen auf Empfehlung der osmanischen Seite andere wurden aus den Gemeinden der orientalischen Exilanten u a in der Schweiz durch Mitarbeiter der NfO angeworben Unter den Orientalen die mit der NfO zusammenarbeiteten ist der Tunesier Salih as Sarif at Tunisi 1866 1920 Dieser stammte aus einer traditionsreichen Gelehrtenfamilie und war seit 1889 Professor an der Zitouna Universitat in Tunis 1906 ging er infolge der franzosischen Okkupation Tunesiens ins Exil Er emigrierte zunachst nach Konstantinopel und spater nach Damaskus In dieser Zeit knupfte er Kontakte zu bedeutenden Personlichkeiten des Osmanischen Reichs wie etwa Ismail Enver Dieser vermittelte ihm uber den Botschafter Hans von Wangenheim die Tatigkeit an der Nachrichtenstelle in Berlin Zusammen mit Karl Emil Schabinger von Schowingen reiste er als Propagandist an die Westfront wo versucht wurde muslimische Soldaten des franzosischen Heeres zum Desertieren zu bewegen 20 Spater war Salih as Sarif at Tunisi fur die deutsche Propaganda im sogenannten Weinberglager fur muslimische Kriegsgefangene in Zossen verantwortlich 21 Die deutschen Kriegsgefangenenlager stellten das wichtigste Tatigkeitsfeld fur die orientalischen Mitarbeiter dar Dort verbreiteten sie z B als Imame die Propaganda der Nachrichtenstelle Neben dem Weinberglager in Zossen in dem diese Aufgabe uberwiegend von Tataren wahrgenommen wurde existierte in Wunsdorf das Halbmondlager mit uber 30 000 muslimischen Gefangenen 22 Dort arbeitete der algerische Oberleutnant Rabah Bukabuya fur die Deutschen Er war zur Entente ubergelaufen und trat unter dem Pseudonym El Hadj Abdallah als Prediger und Autor propagandistischer Broschuren auf Ein weiterer bedeutsamer orientalischer Mitarbeiter der NfO war Abd al Aziz Sawis 1876 1929 Nach seiner Ausbildung an der Al Azhar Universitat in Kairo war er Herausgeber der Zeitschrift al Liwa dem Zentralorgan der agyptischen Unabhangigkeitsbewegung geworden und infolgedessen mehrfach von den Briten gefangen genommen worden Fur die Nachrichtenstelle gab er seit 1916 in Berlin die Zeitschrift Die islamische Welt heraus 23 Die NfO arbeitete auch eng mit dem Indian Independence Committee Indisches Unabhangigkeitskomitee zusammen Wahrend der ersten Halfte des Krieges bestanden die wichtigsten Aufgaben des Komitees sowohl aus der Durchsetzung der eigenen antikolonialen Interessen als auch aus der Erfullung der Erwartungen und Ziele des Auswartigen Amts und der NfO Dies zeigt sich in der Involvierung von Mitgliedern des Komitees in Werner Otto von Hentigs Afghanistan Mission und einer am Persischen Golf geplanten Mission in der indische Soldaten davon uberzeugt werden sollten nicht gegen turkische Truppen zu kampfen Die propagandistische Hindi und Urdu sprachige Lagerzeitung Hindostan die im Halbmondlager verteilt wurde entstand in Zusammenarbeit von Mitgliedern des Komitees und der NfO 24 Propaganda der Nachrichtenstelle BearbeitenPropagandamittel Bearbeiten nbsp Die Wahrheit uber den Glaubenskrieg Propagandabroschure der NachrichtenstelleZu den Propagandamitteln der Nachrichtenstelle fur den Orient gehorten Flugblatter Aufrufe Kriegsberichte Zeitschriften und Zeitungen Bucher Broschuren Bilderbogen und