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Das Mahrerreich in der Fachliteratur auch Mahrisches Reich Grossmahren Altmahren oder mojmiridisches Mahren war das fruhmittelalterliche Herrschaftsgebilde der westslawischen Mahrer dessen Kerngebiet sich in der historischen Region Mahren und der heutigen Slowakei befand Seine Machtzentren bildeten die Stadte Mikulcice Stare Mesto und Nitra 1 Das Mahrerreich welches das erste bedeutende slawische Staatswesen darstellte 2 bestand in unterschiedlicher Ausdehnung vom 9 Jahrhundert bis Anfang des 10 Jahrhunderts und wurde in dieser Zeit von der Mojmiriden Dynastie regiert Ungefahre Grenzen Mahrens unter Furst Mojmir I ca 830 846 Ungefahre Grenzen Mahrens unter Furst Rastislav 846 870 Ungefahre Grenzen Mahrens und abhangiger Gebiete unter Furst Svatopluk I 871 894 Inhaltsverzeichnis 1 Bedeutung 2 Name 3 Geschichte 3 1 Entstehung 3 2 Blute 3 3 Niedergang 4 Lokalisierungsfrage 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseBedeutung BearbeitenVon grosser kultureller Bedeutung war das Mahrerreich im Zusammenhang mit dem Wirken der byzantinischen Gelehrten und Priester Kyrill und Method welche 863 in Mahren als erstem slawischen Land die von ihnen auf Basis der glagolitischen Schrift kodifizierte altslawische Sprache als Liturgiesprache einfuhrten Diese altslawische Schriftkultur gelangte ab 886 ins Bulgarische Reich wo auch der Ubergang zur kyrillischen Schrift erfolgte und verbreitete sich daruber hinaus zu den Serben Kroaten sowie an der Wende zum 11 Jahrhundert und dann bereits uberwiegend in Gestalt der Kyrilliza in die Kiewer Rus Das Mahrerreich wird heute insbesondere von der Slowakei als eine Art fruher Vorlauferstaat angesehen In gewissem Masse trifft dies auch auf Tschechien zu da Mahren welches dem westlichen Teil des Mahrerreichs entspricht 1019 zu Bohmen kam Die Verfassung der Slowakischen Republik bezieht sich in ihrer Praambel explizit auf das geistige Erbe von Kyrill und Method und das historische Vermachtnis des Grossmahrischen Reiches 3 Name BearbeitenIm Bezug auf die korrekte Bezeichnung des fruhmittelalterlichen mahrischen Staates herrscht unter Historikern Uneinigkeit Der vor allem in der tschechischen und slowakischen Geschichtsschreibung am weitesten verbreitete in zeitgenossischen Quellen des 9 Jahrhunderts jedoch unbekannte Begriff Grossmahren bzw Grossmahrisches Reich wurde von der griechischen Bezeichnung ἡ megalh Morabia des byzantinischen Kaisers Konstantin VII abgeleitet welcher diese Mitte des 10 Jahrhunderts in seinem Werk De Administrando Imperio verwendete Kaiser Konstantin verwendete diesen Begriff jedoch weder im Bezug auf die damalige Grosse des mahrischen Staates noch fur dessen Macht In der Geschichtsschreibung hat sich der Begriff jedoch genau in diesem Verstandnis eingeburgert 4 Die deutsche und osterreichische Historiographie steht diesen Bezeichnungen kritisch gegenuber oder lehnt sie ganz ab Favorisiert werden die Begriffe Mahren oder Mahrerreich So schreibt der renommierte osterreichische Mediavist Herwig Wolfram Trotzdem wird man gut daran tun nicht von einem Grossmahrischen Reich zu sprechen Der Ausdruck den vor allem die nationalistische Geschichtsschreibung liebt besitzt keine zeitgenossische Entsprechung sondern leitet sich von der Grossen Moravia des Konstantinos Porphyrogennetos her Der Kaiser meinte jedoch mit gross dass ein Orts und Landername entweder alter sei oder auslandisch