sogar Filme 25 Bis Ende 1915 hatte die NfO 386 verschiedene Publikationen in insgesamt 20 Sprachen herausgegeben Die Wahl der Propagandamittel orientierte sich stets am jeweiligen Einsatzgebiet Den grossten Anteil machten die Flugblatter aus die massenweise an den Fronten von Flugzeugen uber feindlichen Stellungen abgeworfen wurden in denen muslimische Soldaten vermutet wurden Die Zielgruppen waren vor allem die Nordafrikaner in der franzosischen Armee Zuaven und Turkos daneben auch Inder in der British Army sowie Georgier und Zentralasiaten in der Kaiserlich Russischen Armee Deutsche Propaganda im verbundeten osmanischen Heer war dagegen strengstens untersagt worden 26 Broschuren und Bucher sollten vor allem im neutralen Ausland Einfluss auf die offentliche Meinung ausuben Die grosste zusammengehorende Publikation der NfO war die Ubersetzung einer umfangreichen Kriegschronik Ab 1916 erschien eine Orientausgabe des Bildwerkes Der grosse Krieg in Bildern in den Sprachen Arabisch Turkisch Persisch und Urdu 27 So stammten nicht alle Veroffentlichungen aus der Feder von Mitarbeitern der Nachrichtenstelle Viele Texte sind anonym verfasst worden oder stammten von muslimischen Gelehrten und wurden lediglich von der NfO auf ihre Tauglichkeit als Propaganda gepruft und danach veroffentlicht Die Einflussnahme auf die Presse war ein weiterer Aspekt der Propaganda Tatigkeit Aus diesem Grund beteiligte sich Max von Oppenheim 1916 an der Grundung einer arabischsprachigen deutsch freundlichen Zeitung mit dem Namen Al Sark in Damaskus Seit diesem Jahr erschien in Berlin auch die persische Zeitung Kaweh in Zusammenarbeit mit der Nachrichtenstelle Daruber hinaus rief die NfO zwei eigene offizielle Organe ins Leben Das Korrespondenzblatt und die Zeitschrift Der Neue Orient Publikationen BearbeitenDer Neue Orient Zeitschrift El Dschihad ZeitschriftSiehe auch BearbeitenStotzingen MissionLiteratur BearbeitenMaren Bragulla Die Nachrichtenstelle fur den Orient Fallstudie einer Propagandainstitution im Ersten Weltkrieg VDM Verlag Dr Muller Saarbrucken 2007 ISBN 978 3 8364 4642 6 Friedrich Dahlhaus Moglichkeiten und Grenzen auswartiger Kultur und Pressepolitik Dargestellt am Beispiel der deutsch turkischen Beziehungen 1914 1928 Europaische Hochschulschriften Reihe 3 Geschichte und ihre Hilfswissenschaften Bd 444 Lang Frankfurt am Main u a 1990 ISBN 3 631 42739 5 Zugleich Munster Universitat Dissertation 1989 Irmgard Farah Die deutsche Pressepolitik und Propagandatatigkeit im Osmanischen Reich von 1908 1918 unter besonderer Berucksichtigung des Osmanischen Lloyd Beiruter Texte und Studien Bd 50 Steiner Stuttgart 1993 ISBN 3 515 05719 6 Zugleich Hamburg Universitat Dissertation 1988 Helmuth von Glasenapp Meine Lebensreise Menschen Lander und Dinge die ich sah Brockhaus Wiesbaden 1964 Gottfried Hagen Die Turkei im Ersten Weltkrieg Flugblatter und Flugschriften in arabischer persischer und osmanisch turkischer Sprache aus einer Sammlung der Universitatsbibliothek Heidelberg Heidelberger orientalistische Studien Bd 15 Eingeleitet ubersetzt und kommentiert Lang Frankfurt am Main u a 1990 ISBN 3 631 42494 9 Peter Hopkirk Ostlich von Konstantinopel Kaiser Wilhelms Heiliger Krieg um die Macht im Orient Europaverlag Wien Munchen 1996 ISBN 3 203 78000 3 Gerhard Hopp Muslime in der Mark Als Kriegsgefangene und Internierte in Wunsdorf und Zossen 1914 1924 Zentrum Moderner Orient Studien 6 Verlag Das Arabische Buch Berlin 1997 ISBN 3 86093 151 2 Samuel Krug Die Nachrichtenstelle fur den Orient im Kontext globaler Verflechtungen 1914 1921 Strukturen Akteure Diskurse Global und Kolonialgeschichte Bd 2 transcript Verlag Bielefeld 2020 ISBN 978 3 8376 5225 3 Zugleich Berlin Freie Universitat Dissertation 2019 Wilfried Loth Marc Hanisch Hrsg Erster Weltkrieg und Dschihad Die Deutschen und die Revolutionierung des Orients Oldenbourg Munchen 2014 ISBN 978 3 486 75570 1 Tilman Ludke Jihad Made in Germany Ottoman and German Propaganda and Intelligence Operations in the First World War Lit Munster 2005 ISBN 3 8258 8071 0 Zugleich Oxford Universitat Dissertation 2001 Herbert Landolin Muller Islam ǧihad Heiliger Krieg und Deutsches Reich Ein Nachspiel zur wilhelminischen Weltpolitik im Maghreb 1914 1918 Europaische Hochschulschriften Reihe 3 Geschichte und ihre Hilfswissenschaften Bd 506 Lang Frankfurt am Main u a 1991 ISBN 3 631 44416 8 Zugleich Freiburg Breisgau Universitat Dissertation 1991 Lothar Rathmann Stossrichtung Nahost 1914 1918 Zur Expansionspolitik des deutschen Imperialismus im Ersten Weltkrieg Rutten amp Loening Berlin DDR 1963 Friedrich Rosen Aus einem diplomatischen Wanderleben Band 3 4 Ende des Kaiserreichs Weimarer Republik Aus dem Nachlass herausgegeben und eingeleitet von Herbert Muller Werth Limes Verlag Wiesbaden 1959 Wolfgang G Schwanitz Islam in Europa Revolten in Mittelost Islamismus und Genozid von Wilhelm II und Enver Pascha uber Hitler und al Husaini bis Arafat Usama Bin Ladin und Ahmadinejad sowie Gesprache mit Bernard Lewis Amerika Nahost Europa Bd 2 Trafo Wissenschaftsverlag Weist Berlin 2013 ISBN 978 3 86464 018 6 Gabriele Teichmann Gisela Volger Hrsg Faszination Orient Max von Oppenheim Forscher Sammler Diplomat DuMont Koln 2001 ISBN 3 7701 5849 0 Weblinks BearbeitenWolfgang G Schwanitz Kaiser Wilhelms Heiliger Krieg Das Erste Panorama Sendungstext PDF 583 kB 12 Mai 2005 Wolfgang G Schwanitz Paschas Politiker und Paradigmen Deutsche Politik im Nahen und Mittleren Orient 1871 1945 In Comparativ 14 1 2004 S 22 45 online 2 2004 PDF 2 2 MB Wolfgang G Schwanitz Die Berliner Djihadisierung des Islam Wie Max von Oppenheim die islamische Revolution schurte PDF 106 kB Konrad Adenauer Stiftung Auslandsinformation 10 2004 insbes S 8ff Peter Heine Die Nachrichtenstelle fur den Orient und die deutsche Offentlichkeit PDF 69 kB Heike Liebau Unternehmungen und Aufwiegelungen Das Berliner Indische Unabhangigkeitskomitee in den Akten des Politischen Archivs des Auswartigen Amts 1914 1920 In MIDA Archival Reflexicon 2019 ISSN 2628 5029 1 11 Glasenapp Stiftung Dschihad fur den deutschen Kaiser In einestages 16 Marz 2010Einzelnachweise Bearbeiten Jens Bisky Von der Pickelhaube zum Stahlhelm Zwanzig Millionen Tote einundzwanzig Millionen Verwundete keine Sieger Das Deutsche Historische Museum in Berlin zeigt eine Ausstellung uber den Ersten Weltkrieg und entlasst den Besucher ratlos In Suddeutsche Zeitung 31 Mai 2014 