zum Unterschied von klein im Sinne von reichsangehorig 5 Auch Eric J Goldberg lehnt in seiner Studie Ludwig der Deutsche und Mahren welche vom renommierten deutschen Mediavisten Wilfried Hartmann im Sammelband Ludwig der Deutsche und seine Zeit herausgegeben wurde die Begriffe Grossmahren bzw Grossmahrisches Reich ab Die hochtrabende Bezeichnung Grossmahren oder Grossmahrisches Reich ist bei der Bezeichnung dieses slawischen Konigreiches wenig hilfreich da sie auf einer Fehllesung des byzantinischen Traktates De administrando imperio von Kaiser Constantin VII aus dem 10 Jh beruht Constantin VII benutzt den Ausdruck megale Morabia im Sinn von Alt Mahren nicht von Grossmahren 6 Die nationalistische Interpretation des Namens als ein Imperium wurde wissenschaftlich vollkommen diskreditiert 7 Der tschechische Historiker Martin Wihoda verwendet in seiner 2010 zur fruhmittelalterlichen mahrischen Geschichte erschienenen Monographie fast ausschliesslich die Bezeichnung Altmahren Stara Morava 8 Britische und amerikanische Historiker wie Paul M Barford Eric J Goldberg und Alexis P Vlasto verwenden in ihren Arbeiten ausschliesslich die Bezeichnung Mahren Moravia 9 Die slowakische Historiographie halt unterdessen an der traditionellen Bezeichnung Grossmahren slowakisch Veľka Morava fest 10 Der Begriff Mahrerreich wird vom verstorbenen fuhrenden Experten der mahrischen Geschichte dem Historiker Lubomir E Havlik als die korrekte Bezeichnung fur das mahrische Staatsgebilde angesehen als Ergebnis einer Expansion der Mahrer der sich formierenden fruhmittelalterlichen mahrischen Nation 11 In jungeren Studien tschechischer und slowakischer Historiker wird der Begriff Grossmahren ebenfalls zunehmend kritisiert und die Verwendung der Bezeichnung mojmiridisches Mahren mojmirovska Morava als neutralere Alternative vorgeschlagen 12 Die zeitgenossischen lateinischen Quellen erwahnen den mahrischen Staat als das Mahrerreich Regnum Marahensium Regnum Marahaorum Regnum Marauorum Regnum Margorum die Mahrerreiche pl Regna Marahensium Mahrisches Land terra Maraouorum oder einfach als Mahren Marawa Marauia Maraha Daneben sind noch die Bezeichnungen Reich des Rastislav Regnum Rastizi und Reich des Svatopluk Regnum Zwentibaldi uberliefert In den Aufzeichnungen arabischer Handler wird das Land als Mahren M rawa t bezeichnet Die altslawischen Quellen sprechen von dem Mahrischen Land Moravska zeme den Mahrischen Landern pl Moravskyje strany dem Mahrischen Gebiet Moravska oblast den oberen Mahren pl vysneje Moravy oder nur von Mahren Morava Marava Murava 13 In der slowakischen Geschichtsschreibung versuchen manche ultranationalistischen Historiker z B Milan Stanislav Durica das Mahrerreich als einen slowakischen Staat darzustellen und verwenden die Bezeichnung Slowakisches Reich slowakisch Slovenska risa 14 Diese Interpretation wird jedoch vom Historischen Institut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften entschieden abgelehnt 15 Geschichte BearbeitenEntstehung Bearbeiten nbsp Fundamente der mahrischen Burganlage in Mikulcice nbsp Die mahrische Burg Devin in der heutigen Slowakei nbsp Spharisches Gombiki aus dem Archaologischen Park MikulciceWann genau sich der slawische Stamm der Mahrer bildete ist unbekannt Der tschechische Historiker Dusan Trestik vermutet dass sich die Mahrer wahrscheinlich gemeinsam mit den anderen slawischen Stammen an der Wende des 6 Jahrhunderts zum 7 Jahrhundert formierten 16 Schriftliche Zeugnisse uber die Slawen nordlich der Donau in der historischen Region Mahren und der Slowakei beginnen erst im Jahr 822 allerdings lasst sich deren Geschichte schon im 8 Jahrhundert anhand bedeutender archaologischer Quellen zuruckverfolgen Zu dieser Zeit kristallisierten sich entlang des Flusses March slawisch Morava mehrere Zentren heraus so die Burganlagen in Mikulcice Stare Mesto und Olmutz die das weitreichende Gebiet Mahrens beherrschten Auf dem Gebiet der heutigen Slowakei gab es mit Ausnahme der Zentren an der March im 8 Jahrhundert noch keine weiteren Burganlagen 17 Diese entstanden erst zur Wende des 8 zum 9 Jahrhundert nachdem die heutige Westslowakei ausgehend von den Zentren an der March vom Einfluss der Awaren befreit wurde Zu den bedeutendsten Burganlagen auf slowakischem Gebiet gehorten Devin und Nitra 18 Im Jahr 796 wurde das Gebiet der Mahrer dem Bistum Passau unterstellt um das Jahr 800 erfolgte der Bau der ersten christlichen Kirchen 19 Irgendwann zwischen 817 und 822 erkannten die Mahrer die Souveranitat des bayerisch frankischen Konigs Ludwigs des Deutschen uber ihr Gebiet an und 822 nahmen ihre Boten 822 am Landtag in Frankfurt teil 20 Die Bindung an das Ostfrankenreich scheint aber recht schwach entwickelt gewesen zu sein und umfasste moglicherweise neben den Tributzahlungen keine politische und militarische Gefolgschaft worauf mehrere kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Mahrern und Ostfranken im weiteren Verlauf des 9 Jahrhunderts hindeuten 21 Das genaue Datum der mahrischen Staats bzw Reichsgrundung ist umstritten Dusan Trestik geht davon aus dass der mahrische Staatswerdungsprozess ca 790 einsetzte und um etwa 831 unter dem mahrischen Furst Mojmir I um 830 846 abgeschlossen war Nachdem er die Mahrer unter seiner Herrschaft vereint hatte setzte Mojmir 831 eine christliche Massentaufe der mahrischen Fuhrungsschicht durch und ging ab 833 als er den profrankischen mahrischen Lokalfursten Pribina aus Nitra vertrieb auf Konfrontationskurs zum Frankischen Reich 22 In der fruheren Geschichtsschreibung galt traditionell das Jahr 833 als das eigentliche Grundungsdatum Grossmahrens Im slowakischen Standardwerk zum Thema Nitrianske kniezatstvo vertritt der Historiker Jan Steinhubel die These auf dem Gebiet der heutigen Slowakei und Teilen Nordungarns hatte in den Jahren 805 bis 833 ein unabhangiges Furstentum Nitra bestanden das erst 833 von Mojmir I an dessen Mahrerreich angegliedert worden sei Durch den Zusammenschluss dieser beiden Staatsgebilde sei dann der neue grossmahrische Staat entstanden Diese Behauptung wird jedoch von fuhrenden tschechischen und britischen Historikern abgelehnt 23 zumal Steinhubel seine These weder mit schriftlichen noch archaologischen Quellen belegt 24 Im August 846 zog Ludwig der Deutsche mit einem frankischen Heer gegen das Mahrerreich setzte Mojmir ab und installierte dessen Neffen Rastislav 846 870 als neuen mahrischen Herrscher von dem sich Ludwig eine grossere Vasallentreue erhoffte Die genauen Hintergrunde die zur Absetzung Mojmirs I fuhrten sind unter Historikern umstritten Der Historiker Eric J Goldberg vertritt die Auffassung Mojmir sei aufgrund seiner Politik hin zu einem souveranen christlich slawischen Konigreich eine ernste Bedrohung fur Konig Ludwig geworden und deshalb habe dieser ihn abgesetzt Dem halt Dusan Trestik entgegen dass die Formulierung in den Primarquellen zu allgemein sei