abgerufen am 30 August 2015 Organisation und Struktur der NfO in Salvador Obernhaus Zum wilden Aufstand entflammen VDN Verlag Dr Muller Saarbrucken 2007 S 280ff Faksimile An den Reichskanzler Von Oppenheims Bericht Nr 48 Die Panislamische Bewegung Kairo den 5 Juli 1898 In Schwanitz Islam in Europa 2013 S 64 65 Max von Oppenheim Die Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde Denkschrift betreffend die Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde s n s l 1914 S 134 Zitiert nach Bragulla Die Nachrichtenstelle fur den Orient 2007 S 3 Bragulla Die Nachrichtenstelle fur den Orient 2007 S 17 Rosen Aus einem diplomatischen Wanderleben Bd 3 4 1959 S 54 Hagen Die Turkei im Ersten Weltkrieg 1990 S 32 ff Bragulla Die Nachrichtenstelle fur den Orient 2007 S 19 Bragulla Die Nachrichtenstelle fur den Orient 2007 S 24 Farah Die deutsche Pressepolitik und Propagandatatigkeit im Osmanischen Reich von 1908 1918 unter besonderer Berucksichtigung des Osmanischen Lloyd 1993 S 241 Bragulla Die Nachrichtenstelle fur den Orient 2007 S 26 Bragulla Die Nachrichtenstelle fur den Orient 2007 S 27 Farah Die deutsche Pressepolitik und Propagandatatigkeit im Osmanischen Reich von 1908 1918 unter besonderer Berucksichtigung des Osmanischen Lloyd 1993 S 240 Karl Emil Frhr Schabinger von Schowingen Weltgeschichtliche Mosaiksplitter Erlebnisse und Erinnerungen eines kaiserlichen Dragomans K F Schabinger Frhr von Schowingen Baden Baden 1967 S 126 Bragulla Die Nachrichtenstelle fur den Orient 2007 S 28 Karl Emil Frhr Schabinger von Schowingen Weltgeschichtliche Mosaiksplitter Erlebnisse und Erinnerungen eines kaiserlichen Dragomans K F Schabinger Frhr von Schowingen Baden Baden 1967 S 153 La Section de Renseignements de l Etat Major general de l Armee suisse au Departement politique Documents Diplomatiques Suisses 1919 7a doc 146 30 Januar 1919 S 291 293 Archives federales suisses No 60002872 Max Rudolf Kaufmann Erlebnisse in der Turkei vor 50 Jahren Zeitschrift fur Kulturaustausch Volume 12 Institut fur Auslandsbeziehungen S 237 241 1962 Glasenapp Meine Lebensreise 1964 S 71 72 Karl Emil Frhr Schabinger von Schowingen Weltgeschichtliche Mosaiksplitter Erlebnisse und Erinnerungen eines kaiserlichen Dragomans K F Schabinger Frhr von Schowingen Baden Baden 1967 S 111 Bragulla Die Nachrichtenstelle fur den Orient 2007 S 36 Hopp Muslime in der Mark 1997 S 71 Bragulla Die Nachrichtenstelle fur den Orient 2007 S 37 Heike Liebau Unternehmungen und Aufwiegelungen Das Berliner Indische Unabhangigkeitskomitee in den Akten des Politischen Archivs des Auswartigen Amts 1914 1920 In MIDA Archival Reflexicon 2019 S 4 6 projekt mida de Hopp Muslime in der Mark 1997 S 23 Bragulla Die Nachrichtenstelle fur den Orient 2007 S 39 Wolfdieter Bihl Die Kaukasuspolitik der Mittelmachte Teil 1 Ihre Basis in der Orient Politik und ihre Aktionen 1914 1917 Veroffentlichungen der Kommission fur Neuere Geschichte Osterreichs 61 Bohlau Wien u a 1975 ISBN 3 205 08564 7 S 104 Zugleich Wien Universitat Habilitations Schrift 1975 Normdaten Korperschaft GND 17256 X lobid OGND AKS VIAF 128421849 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Nachrichtenstelle fur den Orient amp oldid 233600829