und Ludwig die Mahrer wohl eher als Teil einer Gesamtoffensive gegen die angrenzenden Slawen attackierte 25 Blute Bearbeiten nbsp Ikone Furst Rastislavs als Heiligen der orthodoxen Kirche nbsp Fresko der Slawenapostel Kyrill und MethodIn den fruhen 850er Jahren begann Rastislav eine zunehmend vom Ostfrankenreich unabhangige Politik zu fuhren Im Jahr 855 zog Ludwig der Deutsche mit einem frankischen Heer gegen die Mahrer wurde aber bei Rastislavs Festung von diesem besiegt In der Folge stellte Rastislav die Tributzahlungen an das Ostfrankenreich vorubergehend ein und verjagte den gesamten bayerischen Klerus aus seinem Land Von geschichtlicher Bedeutung wurde Rastislavs Bemuhen mit Hilfe von Byzanz und der Ostkirche sein Land dem frankischen Einflussbereich zu entziehen Nachdem Papst Nikolaus I Rastislavs Bitte slawischsprachige Priester zum Aufbau einer eigenen mahrischen Kirchenorganisation zu entsenden nicht entsprochen hatte wandte sich Rastislav im Jahr 862 an den byzantinischen Kaiser Michael III Dieser kam den Forderungen des mahrischen Fursten nach und entsandte die byzantinischen Priester und Gelehrten Kyrill und Method die 863 im Mahrerreich ankamen 26 Die von Kyrill mit Hilfe des glagolitischen Alphabets geschaffene altslawische Sprache wurde im Mahrerreich als erstem slawischem Land als Liturgiesprache eingefuhrt Im Jahr 864 griff Ludwig der Deutsche das Mahrerreich an und zwang Rastislav bei der Devin zur Kapitulation Die vertriebenen bayerischen Geistlichen konnten zwar nun nach Mahren zuruckkehren das Wirken Kyrills und Methods sowie der slawischen Liturgie blieb aber weiterhin bestehen Kyrill und Method gingen 867 nach Rom um dort ihre slawische Liturgiesprache durch den Papst gegenuber dem bayerischen Klerus legitimieren zu lassen Im selben Jahr erhob Papst Hadrian II die slawische Liturgiesprache als mit dem Lateinischen dem Griechischen und dem Hebraischen gleichberechtigt 27 Zwei Jahre spater starb Kyrill in Rom sein Bruder Method wurde 870 zum mahrischen Erzbischof 28 des Mahrerreiches und des Plattensee Furstentums 29 ernannt konnte aber erst 873 nach einer dreijahrigen Inhaftierung in Bayern nach Mahren zuruckkehren nbsp Reiterstatue von Furst Svatopluk I auf der Burg Bratislava nbsp Der papstliche Brief Scire vos volumus an Svatopluk aus dem Jahr 879Im Mahrerreich war es wahrenddessen zu einem Machtwechsel gekommen Nachdem Ludwig der Deutsche bei einem weiteren Angriff auf Mahren 869 erneut von Rastislav geschlagen worden war nutzte er dessen Mitregenten und Neffen Svatopluk I um Rastislav 870 abzusetzen und das Mahrerreich zu besetzen Nachdem 871 auch Svatopluk von den Ostfranken des Verrats beschuldigt und als mahrischer Herrscher abgesetzt und verschleppt worden war brach unter Fuhrung des mahrischen Fursten Slavomir ein erfolgreicher antifrankischer Aufstand aus in dessen Folge Svatopluk entlassen wurde und sich erneut als Furst des Mahrerreiches durchsetzen konnte 30 Svatopluk vernichtete noch 871 das frankische Besatzungsheer und schloss 874 mit Ludwig dem Deutschen ein Friedensabkommen das ihm unter Beibehaltung der Treue gegenuber den Franken und der Abfuhrung von Tributzahlungen eine weitgehende Handlungsfreiheit ermoglichte Nach dem Abkommen begann Svatopluk mit einer zugigen Ausdehnung des Mahrerreiches durch Eroberungskriege und Heiratspolitik In der Zeitspanne von 874 bis 884 konnte er so Wislanien Pannonien das hintere Theissland Schlesien Bohmen und die Lausitz dem Mahrerreich einverleiben 31 Das so geschaffene slawische Grossreich umfasste etwa 350 000 km mit ungefahr einer Million Einwohnern 32 Die Angriffe des neuen ostfrankischen Konigs Arnulf von Karnten und das von diesem nach Mitteleuropa gerufene nomadische Reitervolk der Magyaren in den Jahren 892 bis 893 wehrte Svatopluk erfolgreich ab 33 In der Kirchenpolitik verfolgte er eine am Vatikan orientierte Linie und bat diesen 880 das Mahrerreich direkt unter die Schutzherrschaft des Heiligen Stuhls zu stellen Im selben Jahr entsprach der Papst mit seinem Schreiben Industriae tuae Svatopluks Ersuchen und erkannte damit das Mahrerreich als unabhangigen Staat an 34 Nach dem Tod Erzbischof Methods 885 verbot Svatopluk auf Wunsch von Papst Stephan V die unter Rastislav eingefuhrte altslawische Liturgie und ersetzte sie wieder durch die lateinische 886 folgte dann eine Massenvertreibung der mahrischen Priester die an der slawischen Liturgie festhalten wollten 35 Niedergang Bearbeiten nbsp Kirche in Kopcany das einzige erhaltene Gebaude aus der Zeit des Mahrerreiches nbsp Mahrischer Schmuck aus dem 9 Jhdt Armreifen mit byzantinischem DoppelkreuzIm Jahr 894 starb Furst Svatopluk I sein Nachfolger auf dem mahrischen Thron wurde sein altester Sohn Mojmir II 894 902 7 Dieser sah sich sofort einer Reihe ernster Probleme gegenuber so der Loslosung eroberter Territorien dem Druck des Ostfrankenreiches der stetig steigenden magyarischen Gefahr sowie innerstaatlichen Konflikten Laut Dusan Trestik gelang es Mojmir II jedoch von Beginn an diese geschickt zu bewaltigen Noch im Todesjahr seines Vaters schloss er einen Friedensvertrag mit dem ostfrankischen Konig Arnulf von Karnten um seine Machtubernahme im Mahrerreich gesichert antreten zu konnen 36 Nachdem 893 der furs Mahrerreich zustandige Bischof Wiching zu Konig Arnulf ubergelaufen war verfugten die Mahrer uber keinen anerkannten Bischof In einem 898 899 an den Papst gerichteten Brief ersuchte Mojmir II diesen um die Erneuerung des mahrischen Erzbistums Der Papst entsprach der Bitte Mojmirs II und entsandte den Erzbischof Johannes und die Bischofe Benedikt und Daniel nach Mahren 37 Im Jahr 895 sagten sich die Bohmen vom Mahrerreich los worauf Mojmir II einen vergeblichen Ruckeroberungsfeldzug gegen sie fuhrte Im Jahr 896 siedelten sich mit Erlaubnis der Mahrer die Magyaren im hinteren Theissland an und unternahmen mit den Mahrern gemeinsame Plunderungszuge gegen die Franken 897 erklarten sich auch die Sorben fur vom Mahrerreich unabhangig Im Mahrerreich selbst kam es unterdessen 899 zu einem Burgerkrieg zwischen Mojmir II und seinem wahrscheinlich in Nitra residierenden Bruder Svatopluk II 894 899 wahrend dem eine von Arnulf entsandte bayerische Armee den besiegten Svatopluk II befreite und nach Bayern brachte Im Jahr 900 besetzten die Magyaren nach einem Feldzug in Italien das frankische Pannonien um sich definitiv im Karpatenbecken niederzulassen 38 Laut dem tschechischen Historiker Martin Wihoda zwang das zunehmende Selbstvertrauen der Magyaren die Mahrer zum Handeln Zu Beginn des Jahres 901 schloss Mojmir II einen Friedensvertrag mit den Bayern und wehrte mit deren Hilfe 902 einen magyarischen Angriff aus dem von diesen beherrschten Pannonien ab Die mit dem beiderseitigen Friedensschluss aufgekommene Stabilitat im mittleren Donaugebiet begunstigte in den nachsten Jahren auch den bayerisch mahrischen Handel wie ihn die Raffelstettener Zollordnung nachweist Im Jahr 904 wurde jedoch der magyarische Furst Kursan bei einer Festtafel in Bayern ermordet woraufhin sich die Rache der Magyaren nicht nur gegen die Bayern sondern auch gegen das mit diesen Verbundete Reich Mojmirs II richtete 39 Dusan Trestik vermutet dass das mahrische Heer 905 906 in einer einzigen Schlacht bei Nitra von den Magyaren vernichtet wurde in deren Verlauf auch Mojmir II starb Infolge dieser Katastrophe soll das Mahrerreich archaologischen Quellen zufolge in Chaos und heidnischen Aufstanden versunken sein Die vernichtende Niederlage der Bayern bei der Schlacht von Pressburg im Jahr 907 bei der diese nochmals versuchten die alten Verhaltnisse wiederherzustellen bedeutete den endgultigen Fall des Mahrerreiches 40 Da die Sachsengeschichte im Jahr 906 von einem Sieg der Mahrer uber die Magyaren berichtet aussern manche Historiker die Vermutung das Mahrerreich habe auch nach 906 bzw 907 fortbestanden So vertritt etwa Lubomir E Havlik die These das Mahrerreich sei erst zwischen 924 926 von den Magyaren zu Tributzahlungen genotigt worden die mahrische Kirchenorganisation habe uberdauert und die alten Herrscherschichten waren erst 1055 vom bohmischen Herzog Spytihnev II beseitigt worden 41 Havlik argumentiert damit dass spatere schriftliche Quellen fur 910 vier in Mahren siedelnde Bischofe erwahnen der mahrische Erzbischof Johannes Jan sein Amt bis 925 innegehabt haben soll und in Salzburg von 925 927 ein gewisser Mojmir und von 925 931 ein gewisser Svatopluk auf Dokumenten als Zeugen gefuhrt werden Dabei soll es sich um Angehorige der Mojmiriden Dynastie gehandelt haben die in Folge eines magyarischen Angriffs auf das mahrische Gebiet 924 925 ins Exil gefluchtet waren 42 Daruber hinaus sagte ein magyarischer Kriegsgefangener noch 942 in Spanien aus dass sich nordlich des Siedlungsgebietes der Magyaren eine Stadt ein Land namens Morava Mahren befindet 43 Lokalisierungsfrage BearbeitenDie geographische Lage des mahrischen Kerngebietes wurde lange Zeit unumstritten im Suden der historischen Region Mahren und der angrenzenden Slowakei entlang des Flusses March slawisch Morava lokalisiert Imre Boba postulierte ab 1971 dass sich das Mahrerreich in sudslawischem Gebiet entlang des in Serbien liegenden Flusses Morava erstreckt haben soll Der deutsche Historiker Martin Eggers verlegte dann die Lage des mahrischen Kerngebietes in den 1990er Jahren entlang des Flusses Theiss Zu den beiden letztgenannten Theorien fehlen jedoch vollkommen die im traditionellen Mahren zahlreich vorhandenen archaologischen Funde aus dem 9 Jahrhundert besonders in den Burgen Veligrad Stare Mesto und Morava Mikulcice Valy Auch militarische Ereignisse wie z B die Vertreibung des Fursten Pribina aus Nitra oder der Krieg mit einem Fursten von Krakau und der Anschluss Bohmens durch Svatopluk I lassen sich eher aus dem traditionellen Mahren heraus vermuten Daruber hinaus wird das Mahrerreich in einer Beschreibung Alfreds des Grossen um 890 44 als Maroara klar auf dem traditionellen westslawischen Territorium in geographischem Kontakt mit Bohmen lokalisiert 45 Literatur BearbeitenDeutsch Stefan Albrecht Geschichte der Grossmahrenforschung in den tschechischen Landern und der Slowakei Slovansky ustav Prag 2003 Robert Antonin et al The Great Moravian tradition and memory of Great Moravia in the medieval Central and Eastern Europe Die Grossmahrische Tradition und Gedachtnis an Grossmahren im Mittelalterlichen Ostmitteleuropa Slezska univerzita Opava 2014 ISBN 978 80 7510 091 7 Wolfgang H Fritze Grossmahren und die Slawen an Elbe und Ostsee In Ders Fruhzeit zwischen Ostsee und Donau Ausgewahlte Beitrage zum geschichtlichen Werden im ostlichen Mitteleuropa vom 6 bis zum 13 Jahrhundert Herausgegeben von Ludolf Kuchenbuch und Winfried Schich Berliner Historische Studien Band 6 Duncker amp Humblot Berlin 1982 ISBN 3 428 05151 3 S 100 110 Frantisek Graus Die Nationenbildung der Westslawen im Mittelalter Nationes Band 3 Jan Thorbecke Sigmaringen 1980 ISBN 3 7995 6103 X Tomas Konig The Great Moravian territory of Nitra Cultural manifestations territorial scope and the ethnic and social political identity of its population In Muzeologia a kulturne dedicstvo Band 5 Nr 2 2017 S 9 28 Jan Filip Bohmen und Mahren In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 3 Walter de Gruyter Berlin New York 1978 ISBN 3 11 006512 6 S 129 157 Lumir Polacek Grossmahrisches Reich In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 13 Walter de Gruyter Berlin New York 1999 ISBN 3 11 016315 2 S 78 85 Lumir Polacek Petr Veleminsky Mikulcice und die Problematik der Sozialstruktur Grossmahrens Moglichkeiten und Grenzen der Untersuchung In Felix Biermann Thommas Kersting Anne Klammt Soziale Gruppen und Gesellschaftsstrukturen im westslawischen Raum Beitrage zur Ur und Fruhgeschichte Mitteleuropas Band 70 Beier amp Beran Archaologische Fachliteratur Langenweissbach 2013 ISBN 978 3 941171 85 5 S 405 422 Radoslav Vecerka Anmerkungen zu so genannten Moravismen im Altkirchenslavischen In Irina Podtergera Hrsg Schnittpunkt Slavistik Ost und West im wissenschaftlichen Dialog Festgabe fur Helmut Keipert zum 70 Geburtstag Band 2 Einflussforschung V amp R unipress u a Gottingen u a 2012 ISBN 978 3 89971 972 7 S 405 414 Herwig Wolfram Hrsg Salzburg Bayern Osterreich Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum und die Quellen ihrer Zeit Mitteilungen des Instituts fur Osterreichische Geschichtsforschung Erganzungsband 31 Oldenbourg Wien u a 1995 ISBN 3 7029 0404 2 Englisch Paul M Barford The Early Slavs Culture and Society in Early Medieval Eastern Europe Cornell University Press Ithaca NY 2001 ISBN 0 8014 3977 9 Nora Berend Przemyslaw Urbanczyk Przemyslaw Wiszewski The Slavs and the Carpathian 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letztenmal uber den weitgereisten Method und die Lage Altmahrens In Byzantinoslavica 57 1996 ISSN 0007 7712 S 188 193 Charles R Bowlus Franks Moravians and Magyars The Struggle for the Middle Danube 788 907 University of Pennsylvania Press Philadelphia PA 1995 ISBN 0 8122 3276 3 Martin Eggers Das Grossmahrische Reich Realitat oder Fiktion Eine Neuinterpretation der Quellen zur Geschichte des mittleren Donauraumes im 9 Jahrhundert Monographien zur Geschichte des Mittelalters Bd 40 Hiersemann Stuttgart 1995 ISBN 3 7772 9502 7 Zugleich Munchen Universitat Dissertation 1991 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Grossmahren Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Fruhmittelalter in Tschechien Grossmahren Informationen auf Tschechisch Deutsch und Englisch Ausfuhrliche Chronologie auf Englisch Rekonstruktion einer Grossmahrischen Siedlung bei Modra Sudmahren auf Tschechisch Peter Morvay Podcast Veľka Morava existovala len kratko a urcite nebola slovenska Podcast Grossmahren existierte nur kurz und war sicher nicht slowakisch In dennikn sk 22 Dezember 2017 abgerufen am 1 Janner 2020 22 26 Uhr slowakisch Einzelnachweise Bearbeiten Havlik Kronika o Velke Morave S 177 178 Grossmahren und die Slawen an Elbe und Ostsee In Wolfgang Hermann Fritze et al Fruhzeit zwischen Ostsee und Donau Ausgewahlte Beitrage zum geschichtlichen Werden im ostlichen Mitteleuropa vom 6 bis zum 13 Jahrhundert Duncker amp Humblot 1982 S 109 Verfassung der Slowakischen Republik vom 1 September 1992 Abgerufen am 30 Juli 2013 19 08 Trestik Pocatky Premyslovcu 263 Wolfram Osterreichische Geschichte S 317 Goldberg Ludwig der Deutsche und Mahren S 75 Anm 24 Nora Berend Przemyslaw Urbanczyk Przemyslaw Wiszewski Central Europe in the High Middle Ages Bohemia Hungary and Poland c 900 c 1300 Cambridge University Press 2013 S 57 siehe Wihoda Morava v dobe knizeci siehe Barford The Early Slavs Goltberg Struggle for Empire und Vlasto The Entry of the Slavs siehe dazu das Standardwerk von Jan Steinhubel Nitrianske kniezatstvo Havlik Svatopluk Veliky S 45 So der slowakische Historiker Miroslav Lysy vgl Peter Morvay Podcast Veľka Morava existovala len kratko a urcite nebola slovenska Podcast Grossmahren existierte nur kurz und war sicher nicht slowakisch In Dennik N 22 Dezember 2017 abgerufen am 14 Juni 2022 Havlik Kronika o Velke Morave S 354 355 siehe Milan S Durica Dejiny Slovenska S 44 45 Frank Hadler Das Grossmahrische Reich tschechoslowakischer oder slowakischer Ur Staat Deutungskampfe im 20 Jahrhundert In Dietmar Willoweit Hans Lemberg Hrsg Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa Historische Beziehungen und politische Herrschaftslegitimation Oldenbourg Verlag 2006 S 360 Trestik Pocatky Premyslovcu S 270 Trestik Vznik Velke Moravy S 107 Trestik Vznik Velke Moravy S 109 u 112 Trestik Pocatky Premyslovcu S 268 Trestik Vznik Velke Moravy S 125 Martin Wihoda After Avars The Beginning of the Ruling Power on the Eastern Fringe of Carolingian Empire In Rulership in Medieval East Central Europe Power Rituals and Legitimacy in Bohemia Hungary and Poland Brill Leiden Boston 2022 ISBN 978 90 04 50011 2 S 66 Trestik Vznik Velke Moravy S 107 Trestik Pocatky Premyslovcu S 271 Goldberg Struggle for Empire S 138 Havlik Kronika o Velke Morave S 103 Trestik Vznik Velke Moravy S 131 Trestik Pociatky Premyslovcu S 271 Vlasto The Entry Slavs S 24 Rezension zu Steinhubels Arbeit von Beata Pinterova In Sudost Forschungen 67 Bratislava 2008 S 17 PDF 483 kB Goldberg Struggle for the Empire S 138 Trestik Vznik Velke Moravy S 147 155 Trestik Pocatky Premyslovcu S 272 Hoensch Geschichte Bohmens S 36 Kovac Dejiny Slovenska S 30 Havlik Svatopluk Veliky S 27 Havlik Svatopluk Veliky S 8 Trestik Vznik Velke Moravy S 199 200 Trestik Pociatky Premyslovcu S 280 281 Havlik Kronika o Velke Morave S 363 Steinhubel Nitrianske kniezatstvo S Trestik Pociatky Premyslovcu S 280 282 Havlik Svatopluk Veliky S 91 93 Trestik Pociatky Premyslovcu S 284 Trestik Pocatky Premyslovcu S 285 Vlasto The Entry of the Slavs S 83 Trestik Pocatky Premyslovcu S 285 Wihoda Morava v dobe knizeci S 87 Trestik Pocatky Premyslovcu S 286 287 Wihoda Morava v dobe knizeci S 87 89 Havlik Kronika o Velke Morave S 303 308 Havlik Kronika o Velke Morave S 309 Reise des Wulfstan von Haithabu Vecerka Anmerkungen zu sogenannten Moravismen S 405 406 Normdaten Geografikum GND 4134308 6 lobid OGND AKS VIAF 316639017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mahrerreich amp oldid 237375721